Kallias und die Frage nach einem Frieden mit Persien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

29 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Der Kallias-Frieden und die Überlieferung des 4. und 5. Jahrhunderts
1.) Die Überlieferung des 5. Jahrhunderts
2.) Die Überlieferung ab dem 4. Jahrhundert

III. Die Frage nach Existenz und Datierung des Kalliasfriedens
1.) Die Untersuchung von Klaus Meister
2.) Eine andere Theorie zum Kalliasfrieden

IV. Probleme der Chronologie in den athenisch- persischen Auseinandersetzungen

V. Fazit

VI. Quellennachweis und Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die Geschichte Griechenlands und seiner mächtigsten Poleis Athen und Sparta wurde seit dem gescheiterten Aufstand der kleinasiatischen Griechen unter Aristagoras von Milet 494 und dem Ausgreifen Persiens auf das griechische Mutterland über ein halbes Jahrhundert zunächst durch den Abwehrkampf gegen die persische Invasion und dann, ab 479 durch den athenischen Offensivkrieg gegen persische Außenposten bestimmt, bis der militärische Konflikt im Jahre 449/8 mit dem sogenannten Kalliasfrieden einschlief.

Doch gerade die Frage nach der Historizität dieses Friedens scheint in der heutigen Wissen-schaft mehr denn je umstritten.

Weshalb sollte die athenische Führung eine solche Einigung um oder vor 450 v.u.Z. mit Persien suchen? Der Hegemonialanspruch Athens im Seebund beruhte auf der strikten Bekämpfung der Perser. In diesem Zusammenhang ist für die Problematik des Kalliasfriedens ausschlaggebend, ob in Athen, entweder unter dem Einfluß des kimonischen Sieges am Eurymedon oder später, möglicherweise im Zusammenhang mit einem wachsenden Einfluß des Perikles, eine politische Umorientierung stattgefunden hat. Zielte Athens Politik nicht mehr auf die strikte Bekämpfung des persischen Erzfeindes, sondern auf eine, in friedlicher Koexistenz mit Persien basierende Neuorganisation des Seebundes?

Das Gros der wissenschaftlichen Darstellungen befürwortet ein persisch-athenisches Abkom-men im Jahr 449/48 v.u.Z. Klaus Meister[1] sieht in dem Fortbestehen kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Persern und Athenern ein Indiz für die Nichtexistenz eines, wie auch immer gearteten Friedens in diesem Zeitraum. Nach detaillierter Auseinander-setzung mit der Problematik des Kalliasfriedens kam E. Badian[2] zu dem Schluß einer mehrmaligen Übereinkunft zwischen Persern und Athenern. In diesem Zusammenhang unterzog Badian die Chronologie dieses Zeitraums (von der Schlacht am Eurymedon bis in die 40er Jahre) einer Revision, die grundlegend für die weitere Forschung wurde.

In diesem Beleg wird versucht, nach einer einführenden Darstellung der wichtigsten Quellen, die jüngsten Forschungsergebnisse inhaltlich zu beleuchten. Dazu erfolgt eine kurze Dar-stellung der neueren Thesen zum Kalliasfrieden (Meister[3] & Badian) sowie eine Erörterung besonders strittiger Fragen in Bezug auf die Chronologie der athenisch-persischen Auseinandersetzungen und der damit verbundenen Entwicklung der attischen Herrschaft im Seebund.

II. Der Kallias-Frieden und die Überlieferung des 4. und 5. Jahrhunderts

Beim Betrachten der Quellenlage zum Kallias-Frieden lassen sich grundsätzlich zwei Fakten festhalten. In den Quellen des 5 Jh. findet sich kein einziger Hinweis für eine Historizität des Kalliasfriedens. Im Gegensatz dazu bieten die Quellen des 4. Jh. eine Fülle unterschiedlicher Darstellungen des chronologischen Ablaufs der Pentekontaetia und mit ihnen verschiedene Positionen zum Kallias-Frieden.

1.) Die Überlieferung des 5. Jahrhunderts

Mit den Darstellungen von Herodot und Thukydides besitzen wir zwei relativ zeitgenössische Überlieferungen für den Zeitraum des Kalliasfriedens. Um so erstaunlicher scheint die Tatsache, daß keiner von beiden einen Friedensschluß der Athener und Perser in seinem Werk erwähnt. Bei Herodot scheint dies auch nicht so problematisch, da seine Darstellungen jenen Zeitraum nur touchieren, jedoch bezeugen sie die Existenz einer Gesandtschaft der Athener am persischen Hof unter der Leitung des Kallias[4]. Diese Erwähnung stellt jedoch nur eine Randnotiz von Herodot dar, die vor allem durch ihre eigentümliche Formulierung auffällt. Das eigentliche Thema des dort behandelten Abschnitts befaßt sich mit der zum gleichen Zeitpunkt am persischen Hof weilenden argivischen Gesandtschaft, die ihr unter Xerxes geschlossenes Bündnis mit dem neuen Herrscher Artaxerxes bestätigen läßt. Auffällig ist hier, daß Herodot den Grund der Anwesenheit der athenischen Gesandtschaft im Ungewissen beläßt. Kallias war zur selben Zeit in, wie Herodot sagt, „einer anderen Angelegenheit“[5] dort.

