Generation Praktikum, prekäre Beschäftigung oder der künftige Bodensatz der Gesellschaft. Niemals zuvor waren Kategorisierungen von Berufseinsteigern negativer gefärbt als heute: Hochschulabsolventen hangeln sich von Praktikum zu Praktikum, ohne dass ihnen dabei zunächst die Chance auf eine ihrer Qualifikationen entsprechende Stelle geboten wird. Junge, ausgebildete Menschen arbeiten in Beschäftigungsverhältnissen, die befristet sind und zudem nicht genügend Ertrag bringen, den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Und Hauptschüler geraten immer mehr in die Diskussion: Ist ihr Abschlusszeugnis überhaupt noch etwas wert oder bleibt ihnen der Zugang in eine Erwerbsbiographie auf Lebenszeit versagt? Die meisten jungen Menschen haben derzeit Angst, niemals eine dauerhaft existenzsichernde Beschäftigung zu bekommen. „An Stelle des früher nahtlosen Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt ist eine Kluft getreten. Viele SchulabgängerInnen fragen sich Jahr für Jahr, wie sie diese überwinden können. Finden sie keine konkreten Antworten auf ihre Fragen, machen sich leicht Frust, Resignation und Perspektivlosigkeit unter ihnen breit“, schreibt Günter Thoma in seinem Artikel über den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Aus Politik und Zeitgeschichte. Es gibt offenkundig eine gefühlte Schieflage beim Übergang in das Berufsleben, die aus den aktuellen Problemen des deutschen Arbeitsmarktes erwächst. Vor mehr als einem halben Jahrzehnt hat sich eine hitzige Debatte um die Karrierechancen junger Menschen entzündet, die Wissenschaft, Politik und Medien erfasst hat. Bereits zur Jahrtausendwende lagen angesichts steigender Perspektivlosigkeit neue Modelle zur Zukunft und gesellschaftlichen Relevanz von Arbeit vor. So versuchte der Soziologe Ulrich Beck 1999 eine „Vision der Weltbürgerschaft“ zu entwerfen, in der neue Arbeitsformen in der deutschen Gesellschaft skizziert wurden.
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort: Zur gegenwärtigen Situation der Berufsfindung junger Menschen .
2 Steigerung der Anforderungen - Zur Erörterung des Forschungsgegenstandes
2.1 Thesenerörterung und Argumentationsverlauf
2.2 Der aktuelle Forschungs- und Diskussionsstand
2.3 Mannesmann, Sparkasse Neuss: Zwei Unternehmen - zwei Recherchefelder
3 Mannesmann - Ein Konzern und seine Bewerber seit 1965
3.1 Geschichte Mannesmanns nach dem Zweiten Weltkrieg
3.1.1 Der Konzern und seine Beschäftigungszahlen bis zur Zerschlagung 2001
3.1.2 Zur Geschichte des Einstellungsbedarfs junger Menschen bei Mannesmann
3.1.3 Darstellung der Berufsprofile
3.2 Anforderungen an die jungen Bewerber seit 1965
3.2.1 Kaufmännisch und gewerblich-technisch - was wird untersucht?
3.2.2 1967/68 - Lehrlingsmangel und Unterdeckung des eigenen Bedarfs
3.2.3 1977/78 - Interesse und Qualität steigen
3.2.4 1987/88 - Die Chancen der Hauptschüler sinken weiter
3.2.5 1997/1998 - Kommunikation braucht Bildung: Was Schüler mitbringen
3.2.6 Erstes Zwischenfazit: Wie sich der Zugang zur Berufsausbildung verändert hat
3.3 Welche Chancen haben Hochschulabsolventen?
3.3.1 Die Telekommunikation boomt - Die Mitarbeiterzahlen von 1990 - 1999
3.3.2 Mannesmann-Telekommunikation schreibt Stellen aus - Was sind die Kriterien?
3.3.3 Kurz vor der Zerschlagung: Wer wird gesucht?
3.4 Wandel bei den mitgebrachten Qualifikationen: Kontinuität der Anforderungssteigerung
4 Lehrjahre in der Sparkasse Neuss - Wie sich Berufszugang verändert
4.1 Zur Sparkasse Neuss - Größe, Auszubildendenbedarf, Umsatz
4.1.1 Formale Kriterien zur Einstellung von Schulabgängern als Auszubildende
4.1.2 Auf Herz und Nieren: Bewerber im Assessment-Center
4.1.3 Wer kommt durch? - Eignungen der Bewerber nach Schulformen
4.2 Gründe für die verschärften Einstellungskriterien
5 Ergebnisse der Untersuchungen bei Mannesmann und Sparkasse Neuss
6 „Generation Praktikum“ - Das Problem hoch qualifizierter Berufseinsteiger
6.1 Was kommt danach - und gibt es überhaupt eine Generation Praktikum?
6.1.1 Wandel des Begriffs Praktikum und seine Bedeutung
6.1.2 Wie lässt sich die Generation Praktikum derzeit belegen?
6.1.3 Das mediale „Phänomen“ Generation Praktikum
6.2 Die Bedeutung von prekären Übergangsphasen auf die Einstellungskriterien
7 Mobilität und Flexibilität - Zwei weitere Kriterien für den erfolgreichen Berufseinstieg
8 Wenn die Kriterien zu hoch sind - Betrug im Lebenslauf?
9 Folgen des Wandels der Einstellungskriterien
9.1 Sammeln von Fähigkeiten
9.2 Verlierer der Jagd nach dem berufsgebenden Curriculum Vita
9.3 Folgen in der bundesdeutschen Gesellschaft und ihrer Politik
9.4 Zur Zukunft der Arbeit: Neue Formen oder Spiel auf Zeit?
10 Ausblick
10.1 Forschungsrelevante Aspekte
10.2 Schlussbetrachtung: Was passiert nach dem Abschluss?
11 Literatur und Quellen
11.1 Archivmaterial und Quellen
11.2 Monographien, Aufsätze, Studien
11.3 Zeitungs- und Magazinartikel, Mitteilungen
11.4 Interviews
12 Interviewanhang
1 Vorwort: Zur gegenwärtigen Situation der Berufsfindung junger Menschen
Generation Praktikum, prekäre Beschäftigung oder der künftige Bodensatz der Gesellschaft. Niemals zuvor waren Kategorisierungen von Berufseinsteigern negativer gefärbt als heute: Hochschulabsolventen hangeln sich von Praktikum zu Praktikum, ohne dass ihnen dabei zu- nächst die Chance auf eine ihrer Qualifikationen entsprechende Stelle geboten wird. Junge, ausgebildete Menschen arbeiten in Beschäftigungsverhältnissen, die befristet sind und zudem nicht genügend Ertrag bringen, den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Und Hauptschüler geraten immer mehr in die Diskussion: Ist ihr Abschlusszeugnis überhaupt noch etwas wert oder bleibt ihnen der Zugang in eine Erwerbsbiographie auf Lebenszeit versagt?
Die meisten jungen Menschen haben derzeit Angst, niemals eine dauerhaft existenzsichernde Beschäftigung zu bekommen. „An Stelle des früher nahtlosen Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt ist eine Kluft getreten. Viele SchulabgängerInnen fragen sich Jahr für Jahr, wie sie diese überwinden können. Finden sie keine konkreten Antworten auf ihre Fragen, ma- chen sich leicht Frust, Resignation und Perspektivlosigkeit unter ihnen breit“, schreibt Günter Thoma in seinem Artikel über den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Aus Politik und Zeitgeschichte.1 Es gibt offenkundig eine gefühlte Schieflage beim Übergang in das Berufsle- ben, die aus den aktuellen Problemen des deutschen Arbeitsmarktes erwächst.
