Betrachtet man in vergleichender Weise den deutschen Bundestag und die Volkskammer der DDR in der formellen Beschreibung ihrer beiden Verfassungen, so ergibt sich ein Bild, welches auf den ersten Blick verblüffend wirken kann: denn die Ähnlichkeiten zwischen beiden sind überdeutlich. Gleichzeitig ist natürlich auch bekannt, dass in der Wirklichkeit der Verfassungen größte Unterschiede bestanden. Auf der einen Seite hat man es mit gelebter Demokratie, auf der anderen mit gelebter Diktatur zu tun. Und trotz der diktatorischen Machtstruktur leistete sich die DDR eine Volkskammer. Interessant ist nun herauszufinden, wie denn die Volkskammer als Parlament in einer Diktatur arbeitete und welche Möglichkeiten den Abgeordneten in der DDR verblieben.
Diese Arbeit wird zuerst nach der formellen Ausgestaltung der Verfassung - und hier speziell der Teil zur Volkskammer - fragen. Dadurch soll der Blick für den Aufbau der Volkskammer geschärft werden. Auch soll natürlich auf die Ähnlichkeit zum Aufbau des Bundestages hingewiesen werden. Dies geschieht mit dem Hintergedanken des Vergleiches. Ohne spezifisch immer darauf hinzuweisen schwingt der Vergleich mit dem Bundestag in dieser Arbeit mit.
Der zweite, größere Teil der Arbeit wird sich mit den Organen der Volkskammer beschäftigen. Einzeln sollen so der Abgeordnete, die Fraktionen, die Ausschüsse und das Plenum untersucht werden, um Erkenntnisse über die Arbeitsweisen der Volkskammer zu bekommen. Am Ende der Arbeit wird ein Fazit stehen, welches grob auf die Bedeutung der Volkskammer im politischen System der DDR eingeht.
Die Arbeit stützt sich auf Literatur und frei zugängliche Quellen. Herauszuheben sei hier vor allem das im Jahre 2002 erschienene Buch von Werner J. Patzelt und Roland Schirmer, auf das sich auch die folgende Arbeit maßgeblich stützt. Nicht nur untersuchen die beiden Herausgeber die Funktionsweise der Volkskammer, sondern es kommen selber ehemalige Volkskammermitglieder zu Wort und berichten über ihre Arbeit als Abgeordnete in den Wahlkreisen, Fraktionen und Ausschüssen. Damit wird dem Gegenstand Volkskammer Lebendigkeit verliehen und auch Einsichten zu Tage gefördert, welche vielleicht ohne Zeitzeugenbefragung verschlossen geblieben wären.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Die Volkskammer der DDR in der Verfassung von 1949
2. Aufbau und Arbeitsweise der Volkskammer
2.1 Die Abgeordneten der Volkskammer
2.2 Die Fraktionen der Volkskammer
2.3 Die Ausschüsse der Volkskammer
2.4 Das Plenum der Volkskammer
3. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Vorwort
Betrachtet man in vergleichender Weise den deutschen Bundestag und die Volkskammer der DDR in der formellen Beschreibung ihrer beiden Verfassungen, so ergibt sich ein Bild, welches auf den ersten Blick verblüffend wirken kann: denn die Ähnlichkeiten zwischen beiden sind überdeutlich. Gleichzeitig ist natürlich auch bekannt, dass in der Wirklichkeit der Verfassungen größte Unterschiede bestanden. Auf der einen Seite hat man es mit gelebter Demokratie, auf der anderen mit gelebter Diktatur zu tun. Und trotz der diktatorischen Machtstruktur leistete sich die DDR eine Volkskammer. Interessant ist nun herauszufinden, wie denn die Volkskammer als Parlament in einer Diktatur arbeitete und welche Möglichkeiten den Abgeordneten in der DDR verblieben.
Diese Arbeit wird zuerst nach der formellen Ausgestaltung der Verfassung - und hier speziell der Teil zur Volkskammer - fragen. Dadurch soll der Blick für den Aufbau der Volkskammer geschärft werden. Auch soll natürlich auf die Ähnlichkeit zum Aufbau des Bundestages hingewiesen werden. Dies geschieht mit dem Hintergedanken des Vergleiches. Ohne spezifisch immer darauf hinzuweisen schwingt der Vergleich mit dem Bundestag in dieser Arbeit mit.
