Vor rund einem Jahr am 1. Januar 2005 trat das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft. Die Verhandlungen dauerten über drei Jahre. Das erste Mal auf die Tagesordnung wurde es 1997 durch einen Antrag der SPD-Oppositionsfraktion im Bundestag gesetzt. Es sollte aber noch zwei Jahre dauern, bis das Thema ganz oben auf der politischen Tagesordnung stand. Mit dem Regierungsantritt der rot-grünen Koalition nach den Bundestagswahlen von 1998 trat ein Wandel in der Ausländerpolitik ein. Den ersten Schritt machte die neue Regierung mit einer Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes. Das neue Gesetz, welches nun auch das ius soli-Prinzip verankerte, trat am 1. Januar 2000 in Kraft.
Den Stein des Anstoßes für die Debatte um ein Zuwanderungsgesetz gab der damalige Bundeskanzler selber. Gerhard Schröder kündigte zur Eröffnung der Computerfachmesse CeBIT im Februar 2000 eine Green-Card-Regelung für 20.000 ausländische Computerspezialisten an. Diese auf fünf Jahre befristete Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für Experten aus der Informations- und Kommunikationstechnologie aus den Nicht-EU-Staaten trat durch Verordnungen im August desselben Jahres in Kraft. Die Ausmaße für den deutschen Hochtechnologiesektor waren nur gering, da statt erhoffter 20.000 nur 10.000 Green-Cards in Anspruch genommen wurden. Dennoch war etwas viel wichtigeres geschehen: eine neue Debatte um ein Zuwanderungsgesetz wurde angestoßen. Das Thema hatte sofort eine breite gesellschaftliche und politische Basis. Am 4. Juli 2001 legte die unabhängige Kommission “Zuwanderung” den Abschlussbericht mit Vorschlägen für ein neues Zuwanderungsgesetz vor. Auf Grundlage des Berichtes jedoch mit starken Modifikationen legte die Regierung am dritten August 2001 ihren Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz vor.
Gab es am Anfang der Debatte verhältnismäßig wenig Kontroversen hinsichtlich des Entwurfes zwischen CDU/CSU und der Regierungskoalition, so verhärtete sich der Ton nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York. Die Union brachte vermehrt Forderungen nach verschärften Sicherheitsbedingungen und Abwehrmechanismen im Zuwanderungsgesetz in die öffentliche Debatte. Am 1. März 2002 wird das Zuwanderungsgesetz im Bundestag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die GRÜNEN verabschiedet. Die Zustimmung des Bundesrates wurde dem Gesetz am 22. März in einem umstrittenen Abstimmungsverfahren erteilt.
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung
- 1. Fragestellung und Erkenntnisinteresse
- 2. aktueller Forschungsstand
- 3. Methodenwahl und Vorgehensweise
- II begrifflich-theoretische Grundlegung
- 1. Rolle des Gesetzes im modernen Rechtsstaat
- 1.1. Entwicklung des modernen Rechtsstaates
- 1.2. Was ist ein Gesetz (Verhältnis von Gesetz und untergesetzlichen Rechtsnormen)
- 1.3. Funktion von Gesetzen (Wann bedarf es eines Gesetzes)
- 2. Die Gesetzgebung
- 2.1. Definition von Gesetzgebung
- 2.2. Akteure in der Gesetzgebung
- 3. theoretische Grundlagen für die Analyse von Gesetzgebungsprozessen - Politische Steuerung
- 3.1. Systemtheorie
- 3.2. Akteurstheorien
- 3.3. Theoriesynthese
- 3.4. Vetospieler-Ansatz
- 4. Methoden der Analyse von Entscheidungsstrukturen
- 4.1. Netzwerkanalyse
- 4.2. Policy-Analyse
- III Die Besonderheiten der Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland
- 1. Gesetzgebungskompetenz
- 2. Politiknetzwerke
- 3. Die Dominanz der Parteien als Akteure im Entscheidungsprozeß
- 4. Rolle der Fraktionen
- 5. Der Bundesrat als Vetospieler des Bundestages
- 6. Der Vermittlungsausschuss
- 7. Strategien und Einflussnahme der parlamentarischen Opposition
- 7.1. Verfassungsrechtliche Bedingungen
- 7.2. Parlamentarische Kontrollinstrumente
- 8. Zusammenspiel von Politik und Verwaltung – der hohe Einfluss der Ministerialverwaltung
- 9. Das Bundesverfassungsgericht als Vetospieler der Legislative
- IV Zuwanderung
- 1. Anfänge und Entwicklung
- 1.1. Wanderungsbewegungen vor 1945
- 1.2. Zu- und Abwanderung nach 1945
- 1.2.1. "Import" von Arbeitskräften
- 1.2.1.1. Entwicklung bis 1973
- 1.2.1.2. Anwerbestopp 1973
- 1.2.1.3. Entwicklung nach 1990
- 1.2.1.4. Wandel seit 1999
- 1.2.2. Spätaussiedler und innerdeutsche Wanderungsströme
- 1.2.3 Asyl und Flüchtlinge
- 2. Gesetzliche Regelungen der Zuwanderung vor dem neuen Zuwanderungsgesetz
- V Gesetzgebungsprozeß zum Zuwanderungsgesetz
- 1. Die Akteure
- 1.1. Parteien
- 1.1.1. SPD
- 1.1.2. CDU/CSU
- 1.1.3. F.D.P.