Vor mehr als einem halben Jahrzehnt hat sich eine hitzige Debatte um die Karrierechancen junger Menschen entzündet, die Wissenschaft, Politik und Medien erfasst hat. Bereits zur Jahrtausendwende lagen angesichts steigender Perspektivlosigkeit neue Modelle zur Zukunft und gesellschaftlichen Relevanz von Arbeit vor. So versuchte der Soziologe Ulrich Beck 1999 eine „Vision der Weltbürgerschaft“ zu entwerfen, in der neue Arbeitsformen in der deutschen Gesellschaft skizziert wurden.2
Mit dem Zusammenbruch der New Economy, jener Goldgräberstimmung an der Börse zum Ende des vergangenen Jahrzehnts, spitzte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt und in der deutschen Wirtschaft dramatisch zu. Galt die New Economy damals als Aufbruch in eine neue liberalisierte und globalisierte Welt, so traten die eigentlichen Probleme der Bundesrepublik nach ihrem Aus schmerzhaft zu Tage: Unternehmen mussten Stellen streichen, an neue Ar- beitsplätze war kaum mehr zu denken und die finanzielle Lage des Staates spitzte sich immer mehr zu, so dass er seiner sozialen Verantwortung gegenüber seinen Bürgern immer weniger nachkommen kann. Besonders für die Generation derer, die in der Arbeitslosenstatistik als Jugendliche unter 25 geführt werden, war und ist diese schlechter gewordene Arbeitsmarktsi- tuation ein enormer Schlag. Der Übergang nach Studium oder Schule in den Beruf verläuft aufgrund des akuten Stellenmangels eben nicht mehr reibungslos. Neue Gesetze für den Ar- beitsmarkt, die Einführung von Arbeitslosengeld II, der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, sorgen obendrein für Verunsicherung, ob die Zukunft finanzielle Sicherheit verspricht. Beck empfahl bereits 2001, die ehrenamtliche Tätigkeit aufzuwerten, sie zum ge- sellschaftlich anerkannten Erwerbsersatz zu erklären. Er nannte sie „Bürgerarbeit“: „Bürger- arbeit wird nicht entlohnt, aber belohnt. Und zwar immateriell, zum Beispiel durch den Er- werb von Qualifikationen, durch Ehrungen oder das Anerkennen von Rentenansprüchen und Sozialzeiten.“3
Dies ist nur ein beispielhafter Ansatz aus der breiten Diskussion über die Beschäftigungsverhältnisse junger Menschen und wie eine neue Sicherheit bei denjenigen entstehen könnte, deren berufliche Zukunft gefährdet ist. Ob Becks Ansatz dabei eine wirkliche Lösung darstellt, bleibt allerdings zu bezweifeln.
Der wahrscheinlich stärkste Ausdruck dieser Verunsicherung waren die Proteste in Frank- reich: So gingen dort im März 2006 Tausende auf die Straße, als der Kündigungsschutz für Berufseinsteiger beschnitten werden sollte. Viele Studenten waren unter den Demonstranten gegen den so genannten „ Contract Premi é re Embauche “. Frankreichs Premierminister Domi- nique de Villepin wollte Unternehmen die Möglichkeit geben, Berufseinsteigern innerhalb ei- ner Probezeit von zwei Jahren ohne Angabe von Gründen kündigen zu können. Was de Ville- pin als Einstellungsanregung für die französische Wirtschaft verstand, brachte junge Men- schen auf die Barrikaden. Im Kern ging es dabei nicht um das Gesetz selber, sondern es war nur ein vorgeschobener Anlass für den Protest einer verunsicherten Generation gut ausgebil- deter Menschen. Denn für diese war das Gesetz weitaus weniger problematisch, als für die ge- ring qualifizierten Arbeitnehmer, die auch in dem deutschen Nachbarland kaum mehr auf dauerhafte Beschäftigung hoffen können. So kam die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszei- tung“ im März 2006 zu folgendem Urteil: „In Frankreich steigt die Jugend auf die Barrikaden. Dabei geht es nur vordergründig um ein umstrittenes Gesetz. Die meisten sehnen sich nach Neuem - und suchen doch die Sicherheit.“4 Das Gesetz war schlicht als weiterer Bruch im Streben nach dauerhafter Sicherheit verstanden worden und nicht als Chance, dass dadurch der Berufseinstieg vielleicht einfacher werden könnte.
Was in Frankreich Ausdruck kollektiver Wut war, wurde in der Bundesrepublik zwar breit diskutiert, denn auch in Deutschland existieren, wie beschrieben, ähnliche Probleme. Nur gab es hier keine Streiks, keine Auseinandersetzungen zwischen einer verunsicherten Generation und ihrer Regierung.5 Den auch hierzulande geführten publizistischen Debatten schlossen sich keine großen Demonstrationen wie in Frankreich an. Doch was fordert einen solchen Protest eigentlich heraus? Warum ist die heutige Jugend verunsichert? Eine Antwort lässt sich durch- aus in den deutlich gestiegenen Anforderungen für Berufsanfänger finden. Die klassischen Lebensläufe, die nach fertiger Ausbildung eine lebenslange Erwerbsbiographie in Aussicht stellten, funktionieren in dieser einfachen Form wohlmöglich nicht mehr. Der von den Eltern vorgelebte Entwurf einer lebenslangen Erwerbsbiographie ist auf die Kinder nicht mehr über- tragbar.
Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag zur Ursachenforschung für die gefühlte Verunsiche- rung junger Menschen leisten. Ziel ist es, mit historischen Vergleichen einen exemplarischen Überblick über den Wandel der Einstellungskriterien junger Menschen zu geben. Dazu wird eine Untersuchung zweier Unternehmen und ihrer Einstellungsvorgaben für Absolventen von Schule und Hochschule unternommen, ein Überblick der jüngsten Diskussion in Presse, Hör- funk und Fernsehen gegeben sowie neuere sozialwissenschaftliche Thesen dargestellt. An die- sem Material wird sich dann ersehen lassen, dass sich in den vergangenen vier Jahrzehnten bei den Einstellungskriterien gravierende Veränderungen ergeben haben, aber die Wertvor- stellungen hinsichtlich der eigenen beruflichen Perspektiven zu stagnieren scheinen.
2 Steigerung der Anforderungen - Zur Erörterung des Forschungsgegenstandes
„Obwohl verlängerte Ausbildungszeiten, späterer Berufseintritt, eine größere Vielfalt von Le- bensformen junger Erwachsener, spätere Heirat und ein späteres Erstgeburtenalter insgesamt ein europäisches Muster sind, zeigen einzelne europäische Länder in diesem gleichförmigen Muster doch erhebliche Differenzen.“6 So beschreibt der aktuelle Familienbericht der Bundes- regierung die gegenwärtige Situation junger Menschen in Europa und Deutschland. In Deutschland ist dieses Muster besonders stark ausgeprägt. Der demographische Wandel in der Bundesrepublik Deutschland lässt sich zum Teil auch an diesen Faktoren bemessen und erklä- ren. Aber der Bericht liefert auch Belege dafür, dass junge Menschen nicht mehr in solch jun- gen Jahren ihre Ausbildung beenden wie ihre Eltern, sondern sie müssen, um in ein festes, ge- sichertes Arbeitsverhältnis wechseln zu können, nun eine Vielzahl an Qualifikationen aufwei- sen, die einen Zugang zu einer soliden Erwerbsbiographie ermöglichen. Dadurch verlängert sich, wie der Bericht erwähnt, auch die Ausbildungszeit.7 Denn der Arbeitsmarkt bietet bis- weilen nur noch Sicherheit für Hochqualifizierte. In dem Familienbericht werden zwar keine genauen Analysen über den Berufseinstieg gemacht, es lassen sich aber aus den Ergebnissen über den Familien- und Lebensformen in Deutschland Rückschlüsse auf diese verlängerte „Lehrzeit“ und somit auf das zu erörternde Thema ziehen. So bezeichnet die in dem Bericht erwähnte „Rush-Hour des Lebens“8 die bereits drastisch verkürzte Zeitspanne, in der lebens- wichtige Entscheidungen getroffen werden. Doch anders als in vielen europäischen Ländern, wo diese „Rush-Hour“ ebenfalls festgestellt wird, ist für die betroffene Altersgruppe in der Bundesrepublik ein weitaus breiteres Spektrum an Entscheidungen innerhalb dieser Phase festzustellen.9 Hierein fallen demnach nicht nur die Planungen zur Familiengründung, son- dern auch die ersten Fixpunkte der eigenen Erwerbsbiographie, der Orientierung nach abge- schlossener Ausbildung. Während in den skandinavischen Ländern in dieser „Rush-Hour“ hauptsächlich die familiäre Ausrichtung im Vordergrund steht, sind die Anforderungen an die Altersklasse der 27 - 35-Jährigen in Deutschland deutlich höher.10 Die Gründe liegen laut Be- richt in den verschiedenen Ausbildungsabschlüssen, insbesondere in den skandinavischen und angelsächsischen Ländern, „die zu unterschiedlichen Lebenszeiten erworben werden können und damit eher die Möglichkeit geben, die eigenen Lebenspläne und Lebensläufe flexibel zu gestalten.“11 In Deutschland hingegen existiert eine kurze Phase des Lebens, zunächst einmal unabhängig von der Arbeitsmarktsituation, in der eine Häufung entscheidender beruflicher und privater Entschlüsse ansteht, die den traditionellen Zeitvorgaben nicht entspricht. Wäh- rend in anderen Ländern also die Familienplanung als bereits schon komplexes Entschei- dungsverfahren in der „Rush-Hour des Lebens“ von Bedeutung ist, kommen in Deutschland, möglicherweise auch in Frankreich, berufliche Orientierung und mangelnde Arbeitsplatzsicherheit dazu, die besonders bei den Jugendlichen bis 25 für Verunsicherungen aufgrund des Mangels an Erwerbsperspektiven zeigt.
