Die Theorie des Glücks bei Aristoteles. Glückseligkeit als Leitgedanke der Nikomachischen Ethik


Hausarbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitende Bemerkungen

2. Glückseligkeit als Leitgedanke der Nikomachischen Ethik
2.1. Über die Glückseligkeit
2.2. Allgemeine Bemerkungen zur Tugendlehre des Aristoteles
2.2.1. Allgemeine Bemerkungen zu den ethischen aretai
2.2.2. Allgemeine Bemerkungen zu den dianoetischen aretai
2.3. Lebensformen des Glücks
2.3.1. Die philosophische/ theoretische Lebensweise
2.3.2. Die politische/ praktische Lebensweise

3. Abschließende Bemerkungen

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitende Bemerkungen

Befragt man Menschen auf der Straße nach dem Sinn des Lebens, werden sicherlich nicht wenige „Glücklich sein!“ zur Antwort geben. Doch was ist eigentlich Glück? Und wie wird man glücklich? Ist Glück nicht an subjektive Stimmungslagen des Lebens gebunden? Kann es überhaupt eine Theorie des Glücks geben und wenn ja, wie lebenspraktisch ist sie und wie zukunftsträchtig?

Mit diesen oder ähnlichen Fragen beschäftigten sich schon die Philosophen der Antike[1]. Eine besonders wirkmächtige antike Theorie des Glücks ist die des Aristoteles, die er u.a. in seiner Nikomachischen Ethik behandelt und entwickelt. Diese näher zu bearbeiten ist Aufgabe der vorliegenden Arbeit.

Den Ausgangspunkt der Nikomachischen Ethik bildet die Frage nach dem letzten Ziel des menschlichen Handelns und somit dem Gut für den Menschen, was nachfolgend noch näher zu untersuchen sein wird. Die vorläufige Antwort auf diese Frage lautet: Das Gut, das alle Menschen suchen ist die Glückseligkeit (eudaimonia), das gute, erfüllte Leben[2]. Unter dem guten Leben wird allerdings Unterschiedliches verstanden. So ist es für die einen Menschen die Lebensform der Lust, für die anderen das Leben als Bürger in der Polis (politisches Leben) und wieder andere sehen ein glückseliges Leben, in einem Leben der Hingabe an die Theorie und Wissenschaft (Leben in philosophischer Betrachtung). Die beiden letztgenannten Vorstellungen vom guten Leben, die Aristoteles selbst akzeptiert als diejenigen Lebensformen, mit denen ein glückseliges Leben verwirklicht werden kann, sollen im Verlauf der Arbeit näher untersucht werden. Um das eine oder andere Leben erreichen zu können, sind nach Aristoteles unterschiedliche Tugenden von Nöten. So soll auch die Tugendlehre des Aristoteles, mit den ethischen und dianoetischen aretai, in Umrissen behandelt werden.

In den abschließenden Bemerkungen werden Kerngedanken der Glücksethik des Aristoteles nochmals kurz zusammengefasst, bevor schlussendlich der Frage nachgegangen wird, ob die Glücksethik des Aristoteles auch heute noch wegweisend ist.

2. Glückseligkeit als Leitgedanke der Nikomachischen Ethik

2.1. Über die Glückseligkeit

Den Ausgangspunkt der Nikomachischen Ethik bildet die Suche nach einem letzten Ziel (telos)[3] menschlichen Strebens, welches Aristoteles mit Hilfe der Fragestellung nach dem Gut näher zu bestimmen versucht.

Hierfür beginnt Aristoteles im ersten Kapitel des ersten Buches mit der Überlegung, dass nach allgemeiner Überzeugung jede Kunst und jede Lehre, jede Handlung und jeder Entschluss einem Zweck folgt, jede also ein bestimmtes Gut (agathon) erstrebt. Somit definiert Aristoteles das Gut als das Ziel, zu dem alles strebt (1094 a 2).

