Das Leistungsbilanzdefizit der USA und der Dollar


Seminararbeit, 2006

34 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1. Einleitung

Die Vereinigten Staaten von Amerika weisen seit Anfang der 90er Jahre ein sich immer stärker ausweitendes Leistungsbilanzdefizit aus. Für das gesamte Jahr 2005 wird ein Defizit in Höhe von $725 Milliarden, was 5,8 % des amerikanischen BIP entspricht, prognostiziert.[1] Zugleich hat auch der US-Dollar seit dem Jahr 2002 ca. 20 % seines Wertes eingebüßt. Dieser Dollarverfall impliziert zusammen mit dem enormen Leistungsbilanzdefizit der USA eine Gefahr für die Weltwirtschaft, da die USA dieses Defizit über Kapitaldarlehen des Auslands finanzieren. Der US-Dollar gilt dabei noch immer als Leitwährung und hat international als Transaktions- und Reservewährung große Bedeutung, weshalb die Entwicklung des Dollarkurses sowohl für die Kapitalgeber, als auch für die Wettbewerbsfähigkeit der USA von großer Bedeutung ist. Um die Gefahr einer weltweiten Krise infolge eines „Dollar Crashs“ zu vermeiden, stellt sich die Frage, wie die USA dieses Leistungsbilanzdefizit in einem kontrollierten Prozess abbauen können, und welche Konsequenzen dies für die Entwicklung des Dollar hat. Entscheidend hierbei ist die Kenntnis über die Wechselwirkungen zwischen dem Dollar und der US Leistungsbilanz, sowie deren mögliche Ausgangsszenarien.

In der vorliegenden Arbeit stelle ich zuerst die Entwicklung der Leistungsbilanz und des Dollars, sowie deren Determinanten dar. Im zweiten Teil werde ich anhand eines Portfolio-Balance Modells die verschiedenen Anpassungsprozesse und Gleichgewichtszustände erläutern. Abschließend gehe ich im dritten Teil auf mögliche Ausgangsszenarien ein und werde deren Folgen aufzeigen, sowie die aktuelle Entwicklung seit Januar 2005 mit einbeziehen.

2. Entwicklung der US-Leistungsbilanz und des Dollar

Die US Leistungsbilanz weist seit 1992 ein im Zeitablauf immer größer werdendes Defizit aus (siehe Abbildung 1). Verglichen mit vergangenen Daten wird das extreme Ausmaß des Anstiegs deutlich. So betrug das Leistungsbilanzdefizit der USA im Jahr 1996 noch $120 Milliarden, was einem Anteil von 1,5 % des BIP entsprach.[2] Prognosen für 2005 gehen von einem Leistungsbilanzdefizit von $725 Milliarden und damit 5,8 % des BIP aus. Damit haben sich diese Werte innerhalb von 9 Jahren beinahe verfünffacht. Der Anstieg beruht im wesentlichen auf dem starken Importanstieg und dem dadurch verursachten hohen Defizit in der Handelsbilanz (siehe Abbildung 2). Dieses Leistungsbilanzdefizit bedeutet, dass die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland stärker ausfallen, als die Kapitalabflüsse in das Ausland, d.h. Ausländer also mehr US-Vermögen halten als US-Bürger ausländisches Vermögen und sich die USA beim Ausland verschulden. Der Dollar wertete von Dezember 1995 bis Februar 2002 gegenüber den großen Währungen um ca. 34 % auf und danach bis April 2005 um ca. 31 % ab (siehe Abbildung 3).[3]

2.1 Determinanten des US-Leistungsbilanzdefizit und des Dollar

Das US Leistungsbilanzdefizit kann auf zweierlei Weise interpretiert werden. Zum einen könnte man daraus folgern, dass die USA über ihren Verhältnissen leben, da die Ersparnisse der USA nicht ausreichend sind, um die nationalen Investitionen und die Konsumausgaben zu decken. Das nationale Sparen (S) ergibt sich aus demjenigen Anteil der Produktion (Y) der nicht durch Privatkonsum (C) oder Konsum der öffentlichen Haushalte (G) aufgebraucht wird. Es ergibt sich folgende Gleichung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Höhe des nationalen Sparens hat Einfluss auf die Nettoexporte und damit auch auf die Leistungsbilanz:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Nettoexporte spiegeln sich in dem Leistungsbilanzsaldo wieder. Wird dieser Leistungsbilanzsaldo (NX) negativ, liegt damit ein Leistungsbilanzdefizit vor (siehe Abbildung 4). Dieses Defizit impliziert, dass die Investitionen (I) nicht durch das nationale Sparen (S), sondern durch Kredite aus dem Ausland finanziert werden.[4] In den USA hat sich die Sparquote besonders im Bereich des privaten und des staatlichen Sparens dramatisch verschlechtert (siehe Abbildung 5). Die Gründe liegen im hohen Wirtschaftswachstum und dem, durch Vertrauen der US-Bürger in die eigene Zukunft, hohen Konsum. Die USA weisen zur Zeit u.a. wegen der Belastungen durch den Afghanistan- und Irakkrieg ein Haushaltsdefizit von ca. 4 % des BIP aus.[5] Im Jahr 2004 versickerten im staatlichen Budgetdefizit allein $400 Milliarden der nationalen Ersparnis. Ein Leistungsbilanzdefizit kann aber auch ein Indiz dafür sein, dass die Investitionsmöglichkeiten in den USA die anderer Länder übertreffen und dadurch starke Kapitalzuflüsse angelockt werden.[6] So hatte sich die weltweit hohe Ersparnis während des „New Economy“ Booms in hohen Investitionen in die USA entladen, da der IT-Boom trotz niedrigen Zinsen gute Investitionsbedingungen bot. Auch nach dem Ende dieses Booms veränderte sich das Sparverhalten nicht, da durch niedrige Hypothekenzinsen ein Immobilienboom ausgelöst wurde, welcher das Vermögen der Haushalte ansteigen lies. Dieser Immobilienboom wird gegenwärtig kritisch gesehen, da trotz steigender Leerstandquote in den letzten Jahren die Hypothekenanträge weiter gestiegen sind. Dies sind Anzeichen dafür, dass der Markt eher durch Spekulationen auf höhere Wiederverkaufspreise statt durch den Wunsch nach Eigennutzung getrieben wird.[7]