Ein Fakt, der sich aus Herodot offensichtlich ergibt, ist, daß eine Gesandtschaft falls sie stattfand, in den Beginn der Regierungszeit des Artaxerxes fällt.[6] Die Bestimmung des genauen Zeitpunktes dieser Gesandtschaft steht jedoch weiterhin zur Disposition[7].

Herodots eigentümliche Darstellungsweise läßt dabei keinen sicheren Schluß bezüglich des Kalliasfriedens zu. Jedoch würden sie gut in das Bild von umstrittenen Verhandlungen passen, die wohl nicht zu einem Abschluß führten.

Neben diesem kontrovers diskutierten Herodotpassus steht das völlige Schweigen des Thukydides, daß besonders auffällig erscheint, da sich seine Darstellungen gerade mit dem Zeitraum der Pentekontaetia, die das Anwachsen des athenischen Machtpotentials beinhaltet, befaßt.

Sowohl von den Befürwortern als auch von den Gegnern des Kalliasfriedens sind verschiedene Erklärungsmodelle für das thukydideische Übergehen des Kalliasfriedens geliefert worden. Hierbei kann man hinsichtlich eines Erklärungsversuches bereits eine wichtige Unterscheidung vornehmen. Entweder wußte Thukydides von einem athenisch-persischen Friedensschluß nichts, oder er hat ihn, falls er ihn kannte, ignoriert. Im Folgenden seien zwei der plausibelsten Thesen der modernen Forschung nur kurz angeschnitten:

Neben der Nichtexistenz eines persisch-athenischen Friedensabkommens, daß wohl ohne Zweifel die einfachste Erklärung für das Schweigen des Thukydides wäre, lassen sich mehr oder weniger gewichtige Gründe für ein solches Übergehen finden[8].

Die wohl bisher beste Erklärung wird von Forschern wie bspw. Wade-Gery[9], Burn[10], Badian[11] und Gomme[12] vertreten. Diese Forscher stellten fest, daß die thukydideische Darstellung der Pentekontaetia zahlreiche „no less strange omissions“ aufweist, die Gomme[13] in seinen Ausführungen auflistet.

Andrewes[14] vertritt die Ansicht, daß möglicherweise der unvollendete Zustand des thukydi-deischen Werkes ein Grund für dessen Schweigen hinsichtlich des Kalliasfriedens ist. So glaubt er, daß Thukydides die Bedeutung der athenisch-persischen Beziehungen erst spät, gegen Ende des Peloponnesischen Krieges, erkannte, „und sich ihre Erwähnung für die Endredaktion seines Werkes vorbehalten habe, zu der es dann freilich wegen seines Todes nicht mehr gekommen sei“[15].

Schließlich stehen neben dem Schweigen der Quellen des 5.Jh., die unterschiedlichen positiven und negativen Stimmen der darauffolgende Jahrhunderte.

[...]


[1] Meister, Klaus: Die Ungeschichtlichkeit des Kalliasfriedens und deren historische Folgen. Wiesbaden 1982

[2] Badian, E.: The Peace of Callias. JHS 107 (1987) 1-39

[3] Meisters detaillierter Untersuchung widme ich mich besonders, da es dieser zu verdanken ist, daß die Existenz des Kalliasfriedens, und somit auch die Zielsetzung der attischen Außenpolitik dieses Zeitraums, neu hinter- fragt wurde.

[4] Herodot 7,151; vgl. Meister (1982) 44 ff.; Badian (1987) 7 & 18.

[5] Herodot 7,151

[6] Hierin stimmen Meisters und Badians Interpretationen überein.

[7] vgl. dazu Klaus Meister S. 23 u. ; Lewis: The Cambridge ancient history, Vol. V., Cambridge (1992) 121 ff.

[8] siehe dazu Kl. Meister S. 49/50 bzw. Meiggs, AE S. 140ff.

[9] H.T. Wade-Gery: The Peace of Kallias, in the Athenian Studies pres. to W.S. Ferguson, HSPh, Suppl.1, 1940, S.121ff = Essay in Greek History, 1958, S.202 ff. (zitiert nach Essay)

[10] A.R. Burn: Persia and the Greeks. The defense of the west, c. 546 – 478 B.C., London (1984), S.563

[11] E. Badian: From Plataea to Potidaea, 1993, S.127

[12] A.W. Gomme/ A. Andrewes / K.J. Dover: A historical commentary on Thucydides, Oxford (1956-1981), 5 Bd. (=HCT)

[13] A.W. Gomme/ A. Andrewes / K.J. Dover: HCT , 1. Bd., S.394 ff.

[14] A. Andrewes: Thucydides and the Persians, Historia 10, S. 1-18

[15] Kl. Meister (1982) S.50

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Kallias und die Frage nach einem Frieden mit Persien
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Alte Geschichte)
Veranstaltung
Hauptseminar: Der attisch-delische Seebund
Note
2,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
29
Katalognummer
V6334
ISBN (eBook)
9783638139281
Dateigröße
999 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Athen, Demokratie, Perikles, Persien, Kimon, Eurymedon
Arbeit zitieren
Roman Derneff (Autor:in), 2000, Kallias und die Frage nach einem Frieden mit Persien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6334

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