Das Lehrerbild bei Jeremias Gotthelf im Vergleich zum 'professionellen Lehrer' bei Karl-Oswald Bauer u.a.


Studienarbeit, 2006

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt:

Einleitung

2 Zum „professionellen Lehrer“ bei K.-O. Bauer u.a.
2.1 „Pädagogisches“ Handeln
2.2 Pädagogische Basiskompetenzen
2.2.1 Ziele klären und Inhalte strukturieren
2.2.2 Soziale Strukturen bilden
2.2.3 Interaktion steuern
2.2.4 Kommunizieren
2.2.5 Lernumgebung gestalten
2.2.6 Hintergrundarbeit
2.3 „Pädagogisch professionelles“ Handeln

3 Das Lehrerbild in Jeremias Gotthelfs „Leiden und Freuden eines Schulmeisters“ vor der Folie des „professionellen Lehrers“ bei Bauer u.a.
3.1 Über Schulmeister: Jeremias Gotthelf vs. seine Zeitgenossen
3.2 Peter Käser und Ziele sowie die Strukturierung von Inhalten
3.3 Vom Bilden sozialer Strukturen in der Dorfschule
3.4 Interaktionen steuern durch „einen sichern Takt“
3.5 Erfolgreich kommunizieren – „den Kindern mehr zu Herzen […] reden […] und jedem Kind nach seinem Alter“
3.6 „Freilich lärmte es tüchtig an allen Tischen […]“ – von der (Nicht-) Gestaltung der Lernumgebung
3.7 Von den „Leiden und Freuden eines Schulmeisters“ oder Die Hintergrundarbeit in Form einer fiktiven Autobiographie

Schluss

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Gotthelf – zwischen Zeitgeist und Aktualität“. So lautet der programmatische Titel eines Aufsatzes von Robert Nef[1] aus Anlass des 200. Geburtstages des schweizerischen Dichters. Die „Leiden und Freuden eines Schulmeisters“ thematisiert Nef zwar nicht, dennoch gehören sie zum literarischen Repertoire des Albert Bitzius, wie Jeremias Gotthelf eigentlich heißt.

Nun können jedenfalls das Eingangszitat sowie der Umstand, dass der zweiteilige Schulmeister-Roman erwartungsgemäß von einem Pädagogen handelt, dazu verführen, den Vergleich mit dem „professionellen Lehrer“ bei Karl-Oswald Bauer, Andreas Kopka und Stefan Brindt anzustellen.

Bei den Letztgenannten handelt es sich um drei Erziehungswissenschaftler, die sich seit 1996, also nicht weniger als 158 Jahre nach dem Erscheinen von Gotthelfs Roman, in ihrer qualitativ empirischen Studie dem Forschungsfeld der Lehrerprofessionalisierung widmen. In den letzten Jahren hat Bauer die Theorie um den „professionellen Lehrer“ erweitert und nach mehreren Aufsätzen gerade erst im letzten Jahr seine „Pädagogischen Basiskompetenzen“ veröffentlicht.

Obgleich zumindest in Betracht der großen zeitlichen Differenz zwischen der aktuellen wissenschaftlichen Theorie und der fiktiven Autobiographie des Peter Käser ein Vergleich durchaus gewagt erscheinen kann, richtet die vorliegende Arbeit genau hierauf ihr Augenmerk – und kommt dabei zu erstaunlichen Ergebnissen.

Unabdingbar erscheint mir allererst ein kurzer Blick auf die wesentlichen Ergebnisse der Theorie des „professionellen Lehrers“ bei Bauer u.a., um alsdann vor dieser theoretischen Folie Gotthelfs „Leiden und Freuden eines Schulmeisters“ einer genauen vergleichenden Analyse und Interpretation zu unterziehen.

2 Zum „professionellen Lehrer“ bei K.-O. Bauer u.a.

2.1 „Pädagogisches“ Handeln

Karl-Oswald Bauer, Andreas Kopka und Stefan Brindt haben in ihrer qualitativ empirischen Studie „Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit“ unterschiedlich erfolgreiche Lehrerinnen und Lehrer bei ihrer Arbeit begleitet und Daten darüber gesammelt, wie diese jeweils ihre Arbeitsaufgaben angehen und lösen.[2]

Dabei hat sich auch gezeigt, dass Rahmenbedingungen, glückliche Fügungen, günstig zusammengesetzte Lerngruppen usw. nur von untergeordneter Bedeutung sind. Die meisten Probleme lassen sich produktiv bewältigen, wenn geeignete Handlungskompetenzen entwickelt wurden. Die Handlungskompetenzen lassen sich unterteilen in fachliche Kompetenzen, fachdidaktische Kompetenzen und überfachliche pädagogische Kompetenzen. Im Mittelpunkt stehen hier die überfachlichen pädagogischen Kompetenzen, für die Bauer in seinem neuen Buch (mit gleichnamigem Titel) den Begriff „pädagogische Basiskompetenzen“ prägt.[3]

