Thomas Hobbes und John Locke zählen zu den bedeutendsten neuzeitlichen Philosophen. Ihre Werke stehen für die revolutionäre Neubegründung der politischen Philosophie. Beide stellen bisherige philosophische Lehren in Frage und überwinden die scholastische Philosophie. Sowohl für Hobbes als auch für Locke stellt das Gottesgnadentum keine ausreichende Legitimation für politische Herrschaft dar. Vielmehr nehmen beide an, Herrschaft „sei nur legitim, wenn sie den Herrschern auf Grund eines Vertrages zwischen den späteren Bürgern übertragen worden sei.“ Dennoch kommen beide Philosophen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf die beste Staatsform. Diese Arbeit soll in einem Vergleich zwischen dem Hobbes’schen Leviathan und den Zwei Abhandlungen über die Regierung von John Locke diese Unterschiede aufzeigen und erklären. Dies geschieht unter besonderer Beachtung der Fragestellung:
Inwieweit stellt Locke’s Werk Zwei Abhandlungen über die Regierung eine Zähmung des Leviathan von Thomas Hobbes dar?
Die Arbeit gliedert sich in folgende Abschnitte:
Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Staatsphilosophie von Thomas Hobbes. Bei der Bearbeitung dieses Abschnittes stand Hobbes eigenes Werk:Leviathan or the Matter, Forme, and Power of A Commonwealth Ecclesiasticall and Civil im Vordergrund. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich anschließend mit der politischen Theorie Locke’s. Auch hier stützt sich die Arbeit hauptsächlich auf Locke’s eigene Gedanken in Zwei Abhandlungen über die Regierung.Der vierte Abschnitt stellt einen Vergleich beider Theorien dar und erörtert die aufgeworfene Frage. Bei der Bearbeitung dieses Abschnittes fanden diverse Werke anderer Autoren Berücksichtigung, so etwa Die Antwort des Leviathan von Bernard Willms oder John Locke zur Einführung von Walter Euchner. Im letzten Abschnitt wird die aufgeworfene Frage vor dem Hintergrund der vorangegangenen Analyse näher beleuchtet und beantwortet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hobbes’ Leviathan
2.1. Hobbes’ Menschenbild
2.2. Der Naturzustand
2.3. Die Staatsgründung, Legitimation und Staatsform.
3. Zwei Abhandlungen über die Regierung von Locke
3.1. Menschenbild, Naturzustand und Kriegszustand
3.2. Die Staatsgründung, Legitimation und Staatsform
4. Vergleich der Theorien
5. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis:
Quellen
Weiterführende Literatur
1. Einleitung
Thomas Hobbes und John Locke zählen zu den bedeutendsten neuzeitlichen Philosophen. Ihre Werke stehen für die revolutionäre Neubegründung der politischen Philosophie. Beide stellen bisherige philosophische Lehren in Frage und überwinden die scholastische Philosophie. Sowohl für Hobbes als auch für Locke stellt das Gottesgnadentum keine ausreichende Legitimation für politische Herrschaft dar. Vielmehr nehmen beide an, Herrschaft „sei nur legitim, wenn sie den Herrschern auf Grund eines Vertrages zwischen den späteren Bürgern übertragen worden sei.“[1] Dennoch kommen beide Philosophen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf die beste Staatsform. Diese Arbeit soll in einem Vergleich zwischen dem Hobbes’schen Leviathan und den Zwei Abhandlungen über die Regierung von John Locke diese Unterschiede aufzeigen und erklären. Dies geschieht unter besonderer Beachtung der Fragestellung:
Inwieweit stellt Locke’s Werk Zwei Abhandlungen über die Regierung eine Zähmung des Leviathan von Thomas Hobbes dar?
Die Arbeit gliedert sich in folgende Abschnitte:
Der zweite Abschnitt befasst sich mit der Staatsphilosophie von Thomas Hobbes. Bei der Bearbeitung dieses Abschnittes stand Hobbes eigenes Werk: Leviathan or the Matter, Forme, and Power of A Commonwealth Ecclesiasticall and Civil im Vordergrund. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich anschließend mit der politischen Theorie Locke’s. Auch hier stützt sich die Arbeit hauptsächlich auf Locke’s eigene Gedanken in Zwei Abhandlungen über die Regierung. Der vierte Abschnitt stellt einen Vergleich beider Theorien dar und erörtert die aufgeworfene Frage. Bei der Bearbeitung dieses Abschnittes fanden diverse Werke anderer Autoren Berücksichtigung, so etwa Die Antwort des Leviathan von Bernard Willms oder John Locke zur Einführung von Walter Euchner. Im letzten Abschnitt wird die aufgeworfene Frage vor dem Hintergrund der vorangegangenen Analyse näher beleuchtet und beantwortet.
