Märchen haben auch in unserer heutigen Zeit nichts von ihrem Reiz eingebüßt. Aber sie haben sich im Laufe der Zeit verändert. Die vorliegende Arbeit betrachtet zunächst die allgemeinen Elemente eines Märchens und zeigt die Entwicklung der Gattung Märchen vom Volksmärchen über das Kunstmärchen, bis hin zum modernen Kunstmärchen. Diese drei Märchentypen werden anhand eines konkreten Märchens, das sich über die Jahre hinweg dem jeweiligen Literaturgeschmack und kulturellen Gegebenheiten angepasst hat, verglichen. Zum Schluss wird der grundsätzliche Einsatz von Märchen in der Schule behandelt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Erkenntnisinteresse
2. Wissenswertes über Märchen
2.1 Zum Begriff Märchen
2.1.1 Volksmärchen
2.1.2 Kunstmärchen
2.2. typische Kennzeichen eines Märchens
2.3. Direktive eines Märchens
2.4 Märchenfiguren
2.5 Formeln und Deutungsansätze
3. Vergleich von Volksmärchen, Kunstmärchen und modernen Kunstmärchen an einem konkreten Beispiel
3.1 Volksmärchen: Gebrüder Grimm Die sechs Schwäne
3.1.1 Die Gebrüder Grimm
3.1.2 Inhaltsangabe des Märchens der Gebrüder Grimm
3.1.3 Märcheninterpretation zu Die sechs Schwäne
3.1.3.1 Figuren im Grimm’schen Volksmärchen
3.1.3.2 Formeln und Symbole im Grimm’schen Volksmärchen
3.2 Kunstmärchen: Hans Christian Andersen Die wilden Schwäne
3.2.1 Hans Christian Andersen
3.2.2 inhaltliche Unterschiede von der Grimm’schen zu Andersens Fassung
3.3 modernes Kunstmärchen: Thomas Brasch Die wilden Schwäne
3.3.1 Thomas Brasch
3.3.2 inhaltliche Unterschiede von Andersens zu Braschs Fassung
4. Einsatz von Märchen in der Schule
4.1 Überlegungen vor dem Einsatz von Märchen im Unterricht
4.2 konkreter Einsatz von Märchen im Deutschunterricht - eine Variante
4.2.1 Zugang zum Märchen eröffnen
4.2.2 Motive und Strukturen sammeln
4.2.3 Figuren, Formeln und Symbole sammeln
4.2.4 Märchensprache erlernen
4.2.5 Erzählanlässe finden
4.2.6 Schreibsituationen schaffen
4.3 Das Hörspiel nach Thomas Braschs Fassung des Märchens Die wilden Schwäne - schultauglich?
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Erkenntnisinteresse
Märchen haben auch in unserer heutigen Zeit nichts von ihrem Reiz eingebüßt. Aber sie haben sich im Laufe der Zeit verändert. Die vorliegende Arbeit betrachtet zunächst die allgemeinen Elemente eines Märchens und zeigt die Entwicklung der Gattung Märchen vom Volksmärchen über das Kunstmärchen, bis hin zum modernen Kunstmärchen. Diese drei Märchentypen werden anhand eines konkreten Märchens, das sich über die Jahre hinweg dem jeweiligen Literaturgeschmack und kulturellen Gegebenheiten angepasst hat, verglichen. Zum Schluss wird der grundsätzliche Einsatz von Märchen in der Schule behandelt.