- 1.1.4. Bündnis 90/ die Grünen
- 1.1.5. PDS
- 1.2. Bundesregierung
- 1.3. Die Bundesländer im Bundesrat
- 1.4. Verbände und Interessengruppen
- 1.4.1. Verbände
- 1.4.2. Interessengruppen und Wohlfahrtsverbände
- 1.5. Bundesverfassungsgericht
- 1.6. Medien
- 1.7. Wissenschaftliche Politikberatung
- 1.8. Der Bundespräsident
- 2. Das Verfahren
- 2.1. Vorparlamentarische Phase: Politikformulierung
- 2.1.1. agenda setting
- 2.1.2. Vom Referenten zum Gesetzentwurf
- 2.2. Das Entscheidungsstadium
- 2.2.1. Der erste Durchgang im Bundestag
- 2.2.1.1. Gesetzentwurf und parlamentarische Initiativen
- 2.2.1.2. Die Ausschußphase
- 2.2.1.3. Plenardebatte und Abstimmung
- 2.2.1.4. Zwischenstand
- 2.2.2. Die umstrittene erste Abstimmung im Bundesrat
- 2.2.3. Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten
- 2.2.4. Der Gang nach Karlsruhe
- 2.2.5. Der zweite Durchgang im Bundestag
- 2.2.6. Ablehnung im Bundesrat und Anrufung des Vermittlungsausschuss
- 2.2.7. Das lange Vermittlungsverfahren
- 2.2.8. Abstimmung im Bundestag und Bundesrat
- 2.3. Das Kontrollstadium
- 3. Fazit: Ein typisches Gesetzgebungsverfahren?
- VI Schlussbetrachtungen
- 1. Auswertung der exemplarischen Fallstudie
- 2. Beantwortung der Fragestellung und weiterführende Fragen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Magisterarbeit untersucht den Gesetzgebungsprozess in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel des Zuwanderungsgesetzes. Ziel ist es, die komplexen Prozesse der Gesetzgebung detailliert darzustellen und die Rolle verschiedener Akteure und Institutionen zu analysieren.
- Rolle des Gesetzes im modernen Rechtsstaat
- Akteure in der Gesetzgebung
- Theoretische Grundlagen für die Analyse von Gesetzgebungsprozessen
- Besonderheiten der Gesetzgebung in Deutschland
- Zuwanderungsgesetz als Fallstudie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung und das Erkenntnisinteresse der Arbeit vor. Sie erläutert den aktuellen Forschungsstand und die gewählte Methodik. Kapitel II legt die begrifflich-theoretische Grundlegung für die Analyse des Gesetzgebungsprozesses. Es werden die Rolle des Gesetzes im modernen Rechtsstaat, die Definition und Akteure der Gesetzgebung sowie verschiedene Theorien zur Analyse von Gesetzgebungsprozessen beleuchtet. Kapitel III fokussiert auf die Besonderheiten der Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland. Themen wie Gesetzgebungskompetenz, Politiknetzwerke, die Rolle der Parteien und des Bundesrates sowie das Bundesverfassungsgericht werden behandelt. Kapitel IV behandelt die Geschichte der Zuwanderung in Deutschland und die gesetzlichen Regelungen vor dem neuen Zuwanderungsgesetz. Kapitel V, das Kernstück der Arbeit, analysiert den Gesetzgebungsprozess zum Zuwanderungsgesetz. Es beschreibt die Akteure, das Verfahren und diskutiert das Fazit.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit Themen wie Gesetzgebungsprozess, Rechtsstaat, Politiknetzwerke, Vetospieler, Zuwanderung, Gesetzgebungskompetenz, Bundesrat, Bundestag, Bundesverfassungsgericht und politische Steuerung.
- Arbeit zitieren
- Dörte Grabbert (Autor:in), 2006, Der Gesetzgebungsprozeß in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel des Zuwanderungsgesetzes - eine Fallstudie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63832