Dass diese „Deutsche Rush-Hour“ sehr inhaltsreich ist, liegt besonders an dem Wandel der beruflichen Einstellungskriterien. In den vergangenen 40 Jahren sind die Anforderungen an diese bedeutend gestiegen. Gründe hierfür sind in besseren Zugängen zur Bildung zu suchen, aber auch in den damit einhergehenden höheren Anforderungen der Arbeitgeber. Wo vor Jahren noch ein mittlerer Schulabschluss für eine höherwertige Lehre reichte, um den Einstieg in die angestrebte sichere Erwerbsbiographie zu schaffen, sind heute höhere Ausbildungsabschlüsse notwendig, deren Erwerb mehr Zeit benötigt als niedrigere.
2.1 Thesenerörterung und Argumentationsverlauf
Der Wandel der Einstellungskriterien hat sich also in den letzten 40 Jahren derart verändert, dass zur Erlangung eines sicheren Arbeitsplatzes und der damit einhergehenden abgesicherten Familiengründung höhere Qualifikationen und somit mehr Zeitaufwand nötig sind, als dies noch zu Beginn des zu behandelnden Zeitraumes notwendig war. Der Zeitraum ab 1965 ist dabei bewusst gewählt: Gerade Mitte der 1960er fand allmählich ein Umdenken in der deut- schen Bildungspolitik statt. Gymnasiale Bildung sollte leichter zugänglich gemacht werden. Damit Deutschland auf zukünftige Herausforderungen besser vorbereitet sein sollte, entstan- den damals Forderungen und Pläne, die Akademikerrate zu erhöhen, aber auch an den ande- ren Schulformen unterhalb des Gymnasiums eine bessere Berufsvorbereitung und -Förderung zu etablieren.12 Ein weiterer Grund, den Zeitraum rückwirkend auf 1965 zu beschränken, ergibt sich auch aus der Quellenlage des Mannesmann-Archivs, das erst seit Mitte der 1960er regelmäßige Angaben zur Beschäftigungsstruktur junger Menschen macht.
Um die Ausgangsthese in diesem Zeitraum jedoch folgerichtig erörtern zu können, müssen einige Einschränkungen vorgenommen werden. Eine vollständige empirische Studie kann und will diese Arbeit nicht leisten. Vielmehr geht es darum, anhand von zwei exemplarischen In- stitutionen zu untersuchen, wie die Zugänge von Schul- und Studiumsabsolventen zu den Be- trieben geregelt sind, beziehungsweise waren. Ausgewählt wurden das Unternehmen Man- nesmann sowie die Sparkasse Neuss, die beispielhaft für das öffentlich-rechtliche System der Sparkassen steht. Zum einen sollen anhand von Personal- und Sozialberichten sowie hausin- ternen Publikationen die Hauptquellen des Unternehmensnachwuchses bei Mannesmann be- nannt werden und wie sich die Einstellungsmöglichkeiten für Hauptschüler bis hin zu Hochschulabsolventen darstellen. Zum anderen sollen die sich wandelnden Berufsbilder und deren Anforderungen in die Untersuchung mit einfließen. Konkret bedeutet dies: Es ist zu untersuchen, wie sehr sich die Unternehmensstruktur bei Mannesmann verändert und wie sich das auf die Qualifikationsanforderungen junger Arbeitnehmer ausgewirkt hat. Besonders am Fall der Sparkasse soll aber auch untersucht werden, wie sehr sich das Berufsbild des Bankkaufmannes13 gewandelt hat und welche Konsequenzen dies mit sich bringt. Auf diese Weise lassen sich Anhaltspunkte für den Wandel der Einstellungskriterien finden. Außerdem können weitere wichtige Argumente zur „Rush-Hour des Lebens“ gefunden werden und bieten damit neuerliche, über die Arbeit hinaus gehende Forschungsansätze.
Die Auswertung der Einstellungskriterien sowie der Vorqualifikationen junger Mitarbeiter in den beiden genannten Unternehmen bieten hilfreiche Ansätze, die derzeitige öffentliche Dis- kussion um die Verunsicherung junger Arbeitnehmer näher zu beleuchten. Zusätzliche Belege für die Veränderung der Berufseinstiegsverhältnisse lassen sich besonders in Zeitungs- sowie Hörfunkbeiträgen finden, aber auch in sozialwissenschaftlichen Arbeiten, die mit Fallstudien und Interviews den Bruch zwischen den traditionellen Lebensentwürfen der Eltern und der heutigen Generation junger Schul- und Hochschulabsolventen deutlich werden lassen. Die anhand der Untersuchungen innerhalb Mannesmanns und der Sparkasse gewonnenen Er- kenntnisse über die sich verändernden Einstellungskriterien werden die These von Anthony Giddens stärken, dass „durch die Moderne entstandene Lebensformen […] uns in ganz bei- spielloser Weise von allen traditionalen Typen der sozialen Ordnung fortgerissen“ haben.14
Am Ende der Arbeit sollen dann detaillierte Schlüsse über den Wandel der Einstellungskrite- rien gezogen werden. Auch weitere Forschungsansätze werden aufgezeigt sowie die Folgen, die sich aus den höheren Ansprüchen an die eigene Qualifikation ergeben. Wichtig ist hierbei, dass nicht nur zukünftige Wege, wie sich junge, potentielle Arbeitnehmer im Arbeitsmarkt in- tegrieren können, dargestellt werden, sondern was junge Menschen bereits für Möglichkeiten nutzen, um dem graduellen Anforderungsanstieg gerecht werden zu können. Dabei muss lei- der auch die Möglichkeit des Betrugs in Betracht gezogen werden. Die Daten für diesen An- satz liefert eine Studie der Detektei Kocks aus Düsseldorf, die sich 2004 mit Bewerbungstricks auseinander gesetzt hat, und zu einem erschreckenden Urteil kommt.15
Im Rahmen dieses Argumentationsverlaufs zeichnen sich dann deutlich die historischen Ver- änderungen und Entwicklungen der Kriterien ab, so dass sich die Eingangsthese belegen lässt. Darüber hinaus lassen sich fundierte Aussagen über die Vorgaben machen, die junge Men- schen zu Beginn ihrer Erwerbsbiographie zu erfüllen haben, und was geschieht, wenn ein Teil der Jugendlichen diesen Anforderungen nicht gerecht wird, zudem ergeben sich hierbei eine Reihe neuer Fragestellungen, auf deren Grundlage sich weitergehende Erörterungen durch- führen ließen.
2.2 Der aktuelle Forschungs- und Diskussionsstand
Wie zu Beginn erläutert, gibt es in der Bundesrepublik derzeit eine breite Diskussion über die Situation junger Menschen bis 25 und der Verunsicherung angesichts der Qualität von erwor- benen Fähigkeiten, die einen Berufseinstieg mit gesicherter Perspektive bieten. In den überre- gionalen Tageszeitungen und Zeitschriften wie der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, der ZEIT und dem SPIEGEL beschäftigen sich zahlreiche Ar- tikel mit der Zukunft junger Menschen. Auch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ver- schließen sich der Diskussion um die Erwerbsformen dieser Altersgruppe nicht. In diesem Zusammenhang wird die derzeitige Lage hauptsächlich in Generationsbegriffen charakteri- siert. Begrifflichkeiten wie Generation Praktikum16, Generation Global17 sowie Generation Golf18 sind nur drei Formulierungen dieser Art. Der zentrale Begriff, der in diesen Publikati- onen immer wieder auftaucht, ist der der Verunsicherung im Zusammenhang mit der zukünf- tigen eigenen Sicherheit im Berufsleben. Es stehen Fragen nach der richtigen Ausbildungs- wahl im Mittelpunkt und ob damit die Anforderungen durch die Arbeitswelt zu bewältigen seien. Außerdem stehen die prekären Beschäftigungsverhältnisse derer im Fokus, die diesen Anforderungen nicht gerecht wurden, weil sie die notwendigen Schulabschlüsse nicht besit- zen oder den Ansprüchen nicht mehr gewachsen sind. Man darf diese Publikationen zwar nicht als hinreichenden Beleg dafür ansehen, dass es der Wandel der Einstellungskriterien war, der eine breite Verunsicherung der jungen Menschen verursacht hat; man darf sie aber bei der Erörterung des Themas auch nicht außer Acht lassen, da dieser journalistische Diskurs die zeitgenössische Sichtweise der Probleme zum Ausdruck bringt. Gerade durch die Fülle an Artikeln lässt sich durchaus sehr gut ein gegenwärtiges Bild der Erwerbszukunft junger Men- schen skizzieren.