Dies wirft im weiteren Verlauf des Textes die Frage auf, ob es unterschiedliche Arten von Zielen gibt. Aristoteles bejaht dieses mit der Begründung, dass es viele Arten des Handelns, des praktischen Könnens und Wissens gäbe und somit auch eine Vielzahl von sich unterscheidenden Zielen. Die Feststellung wird zugleich ergänzt, indem er die Ziele in ihrer Vielfalt hierarchisiert, da sie zum einen eine reine Tätigkeit zum anderen aber auch Ergebnisse zum Ziel haben können. Das Ergebnis des Tätigseins sei wertvoller, als das Tätigsein an sich, und somit ein übergeordnetes Ziel. Übergeordnete Ziele, wie z.B. die Reitkunst seien erstrebenswerter als untergeordnete Ziele, wie z.B. das Sattlerhandwerk, da aufgrund der übergeordneten Ziele die anderen erstrebt werden (1094 a 6f.) Fortgeführt wird die Argumentation mit der Schlussfolgerung, dass Ziele, die aufgrund übergeordneter Ziele gewählt werden, sich nicht ins Unendliche fortsetzen lassen, da sonst alles Streben nutzlos wäre. Nach Aristoteles müssten solche Strebensreihen demnach durch ein oberstes Gut, ein Endziel, abgeschlossen werden, das ausschließlich um seiner selbst willen begehrt wird (1094 a 18f.), während die Vielzahl der übrigen Ziele letztlich um dessentwillen, also wegen des Endziels verfolgt werden. Ein solches Endziel sei nach Aristoteles wohl im Bereich der Kunst, bzw. der Staatskunst (1094 a 26) zu finden, weil viele angesehene Künste, wie die Rhetorik und Strategik, der Staatskunst untergeordnet sind, da sie sich der anderen Künste bedient. Folglich umfasst die Staatskunst die Ziele dieser anderen Künste mit.

Mit einer weiteren Definition des Endziels hält Aristoteles sich aber vorerst zurück und bezieht sich am Anfang des zweiten Kapitels auf die gängigste Bezeichnung des höchsten Gutes, indem er es lediglich beim Namen nennt. Das Ziel der Staatskunst bzw. das oberste Gut, das man durch Handeln erreichen kann, ist nach Meinung der Gebildeten wie auch Ungebildeten die Glückseligkeit (eudaimonia), wobei damit gutes Leben und gutes Handeln gleichgesetzt werden (1095 a 17f.)[4].

Vom alltäglichen Leben und den differierenden Vorstellungen vom obersten Gut ausgehend, versucht Aristoteles nun, den Begriff der Glückseligkeit weiter auszudeuten und belässt es vorerst auch bei der Feststellung, dass das oberste Gut für die Menge in etwas Greifbaren, wie Lust, Wohlstand und Ehre angesiedelt scheint[5], wohingegen einige andere das höchste Gut als etwas von allen anderen Gütern getrenntes und ihnen zugrunde liegendes zu interpretieren versuchen (1095 a 27f.). Im dritten Kapitel des ersten Buches fragt Aristoteles dann nach der Lebensform, die nach dem höchsten Gut zu streben scheint.

Es gibt drei Lebensweisen, wovon das politische Leben sowie das Leben in philosophischer Betrachtung in Frage kommen, nach dem höchsten Gut zu streben. Die erste Lebensweise ist das Leben im Genuss. Sie eignet sich nach Aristoteles nicht zum Erreichen der Glückseligkeit. Dass Viele die Glückseligkeit im Genussleben suchen, ist für Aristoteles ein Zeichen von niederer Gesinnung und animalischem Dasein (1095b 19f.). Abzulehnen sei auch eine Lebensführung, die ausgerichtet ist auf Geld und Reichtum, weil Reichtum sich nicht als Endziel alles Handelns beweist, sondern lediglich Mittel zum Zweck ist (1096 a 6f.).

Während Aristoteles an diesem Punkt der Argumentation seine Ausführungen zum Leben in philosophischer Betrachtung auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt, zeigt er dem Leser Merkmale des politischen Lebens auf. Wieder einmal geht er von der gängigen Meinung aus, dass das Ziel des politischen Lebens die Ehre sei. Diese ist jedoch von außen bestimmt und dient dazu, durch das Urteil anderer, sich seines eigenen Wertes zu vergewissern.

Da das Urteil der Anderen jedoch von den charakterlichen Tüchtigkeiten, also der arete, abhängig ist, muss die Ehre diesen untergeordnet sein (1095 b 30f.). Doch selbst die Tüchtigkeit scheint Aristoteles unvollkommen und somit nicht notwendigerweise höchstes Ziel (teleion). Der Besitz der Tüchtigkeit allein reicht nicht aus, um ein glückliches Leben zu führen, denn die Tugend kann ungenutzt bleiben oder mit Leid und Pech behaftet sein (1095 b 31f.). Auch geht Aristoteles davon aus, dass das eigentliche Gute bei jeder Handlung und jedem Entschluss das Ziel sei, denn das Ziel ist es, aufgrund dessen man einer Handlung nachgeht (1097 a 17). Darauf aufbauend bestimmt er als das höchste Gut das Endziel, da es selbstgenügsam und vollkommen sei, also um seiner selbst willen und nicht im Hinblick auf ein weiteres Ziel gewählt wird. Bei mehreren Endzielen sei es das vollkommenste. Als solch ein höchstes Gut könne die Glückseligkeit gesehen werden, denn diese wird nicht dadurch vergrößert, dass ein anderes Gut hinzu gewählt wird (1097 b 1f.). Auch das Kriterium der Autarkie scheint von der Glückseligkeit erfüllt[6]. Somit ist Glückseligkeit als das Endziel des uns möglichen Handelns zu definieren[7].