2. Hobbes’ Leviathan
Thomas Hobbes’ Abhandlung über die Staatstheorie Leviathan or the Matter, Forme, and Power of A Commonwealth Ecclesiasticall and Civil wurde erstmals in England im Jahre 1651 veröffentlicht. Um seine Vorstellungen über die beste Staatsform zu verstehen, ist es notwendig, vorab einen kurzen Blick auf das Menschenbild Hobbes’ zu werfen.
2.1. Hobbes’ Menschenbild
„Die Natur hat die Menschen hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten so gleich beschaffen, dass trotz der Tatsache, dass bisweilen der eine einen offensichtlich stärkeren Körper oder gewandteren Geist als der andere besitzt, der Unterschied zwischen den Menschen alles in allem doch nicht so beträchtlich ist, als dass der eine auf Grund dessen einen Vorteil beanspruchen könnte, den ein anderer nicht ebenso gut für sich verlangen dürfte. Denn was die Körperstärke betrifft, so ist der Schwächste stark genug, den Stärksten zu töten – entweder durch Hinterlist oder durch ein Bündnis mit anderen, die sich in der selben Gefahr wie er selbst befinden. Und was die geistigen Fähigkeiten betrifft, so finde ich, dass die Gleichheit unter den Menschen noch größer ist als bei der Körperstärke […]. Denn Klugheit ist nur Erfahrung, die alle Menschen, die sich gleich lang mit den gleichen Dingen beschäftigen, gleichermaßen erwerben.“[2] Für Hobbes sind demnach alle Menschen gleich geschaffen und mit den gleichen Fähigkeiten ausgestattet. Diese Gleichheit führt nach Hobbes dazu, dass alle Menschen die gleiche Hoffnung hegen, ihre eigenen Ziele und Absichten zu erreichen. Eine daraus resultierende Gefahr beschreibt Hobbes wie folgt: „Und wenn daher zwei Menschen nach demselben Gegenstand streben, den sie jedoch nicht zusammen genießen können, so werden sie Feinde und sind in der Verfolgung ihrer Absicht, die grundsätzlich Selbsterhaltung und bisweilen nur Genuß ist, bestrebt, sich gegenseitig zu vernichten oder zu unterwerfen.“[3] Hobbes zeichnet also ein sehr negatives Menschenbild. Zwar sagt er, dass nicht alle Menschen von Natur aus böse seien, dennoch würde die Anwesenheit weniger Böser zu einem generellen Misstrauen unter den Menschen führen:
„Denn wenn es auch weniger böse als gute Menschen gäbe, so kann man doch die Guten von den Bösen nicht unterscheiden, und deshalb müssen auch die Guten und Bescheidenen fortwährend Misstrauen hegen, sich vorsehen, anderen zuvorkommen, sie unterjochen und auf alle Weise sich verteidigen.“[4] Für Hobbes sind die Menschen daher notwendiger Weise stets auf ihre eigenen Interessen und Absichten bedacht. Daher kommt Hobbes zu dem Schluss: Homo homini lupus est. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Die Charakterisierung des Menschen als Raubtier macht auch das Verhältnis der Menschen untereinander im Naturzustand deutlich.