Bevor die pädagogischen Basiskompetenzen näher expliziert werden, sei zunächst festgehalten, was Bauer unter „pädagogischem“ Handeln resp. der gemeinsamen Aufgabe von Pädagogen versteht:

Pädagogen sind darauf spezialisiert, aktiv Situationen zu schaffen, in denen Menschen durch persönliche Lernprozesse bedeutsame Kompetenzen hinzu erwerben, ihre Handlungsfähigkeit und Autonomie gewinnen, wiedergewinnen oder erweitern. Von Pädagogen geschaffene Lernumgebungen entstehen meist in institutionellen Kontexten, sie sind organisiert. Pädagogen sind also Spezialisten für das Schaffen von Lerngelegenheiten, allerdings nicht beliebiger Lerngelegenheiten, sondern solcher institutionell gestützter Lernmöglichkeiten, die geeignet sind, subjektive und kulturelle Ziele und Werte zu verknüpfen.[4]

An die Frage nach der gemeinsamen Aufgabe schließt sich die Frage nach grund-legenden Handlungsrepertoires an, über die Pädagogen verfügen (sollten).

2.2 Pädagogische Basiskompetenzen

Die pädagogischen Basiskompetenzen manifestieren sich nach den früheren Beobachtungen von Bauer, Kopka und Brindt im Wesentlichen in fünf Dimensionen.[5] Aktuell hat Bauer aus praktischen Gründen und im Hinblick auf die Ergebnisse der empirischen Unterrichtsforschung eine Erweiterung um die Dimension ‚Ziele klären und Inhalte strukturieren’ vorgenommen.[6] Ferner hat Bauer die Subdimensionen der pädagogischen Basiskompetenzen nach Durchsicht aktueller Forschungsergebnisse aus der Professions- und Unterrichtsforschung einer gründlichen Revision unterzogen.

Die vorliegende Arbeit orientiert sich an den sechs Dimensionen pädagogischer Basiskompetenzen und im Wesentlichen an den kürzlich revidierten Subdimensionen.

Rücksichtlich der obigen Erläuterung kann dabei konstatiert werden, dass die in Rede stehenden Handlungsdimensionen erst durch die Verknüpfung mit dem Ziel, menschliche Lern- und Entwicklungsprozesse zu unterstützen und Bildung zu fördern, „pädagogische“ Relevanz erlangen.

Im Folgenden werden die Dimensionen in aller Kürze vorgestellt, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass dieselben ihre Wirkung erst in (nicht-linearer) Wechselwir-kung miteinander entfalten. Die hier erfolgte Ausdifferenzierung hat lediglich heuristische Gründe.

2.2.1 Ziele klären und Inhalte strukturieren

Ziele können logisch aus Werturteilen abgeleitet werden, die allerdings ihrerseits weder logisch noch empirisch begründet werden können. Inhalte lassen sich sequentiell, logisch oder einfach durch Hervorhebungen gliedern und strukturieren. Weiterhin ist es eine wichtige Strukturierungsleistung, analoge Beziehungen zu entdecken. Eine bedeutende Rolle innerhalb dieser Dimension hat auch die Reduktionskompetenz des Lehrenden hinsichtlich des potentiellen Lehrstoffes.

2.2.2 Soziale Strukturen bilden

„Um überhaupt den Handlungszusammenhang Unterricht herstellen zu können, müssen sie [Lehrerinnen und Lehrer; K.D.] gemeinsam mit [ihren Schülerinnen und Schülern] eine soziale Struktur hervorbringen“,[7] befinden Bauer, Kopka und Brindt in ihrer früheren Studie „Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit“ in Anbetracht dieser wichtigen Dimension.

Erfolgreiche Pädagogen übernehmen dabei Leitung und Führung, ermöglichen und fördern aber zugleich die Selbstorganisation der Schülerinnen und Schüler.[8] Verantwortungsvolle Selbstorganisation hebt den Selbstwert des Einzelnen und erhöht die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit, was sich sowohl auf Kreativität als auch auf Produktivität positiv auswirken kann. Darüber hinaus fördert selbstorganisiertes Lernen auch die Selbstregulation und Selbstdisziplinierung der Schüler innerhalb von Arbeitsgruppen. Solche zu bilden und anzuleiten muss der Lehrer ferner in der Lage sein. Bauer differenziert dabei die Subdimensionen ‚Kleingruppen anleiten’ und ‚Großgruppen anleiten’.