Spricht Aristoteles also von eudaimonia, so meint er ein vollständiges und abgeschlossenes Ziel, d.h. ein menschliches Leben, das alle Vorzüglichkeit enthält, das ideale Leben unter menschlichen Bedingungen, das nichts zu seiner Verbesserung vermissen lässt.

Ausgehend von dem Teilergebnis, dass die Glückseligkeit das Endziel jeden Handelns sei, muss jetzt, um das Wesen des Guts näher bestimmen zu können, ermittelt werden, welche Art menschlichen Handelns das Endziel, das gelungene menschliche Leben also, direkt bewirkt. Zu diesem Zweck führt Aristoteles einen neuen Begriff ein, die dem Menschen eigentümliche Tätigkeit (ergon). Ergon ist definiert als eine Tätigkeit, die typisch bzw. charakteristisch ist für den oder das, von dem die gute Handlung ausgeht und das zugleich als Handlung das Gute und Vollkommene bietet[8]. So sei für den Flötenspieler das Flöte spielen das ergon, für das Messer das Schneiden[9]. Zwar führt Flöte spielen, so Aristoteles weiter, zu einem guten Ziel, aber nicht zum Endziel, der Glückseligkeit.

[...]


[1] Die antike Ethik ist gekennzeichnet durch den Eudämonismus, eine Ethik, die das Glück zum höchsten Prinzip menschlichen Handelns erklärt. Zu unterscheiden wären hier u.a. die beiden großen hellenistischen Schulen. siehe dazu: M. Forschner, 1993, S. 1. und O. Höffe, 1997, S. 112.

[2] Zur Unterscheidung von eutychia und eudaimonia siehe: M. Forschner, 1993, S. 1.

[3] Zur Verwendung der griechischen Entsprechungen siehe die Konkordanz der Übersetzungsäquivalente in: U. Wolf, 2002, S. 257- 268.

[4] Aristoteles beschränkt sich in seiner Ethik also, anders als die spätere Philosophie nicht nur auf die Moralphilosophie, sondern er entwickelt noch eine umfassende Theorie des guten Lebens. Ein scharfer Bruch stellte sich mit Immanuel Kant ein, der die Moralphilosophie, also die Frage nach dem moralisch richtigen Handeln, von der Glückstheorie, also der Frage nach dem Leben zum Glücklichwerden, gelöst hat. Vgl. auch: U. Wolf, 2002, S. 13 und O. Höffe, 2003, S. 129.

[5] Hedonistische Lebensweise, welche die Freude zum höchsten Prinzip erklärt. Siehe hierzu: O. Höffe, 1997, S. 80.

[6] Autarkie bezeichnet hier nicht persönliche Bedürfnislosigkeit oder wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern die Qualität eines in sich sinnvollen Lebens. Vgl. hierzu: O. Höffe, 1997, S. 111.

[7] Zu den formalen Kriterien, die ein höchstes Gut erfüllen muss siehe auch: Rapp S.19.

[8] Vgl.: U. Wolf, 2002, S.38-39.

[9] Das Ergon-Argument ist in der Forschungsliteratur einem gewichtigen Einwand ausgesetzt. Dieser leugnet, dass man von einer dem Menschen eigentümlichen Leistung sprechen kann. Vgl. hierzu: M. Forschner, 1993, S. 12 sowie U. Wolf, 2002, S. 40.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Theorie des Glücks bei Aristoteles. Glückseligkeit als Leitgedanke der Nikomachischen Ethik
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Philosophie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V63045
ISBN (eBook)
9783638561693
ISBN (Buch)
9783640271788
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theorie, Glücks, Aristoteles, Glückseligkeit, Leitgedanke, Nikomachischen, Ethik
Arbeit zitieren
Stefanie Müller (Autor:in), 2005, Die Theorie des Glücks bei Aristoteles. Glückseligkeit als Leitgedanke der Nikomachischen Ethik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63045

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