2. Wissenswertes über Märchen
2.1 Zum Begriff Märchen
Das Wort Märchen hat seinen Ursprung im mittelhochdeutschen maere und bedeutet soviel wie Kunde, Botschaft, Nachricht von einer Gegebenheit, die so berühmt ist, dass sie sich herumspricht bzw. es verdient, herumgesprochen zu werden (vgl. Rölleke, 1992, S.9). Unter einem Märchen versteht man traditionell eine phantastische, meist kurze, Prosaerzählung. Die Kürze eines Märchens ergab sich aus dem Anspruch, dass jeder Bürger die Möglichkeit haben sollte, sich eine solche Geschichte einprägen zu können, um sie weiter zu erzählen. Märchen wurden von jeher nach der Art ihrer Handlung in bestimmte Kategorien eingeteilt, z.B. Tiermärchen, Feenmärchen, Zaubermärchen, Lügenmärchen. Für eine grobe Disposition ist eine Unterscheidung zwischen Volksmärchen und Kunstmärchen ausreichend.
2.1.1 Definition Volksmärchen
Reine Volksmärchen erwuchsen aus verbaler Erzähltradition. Der Märchenerzähler setzte Mimik und Gestik ein, um seine Worte noch zu verstärken. Seit dem 16./ 17 Jahrhundert wurden Märchen in Europa zusammengetragen und niedergeschrieben. In Deutschland sind vor allem die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm bekannt geworden. Zum Teil wurden die Märchen den epochalen Gegebenheiten angepasst. Bestimmte Merkmale sind jedoch allen Volksmärchen gemein: „Zeit und Ort sind nicht fixiert, die Naturgesetze haben keine Geltung, Pflanzen, Tiere und Gestirne können sprechen und sind dem Menschen gleichgestellt, Verwandlungen aller Art dienen als Belohnung oder Strafe, am Ende steht immer der Sieg des Guten, Fleißigen, bestraft werden Faulheit, Bosheit, Hochmut“ (Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 2003). Häufig kommt einer bestimmten Zahl (z.B. drei und sieben) eine bedeutende Rolle zu.
2.1.2 Definition Kunstmärchen
Aus den Volksmärchen entwickelten sich ab der Epoche der Romantik die Kunstmärchen. Bei einem Kunstmärchen handelt es sich um einen bestimmten Märchentypen, der im Gegensatz zum Volksmärchen nicht einer anonymen Feder entsprungen ist, „…sondern als individuelle Erfindung eines bestimmten, namentlich bekannten Autors meist schriftlich festgehalten und verbreitet…“ wird (Mayer, Tismar, 1997, S.1). Der Autor greift bestimmte Bausteine eines Volksmärchens auf, verändert es nach seinen Vorstellungen und baut neue, meist philosophische, Aspekte in die ursprüngliche Version ein. Nennenswerte Schöpfer von Kunstmärchen in Deutschland waren L. Tieck, C. Brentano, W. Hauff, E.T.A. Hoffmann, in Dänemark, H.C. Andersen, in England O. Wilde.
2.2 typische Kennzeichen eines Märchens
Nach Max Lüthi lassen sich folgende Kennzeichen eines Märchens festhalten:
- „Eindimensionalität“: Das Jenseits und das Diesseits existieren in einem Märchen nebeneinander.
- „Flächenhaftigkeit“: Ein Märchen geht nicht in die Tiefe. Der Zuhörer/ Leser erfährt nie etwas über das Innere einer Märchenfigur. Der Ort der Handlung wird niemals plastisch geschildert und auch die Zeit wird nicht genau bestimmt.
- „Abstrakter Stil“: Märchenerzählungen sind so abstrakt formuliert, dass die ganze Geschichte sich dem Leser nur schemenhaft und wirklichkeitsfern darbietet. Zu den Stilmitteln in einem Märchen zählen unter anderem: bestimmte Redewendungen zu Beginn, wiederkehrende Passagen, Formalisierungen, einsträngige Handlungen und ein fester Schluss.
- „Isolation und Allverbundenheit“: Die Figuren, die Gegebenheiten, die Orte, die Tiere, die Gegenstände, einfach alles in einem Märchen ist so verbindungslos geschildert, dass es gerade dadurch möglich wird, alles mit allem zu verknüpfen, ohne dass sich der Leser darüber wundern müsste.