2.2. Der Naturzustand
Der Naturzustand ist ein gedankliches Konstrukt, welches den staatenlosen oder gesellschaftslosen Zustand der Menschheit beschreibt. In ihm manifestieren sich Hobbes’ Aussagen über das Menschenbild und die Verhältnisse, in denen die Menschen zueinander stehen. Im Naturzustand sind sie keiner übergeordneten Instanz unterworfen, die allgemeingültige Regeln für ein Zusammenleben aufstellt und deren Einhaltung überwacht. Hobbes begreift diesen natürlichen Zustand als einen Kriegszustand, einen bellum omnium in omnes: „während der Zeit, in der sie ohne eine allgemeine, sie alle im Zaum haltende Macht leben, sich in einem Zustand befinden, der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden. Denn Krieg besteht nicht nur in Schlachten oder Kampfhandlungen, sondern in einem Zeitraum, in dem der Wille zum Kampf genügend bekannt ist.“[5] Dieser Zustand hält an, „solange man sich des Gegenteils nicht sicher sein kann.“[6] Als Ursachen für diesen Zustand nennt Hobbes die Konkurrenz, das Misstrauen und die Ruhmsucht der Menschen, da sie ihretwegen die Auseinandersetzung mit anderen aus Gewinnsucht, aus Sicherheitsbedenken oder des Ansehens wegen suchen.[7]
Das Fehlen einer allgemeinen Gewalt führt dazu, dass es in diesem natürlichen Kriegszustand weder Eigentum noch Recht oder Unrecht geben kann. „Denn wo keine allgemeine Gewalt ist, ist kein Gesetz, und wo kein Gesetz, keine Ungerechtigkeit.“[8]
Daraus folgt weiterhin, dass der Mensch kein Eigentum haben kann, sondern nur den Besitz an dem, „was er erlangen kann, und zwar so lange, wie er es zu behaupten vermag.“[9]
Der Naturzustand beruht also auf dem jus naturale, dem natürlichen Recht, welches jedem Menschen eine absolute Handlungsfreiheit und jedermann ein Recht auf alles einräumt. Neben dem jus naturale gibt es aber noch das lex naturale, welches auf der Vernunft der Menschen beruht. Dieses Gesetz der Natur verbietet es dem Individuum, etwas zu tun oder zu unterlassen, was seine Existenz gefährden könnte. Dementsprechend gelten im Naturzustand die folgenden drei Gesetzte: „Jedermann hat sich um Frieden zu bemühen, solange dazu Hoffnung besteht. Kann er ihn nicht herstellen, so darf er sich alle Hilfsmittel und Vorteile des Krieges verschaffen und sie benützen.“[10] Das zweite Gesetz ist aus dem ersten abgeleitet und besagt: „Jedermann soll freiwillig, wenn andere ebenfalls dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten, soweit er dies um des Friedens und der Selbstverteidigung willen für notwendig hält, und er soll sich mit soviel Freiheit gegenüber anderen zufrieden geben, wie er anderen gegen sich selbst einräumen würde.“[11] Dieses Gesetzt spricht also den Verzicht oder das Übertragen von natürlichen Rechten an. Möglich sind der einfache Verzicht, der wechselseitige Verzicht oder auch die reziproke Übertragung von Rechten, was einen Vertragsschluss bedeutet.
Im Naturzustand werden die Schwächen dieser Gesetze allerdings schnell evident, denn sie beruhen auf Freiwilligkeit, Reziprozität und Vertrauen. In einer Umgebung in der ständige Ungewissheit und Misstrauen herrschen, ist die Furcht vor der Nichteinhaltung von Versprechen und Verträgen der Gegenseite berechtigter Weise sehr hoch, denn, „wer zuerst erfüllt, kann nicht sicher sein, dass der andere daraufhin erfüllen wird“[12] und somit sind Verträge bei jedem „Verdacht unwirksam.“[13] Im Naturzustand kann es somit keine gültigen Verträge geben, welche allerdings die Bedingung für eine friedliche und geregelte Koexistenz darstellen.
[...]
[1] Euchner, Walter: John Locke. In: Maier, Hans/ Denzer, Horst (Hrsg.): Klassiker des politischen
Denkens. Von Locke bis Max Weber. München 2004, S. 17.
[2] Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen
Staates. Herausgegeben und eingeleitet von Iring Fetscher. Frankfurt a. M. 1966, S. 94.
[3] Ebd., S. 95.
[4] Hobbes, Thomas: Vom Menschen. Vom Bürger. Herausgegeben und eingeleitet von Günther
Gawlik. Hamburg, 1966. S. 68.
[5] Leviathan, S. 96.
[6] Ebd.
[7] Ebd., S. 95 f.
[8] Ebd., S. 98.
[9] Ebd.
[10] Ebd., S. 99f.
[11] Ebd., S. 100.
[12] Ebd., S. 105.
[13] Ebd.
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