Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Themenabgrenzung
2. Begriff Software-System
2.1. Enterprise resource planning (ERP-Software)
2.2. Andere Software
3. Aufwendungen für Software-Systeme
3.1. Lizenzentgelt
3.2. Vorkosten/Vorplanungskosten
3.3. Planungskosten
3.4. Implementierungskosten
3.4.1. Customizing
3.4.2. Modification
3.4.3. Extension
3.5. Schulungskosten
3.6. Nachträglich entstehende Aufwendungen
4. Bilanzsteuerliche Behandlung dieser Aufwendungen
4.1. Handelsbilanzielle Grundsätze
4.2. Steuerbilanzielle Grundsätze
4.2.1. Software als immaterielles Wirtschaftsgut
4.2.2. Entgeltlicher Erwerb immaterieller Wirtschaftsgüter
4.2.3. ERP-Software als Anlagevermögen
5. Bewertung der ERP-Software
5.1. Handelsrechtliche Bewertung
5.1.1. Einzelbewertung von Vermögensgegenständen
5.1.2. Wertansatz
5.2. Steuerrechtliche Bewertung
6. Anschaffungs-/Herstellungskosten
6.1. Anschaffungskosten
6.2. Herstellungskosten
6.3. Nachträglich Anschaffungs- oder Herstellungskosten
6.4. Abgrenzung zum Erhaltungsaufwand
7. Abgrenzung zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten
7.1. Vertragliche Vereinbarungen
7.1.1. Überlassung von Software
7.1.2. Anpassung von Software
7.1.3. Vertragsauslegung
7.2. Erweiterung oder wesentliche Verbesserung
7.2.1. Entstehung eines neuen Vermögensgegenstands
7.2.2. Quellcode
7.3. Beispiel zum Vergleich
8. Aktivierungspflicht
8.1. Lizenzentgelt
8.2. Vorkosten/Vorplanungskosten
8.3. Planungskosten
8.4. Implementierungskosten
8.5. Schulungskosten
8.5.1. Schulung der Anwender
8.5.2. Schulung des Personals für Implementierungsarbeiten
8.6. Nachträglich entstandene Aufwendungen
8.6.1. Erweiterung durch nachträglich angeschaffte Module
8.6.2. Wartungskosten
9. Abschreibung
9.1. Beginn der Abschreibung
9.2. Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer
9.2.1. Differenzierung der Software
9.2.2. Zeitliche Entwicklungsabstände von Produkten
9.2.3. Ansicht vieler Betriebe
9.2.4. Ansicht der Finanzverwaltung
9.2.5. Zu berücksichtigende betriebsgewöhnlich Nutzungsdauer
9.3. Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen
9.4. Ermittlung der Abschreibungen
10. Zusammenfassung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.Einleitung
1.1.Problemstellung
Bei der Einführung eines neuen Softwaresystems in Betrieben stellt sich die Frage, wie die Aufwendungen für diese Systeme steuerlich zu behandeln sind.
Die Investitionskosten von EDV-Großprojekten belaufen sich vielfach auf zweistellige Millionenbeträge.[1] Wobei die Aufwendungen für die Implementierung, Planung, Beratung und Schulung oftmals den Kaufpreis der Softwarelizenz erheblich übersteigen.
Bei der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung dieser gesamten Kosten ergeben sich unterschiedliche Auffassungen. Es ist fraglich, ob und inwieweit sofort abzugsfähige Betriebsausgaben vorliegen, oder ob es sich um ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut handelt, das lediglich über eine Nutzungsdauer abgeschrieben werden kann.
Auch zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Software gibt es unterschiedliche Auffassungen. Wie schnell ist Software abgenutzt?
Derzeit liegen zu diesen Problematiken weder finanzgerichtliche oder höchstrichterliche Grundsatzentscheidungen vor noch sind überhaupt gerichtliche Verfahren anhängig.
Aufgrund der Gesetzgebung, die diese Einzelfälle nicht eindeutig regelt, und der fehlenden Rechtsprechung gibt es oftmals unterschiedliche Auffassungen zwischen den Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung.
1.2.Themenabgrenzung
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt insbesondere in der Abgrenzung der einzelnen Aufwendungen zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten (AK und HK).