Der reale Wechselkurs (Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten) wird durch folgende Gleichung charakterisiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach dem Gesetz der Kaufkraftparität (KKP) verändert sich der reale Wechselkurs durch Preisniveauveränderungen im Inland (P) oder Ausland (P*) als Folge von Änderungen der Nachfrage nach handelbaren Gütern und Dienstleistungen. Der nominale Wechselkurs (E) gleicht dabei Preisunterschiede in dem Maß aus, dass die Preisniveaus sämtlicher Länder gleich sind, wenn sie in derselben Währung gemessen werden. In der kurzen Frist gilt die KKP nicht, da die Preise relativ starr sind. Diese Starrheit begründet sich im großen Anteil der Löhne an den Produktionskosten. Die Löhne werden jedoch immer für einen bestimmten Zeitraum festgelegt und berücksichtigen die zu diesem Zeitpunkt erwartete Inflationshöhe und Rohstoffpreise.[8] Die Entwicklung des nominalen Wechselkurses (E) reflektiert das Angebot und die Nachfrage nach einer Währung. Internationale Kapitalanleger berücksichtigen hierbei besonders die zu erwarteten Zinssätze und die erwartete weitere Entwicklung des Wechselkurses. Der Kurs des Dollars, beeinflusst über die Handelsbilanz in erheblichem Maße die Leistungsbilanz. Wertet der Dollar ab, so werden US Güter relativ zum Ausland billiger und der Export der USA steigt durch die erhöhte Nachfrage aus dem Ausland. Durch die Abwertung werden aber auch gleichzeitig Importe für die USA teurer. Dies führt zu einer Verschiebung der inländischen Nachfrage von ausländischen hin zu inländischen Gütern.[9] Damit sich als Reaktion das Handelsbilanzdefizit verringert, muss die Marshall-Lerner Bedingung erfüllt sein. Diese besagt, dass infolge einer Abwertung die Exporte stark genug zunehmen und die Importe stark genug zurückgehen müssen, um den Preisanstieg bei den Importen zu kompensieren. Der Effekt einer Abwertung verschlechtert in der kurzen Frist jedoch die Handelsbilanz, da sich nur die Preise und nicht die Mengen ändern. Die Ursache hierfür ist, dass Importe und Exporte meist schon Monate im Voraus in Auftrag gegeben werden und die Preise in der kurzen Frist träge sind. Dadurch bleibt die Exportmenge konstant während der Wert der in Auftrag gegebene Importmenge steigt. In der mittleren Frist verbessert sich die Handelsbilanz und dadurch die Leistungsbilanz. Der Verlauf im Zeitpfad wird „J-Kurve“ genannt.[10]