Der zweite, größere Teil der Arbeit wird sich mit den Organen der Volkskammer beschäftigen. Einzeln sollen so der Abgeordnete, die Fraktionen, die Ausschüsse und das Plenum untersucht werden, um Erkenntnisse über die Arbeitsweisen der Volkskammer zu bekommen. Am Ende der Arbeit wird ein Fazit stehen, welches grob auf die Bedeutung der Volkskammer im politischen System der DDR eingeht.
Die Arbeit stützt sich auf Literatur und frei zugängliche Quellen. Herauszuheben sei hier vor allem das im Jahre 2002 erschienene Buch von Werner J. Patzelt und Roland Schirmer, auf das sich auch die folgende Arbeit maßgeblich stützt. Nicht nur untersuchen die beiden Herausgeber die Funktionsweise der Volkskammer, sondern es kommen selber ehemalige Volkskammermitglieder zu Wort und berichten über ihre Arbeit als Abgeordnete in den Wahlkreisen, Fraktionen und Ausschüssen. Damit wird dem Gegenstand Volkskammer Lebendigkeit verliehen und auch Einsichten zu Tage gefördert, welche vielleicht ohne Zeitzeugenbefragung verschlossen geblieben wären.1
1. Die Volkskammer der DDR in der Verfassung von 1949
Formell war die DDR Volksvertretung wie in Artikel 50 der DDR Verfassung beschrieben, das höchste Organ der Republik. Die hohe Stellung der Volkskammer im formalen Sinne zeigt sich auch in der Anlage des politischen Systems an sich. Dieses war als ein parlamentarisches Regierungssystem konzipiert.
Im parlamentarischen Regierungssystem geht die Regierung aus dem Parlament hervor. Es wird die Regierung durch das Parlament gewählt. Dadurch erhält das Parlament ein hohes Machtpotential, jedenfalls dann, wenn es ständig mit Vertrauensentzug die Regierung wieder abwählen kann2.
Auch dies war in der Verfassung der DDR von 1949 so angelegt. Artikel 95 regelt dieses Verfahren ähnlich wie das Grundgesetz, nämlich durch ein konstruktives Misstrauensvotum. Laut Verfassung erhält die Volkskammer der DDR sogar weitere Rechte, die über die des Deutschen Bundestages hinausgehen. So wurde der Volkskammer das Recht eingeräumt, die Grundzüge der Regierungspolitik zu bestimmen3 (Art. 52). Weiterhin konnte die Volkskammer auch einzelnen Mitgliedern der Regierung ihr Misstrauen aussprechen (Art. 96). Diese mussten daraufhin zurücktreten.
Auch die Befugnisse im Rahmen der Gesetzgebung gleichen in der DDR Verfassung von 1949 den Standards eines machtvollen Parlamentes. So beschließt die Volkskammer Gesetze und kann auch selber Gesetzesinitiativen starten. (Art. 81 und 82). Sogar der Weg der Verfassungsänderung war auf die Volkskammer beschränkt. Während in der BRD der Bundesrat ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit einer Verfassungsänderung zustimmen muss, konnte die Volkskammer eine Verfassungsänderung auch ohne Zustimmung der Länderkammer, allerdings ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit durchsetzen.
