Jürgen Habermas hat mit seiner Gesellschaftstheorie ein begriffliches Instrumentarium entwickelt, das für die Kritik am Zusammenleben in modernen Gesellschaften nutzbar gemacht werden kann. Habermas selbst hat die "Anwendung" theoretischer Begriffe, welche als eine Ergänzung durch die Kritik an gesellschaftlichen Tatsachen zu verstehen ist, immer wieder gefordert, in seinen politischen Stellungnahmen praktiziert. Diskurstheorie und Kritik bedingen sich gegenseitig. Die theoretischen Begriffe von Habermas fordern immanent den kritischen Blick auf die Tatsachen. In den jüngsten Veröffentlichungen zur Diskurstheorie des demokratischen Rechtsstaates und der Anerkennungskämpfe geht es ihm um die Rekonstruktion "des Geflechts meinungsbildender und entscheidungsvorbereitender Diskurse, in das die rechtsförmig ausgeübte demokratische Herrschaft eingebettet ist". (Habermas, 1992, 19) Die dadurch in diesen Diskursen erscheinende kommunikative Rationalität gibt als normativer Begriff einen kritischen Maßstab der gesellschaftlichen Möglichkeiten von Recht, Politik und Gesellschaft ab, "nach dem die Praktiken einer unübersichtlichen Verfassungswirklichkeit beurteilt werden können". (Habermas, 1991, 20) Begriff und Faktizität sind nicht identisch. Die Gesellschaft als vernünftig begreifen heißt noch nicht, daß sie vernünftig ist. Habermas′ theoretischem Rationalismus entspricht folglich ein auf die Tatsachen blickender Rationalitätsskeptizismus. Die Verfassungswirklichkeit und faktische kommunikative Rationalität schätzt auch Habermas skeptisch ein. Gleichwohl hängt für ihn die Rationalität der demokratischen Herrschaft davon ab, inwieweit verständigungsorientierte Kommunikationen die Grundlage einer Verbindung von Zivilgesellschaft und politischem und rechtlichem System bilden. Kommunikative Anerkennungskämpfe der Zivilgesellschaft sind die Antriebskraft einer Einflußnahme auf den Rechtsstaat. Im theoretischen Programm von Habermas übernehmen kommunikative "Verfahren" die Vermittlung von Moralität und Sittlichkeit und von privater und öffentlicher Autonomie. Der in modernen Verfassungen in Geltung gesetzte universale Anspruch von Grundrechten kann nur dann den rechtlichen Rahmen für die Verfolgung eines je eigenen "guten" Lebens schaffen, wenn sich der Rechtsstaat gleichursprünglich aus den Privatrechtssubjekten und den Staatsbürgern kommunikativ konstituiert.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Metatheoretische Aspekte
- Wertdifferenz und rechtliche Anerkennung
- Aspekte des Cannabiskonsums
- Theoretische Grundlagen
- Die Begründung gesellschaftlicher Rationalität durch handlungstheoretische Begriffe
- Rationalität und Handlung
- Rationalität und Sprache
- Die Diskursethik als normatives Zentrum
- Der demokratische Rechtsstaat als System und Lebenswelt
- Einleitung
- Der philosophische Aspekt der Lebenswelt
- Der soziologische Aspekt der Lebenswelt
- Die Rationalität der Lebenswelt
- Gesellschaft als System
- Die externe und interne Vermittlung von System und Lebenswelt im Rechtsstaat
- Rationalität und Krise des demokratischen Rechtsstaates
- Cannabiskonsum im Spannungsverhältnis von System und Lebenswelt
- Einleitung: Historische Bedingungen eines rechtsstaatlichen Problems des Cannabiskonsums
- Genese des lebensweltlichen Cannabiskonsums im Zusammenhang von Wirtschaft, Staat und Recht
- Rechtsstaat, Betäubungsmittelgesetz und Cannabiskonsum
- Gesellschaftliche Kontexte des strafrechtlichen Verbots von Cannabis: Öffentlichkeit, Wissenschaft und Subkultur
- Das rechtsstaatliche Problem des Cannabiskonsums im Spannungsverhältnis von Anerkennung und Ausgrenzung
- Einleitung
- Cannabis, Parlament und Wissenschaft
- Rechtsprechung und Verfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit den rechtsstaatlichen Problemen des Cannabiskonsums im Kontext der Habermasschen Rechtstheorie. Ziel ist es, die Problematik des Cannabiskonsums mithilfe der Diskurstheorie zu analysieren und die Spannungsverhältnisse zwischen System und Lebenswelt, Anerkennung und Ausgrenzung aufzuzeigen.
- Die Anwendung der Habermasschen Rechtstheorie auf das Problem des Cannabiskonsums
- Die Analyse des Spannungsverhältnisses zwischen System und Lebenswelt im Kontext des Cannabiskonsums
- Die Untersuchung der rechtlichen Anerkennung von Cannabiskonsumenten im demokratischen Rechtsstaat
- Die Rolle von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft im Diskurs über den Cannabiskonsum
- Die Bedeutung von Kommunikation und Anerkennung für die Gestaltung des Rechtsstaates im Hinblick auf den Cannabiskonsum
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung der Arbeit legt die theoretischen Grundlagen und den methodischen Ansatz dar. Kapitel 2 befasst sich mit der Begründung gesellschaftlicher Rationalität durch handlungstheoretische Begriffe. Kapitel 3 untersucht den demokratischen Rechtsstaat als System und Lebenswelt. Kapitel 4 analysiert den Cannabiskonsum im Spannungsverhältnis von System und Lebenswelt. Kapitel 5 untersucht das rechtsstaatliche Problem des Cannabiskonsums im Spannungsverhältnis von Anerkennung und Ausgrenzung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Cannabiskonsum, der Habermasschen Rechtstheorie, der Diskursethik, dem demokratischen Rechtsstaat, dem Spannungsverhältnis von System und Lebenswelt, der Anerkennung, der Ausgrenzung, der Kommunikation, der Wissenschaft, der Politik und der Gesellschaft. Die Arbeit analysiert das Thema anhand der theoretischen Konzepte von Jürgen Habermas und betrachtet die aktuelle Rechtsprechung und die gesellschaftlichen Diskurse zum Cannabiskonsum.
- Arbeit zitieren
- Boris Schaefer (Autor:in), 1996, Rechtsstaatliche Probleme des Cannabiskonsums im Zusammenhang der Habermasschen Rechtstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6349