Erfurt, 26. April 2002. Kurz nach 11 Uhr alarmiert der Hausmeister des Gutenberg-Gymnasiums in der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt die Polizei, nachdem in der Schule Schüsse gefallen sind. Wie sich später zeigt, sind bereits 15 Menschen tot oder tödlich verletzt als die Polizei eintrifft. Ein von der Schule verwiesener Schüler hatte Minuten zuvor schwer bewaffnet das Schulhaus betreten und LehrerInnen getötet. Zu seinen Opfern werden außerdem zwei Schüler, ein Polizist und schließlich er selbst. Der „Amoklauf von Erfurt“ wurde – wie könnte es auch anders sein – zum Medienereignis und löste eine öffentliche Diskussion über die Gewalt durch Ego-Shooter-Computerspiele, über Jugend und Gewalt sowie über Gewalt an Schulen aus. Landes- wie Bundespolitiker befassten sich medienwirksam mit dem Ereignis.
Einen ähnlich spektakulären Ausbruch von Gewalt an einer Schule hatte es bereits 1999 in der Columbine-Highschool im US-Bundesstaat Colorado gegeben. Zwei Schüler hatten dort zwölf Mitschüler, einen Lehrer und sich selbst umgebracht.
Amokläufe wie die beiden genannten bedeuten eine neue Dimension der Gewalt, das Phänomen von Gewalt an der Schule war allerdings schon lange ein Thema für die Medien. Bereits 1993 hatte das Magazin „Der Stern“ geschrieben: „Sie bewaffnen sich mit Messern, Pistolen und Knüppeln, schlagen sich krankenhausreif, erpressen Schutzgelder - an vielen deutschen Schulen herrschen Angst und Schrecken“ .
Sind die öffentlich gewordenen Fälle von Gewalt nur die Spitze eines Eisberges und ist in Wahrheit alles viel schlimmer oder vermitteln Sensationsberichte ein falsches Bild von den Zuständen an den Schulen in Deutschland?
In dieser Arbeit werden mehrere Sichtweisen des Phänomens von Schule und Gewalt dargelegt. Ziel ist es dabei, erstens die Feststellungen über das Ausmaß des Phänomens vorzutragen und zu ergänzen: Ist die Gewalt ansteigend und nimmt sie beängstigende Formen an wie verschiedene Massenmedien behaupten?
Zweitens werden die Erscheinungsformen und ihre Tendenzen aufgezeigt wie die Studien sie erfassen.
Drittens sind die übereinstimmenden oder divergierenden Aussagen über die Ursachen von Gewalt an Schulen aufzuzeigen sowie die zur Diskussion stehenden Handlungsalternativen zumindest anzudeuten: Wo sehen die Studien schwerpunktmäßig die Ursachen von Gewalt – in der Schule selbst, im sozialen Umfeld, bei den Massenmedien? Und welche konkreten Gegenmaßnahmen sehen sie?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Abgrenzung und Diskussion des Begriffes Gewalt
- 2. Phänomene der Gewalt in der Schule
- 2.1. Gewalt, die von Schülern ausgeht
- 2.2. Gewalt, die von Lehrern ausgeht
- 2.3. Das Ausmaß des Phänomens
- 3. Ursachen der Gewalt in der Schule bei Wenzel
- 4. Erklärungsversuche für die Gewalt an Schulen
- 4.1. Gewalt als genetisch angelegtes „normales“ Verhaltensmuster
- 4.2. Gewalt als soziales Verhaltensmodell
- 4.3. Aggression als Ergebnis von Frustration
- 5. Schule und Gewalt im Ost-West-Vergleich: Die Untersuchung Wilfried Schubarths
- 5.1. Kurzbeschreibung der Studie
- 5.2. Schubarths Untersuchungsergebnisse
- 5.3. Erklärungen für das Untersuchungsergebnis
- 6. Der Oskar-prämierte Dokumentarfilm: Michael Moores „Bowling for Columbine“
- 7. Negative Tendenzen, neue Gewaltphänomene und die gleichzeitige Überschätzung des Phänomens
- 8. Pädagogische und politische Schlussfolgerungen
- 9. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Phänomen der Gewalt in der Schule. Ziel ist es, das Ausmaß des Phänomens zu beschreiben und zu analysieren, die Erscheinungsformen und ihre Tendenzen aufzuzeigen und die Ursachen von Gewalt an Schulen zu untersuchen. Dabei werden verschiedene Perspektiven beleuchtet, um ein umfassendes Bild der Thematik zu zeichnen.
- Definition und Abgrenzung des Gewaltbegriffs
- Analyse der verschiedenen Erscheinungsformen von Gewalt in der Schule
- Untersuchung der Ursachen von Gewalt an Schulen
- Behandlung der verschiedenen Erklärungsmodelle für Gewalt
- Diskussion der pädagogischen und politischen Schlussfolgerungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext der Arbeit dar und führt in die Thematik „Schule und Gewalt“ ein. Sie beleuchtet die Tragödie von Erfurt und stellt den Hintergrund der Diskussion um Gewalt in Schulen dar.
Kapitel 1 definiert und grenzt den Begriff Gewalt ab. Es werden verschiedene Definitionen von Gewalt analysiert und eine Arbeitsdefinition für die Arbeit erarbeitet. Kapitel 2 betrachtet die verschiedenen Phänomene der Gewalt in der Schule, wobei sowohl Gewalt von Schülern als auch Gewalt von Lehrern betrachtet wird. Die Studie von Wenzel (1995) wird in Kapitel 3 vorgestellt, die sich mit den Ursachen von Gewalt in der Schule befasst.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit verschiedenen Erklärungsmodellen für Gewalt an Schulen. So werden die Theorien von Gewalt als genetisch angelegtes „normales“ Verhaltensmuster, als soziales Verhaltensmodell und als Ergebnis von Frustration erläutert.
In Kapitel 5 wird die Untersuchung von Wilfried Schubarth über Schule und Gewalt im Ost-West-Vergleich vorgestellt. Die Studie befasst sich mit den Unterschieden im Gewaltverhalten von Schülern in Ost- und Westdeutschland und bietet Erklärungen für die Ergebnisse. Kapitel 6 analysiert den Dokumentarfilm „Bowling for Columbine“ von Michael Moore, der sich mit dem Thema der Gewalt in Schulen auseinandersetzt.
Kapitel 7 diskutiert negative Tendenzen und neue Gewaltphänomene in Schulen. Es wird ebenfalls die Frage der Überschätzung des Gewaltphänomens in den Medien beleuchtet. Kapitel 8 erörtert pädagogische und politische Schlussfolgerungen aus der Analyse des Themas.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Thema „Schule und Gewalt“ und fokussiert sich auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen, Ursachen und Erklärungsmodelle von Gewalt in der Schule. Zu den wichtigsten Schlüsselbegriffen gehören: Gewalt, Aggression, Mobbing, Bullying, Erklärungsmodelle, soziale Strukturen, pädagogische Maßnahmen, politische Maßnahmen und die Rolle der Medien.
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- Vanessa Wiedt (Author), 2005, Schule und Gewalt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63618