- „Sublimation und Welthaltigkeit“: Alle Bestandteile eines Märchens werden dem realen Bedeutungszusammenhang entnommen und in einen märchenhaft fiktiven Gehalt umgewandelt. Alle veränderten Einzelheiten ergeben zusammen eine neue Welt, eine Märchenwelt.
(vgl. Lüthi, 1976)
2.3 Direktive eines Märchens
Seit jeher bekommen Kinder Märchen erzählt. Märchen bieten den Kindern die Möglichkeit sich in eine phantastische Welt zu träumen und ihre Phantasie zu beflügeln. Sie sind Glücksutopien und können als Motivator dienen, unangenehme Dinge/ Probleme anzugehen und Konflikte zu lösen. Schließlich haben die Kinder ja in den Märchen erfahren, dass die Erzählung immer ein gutes Ende nimmt, dass der Held immer siegreich ist und je eher sie selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen, um so eher wird es sich zum Positiven wenden. „Das Märchen … hat die Moral der kleinen Leute, die überleben wollen“ (Hoffmann, Rösch, 1984, S.191). Das Böse wird im Märchen immer durch das Gute besiegt und deshalb, braucht man gar keine Angst zu haben. Außerdem strotzen Märchen vor Lebensoptimismus. „Die Märchen haben den Glauben an das Glück, nicht ans bloße happy-end, vielmehr an die Unverwüstlichkeit des Lebens, das mit List, Güte und Tapferkeit gegen die Großen, die bösen Mächte und Zauberer bestanden sein will“ (Hoffmann, Rösch, 1984, S.191).
Durch Märchen wird Kindern eine Einheit von Mensch und Natur vermittelt und sie werden angeregt, sorgsam mit der Welt und den darin lebenden Tieren umzugehen. Märchen sind auch heute nicht aus der Mode gekommen, da sich ihre Inhalte mit elementaren Fragen der menschlichen Existenz befassen.
2.4 Märchenfiguren
Allen Märchen sind bestimmte Figuren und Figurenkonstellationen gemein. Die größte Bedeutung kommt den in der Regel weiblichen Helden zu. Sie stehen für einen bestimmten Archetypen, der am Ende durch Verstand, Mut, Fleiß und anderen förderlichen Tugenden das Schicksal zum Guten wendet. Die Helden treten niemals allein auf, sie sind immer umgeben von menschlichen oder tierischen Helfern oder darüber hinaus, sogar leblosen Komplizen aus der Natur. Übernatürliche Erscheinungen, wie z.B. Riesen, zeigen die Größe und die Art der Herausforderung an. Böse Figuren, wie z. B der böse Wolf, stehen sinnbildlich für die dunkle Seite im Menschen, für unterdrückte Triebe. Auch Stiefmütter und Schwiegermütter repräsentieren als Pendant zur echten Mutter in der Regel das Böse. Im Märchen gibt es generell nur gute oder böse Figuren. Die Guten kämpfen auf der Seite des Helden, die Bösen wenden sich gegen den Helden und versuchen ihm zu schaden.
Den männlichen Helden werden zu Beginn des Märchens meist nur wenig positive Eigenschaften zugeschrieben. Nicht selten sind sie jung, dumm, unerfahren und träumen von großen Taten, die andere vollbracht haben. Während des Reifeprozesses müssen einige Helden die Verwandlung in ein Tier durchstehen. Erst im Laufe der Geschichte entwickelt sich der Protagonist zu einem wirklichen Helden, der selbst seiner schwierigen Bestimmung nachkommen kann.
Weibliche Heldinnen dagegen müssen meist zunächst eine Reihe Demütigungen und Kränkungen über sich ergehen lassen, bevor sie völlig selbstlos das Schicksal zum Guten wenden können. Märchenheldinnen spinnen, stricken, nähen oft das Garn des Schicksals.