In der Wissenschaft sieht es hingegen noch anders aus. Die Sozialwissenschaft wirft zwar Fragestellungen auf, die sich durchaus mit dem Thema in Verbindung bringen lassen lassen. So werden Motivationen von Studenten erfragt19, Gesellschaftsanalysen anhand des Erwerbs vorgenommen20 und neue Arbeitsverhältnisse entwickelt21, wenn traditionelle Formen der Erwerbsbiographie nicht mehr funktionieren, aber eine genaue Analyse des zu untersuchen- den Wandels gibt es weder in sozialwissenschaftlichen Arbeiten noch in historischen For- schungen. Der „Faktor“ Verunsicherung der hier betrachteten Altersgruppe junger Menschen bis 25 spielt noch eine eher untergeordnete Rolle, vielmehr spricht die Sozialwissenschaft von einer Gesamtverunsicherung der deutschen Bevölkerung.22 - Was aber auch einleuchtend ist: Durch die aktuelle Debatte kann gerade die Sozialwissenschaft noch nicht mit genauen Erhe- bungen die gefühlte Verunsicherung gerade unter den Hochschulabsolventen festmachen, da die Untersuchungen und Befragungen der Betroffenen derzeit noch laufen.23 Daher ist es be- sonders wichtig, sich in dieser Arbeit mit der Generation Praktikum auseinander zu setzen und ihre mögliche Bedeutung für den Wandel der Einstellungskriterien zu betrachten, wenn Hochschulabsolventen, statt in festen Arbeitsverhältnissen zu stehen, sich zur Erlangung sel- biger erst einmal von Praktikum zu Praktikum durchschlagen müssen.
Doch zunächst wird in den folgenden Kapiteln anhand von Unternehmensarchiven und - Publikationen untersucht, wie sich die Vorgaben zur Einstellung junger Menschen konkret verändert haben. Der aktuelle Forschungs- und Publikationsstand der Geschichts- und Sozi- alwissenschaften wird dann in späteren Kapiteln berücksichtigt werden, damit die bei den un- tersuchten Unternehmen gewonnen Erkenntnisse nochmals genauer geprüft werden können.
2.3 Mannesmann, Sparkasse Neuss: Zwei Unternehmen - zwei Recherchefelder
Für das dritte und vierte Kapitel war es notwendig, zwei Informationsquellen nutzen zu können, deren Zuverlässigkeit und Aussagekraft hoch genug sind, dass sie wichtige Beiträge zur Erörterung der Ausgangsthese liefern können. Genutzt wurden das Unternehmensarchiv von Mannesmann sowie bei der Sparkasse Neuss Recherchemöglichkeiten vor Ort.
Das Unternehmensarchiv Mannesmanns gilt als eines der größten weltweit.24 Dementspre- chend fiel die Wahl auf dieses Archiv, da auch die Konzerngeschichte der jüngeren Vergan- genheit, die zu Beginn des dritten Kapitels erörtert wird, beispielhafte Rückschlüsse erlaubt. Bei der Recherche wurden auf vorhandene Stellenausschreibungen, Personal- und Sozialbe- richte sowie weitergehende Publikationen aus den Unternehmenszeitungen zurückgegriffen. In allen Fällen sind seit 1965 umfangreiche Bestände vorhanden. Besonders der Aufbau und der Stellenbedarf der Mannesmannsparte Mobilfunk D2 zu Beginn der 1990er Jahre ist mehr als ausreichend dokumentiert. Dadurch ist eine Untersuchung der These anhand des Archiv- materials in einem detaillierten Umfang möglich. Aus diesen Gründen widmet sich die Arbeit in einem ausführlichen Kapitel den Einstellungskriterien und Vorqualifikationen junger Men- schen innerhalb der Mannesmann AG.
Bei der Sparkasse Neuss war der Rückgriff auf ein vergleichbares Archiv samt Unterlagen nicht möglich. Trotzdem sind für den Verbund der Sparkassen in Deutschland durchaus Mög- lichkeiten vorhanden, anhand des Zuganges zu Publikationen der Neusser Sparkasse der Ab- sicht dieser Arbeit zuträgliche Aussagen treffen zu können. Es wird auf Veröffentlichungen des sparkasseneigenen Verlags zurückgegriffen, die ansonsten nicht frei zugänglich sind. Au- ßerdem liefern hausinterne Datensätze weitere Aussagen, die hier ebenfalls berücksichtigt werden. Da kein Rückgriff auf ein „klassisches“ Archiv erfolgt, werden auch allgemeine Auf- sätze über die Sparkasse überhaupt und Interviews zur Analyse herangezogen. Denn gerade die Sparkassen haben einen immensen Wandel ihrer Geschäftsfelder erleben müssen. Eine be- sondere Dynamik erhielt der Verbund dabei durch den weltweiten Wettbewerb im Finanz- dienstleistungsbereich.
Beide Unternehmen werden jeweils in einem eigenen Kapitel behandelt. Dort erfolgt auch ei- ne Auswertung der eruierten Materialen. Die Einstellungskriterien für Auszubildende, also Schulabgänger sowie Hochschulabsolventen, werden dabei getrennt voneinander untersucht. Diese Unterteilung wird aufgrund der Quellenlage bei Mannesmann eine deutlichere Berück- sichtigung finden als in der Sparkasse, wo das Hauptaugenmerk auf den Materialien zum Einstellungsverfahren von Auszubildenden liegt und weniger auf den beruflichen Chancen für Hochschulabsolventen innerhalb der Bank.
3 Mannesmann - Ein Konzern und seine Bewerber seit 1965
Der ehemalige Düsseldorfer Konzern Mannesmann galt als eines der größten deutschen Wirt- schaftsunternehmen des 20. Jahrhunderts. Mit bis zu 130.000 Mitarbeitern weltweit gegen Ende des Gesamtkonzerns im Jahr 200025 war Mannesmann in Deutschland auch ein Barome- ter der allgemeinen wirtschaftlichen Lage. Gerade die Unternehmensgeschichte in der Bun- desrepublik Deutschland seit 1949 ist ein Beispiel dafür, wie sich Großkonzerne entwickelt und wie sehr sie sich trotz eines Kerngeschäftes immer weiter in verschiedene Sparten diffe- renziert haben. Durch die hohe Mitarbeiterzahl und das heute noch vorhandene, gut aufbereitete Archiv ist es lohnenswert, die Firma auch unter dem Gesichtspunkt der Verände- rung von Einstellungskriterien junger Menschen im Untersuchungszeitraum seit 1965 zu be- trachten - zumal seit 1967 die Mannesmann AG jährlich einen Personal- und Sozialbericht angefertigt hat. In diesen Berichten finden sich mit zunehmender Zeit immer ausführlichere Daten zur aktuellen Situation der deutschen Belegschaft.
1990 erschien mit Kontinuit ä t und Wandel die Chronik zum 100-jährigen Unternehmensjubi- läum.26 In diesem Titel verbirgt sich schon vor dem Aufbau eines zweiten deutschen Mobil- funknetzes durch Mannesmann die Traditionslinie, welche das Unternehmen in der Bundesre- publik verfolgt hat, aber auch der Wandel weg vom Kerngeschäft der Stahlröhren, hin zu vie- len verschiedenen technischen sowie gewerblichen Tätigkeitsbereichen des Konzerns.
Im dritten Kapitel wird nun zuerst ein kurzer Überblick über die Historie Mannesmanns nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben, um die große Bedeutung als Arbeitgeber herauszustellen. Danach wird dann eine genaue Untersuchung der Einstellungskriterien junger Bewerber in dem zu behandelnden Zeitraum vorgenommen.
Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Betrachtung von bevorzugten Qualifikationen der Bewerber durch den Konzern. Hierbei wird es von Bedeutung sein, welche Schulabschlüsse sich auf Dauer seit 1965 im Bereich der Ausbildung durchgesetzt haben. Bei den Hochschul- absolventen wird hingegen in einem späteren Abschnitt aufgrund fehlender, gleichwertiger Daten eine Untersuchung der Stellenausschreibungen in einen kürzeren Zeitraum angestellt.
Es wird in beiden Fällen aber auch besonders der Firmenwandel Mannesmanns eine Rolle spielen, weil er gerade in diesem Unternehmen beispielhaft vollzogen wurde. Eine genaue Untersuchung der Zeiträume nach 2000 lässt sich hingegen nicht anstellen, da der Konzern zwar noch existiert, aber nur noch als Gesellschaft im eigentlichen Kernbereich Stahlröhrenherstellung unter dem Dach der Salzgitter AG. Die übrigen Geschäftsteile sind nach der Zerschlagung durch Vodafone im Jahr 2000 nicht mehr als dem Gesamtkonzern Mannesmann zugehörig zu verstehen, auch ist Vodafone nicht als eigentlicher Nachfolger des Konzerns anzusehen, da das britische Mobilfunkunternehmen nach der Übernahme der Aktienmehrheit nur die Telekommunikationsbranche Mannesmanns behalten hat.
3.1 Geschichte Mannesmanns nach dem Zweiten Weltkrieg
Das Unternehmen ist nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst auf Expansion ausgerichtet. Zwei große Herausforderungen prägen die Nachkriegsgeschichte des Stahlröhrenproduzenten. Zum einen der Wiederaufbau und die daraus erfolgende Expansion der Geschäftsbereiche in den 1950er Jahren sowie den frühen 1960er Jahren. Zum anderen bestreite der Konzern ab 1968 dann den endgültigen Sprung vom Stahlrohrerzeuger und den angegliederten Geschäftsberei- chen hin zum Technologie-Konzern.27 Diese Phase war zum 100-jährigen Jubiläum keines- wegs abgeschlossen. Im Jahr 1990 erwarb Mannesmann die Lizenz, das erste private Mobil- funknetz aufzubauen. D2 war der Schritt hin zum reinen Telekommunikationskonzern. Im Jahr 1999 beschließt der Vorstand, sich hauptsächlich auf diesen Zweig zu konzentrieren.28 2000 kommt es schließlich zur Übernahme durch den britischen Mobilfunkanbieter Vodafone, der nun den Hauptanteil der Mannesmannaktien hält. Vodafone entschließt sich, nur die Tele- kommunikation zu behalten; die restlichen Sparten werden verkauft, und Mannesmann gilt danach als weitestgehend zerschlagen. Der Wandel vom Stahlrohrhersteller über den Techno- logiekonzern bis hin zum Telekommunikationsunternehmen hat somit auch das Ende des ur- sprünglichen Mannesmannkonzerns eingeläutet. Durch den Aufkauf der Stahlrohrindustrie mitsamt der Namensrechte durch die Salzgitter AG lebt der Konzern heute in seinem ur- sprünglichen Kerngeschäft als eigene Gesellschaft weiter, wenn auch unter dem Dach einer anderen Aktiengesellschaft und deutlich reduziert in seiner Geschäftsgröße und Anzahl an Mitarbeitern.
Dieser Unternehmensverlauf hat zwangsläufig auch Auswirkungen auf entsprechende Berufs- bilder und Anforderungen an die Mitarbeiter. Wie viele deutsche Großkonzerne verließ Man- nesmann den Weg des eigentlichen Hauptgeschäftszweiges und differenzierte sich in viele verschiedene, teilweise nicht auseinander ableitbare Geschäftssparten. Die Technologisierung und die rasante Entwicklung der Informationsgesellschaft haben vor Mannesmann nicht halt gemacht, und auch der Düsseldorfer Konzern profitierte bis zur Zerschlagung finanziell und gesellschaftlich von diesem Wandel. Für die Angestellten bedeutete dies aber eine große Her- ausforderung. - Die klassischen Berufe, wie sie sich zu Zeiten des Kerngeschäftes darstellten, verloren immer mehr ihre ursprüngliche Bedeutung. Zum einen durch die Technologisierung des Konzerns, zum anderen aber, weil sich eine Vielzahl an neuen Berufsbildern entwickelte. Der einfache Stahlfacharbeiter wurde nach und nach in der firmeninternen Rangliste der wichtigsten erzeugenden Berufe vom IT-Spezialisten abgelöst. Besonders für Schulabgänger war und ist diese Entwicklung von entscheidender Bedeutung, was in den folgenden Ab- schnitten deutlich werden wird.
3.1.1 Der Konzern und seine Beschäftigungszahlen bis zur Zerschlagung 2001
Die durch den Wandel der Geschäftsfelder veränderte Angestelltenstruktur lässt sich auch durch einen Blick auf die Beschäftigungszahlen in der Bundesrepublik verdeutlichen. In der Zeit nach 1949 machte sich bei Mannesmann ebenfalls das „Wirtschaftswunder“ bemerkbar. Im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg waren Facharbeiter rar; der Konzern expan- dierte aber in seinem Kernbereich Röhren und den anderen, dem Kernbereich angegliederten Geschäftszweigen enorm, da gerade diese Güter beim Wiederaufbau seit Kriegsende 1945 be- sonders benötigt wurden. Waren im Jahr 1952 bei Mannesmann insgesamt 43.554 Mitarbeiter beschäftigt, so stieg diese Zahl innerhalb von sieben Jahren auf 73.638.29 Dies bedeutete ein Zuwachs der Gesamtbelegschaft um 69 Prozent. Doch geht diese Mitarbeiterzunahme nicht nur auf die eben genannten Gründe zurück. Zu erklären ist dieser Anstieg auch durch Zukäufe und weitergehende Expansionen im Kerngeschäft Stahl und Röhren sowie durch eine Verän- derung der Unternehmensbereiche, zum Beispiel durch neue, effizientere Produktionstechni- ken. 1967 geht die Zahl der Beschäftigten auf 57.757 zurück, was sich mit dem Rückzug aus der Steinkohle begründen lässt31 - bereits ein erstes Indiz für einen sich anbahnenden Struk- turwandel innerhalb des Konzerns. Trotzdem liegen die Beschäftigungszahlen weiterhin über denjenigen von 1952. Zwischen 1974 und 1977 erreichen die Mitarbeiterzahlen konstant Wer- te über 80.000 Angestellte.32 Dabei sind 1975 im Inland 85.215 Menschen bei Mannesmann beschäftigt. Auch wenn die Zahlen nach 1975 rückläufig sind, so sind sie im Vergleich zu de- nen der ersten Jahre nach Gründung der Bundesrepublik doppelt so hoch.33 Besonders in den 1970er Jahren ist Mannesmann ein wichtiger Arbeitgeber in Deutschland. Trotz weiterer Be- schäftigungsrückgänge in der ersten Hälfte der 1980er Jahre konsolidiert sich das Niveau der Angestellten 1988 wiederum bei über 85.000 Mitarbeitern (genau 85.640), die in allen Spar- ten des Konzerns innerhalb der Bundesrepublik beschäftigt sind.34 Ein Jahr vor der Zerschla- gung des Konzerns 2000 zählt die Belegschaft in der Bundesrepublik 72.166 Mitarbeiter von weltweit 130.860 Beschäftigten.35
Insgesamt durchlebt der Konzern zwar im Laufe der Jahre immer wieder einen Rückgang der Beschäftigten, die sich zumeist durch Verkäufe oder Ausstiege aus verschiedenen Sparten erklären, darauf folgen aber immer wieder Phasen des Beschäftigungszuwachses, die sich auf Expansionen oder die Erschließung neuer Geschäftsfelder zurückführen lassen.
Mit fast durchschnittlich 75.000 Mitarbeitern seit 1965 stellt der Konzern daher einen wichtigen Indikator der deutschen Wirtschaft dar, was Unternehmenswandel, Beschäftigungsstruktur und Einstellungspolitik angeht.
3.1.2 Zur Geschichte des Einstellungsbedarfs junger Menschen bei Mannesmann
Nachdem im vorhergehenden Abschnitt die reinen Beschäftigungszahlen in Deutschland er- läutert wurden, um die Bedeutung des Arbeitgebers Mannesmann hervorzuheben, ist es nun notwendig, den Ausbildungsbedarf, aber auch die Rolle des Konzerns als Perspektivengestal- ter von Schulabgängern zu betrachten. Hierbei werden den bereits erwähnten Zahlen der Ge- samtbelegschaft nun die absoluten der Lehrlinge gegenübergestellt. Es wird aber zunächst nicht zwischen den einzelnen Ausbildungszweigen unterschieden. Eine entsprechende Differenzierung der einzelnen zu erlernenden Berufsbilder wird erst in den folgenden Ab- schnitten vorgenommen.
