Wenn man Nation als eine kulturelle Imagination begreift, sie also nicht als gegeben annimmt, dann muss auch die Implementierung dieser Vorstellung in der Bevölkerung als Prozess und möglicherweise zielgerichtete Bestrebung wahrgenommen werden. Das gestaltet sich umso schwieriger, je erfolgreicher sie verlaufen ist, denn bei einem allgemein derart verinnerlichten Konzept wie Nation – für Geschlecht gilt das in wohl noch stärkerem Maße – ist die empfundene Ahistorizität hinderlich bei der Feststellung ihrer Anfänge und Intentionen.
Für Deutschland gelten die antinapoleonischen Kriege und die mit ihnen einhergehenden Reformen als ein Wendepunkt und Katalysator des deutschen Nationalismus. Auch wenn bereits zuvor die Vorstellung eines originär „teutschen Nationalcharakters“ existierte, wurde dessen integrative (zugleich nach außen abgrenzende) Kraft in der Zeit der „Fremdherrschaft“ durchaus entscheidend verstärkt, zumal Maßnahmen wie die Heeresreform 1813 die breite Identifikation mit dieser Vorstellung auch zusätzlich beförderten.
Wie sich das frisch erwachte Nationalgefühl nun, jenseits der klar definierten Ziele wie „Befreiung“ von der „Fremdherrschaft“, konzeptionell ausgestalten sollte, darüber herrschten auch zu Zeiten der gemeinsamen Ziele offenbar durchaus unterschiedliche Auffassungen – die als solche jedoch erst zu Schwierigkeiten wurden, sobald der Nationalstaat aus drei Kriegen hervorgegangen war. Gerade regionale Unterschiede in der Vorstellung der deutschen Einigkeit werden von der Forschung anerkannt; Langewiesche beispielsweise attestiert dem deutschen Nationalismus einen föderativen Charakter ausdrücklich ohne die Forderung nach einem einheitlichen Nationalstaat noch bis weit über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus. Gleichzeitig jedoch unterscheidet man inzwischen nicht mehr zwei Phasen des Nationalismus – eine frühe, liberal-emanzipatorische und die spätere aggressiv-integrale – sondern schreibt dem Nationalismus seit der Französischen Revolution stets beide Tendenzen zugleich zu.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die deutsche Ausgestaltung des Konzepts Nation
- Nationalismus und Geschlechterrollen
- Symbolik
- Denkmäler als nationale Symbole
- Das Hermannsdenkmal
- Exkurs: Die Siegessäule
- Denkmäler als nationale Symbole
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Konstruktion von Nation und Geschlecht im Kontext des deutschen Nationalismus der Reichsgründungszeit am Beispiel des Hermannsdenkmals. Sie befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung des deutschen Nationalismus, den damit verbundenen Geschlechterrollen und der Verwendung von nationaler Symbolik, insbesondere Denkmälern, als Mittel zur Konstruktion einer kollektiven Identität. Ziel ist es, die komplexe Beziehung zwischen Nation, Geschlecht und nationaler Symbolik aufzuzeigen und deren Bedeutung im Kontext der Reichsgründung zu analysieren.
- Die Entwicklung des deutschen Nationalismus in der Reichsgründungszeit
- Die Konstruktion von Geschlechterrollen im Kontext des deutschen Nationalismus
- Denkmäler als nationale Symbole und ihre Rolle in der Konstruktion einer kollektiven Identität
- Die Bedeutung des Hermannsdenkmals als Beispiel für die Ausgestaltung von Geschlechterrollen in der nationalen Symbolik
- Die Herausforderungen und Widersprüche in der Konstruktion des deutschen Nationalismus
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Das erste Kapitel beleuchtet die Bedeutung von Nation als kulturelle Imagination und beschreibt den deutschen Nationalismus als Prozess, der im Kontext der antinapoleonischen Kriege und Reformen entstand. Es werden die verschiedenen Konzeptionen des deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert beleuchtet, darunter die regionalen Unterschiede und die Rolle des föderativen Charakters. Zudem wird auf die problematische Ahistorizität der Nation hingewiesen und die Bedeutung der Geschlechterdifferenz für die Analyse des Nationalismus hervorgehoben.
- Die deutsche Ausgestaltung des Konzepts Nation: Kapitel zwei befasst sich mit den spezifischen Merkmalen des deutschen Nationalismus. Dabei wird die Rolle von Kriegen und der Abgrenzung von anderen Nationen, insbesondere Frankreich, für die Konstruktion nationaler Identität betont. Es werden die typischen Merkmale des deutschen und des französischen Nationalcharakters gegenübergestellt, wobei die stereotypen Zuschreibungen von Männlichkeit und Weiblichkeit zu den jeweiligen Nationen aufgezeigt werden. Das Kapitel unterstreicht die Notwendigkeit, die Unterschiede in der deutschen Gesellschaft, insbesondere die regionale, soziale und geschlechtliche Differenzierung, bei der Analyse des deutschen Nationalismus zu berücksichtigen.
- Nationalismus und Geschlechterrollen: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den komplexen Beziehungen zwischen Nationalismus und Geschlechterrollen. Es wird deutlich, dass der deutsche Nationalismus, obwohl er für Frauen ebenfalls identitätsstiftend war, in erster Linie von männlichen Vorstellungen und Normen geprägt war. Die Rolle von Frauen im Kontext des Nationalismus wird kritisch beleuchtet, und es wird betont, dass der deutsche Nationalismus in seiner Ausgestaltung tendenziell ein männliches Konzept blieb.
- Symbolik: Der vierte Abschnitt behandelt die Bedeutung von nationaler Symbolik, insbesondere Denkmälern, für die Konstruktion der Nation. Das Hermannsdenkmal wird als Beispiel für ein nationales Symbol untersucht, das die geschlechtsspezifischen Vorstellungen der Reichsgründungszeit widerspiegelt. Darüber hinaus wird die Siegessäule als weiteres Beispiel nationaler Symbolik kurz beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit widmet sich den Schlüsselbegriffen Nation, Geschlecht, Nationalismus, Symbolik, Denkmal, Hermannsdenkmal, Reichsgründungszeit und Geschlechterrollen. Im Fokus stehen insbesondere die komplexe Interaktion zwischen Nation und Geschlecht, die Bedeutung von nationaler Symbolik für die Konstruktion von Identität und die spezifischen Ausprägungen des deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert.
- Arbeit zitieren
- Katja Schmitz-Dräger (Autor:in), 2006, Nation und Geschlecht auf symbolischer Ebene, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63195