Eine wichtige Aufgabe von Parlamenten und ein wirksamer Kontrollmechanismus zugleich, ist die Ablehnungsmöglichkeit des Staatshaushaltes. Über das sogenannte Budgetrecht wird dem Parlament ein wirksames Druckmittel gegenüber der Regierung und Verwaltung in die Hand gegeben. Auch die Volkskammer verfügte - jedenfalls formell in der Verfassung von 1949 - über das Recht der „Beschlussfassung über den Staatshaushalt“4 Auch das Ausschusswesen der Volkskammer wurde in der Verfassung ausdrücklich beschrieben. So bildet die Volkskammer drei ständige Ausschüsse, welche die Aufgaben der Volkskammer während der tagungsfreien Zeit übernimmt. In Art. 60 werden diese drei Ausschüsse5 benannt und ihnen auch die Rechte von Untersuchungsausschüssen zugestanden. Wichtig für die Ausschussarbeit (neben den ständigen Ausschüssen gab es von der Volkskammer extra eingerichtete Ausschüsse) war, dass Minister und leitenden Verwaltungsangestellte vor die Ausschüsse zitiert werden konnten und dort Rede und Antwort stehen mussten. Das Zitierrecht, welches auch die Volkskammer als Plenum in Anspruch nehmen kann, ist in Artikel 64 der DDR Verfassung von 1949 niedergelegt. Interessant und gleichsam wichtig zur Erfüllung der parlamentarischen Kontrollfunktion ist die Möglichkeit der Einrichtung von Untersuchungsausschüssen. Auch dies wurde der Volkskammer zugestanden. In Art.65 sind Vorraussetzungen der Einrichtung und Rechte dieser Untersuchungsausschüsse festgelegt.
Eine Besonderheit stellt der, ebenfalls durch die Verfassung vorgeschriebene, Verfassungsausschuss dar. Dieser Ausschuss, er setzt sich aus Vertretern der Fraktionen und einigen Staatsrechtlern (nicht Mitglieder der Volkskammer!) zusammen, prüft die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. Der Verfassungsausschuss erstellt ein Gutachten (es braucht auch ein gewisses Quorum um die Verfassungsmäßigkeit anzuzweifeln), über welches dann von der Volkskammer abgestimmt wird. Somit obliegt bei der Legislative letztendlich die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit von selbst verabschiedeten Gesetzen. Eine höchst ungewöhnliche Praxis, welche Probleme hinsichtlich der Kontrolle staatlichen Handelns aufwerfen dürfte.
An dieser Stelle sei nun noch einmal kurz auf die Stellung der Abgeordneten in der Verfassung der DDR von 1949 einzugehen. Artikel 51 entscheidet, dass die Abgeordneten sich einer Verhältniswahl stellen müssen, welche nach bestimmten Prinzipien stattfinden muss. Diese Prinzipien sind die allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime Wahl der Abgeordneten. Auch in sofern werden demokratische Standards formal in der Verfassung niedergeschrieben. Wichtig ist ebenfalls die in Artikel 67 niedergeschriebene Immunität und auch die Indemnität der Abgeordneten. Wichtig insofern, dass somit die Verfolgung oder Bestrafung von Abgeordneten wegen ihres Auftretens und Abstimmens im Parlament ausgeschlossen ist. Auch Artikel 51 Absatz 3 weist auf die Ungebundenheit der Abgeordneten bei Abstimmungsfragen. Weitere Regelungen, welche die Abgeordneten betreffen, umfassen Aufwandsentschädigungen und Urlaubsfragen.
Diese grobe Skizzierung der verfassungsrechtlichen Regelungen zur Volkskammer und deren umfangreiche Rechte zeigt, dass formaljuristisch ein durchaus mächtiges Parlament in der Verfassung beschrieben worden war. Wäre die Verfassung so umgesetzt worden, wie sie formal geschrieben war, dann hätte sich die Volkskammer durchaus zu einer mit dem Bundestag wesensgleichen Institution entwickeln können. Die Parallelen, welche die Verfassung der DDR und die der BRD hinsichtlich Aufbau und Stellung ihrer Parlamente aufweisen, sind verblüffend. Allerdings zeigen sich in der konkreten Ausgestaltung ebenfalls verblüffende Unterschiede bzw. ein gänzlich anderes politisches System.
[...]
1 Quelle: www.dokumentarchiv.de
2 vgl: Schreyer; Schwarzmeier; 2000: S. 158ff
3 Im Grundgesetz der BRD verfügt der Kanzler über dese sogenannte Richtlinienkompetenz. Das parlamentarische Regierungssystem wirkt aber darauf hin, dass sich der Kanzler mit seiner Regierungspolitik nicht allzu weit von den Fraktionen des Bundestages abheben darf, denn ansonsten droht immer Zustimmungsentzug durch Abstimmungsniederlagen.
4 Art. 63 Abs. 1
5 es handelt sich dabei um einen Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten, einen Ausschuss für Wirtschaftsund Finanzfragen und einen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten.
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