Die bisher erwähnten Zahlen dienten einer allgemeinen Standortbestimmung zur Bedeutung Mannesmanns als Arbeitgeber insgesamt. Für die hier verfolgte Fragestellung wichtiger sind die absoluten Zahlen der Auszubildenden über die Jahre. Da nicht alle Personal- und Sozial- berichte seit 1967 untersucht werden können - dies würde den Rahmen des Kapitels sprengen - werden die Auszubildendenzahlen in Abständen von jeweils zehn Jahren untersucht, wobei jeweils zwei aufeinander folgende Personal- und Sozialberichte des jeweiligen Jahrzehnts mit in die Untersuchung einfließen.36 Doch bevor die einzelnen Lehrlingsbereiche untersucht werden sollen, folgen an dieser Stelle zunächst die jeweiligen Gesamtzahlen an Auszubilden- den:
Im ersten Personal- und Sozialbericht von 1967 zählt der Konzern insgesamt 2.390 Auszubil- dende,37 wobei die Zahl derjenigen, die ihre Lehre vor den Abschlussprüfungen aus verschie- denen Gründen abbrechen, keine Berücksichtigung findet.38 Ein Jahr später liegt die Zahl der Lehrlinge bei insgesamt 2.38139, bleibt also auf einem konstanten Niveau. Dabei kann der Konzern seinen Gesamtbedarf decken, hat aber in verschiedenen regionalen Bereichen Prob- leme, die Zahl der angebotenen Stellen, besonders im „Düsseldorfer Raum“, zu besetzen.40
Zehn Jahre später ist die Zahl der Auszubildenden deutlich gestiegen. 1977 bietet das Unter- nehmen 3.16541 Jugendlichen die Möglichkeit, eine Ausbildung zu absolvieren. Zudem war eine stärkere Nachfrage von Interessenten vorhanden, als zehn Jahre zuvor. Auch der gesell- schaftlichen Verantwortung scheint sich Mannesmann bewusst: Ein Jahr später, 1978, steigert sich die Lehrlingsanzahl gegenüber 1977 nochmals um 3,5 Prozent auf 3.20042. Begründet wird dies mit „der Rücksicht auf die geburtenstarken Jahrgänge und die Jugendarbeitslosig- keit“ warum „wir unsere Ausbildungskapazität über unseren Eigenbedarf hinaus voll ausge- lastet“43 haben.
Die Zunahme an Ausbildungsverhältnissen innerhalb eines Jahres ist umso bemerkenswerter, da im gleichen Zeitraum die Belegschaft im Inland um insgesamt 12,3 Prozent reduziert wur- de.44 In diesem Zeitraum wird die gesellschaftliche Relevanz von Mannesmann als Arbeitge- ber und Ausbilder besonders deutlich, da die Arbeitsverhältnisse der Lehrlinge nicht berührt wurden und keine Einschnitte bei der Ausbildung erfolgten. Die ausdrückliche Erwähnung der Jugendarbeitslosigkeit im Personal- und Sozialbericht von 1978 zeigt zudem, dass Mannesmann trotz der Reduzierung des eigenen Mitarbeiterstammes bereit ist, Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen und tatsächlich Rücksicht auf die Situation am Arbeitsmarkt für Schulabgänger nimmt.
Auch während der nächsten zehn Jahre ist ein deutlicher Anstieg neuer Ausbildungsverhältnisse festzustellen. 1987 absolvieren 5.13945 Jugendliche eine Lehre in den verschiedenen Konzernsparten Mannesmanns. Ein Jahr später geht die Zahl auf 4.67846 zurück, was aber mit der „relativ hohen Zahl der Abgänge nach Ausbildungsabschluss in 1988 und den geringeren Einstellungen im Berichtsjahr“ erklärt werden kann.47 Dennoch steigen auch in dem Zeitraum vom Ende der 1970er bis Ende der 1980er Jahre die Einstellungen von Lehrlingen, nur mit dem Unterschied dass zum Ende des erwähnten Zeitabschnittes nicht mehr von einer gesellschaftlichen Verantwortung wie 1978 gesprochen wird, sondern 1988 die eigene Bedarfsdeckung weitaus mehr in den Vordergrund rückt, da zu der Relevanz des Unternehmens auf dem deutschen Arbeitsmarkt nun keine Angaben mehr gemacht werden.
Zum Ende des Unternehmens Mannesmann, drei Jahre vor der Übernahme der Aktienmehr- heit durch den britischen Mobilfunkbetreiber Vodafone, ist die Zahl der Auszubildenden deut- lich gesunken. Ohne an dieser Stelle auf die immens fortgeschrittene Diversifikation Man- nesmanns Rücksicht zu nehmen, haben 1997 nur noch 2.809 Jugendliche einen Ausbildungs- vertrag in den einzelnen Sparten.48 Im Jahr darauf waren es 2.63549. Zwar liegt die Zahl damit deutlich unter dem Vorjahreswert, nur entfallen hierbei die Auszubildenden des bisherigen Mannesmann-Bereiches DEMAG. Dieser wurde zu Jahresbeginn 1998 mit einer 72- prozentigen Aktienmehrheit von der Schloemann-Siemens AG übernommen. Dadurch hat Mannesmann in der Ausbildungsstatistik gegenüber 1997 rund 530 Lehrlinge weniger.50
Unter Berücksichtigung dieser teilweisen Veräußerung hat der Konzern 1998 somit dennoch eine 11,3-prozentige Steigerung der Ausbildungsverhältnisse in den vorhandenen Sparten ge- genüber 1997 ermöglicht.51 Trotzdem ist die Zahl der Auszubildenden weit von dem Höchststand von 1987 entfernt. - Die sich anbahnende Neuausrichtung auf den Telekommu- nikationssektor hinterlässt deutliche Spuren in der Gesamtzahl beschäftigter Lehrlinge.
Was hier nun zunächst festgehalten werden muss: Mannesmann bietet, abgesehen von den letzten Jahren des Konzerns, entgegen der Entwicklung der gesamten Personalstruktur in dem Untersuchungszeitraum eine stabile Zahl an Ausbildungsstellen, die den Bedürfnissen des Konzern entsprachen, in Teilen aber auch über sie hinaus gingen, wie in den Jahren 1977 und 1978 explizit erwähnt. Die Frage, die sich nun stellt und deren Beantwortung ein gewichtiges Argument für die Kernthese der Arbeit ist, lautet: Aus welchen Schulformen rekrutieren sich im Laufe der Jahrzehnte die Auszubildenden? Welche Schulabschlüsse setzen sich in welchen Zweigen durch, und worin liegen insgesamt die Anforderungen an die Bewerber? Im Laufe der Untersuchung wird sich eindeutig zeigen, dass die Berufseinsteiger immer bessere Schul- abschlüsse mitbringen und es für Berufsanfänger mit Hauptschulabschluss immer schwieriger wird, eine Lehrstelle innerhalb des Konzerns zu erhalten.
3.1.3 Darstellung der Berufsprofile
Bevor aber eine genaue Untersuchung der Vorqualifikationen und Anforderungen an jugend- liche Bewerber für einen Au sbildungsplatz vorgenommen wird, ist es nötig, auch einen kur- zen Überblick über die Berufsbilder bei Mannesmann zu geben. Bereits hier lässt sich ein Wandel innerhalb der Belegschaft erkennen sowie der Wandel des Unternehmens insgesamt darstellen.
Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes wird keine genaue Unterteilung zwischen kaufmän- nischen Mitarbeitern sowie gewerblich-technischen Berufen vorgenommen Dennoch er- schließt sich durch den Blick auf die Belegschaft von 1968 das vorherrschende Bild vom pro- duzierenden Arbeiter. In dem Bereich Produktion arbeiten zu diesem Zeitpunkt rund 53.464 Mitarbeiter von insgesamt 68.871.52 Dort teilen sich die Berufsbilder dann vom leitenden In- genieur bis hin zum ungelernten Hilfsarbeiter auf. - Ein beispielhaft vorherrschendes Berufs- bild ist der Stahlfacharbeiter. Um die Bedeutung und das Verhältnis zwischen den produzierenden und den kaufmännisch tätigen Mitarbeitern zu verdeutlichen, bietet sich ein Blick auf den größten betriebsinternen, rein kaufmännischen Bereich der Hauptverwaltung an, wo sämtliche Dienstleistungsaufgaben des Konzerns erfüllt werden. Die Belegschaft dort zählt im Jahr 1968 836 Mitarbeiter, also nur ein Bruchteil gegenüber der Gesamtbelegschaft.53 Da sich der Konzern in den Jahrzehnten seit 1965 immer mehr zum Technologiekonzern ge- wandelt hat und sich schlussendlich, wie beschrieben, völlig auf den Telekommunikationssek- tor ausrichten wollte, muss hier auch die Aufteilung der Berufsgruppen aus den Jahren 1997/98 als Vergleichswert herangezogen werden, um den Wandel der Berufsbilder eindeutig zu belegen.
Der Personal- und Sozialbericht für 1999 wird entsprechend der völligen Neuausrichtung mit „Strukturwandel im Konzern“ überschrieben.54 Besonders im Mobilfunkbereich werden erhebliche Zuwächse in der Belegschaft verzeichnet. 7.367 Arbeitsplätze entstehen im Jahre 1997 bei der neuen Unternehmensgruppe Arcor, und 968 Stellen kommen im Bereich Mobilfunk zu den bereits bestehenden 5.767 hinzu. So sind im Unternehmenszweig „Telecommunications“ insgesamt 13.393 Menschen angestellt. Zwar werden im produzierenden Bereich „Engeneering“ noch rund 33.921 Angestellte55 verzeichnet, gegenüber dem Beginn des Untersuchungszeitraums sind dies aber 19.543 Stellen weniger. Der Mobilfunksektor beschleunigt scheinbar den Wandel weg vom rein erzeugenden Unternehmen hin zum Dienstleistungsunternehmen enorm, bedenkt man, dass der Telekommunikationssektor erst vor neun Jahren sukzessive von „Null“ aus gestartet werden musste.
Zwar lässt sich an dieser Stelle keine weitere genaue Unterteilung der einzelnen Berufsbilder vornehmen, da der Konzern insgesamt zu differenziert ist, um einen vollständigen Überblick zu ermöglichen, aber ein Wandel in der Belegschaftsstruktur ist dennoch offenkundig. Dass hierbei auch die Anforderungen an die Mitarbeiter und besonders an junge Arbeitnehmer über die Jahre steigen mussten, liegt auf der Hand.
3.2 Anforderungen an die jungen Bewerber seit 1965
Man muss also zwei Dinge festhalten: Mannesmann besitzt die Unternehmensgröße, in der Bundesrepublik ein bedeutender Arbeitgeber zu sein, der trotz eines stetigen Wandels seine Anzahl an Beschäftigen immer wieder auf einem konstanten Niveau halten kann. Dennoch ändern sich die Belegschaftsprofile gemeinsam mit dem Wandel vom Stahlröhrenproduzenten über den Technologiekonzern hin zum Telekommunikationsunternehmen. Nun gilt es zu klä- ren, auf wen der Konzern im Bereich Mitarbeiterausbildung gesetzt hat, also welche Jugendli- che durch das Unternehmen eingestellt wurden und eine Zukunftschance geboten bekommen haben. Für welche Art von Schulabgängern war Mannesmann eine Anlaufstelle, wenn es um einen Ausbildungsplatz ging? Diese Fragen werden nun für den Zeitraum ab 1965 untersucht und dann bewertet. Es ist aber bereits jetzt davon auszugehen, dass mit der Veränderung der Unternehmensstruktur sich die mitgebrachten Qualifikationen derer, die eine Ausbildung bei Mannesmann absolvieren, gesteigert haben.
3.2.1 Kaufmännisch und gewerblich-technisch - was wird untersucht?
Im folgenden Teil der Arbeit werden die mitgebrachten Vorqualifikationen der beschäftigten Auszubildenden genau analysiert. Dabei wird zwischen dem gewerblich-technischen Bereich und dem kaufmännischen Bereich unterschieden. Dies geschieht deshalb, weil die Personal- und Sozialberichte von 1967 bis 1997 in diese beiden Bereiche unterteilt sind und somit ver- gleichbare Größen darstellen, über die sich Aussagen zur Qualifikationsentwicklung der Lehr- linge treffen lassen. Erfasst wird, welchen Schulabschluss die Auszubildenden gemacht haben und welche Schulform vor Beginn der Lehre besucht wurde. Herangezogen werden dabei die drei vorherrschenden Schularten der Haupt- und Realschule sowie des Gymnasiums/der Ge- samtschule.56 Bei den Abschlüssen ist zu beachten, dass in den Berichten Gymnasiasten ohne Abitur oder Fachabitur als Lehrlinge mit Realschulabschluss geführt werden und Hauptschü- ler ohne erfolgreiche Beendigung ihrer Schule unter Hauptschüler ohne Abschluss sowie Sonderschüler geführt werden und nicht mit in die Untersuchung einfließen. Nicht betrachtet werden weiterführende Schulangebote wie höhere Berufs- und Handelschulen.
Bei den gewerblich-technischen Berufen finden sich Berufsbilder wie des Stahlfacharbeiters, Mechanikers oder des Technischen Zeichners. Bei den kaufmännischen Berufen ist vom Be- rufsbild des Kaufmanns auszugehen, das sich in Büro-, Handels sowie IT-Kaufmann differen- zieren lässt.
Ein weiterer Indikator der Untersuchung wird die Zahl der Bewerber auf eine freie Stelle sein. Auch hier werden sich signifikante Änderungen feststellen lassen.
3.2.2 1967/68 - Lehrlingsmangel und Unterdeckung des eigenen Bedarfs
Im ersten Personal- und Sozialbericht des Konzerns von 1967 finden sich keinerlei Hinweise auf die schulische Vorbildung der gewerblich-technischen sowie kaufmännischen Lehrlinge. Zwischen den 546 kaufmännischen und 1.676 gewerblich-technischen Auszubildenden57
wird nicht nach Abschluss differenziert. Gründe hierfür lassen sich in der noch geringen Nachfrage finden, die in bestimmten Regionen zu einem Mangel an Bewerbern führte. „Nur mit Mühe“58 konnten im Bereich der Konzernzentrale Düsseldorf neue Auszubildende gefunden werden, während im Ruhrgebiet eine „günstige Auswahlmöglichkeit bestand.“59 Eine konkrete Aussage zu der Ausbildungsplatzsituation kann daraus zwar nicht abgelesen werden, aber es lässt sich vermuten, dass zu Beginn der Untersuchung noch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bewerbern und zu besetzenden Stellen bestand, mit einer marginalen Unterdeckung des Bedarfs. Daher scheint eine Unterscheidung der Vorqualifikationen in dem Bericht von 1967 noch nicht nötig gewesen zu sein.
Bereits ein Jahr später lassen sich hingegen schon konkretere Daten finden: Zwar wird 1968 bei den Abschlüssen nicht zwischen den 550 kaufmännischen und 1.667 gewerblich- technischen Lehrlingen unterschieden,60 aber laut Bericht bilden Hauptschulabgänger mit be- achtlichen 85 Prozent den Hauptteil der Auszubildenden.61 Wie die restlichen 15 Prozent zwi- schen Gymnasiasten und Realschülern verteilt sind, wird nicht erwähnt. Dennoch steigt in ei- nigen Segmenten der Ausbildung die Nachfrage: So gehen bei den „attraktiven Berufen“62, die in dem Bericht nicht näher bezeichnet werden, bis zu zehn Bewerbungen pro Ausbil- dungsplatz ein und bieten dem Konzern daher auch entsprechende Auswahlmöglichkeiten bei der Vorqualifikation der künftigen Lehrlinge.
Es gibt aber auch eine weniger erfreuliche Seite: Mannesmann musste in „anderen Berufen trotz der geringen Anzahl der Bewerbungen in vielen Fällen auf eine Einstellung wegen mangelnder Qualifikation verzichten.“63
Diese Feststellung fand auch in der deutschen Bildungspolitik Berücksichtigung. Angesichts eines sich anbahnenden Facharbeitermangels und zunehmender technischer Innovations- sprünge wurden ab 1965 Anstrengungen unternommen, Schülern eine bessere Schulausbil- dung zu ermöglichen.64 Dadurch sollten zunächst bessere Voraussetzungen für den Besuch einer Universität geschaffen werden.
[...]