2.Begriff Software-System
2.1.Enterprise resource planning (ERP-Software)
Übersetzung: enterprise: Betrieb, Unternehmen
resource: Betriebsmittel, Hilfsmittel
planning: Planung[2]
Hierbei handelt es sich um ein aus mehreren Komponenten bestehendes integriertes (zusammengeschlossenes, vereinigtes) Anwendungspaket, das alle wesentlichen betrieblichen Funktionsbereiche abdeckt.[3]
Diese Systeme werden zur Optimierung von Geschäftsprozessen eingesetzt und mit verschiedenen Modulen (z.B. Fertigung, Finanzen, Logistik, Personal, Vertrieb) zusammengestellt. Wesensmerkmal eines ERP-Systems ist die Funktion zur umfassenden Integration und Steuerung verschiedener Unternehmensaktivitäten.[4]
Die ERP-Software zeichnet sich weiter dadurch aus, dass sie jederzeit problemlos durch Module erweiterbar ist. Insbesondere ist eine Verknüpfung mit Software anderer Hersteller möglich.[5]
Es gibt eine Vielzahl von Softwareherstellern, die ERP-Software produzieren (z.B. SAP, Baan oder Navision).
2.2.Andere Software
Bei der Einführung von anderen Softwareprodukten ist die Problematik hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Aufwendungen für diese Produkte ähnlich.
Denkbar sind zum Beispiel Aufwendungen für einen Internet‑Auftritt, für EDV-Netzwerke und für andere implementierungsintensive Software-Systeme.
Hierbei handelt es sich um moderne Informations- und Kommunikationsmittel (wie auch die ERP-Software), die zusammenfassend auch als „neue Medien“ bezeichnet werden.[6]
Auf die steuerliche Behandlung von anderen Softwareprodukten wird hier nicht explizit eingegangen.
3.Aufwendungen für Software-Systeme
3.1.Lizenzentgelt
Lizenzentgelt ist die Zahlung eines Entgelts für die Einräumung eines Nutzungsrechts an der Software.
3.2.Vorkosten/Vorplanungskosten
Hier sind Ausgaben gemeint, die vor der Kaufentscheidung für eine bestimmte Software liegen.[7] Zum Beispiel Ausgaben für allgemeine Studien zur Wirtschaftlichkeit oder zur Einführung neuer EDV-Systeme (Vorstudien, Grobstudien oder sog. Machbarkeitsstudien). Diese Kosten müssen sich nicht notwendigerweise auf die schließlich angeschaffte Software beziehen.
3.3.Planungskosten
Planungskosten entstehen durch die Analyse der Geschäftsprozesse beim Anwender mit Blick auf die ausgewählte Software.[8] Diese wird in der Regel von einer Unternehmensberatungsgesellschaft vorgenommen.
Es wird u.a. analysiert, in welcher Form welche Geschäftsprozesse durch die Software unterstützt werden können, oder inwieweit bestimmte Geschäftsprozesse geändert/ergänzt werden müssen, damit sie durch die Software unterstützt bzw. verarbeitet werden können.
3.4.Implementierungskosten
Def. von Implementierung (engl.: implementation):
Das zuvor spezifizierte Design wird unter Einsatz konkreter Technologien in ein Hardware- und Softwaresystem überführt.[9]
Wenn die Software in standardisierter Form an den Kunden ausgegeben wird, sind bei der Installation des Programms im Netzwerk des Anwenders die Anpassungen an seine Anforderungen vorzunehmen. Der Prozess der Anpassung wird als Implementierung bezeichnet. Die Implementierung erfolgt in der Regel durch externe Beratungsfirmen oder durch den Lizenzgeber. Teilweise werden auch speziell geschulte Mitarbeiter des eigenen Unternehmens eingesetzt. Die Implementierungskosten unterteilen sich in Customizing und optional Modifications und Extensions.
Diese Kosten betragen häufig das 5 bis 10-fache der eigentlichen Lizenzkosten.[10]
3.4.1.Customizing
Customizing (Anwenderanpassung[11] ) ist die Anpassung von Standardprogrammen an anwenderspezifische Gegebenheiten durch Einstellen von Parametern (Bestimmungsgrößen[12] ) nach betriebsspezifischen Vorgaben und Verarbeitungsregeln (kundenindividuelle Anpassung).[13]
Standardprogramme werden an die Struktur des Unternehmens und die Organisationsabläufe ohne Programmierung angepasst. Es erfolgt durch dialoggesteuerte Vornahme von Einstellungen in Tabellen.