2.2 Kapitalflüsse und die internationalen US-Nettoinvestitionen

Die USA sind zur Finanzierung ihres Leistungsbilanzdefizits auf ausländisches Kapital angewiesen, da die Investitionssumme über der nationalen Ersparnis liegt. Der niedrigen nationalen Ersparnis der USA steht dagegen eine regelrecht globale Sparflut infolge von Leistungsbilanzüberschüssen anderer Länder gegenüber. Die hohen Ersparnisse der anderen Länder haben unterschiedliche Ursachen. Deutschland, Japan und vergleichbare Länder sparen aufgrund der Unsicherheit über die künftige Entwicklung, sowie der problematischen Demographie durch das Alterungsproblem der Gesellschaft. Die asiatischen Schwellenländer und die Entwicklungsländer dagegen haben ihre Ersparnis infolge von Leistungsbilanzüberschüssen in den letzten Jahren sehr stark erhöht. Zusammengenommen wiesen die asiatischen Schwellenländer und die Entwicklungsländer im Jahr 1994 noch ein Leistungsbilanzdefizit von -$69 Milliarden aus. Zehn Jahre später erzeugen diese Länder aber schon einen Leistungsbilanzüberschuss von $336,2 Milliarden. Die Ursache hierfür lag u.a. in den stark gestiegenen Ölpreisen. Das Kapital dieser Länder floss überwiegend in die USA. Diese Länder wollten sich nach den Erfahrungen der Asienkrise und der darauffolgenden Rezessionen gegen Währungskrisen schützen und bauten Reserven insbesondere in US-Dollar auf.[11] Dieser massive Kapitalfluss in die USA verbunden mit dem stetig größer werdenden Leistungsbilanzdefizit verschlechterte die Position der internationalen Nettoinvestitionen der USA. Die internationalen Nettoinvestitionen spiegeln den Saldo des Erwerbs ausländischer Aktiva durch Inländer abzüglich des Erwerbs inländischer Aktiva durch Ausländer wieder. Im Jahr 1985 entsprachen die US-Kapitalanlagen im Ausland noch den Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland, so dass die Position der internationalen US-Nettoinvestitionen beinahe gleich Null war.[12] Ein Jahrzehnt später, 1995 verschlechterten sich die Nettoinvestitionen bereits auf -4% des BIP. Ende 2004 belief sich schließlich die Position der internationalen US-Nettoinvestition auf $ -2,5 Billionen, was ca. 29% des US-BIP entspricht (siehe Abbildung 6).[13] Die Bewertung der US-Kapitalanlagen im Ausland ist, neben dem Ausmaß der US-Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland, für die Höhe der internationalen Nettoinvestitionen entscheidend. Während z.B. die Wertermittlung von Bonds einfach möglich ist, stellt sich diese bei Aktienanlagen schwieriger dar. Die Wertermittlung kann auf Basis der Wiederbeschaffungskosten oder des Marktwertes erfolgen und sorgt für unterschiedliche Höhen der Kapitalanlagen bzw. Verbindlichkeiten (siehe Abbildung 7). Zusätzlich können Wechselkursveränderungen das Ausmaß der Position der internationalen Nettoauslandsinvestitionen verändern.[14] Eine Abwertung des Dollars gegenüber ausländischen Währungen erhöht den Wert aller von den USA in Fremdwährung gehaltenen Kapitalanlagen, Investitionen und Firmenanteilen. Die USA profitieren stark davon, dass deren Schulden in eigener Währung notiert werden, so dass Wechselkursänderungen auf diese Größe keinen Einfluss haben. Die US-Kapitalanlagen in ausländische Aktiva werden hingegen zu 70 % in ausländischer Währung notiert, so dass eine Abwertung des Dollar zu einer Veränderung der relativen Erträge zugunsten der USA führt und sich ein Vermögenstransfer vom Rest der Welt in die USA vollzieht. Eine Abwertung des Dollar um 10 % entspricht einem Transfer in Höhe von 5 % des US-BIP vom Rest der Welt in die USA.[15] Veränderungen in der Position der internationalen Nettoinvestitionen der USA resultieren aus den Veränderungen der einzelnen Einflusskanäle: Preise der Kapitalanlagen, Kapitalflüsse und Wechselkurs im Zeitablauf (siehe Abbildung 8).[16]

[...]


[1] Vgl. Obstfeld, M. (2005) S.2

[2] Vgl. Bernanke, S. (2005) S.1

[3] Vgl. Edwards, S. (2005) S.8

[4] Vgl. Krugman, P./Obstfeld, M. (2004) S.399 f.

[5] Vgl. Godley, W. (2005) S.2

[6] Vgl. Mann, C. (2002) S.132 f.

[7] Vgl. Bernanke, B. (2005) S.7 f.

[8] Vgl. Krugman, P./Obstfeld, M. (2004) S.504 f.

[9] Vgl. Blanchard, O. (2004) S.405 f.

[10] Vgl. Krugman, O/Obstfeld, M. (2004) S.593

[11] Vgl. Stockman, A. (2005) S. 6 f.

[12] Vgl. Ferguson, R. (2005) S.1 f.

[13] Vgl. Nguyen, E./Gohrband, C. (2005) S.1 f.

[14] Vgl. Tille, C. (2003) S.2 f.

[15] Vgl. Gourinchas, P.-O./Rey, H. (2005) S.2 ff.

[16] Vgl. Tille, C. (2003) S. 4 f.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Das Leistungsbilanzdefizit der USA und der Dollar
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
Internationale Währungsfragen
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
34
Katalognummer
V63627
ISBN (eBook)
9783638566315
ISBN (Buch)
9783638669429
Dateigröße
1395 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leistungsbilanzdefizit, Dollar, Internationale, Währungsfragen
Arbeit zitieren
Jochen Stiegeler (Autor:in), 2006, Das Leistungsbilanzdefizit der USA und der Dollar, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63627

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