1 Thoma, G ü nter, Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen - aber wie? In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 06- 07/2003, Berlin 2003.
2 Beck, Ulrich, Schöne neue Arbeitswelt - Vision: Weltbürgerschaft, Frankfurt a.M. 1999.
3 Beck, Ulrich, Die Seele der Demokratie - Wie wir Bürgerarbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren können, in: Fiebig, Johannes, Abschied vom Ego-Kult, Die neue soziale Offenheit, S. 53, Kiel 2001. Auch in: Beck - Ar- beitswelt.
4 Lehnartz, Sascha, Revolutionäre Träumer, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 12, Frankfurt 2006.
5 „Im Aufruhr von Paris entlädt sich die Wut einer Jugend, die sich ausgegrenzt fühlt - ein Lebensgefühl, das auch die Jungen in Deutschland umtreibt. Noch halten sie still. Warum eigentlich?“ Vgl. dazu: Amend, Chris toph, Die prekäre Generation, in: Die Zeit 14, Hamburg 2006.
6 Sachverst ä ndigenkommission des Bundesministeriums f ü r Familie, Siebter Familienbericht Senioren, Frauen und Jugend, Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit - Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik, S. 58, Berlin 2005.
7 Ebenda.
8 Zit. nach: Bittman, Michael; Wajcman, Judy, The rush hour: the character of leisure time and gender equity, in: Social Forces 79, S. 165-189, North Carolina 2000.
9 Vgl.: Familienbericht, S.59.
10 Vgl.: Familienbericht, S.60. - Es wird darüber zwar keine genaue Analyse durchgeführt, aber die vorliegenden Daten zur Familiengründung führen zu folgendem Schluss des Berichtes: „Wir können diesen Vergleich hier nur andeuten, glauben aber doch vermuten zu können, dass für deutsche Erwachsene der Zeitdruck in der Alterspha- se zwischen 27 und 34/35 Jahren möglicherweise viel größer ist als in jenen [anderen europäischen] Ländern.
11 Ebenda.
12 Vgl. dazu: Herrlitz, Hans-Georg, Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart, Weinheim 2005.
13 Aufgrund besserer Lesbarkeit wird in kaufmännischen Berufen in dieser Arbeit nur vom Kaufmann als Beruf geschrieben. Darunter fallen natürlich auch Kauffrauen. Dennoch muss aufgrund der besseren Lesbarkeit auf eine geschlechterspezifische Sprache in dieser Arbeit insgesamt verzichtet werden.
14 Giddens, Anthony, Konsequenzen der Moderne, S.13, Oxford 1990.
15 Lotze, Manfred, Analyse im Auftrag der Detektei Kocks - Lebenslauffälschungen, Düsseldorf 2004. Außerdem: Ems, Guido (Hrsg.), Kriminelle Bewerbertricks - Die häufigsten Tricks, Ihre Gegenstrategien, Der richtige Umgang mit Bewerbungsunterlagen, Bonn 2005.
16 Stolz, Matthias, Generation Praktikum, in: Die Zeit, 31 2005, S. 1, Hamburg 2005.
17 Bonstein, Julia, Theile, Merlind, Generation Global, in: Die Deutschen - 60 Jahre nach Kriegsende, S. 144- 150, Hamburg 2005.
18 Illies, Florian, Generation Golf - Eine Inspektion, München 2000.
19 Franzen, Axel; Hecken, Anna, Studienmotivation, Erwerbspartizipation und der Einstieg in den Arbeitsmarkt, in: Friedrichs, Jürgen u.a. (Hrsg.), Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 54. Jahrgang 2002,
S. 733-752, Köln 2002.
20 Schultheis, Franz, Schulz Kristina (Hrsg.), Gesellschaft mit begrenzter Haftung - Zumutungen und Leiden im deutschen Alltag, Konstanz 2005.
21 Vgl.: Beck - Arbeitswelt.
22 Und dies bereits seit 1986, als wiederum Ulrich Beck den Begriff der Risikogesellschaft prägte. Beck, Ulrich, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt 1986.
23 So führt das Hochschul-Informations-System (HIS) in diesem Jahr Befragungen zum Thema Berufseinstieg und Übergangsformen von Hochschulabsolventen durch: Briedis, Kolja, Die HIS-Absolventenstudien - Vortrag im Rahmen der Hochschulrektorenkonferenz/Irchner-Tagung, Kassel 2006.
24 Vgl.: dazu: Mannesmann - ein Name lebt auf, in: Salzgitter AG (Hrsg.), STIL - Das Magazin der Salzgitter AG, Nr. 2/2005, S. 6, Salgitter 2005.
25 Zahl aus: Handelsblatt, Was von Mannesmann übrig blieb, Ausgabe vom 20.01.2004, Düsseldorf 2004.
26 Wessel, Horst A., Kontinuität im Wandel - 100 Jahre Mannesmann, 1890 - 1990, Düsseldorf 1990.
27 Vgl.: Wessel, Kontinuität, S.379 ff, Auf dem Weg zum Technologiekonzern 1968 bis 1990.
28 Wessel, Horst A., Überblick über die Mannesmann-Geschichte, Mühlheim a. d. Ruhr 2005.
29 Daten aus: Mannesmann-Werkszeitung, Haushaltsbuch eines Konzerns, Nr. 9 1960, S. 1-3, Düsseldorf 1960, in M.31.015.
31 Vgl.: Wessel, Kontinuität im Wandel, S. 361.
32 Daten aus: Mannesmann-Illustrierte, Mitarbeiter und Umwelt, Nr. 6-7 1977, S.III, Düsseldorf 1977, in: M.31.017.
33 Ebenda.
34 Daten aus: Mannesmann-Illustrierte, Mitarbeiter und Umwelt, Nr. 7-8, 1989, S. S3, Düsseldorf 1989, in: M.31.017.
35 Daten aus : Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1999, S.5, Düsseldorf 2000, in: M.21.530.3.1.
36 Herangezogen werden dabei die Personal- und Sozialberichte (PuS). Seit 1967 gibt Mannesmann diese heraus. Der letzte erschien im Jahre 1999. Zum Vergleich werden die folgenden Berichte benutzt: PuS 1967, PuS 1968, PuS 1977, PuS 1978, PuS 1987, PuS 1988, PuS 1997, PuS 1998, in: M 21.530 (1967 - 1977), M 21.530.2 (1987, 1988) und M 21.530.03.1 (1997/1998).
37 Daten aus: Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1967, S. 29, Düsseldorf 1968, in: M 21.530.
38 Ebenda.
39 Daten aus: Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1968, S. 17, Düsseldorf 1969, in: M 21.530.
40 Ebenda.
41 Daten aus: Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1977, S.30, Düsseldorf 1978, in: M 21.530.
42 Daten aus : Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1978, S.47, Düsseldorf 1979, in: M 21.530.
43 Ebenda.
44 Ebenda.
45 Daten aus: Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1987, S.45, Düsseldorf 1988, in: M 21.530.2.
46 Daten aus: Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1988, S.46, Düsseldorf 1989, in: M 21.530.2.
47 Ebenda.
48 Daten aus: Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1997, S.15, Düsseldorf 1998, in: M 21.530. 03.1.
49 Daten aus: Mannesmann, Personal- und Sozialbericht 1998, S.17, Düsseldorf 1999, in: M 21.530.03.01.
50 Insgesamt waren bei der DEMAG 530 Auszubildende beschäftigt. Durch die Vielzahl an Neueinstellungen in dem kommenden Berichtsjahr fällt der Verkauf von DEMAG nicht in der kompletten Höhe von 530 Lehrlingen ins Gewicht. Vgl.: Ebenda.
51 Ebenda: Es wird hierbei die Formulierung „bei vergleichbarer Struktur“ gewählt, die durch den Autor dieser Arbeit untersucht und für die Analyse als richtig angesehen wurde.
52 Vgl.: Personal- und Sozialbericht (PuS) 1968, S. 3.
53 Ebenda.
54 Vgl.: PuS 1999, S. 1.
55 Daten aus: PuS 1997, S 5.
56 Zur Vereinfachung werden die Gesamtschüler mit Abitur der gymnasialen Vorbildung zugeordnet.
57 Vgl.: PuS 1967, S 28.
58 Ebenda.
59 Ebenda.
60 Vgl.: PuS 1968, S.17.
61 Ebenda.
62 Ebenda.
63 Ebenda.
64 Herrlitz, Hans-Georg; Hopf, Wulf; Titze, Hartmut, Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart, S. 173-202, München 1993.
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