Während die Reformationen die Geschlossenheit des christlichen Kulturraumes einer Pluralität von „Christentümern“ geöffnet hatten, begannen sie mit dem Rückgang auf die Schrift und der Infragestellung des Bildes in seiner Verbindlichkeit zugleich einen für die Entstehung der Romantik wichtigen Prozess einzuleiten . Lockerte der Protestantismus nämlich die Kohäsion zwischen dem Träger religiöser Vorstellung und dieser selbst weiter, so intonierte das Aufkommen der Naturwissenschaften und der Aufklärung die schrittweise Immaterialisierung der Religion: Handlungen wurden vom Aberglauben bereinigt, jede Form – soweit der Ratio zugänglich – der Religion entkräftet. Erst im Zuge der aufklärerischen Kritik des traditionellen christlichen Glaubens wird Religion zum Grundbegriff. Religion denkt nun Gott vom Subjekt her, er wird letztlich zum Postulat diesseitiger, subjektiver Bedürftigkeit.
Damit entfaltet sich an dieser Stelle die Romantik nicht als Verlust v o n Religion, sondern aus dem Verlust derer T r ä g e r , als Sehnsucht individueller Religiosität, die sich des übersetzenden Mittelgrundes als einer formalen und wesentlich materiellen Brücke hin zum Objekt aller Religion beraubt sieht. Als bezeichnend für den wohl bekanntesten romantischen Maler, C. F. FRIEDRICH, sind deshalb auch die vom Betrachter abgewandten und damit gesichtslosen Individuen, die sich von einem oft phantastischen Unendlichen durch einen fehlenden Mittelgrund getrennt sehen. Da bereits um 1800 keine verbindlichen Kodizes von Symbolen und damit einer verbindlichen Bildsprache mehr vorhanden waren, gerät diese von einer symbolisch-allegorischen Sprache zu einer offen allegorischen (vgl. F. SCHLEGEL in der frühen Romantik).
In Ermangelung von Trägerformen zentriert die Romantik das Wesen der Religion im der Analyse Entzogenen und benennt das Unaussprechliche zirkumambulierend mit Chiffren des Ganzen („das Unendliche“, „das Weltall“, siehe zum Beispiel F. SCHLEIERMACHER). Aus der Suche nach Trägerformen (Sagen, Mythologien etc.) zeichnet sich das Verlangen nach einer unwillkürlichen (Natur) und umfassenden Formensprache ab (vgl. F. SCHLEGELS Universalpoesie): die typisch romantische innerlichkeitsorientierte Wirklichkeitssublimierung führt zu einem subjektiv evozierten Verweisungscharakter allen Irdischen auf das Unendliche als Ästhetisierungsvorgang – was schliesslich in das Phänomen der sogenannten Kunstreligion mündet.
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1
- Präliminarien
- Kapitel 1: Die (Früh-)Romantik
- Friedrich Schlegel
- Joseph Reubel
- Kapitel 2: Zur Definitionsfrage
- Religion
- Kunst
- Zur Relation der Systeme „Kunst“ und „Religion“.
- Teil 2
- Hauptteil
- Kapitel 3: Kunstreligion (bei F. Schlegel und J. Reubel).
- Aspekte der Kunstreligion
- absoluter Ganzheitsbezug..
- Existenzialität
- Verbindlichkeit
- Subjektsbezug nach dem Absoluten als „, Oben \"
- Unverfügbarkeit / Offenbarungscharakter.
- Zusammenfassung...
- Die Rolle der Kunst als Ausdruck religiösen Sinns und Ernstes
- Die Definition von Kunst und Religion in der Frühromantik
- Die Verbindung zwischen Kunst und Religion als „neue Religion“
- Die Entwicklung der Ästhetik und Religionsphilosophie im Kontext der Aufklärung und Romantik
- Die Bedeutung der individuellen Religiosität in der modernen Welt
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Konzepte der Kunstreligion in der Frühromantik und ihre Verbindung zur Religionswissenschaft. Ziel ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Denkrichtungen zu beleuchten und die Bedeutung der Kunstreligion für die Entwicklung der Ästhetik und Religionsphilosophie zu erörtern.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Frühromantik mit besonderem Augenmerk auf Friedrich Schlegel und Joseph Reubel. Das zweite Kapitel widmet sich der Definition von Religion und Kunst und untersucht die Relation zwischen beiden Systemen. Kapitel 3 analysiert die Konzepte der Kunstreligion bei Friedrich Schlegel und Joseph Reubel und erörtert deren Charakteristika, wie den absoluten Ganzheitsbezug, Existenzialität, Verbindlichkeit und Offenbarungscharakter.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Begriffen wie Kunstreligion, Frühromantik, Religionsphilosophie, Ästhetik, individuelle Religiosität, Säkularisierung und Sakralisierung. Weitere wichtige Themen sind der Einfluss der Aufklärung auf die Entwicklung der modernen Kunst und Religion sowie die Rolle der Kunst als Ausdruck des „höheren, göttlichen Geistes“.
- Arbeit zitieren
- Magister Dominic Lüthi (Autor:in), 2005, Die Kunstreligion der Frühromantik und der Religionswissenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63535