2.5 Formeln und Deutungsansätze
Märchen beginnen häufig mit den Worten Es war einmal. Diese drei kleinen Worte lassen den Leser sofort in eine fiktive Phantasiewelt schweifen. Die typische Schlussformel eines Märchens lautet: Und wenn sie nicht gestorben sind… Sie impliziert, dass in der Märchenwelt den Heldinnen und Helden dauerhaftes Glück beschieden ist und weckt beim Leser ebenfalls die Sehnsucht nach einem beständigen Glückszustand.
Märchen kommen mit nur wenigen Figuren aus, die nicht näher beschrieben werden. Die Handlung verläuft meist einsträngig und beschäftigt sich mit essentiellen Fragen des menschlichen Daseins. Märchen laufen prinzipiell in einem geordneten Zustand ab. Zahlen spielen dabei eine wichtige Rolle. Die 3 steht z.B. für Harmonie, für die Einheit von Vater, Mutter und Kind. Die Zahl 7 symbolisiert die sieben Wochentage, stellt somit etwas Vollendetes dar. Ordnung wird repräsentiert durch die 12. Sie steht für den Jahreszyklus. Die Zahl 13 deutet auf Gefahr hin, die Ordnung wird durcheinander gebracht.
Auch die Farben, die in den Märchen vorkommen, sind nicht beliebig ausgewählt, sondern besitzen symbolischen Charakter. Die Farbe weiß repräsentiert die Reinheit und die Unschuld. Rot steht symbolisch für das Blut, das in den Adern pulsiert und stellt die Lebenskraft dar. Schwarz kann ein Zeichen für die Fruchtbarkeit der Erde sein. Dunkle Farben können aber auch auf Unheimliches hindeuten. Gold und Silber symbolisieren das Überlegene, das Siegreiche, die Macht und den Reichtum.
3. Vergleich von Volksmärchen, Kunstmärchen und modernen Kunstmärchen an einem konkreten Beispiel
3.1 Volksmärchen: Gebrüder Grimm Die sechs Schwäne
3.1.1 Die Gebrüder Grimm
Als Gebrüder Grimm werden die beiden ältesten Söhne von Philipp Wilhelm und Dorothea Grimm benannt, nämlich Jacob Grimm (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859). Nachdem erst drei der Geschwister und anschließend der Vater früh verstarb, wuchsen die Brüder bei ihrer Tante bei Kassel auf und besuchten dort das Lyzeum. Später studierten beide in Marburg Jura. Jacob wurde Sprach- und Literaturwissenschaftler, Professor und Bibliothekar. Wilhelm war als Privatgelehrter, Literaturwissenschaftler und Professor tätig (vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2003/ vgl. Rölleke, 1992, S.27). Beide Brüder fühlten sich zeitlebens eng verbunden. Die schweren Schicksalsschläge und die Armut in ihrer Kindheit schweißte sie zusammen. Sie teilten die Leidenschaft für das Sammeln und Niederschreiben von Volksmärchen. Die erste Ausgabe ihrer berühmten Kinder- und Hausmärchen erschien 1812-1815.
„Nimmt man den Einfluß der frühkindlichen Umwelt hinzu (Hanau und Steinau mit ihren bäuerlich oder kleinbürgerlich intakten Strukuren, naturnahe Gemeinwesen sozusagen, die ein anscheinend unproblematisches Miteinander aller Schichten gestatten, so sind einige biographische Fundamente für das spätere Lebenswerk der Brüder Grimm sichtbar: das Interesse an allen Lebensäußerungen des sogenannten ‚einfachen Volks’ in Glaube, Sitte, Brauchtum, Recht, Kultur, Sprache und eben vor allem auch in seinen literarischen Hervorbringungen“ (Rölleke, 1992, S.27-28).
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- Arbeit zitieren
- Vera Pohlmann (Autor:in), 2006, Märchen damals und heute: Vergleich der Fassungen des Märchens: 'Die sechs Schwäne' und 'Die wilden Schwäne' und Einsatz von Märchen in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63546
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