3.4.2.Modification
Modification (Befehlsänderung[14] ) ist die Änderung des Programms.[15]
3.4.3.Extension
Extension (Erweiterung, Verlängerung)[16] ist die Erweiterung des Programms.[17]
3.5.Schulungskosten
Es fallen Kosten für die Schulung des eigenen Personals an, die später im täglichen Arbeitsablauf die ERP-Software nutzen. Denkbar sind auch Kosten für die Schulung des eigenen Personals zur Durchführung und Mitgestaltung der Implementierung.[18]
3.6.Nachträglich entstehende Aufwendungen
Dieses können z.B. Wartungskosten für weitere Anpassungen, Fehlerbeseitigungen oder Aufwendungen für Erweiterungen (neue Funktionalitäten, neue Module) sein.[19] Es handelt sich hier um Kosten, die nach Abschluss des eigentlichen Anschaffungsvorgangs entstehen.
4.Bilanzsteuerliche Behandlung dieser Aufwendungen
4.1.Handelsbilanzielle Grundsätze
Nach § 248 Abs. 2 HGB darf für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, ein Aktivposten nicht angesetzt werden. Damit können im Bereich des Anlagevermögens nur angeschaffte aber nicht selbst hergestellte immaterielle Wirtschaftsgüter aktiviert werden.
Für die Bewertung des Vermögensgegenstands ergeben sich die Folgerungen aus § 255 HGB.
4.2.Steuerbilanzielle Grundsätze
Gemäß dem sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz, der sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt, sind die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung für das Einkommensteuerrecht maßgeblich.
In § 5 Abs. 2 EStG wird nochmals klargestellt, dass ein Aktivposten für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens anzusetzen ist, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Das Steuerrecht steht in diesem Fall im Einklang mit dem Handelsrecht.
4.2.1.Software als immaterielles Wirtschaftsgut
Eine Voraussetzung für die Aktivierung von Software ist also, dass es sich hierbei um ein immaterielles Wirtschaftsgut handelt.
Weder das Steuerrecht noch das Handelsrecht enthalten eine Definition des Wirtschaftsguts.[20] Der Bundesfinanzhof (BFH) setzt den Begriff Wirtschaftsgut aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz[21] mit dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstands gleich.[22] Somit ist unter dem Begriff Vermögensgegenstand/Wirtschaftsgut
- ein realisierbarer (handelbarer oder fungibler) Vermögenswert,
- den der Kaufmann sich etwas kosten lässt,
- der nach der Verkehrsauffassung einer selbständigen Bewertung zugänglich ist, d.h. in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang steht, und
[...]
[1] Petersen, NWB v. 29.03.2005, Fach 17, S. 1927 bis 1928
[2] Schulze, Computer Englisch, S. 98, S. 201 u. S. 231
[3] Vgl. Hansen/Neumann, Wirtschaftsinformatik I, S. 523
[4] BMF-Schreiben vom 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05, Rdnr. 1
[5] Vgl. Petersen, NWB v. 29.03.2005, Fach 17, S. 1928
[6] Vgl. Petersen, NWB v. 29.03.2005, Fach 17, S. 1928
[7] Vgl. BMF-Schreiben vom 18.11.2005, , IV B 2 – S 2172 -37/05, Rdnr. 14
[8] Vgl. BMF-Schreiben vom 18.11.2005, IV B 2 – S 2172 -37/05, Rdnr. 5
[9] Hansen/Neumann, Wirtschaftsinformatik I, S. 128
[10] Vgl. BMF-Schreiben vom 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05, Rdnr. 6
[11] Schulze, Computer Englisch, S. 69
[12] Schulze, Computer Englisch, S. 194
[13] Hansen/Neumann, Wirtschaftsinformatik I, S. 526
[14] Schulze, Computer Englisch, S. 171
[15] Vgl. BMF-Schreiben vom 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05, Rdnr. 6
[16] Schulze, Computer Englisch, S. 103
[17] Vgl. BMF-Schreiben vom 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05, Rdnr. 6
[18] Vgl. BMF-Schreiben vom 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05, Rdnr. 7 + 15
[19] Vgl. BMF-Schreiben vom 18.11.2005 – IV B 2 – S 2172 – 37/05, Rdnr. 9
[20] Horschitz, S. 377
[21] Vgl. § 5 Abs.1 EStG
[22] Schmidt/Weber-Grellet, EStG § 5, Rz. 93 ff.; BFH-Urteil vom 07.08.2000 – GrS 2/99