Ohne konkrete Handlungsanweisungen, Ablaufstrukturen und Zielvorgaben wäre die Bildung von Arbeitsgruppen wenig effektiv.[9] In Anlehnung an Andreas Helmke[10] spricht Bauer hinsichtlich der Subdimension ‚Regeln entwickeln’ von einer „autoritativen“ Klassenführung, die sich dadurch auszeichnet, dass „feste Richtlinien und Normen zwar vorgegeben, mit den Lernenden aber gemeinsam erarbeitet und diskutiert werden“ (Hervorhebungen von mir).[11]

Elementar wichtig für die Bildung sozialer Strukturen ist es, dass der Pädagoge Kontakt und soziale Bindungen aufbaut und fördert. Nach Bauer u.a. sollen die Schüler spüren, dass Lernen Spaß macht, was allerdings nur möglich erscheint, wenn die Beziehungsebene zwischen Schülern und Lehrern berücksichtigt wird und positive soziale Bindungen aufgebaut werden.[12]

Für eine konstruktive Arbeitshaltung der Schüler ist eine Atmosphäre gegenseitiger Akzeptanz und gegenseitigen Vertrauens sowohl aufseiten der Schüler als auch seitens des Lehrers notwendig. Dabei spielen offenbar Zuverlässigkeit und Konsequenz eine wichtige Rolle im Verhalten der Lehrperson.[13]

Zu bemerken ist hierbei, dass sich Sozialkompetenzen offenbar nicht einfach von der Unterrichtssituation auf die Kooperation mit Kollegen transferieren lassen. Bauer nimmt an, dass dies daran liegt, dass es sich bei den Situationen um unterschiedliche Typen handelt. Die Kooperation mit Kollegen werde im Allgemeinen nicht als Lernsituation wahrgenommen, sondern vielmehr als Situation, in der es um Arbeitsverteilung und Macht, um persönliche Interessen und Abneigungen und deren Ausgleich gehe. So müsse ein exzellenter Pädagoge nicht notwendigerweise ein netter und akzeptierter Kollege sein.[14]

2.2.3 Interaktion steuern

Soziale Strukturen müssen in der Interaktion hervorgebracht und durch Interaktion laufend neu angepasst werden. Bei der wechselseitigen oder symmetrischen Interaktion (bzw. Kooperation) ist das Handeln sowohl eine Funktion des eigenen Handlungsplans als auch der Reaktionen des Gegenüber. Idealerweise kommt es zu einer „echten wechselseitigen Beeinflussung unter Beibehaltung eigener Zielvorstellungen“.[15]

Lehrer verstärken den Kontakt zu Schülern durch deutlichen Gefühlsausdruck, wobei die Gefühle Interesse, Neugier, Begeisterung und Freude Vorrang vor Gefühlen wie Zorn oder Trauer haben.

Eine lebendige Interaktion wird u.a. durch Ausdruck von Humor ermöglicht. Das bedeutet, dass Lehrer einerseits den Unterricht durch humoristische Einlagen aufzulockern in der Lage sein und andererseits einen geschickten Umgang mit Schülerhumor unter Beweis stellen sollten.

Für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Unterricht ist es nicht zuletzt wichtig, dass die Schüler registrieren, dass der Lehrer auch Interesse an ihnen als Person und an ihren Gefühlen hat. Können sie feststellen, dass der Lehrer ihre Bedürfnisse ernst nimmt, so wird sich dies sehr wahrscheinlich positiv auf die gegenseitige Interaktion auswirken.

In diese Dimension fällt auch das Leiten bzw. Moderieren von Diskussionen, wodurch zugleich auf die folgende, die vierte Dimension, verwiesen ist.

[...]


[1] Vgl. Robert Nef: Gotthelf – Zwischen Zeitgeist und Aktualität. In: Schweizer Monatshefe 77 (1997). H. 10, S. 29-32.

[2] Vgl. Karl-Oswald Bauer, Andreas Kopka und Stefan Brindt: Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit. Eine qualitativ empirische Studie über professionelles Handeln und Bewusstsein. Vorwort von Hans-Günter Rolff. 2. Aufl. Weinheim und München: Juventa 1999.

[3] Vgl. Karl-Oswald Bauer: Pädagogische Basiskompetenzen. Theorie und Training. Weinheim und München: Juventa 2005, S. 20ff.

[4] Ebd., S. 80.

[5] Vgl. Karl-Oswald Bauer, Andreas Kopka und Stefan Brindt: Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit (wie Anm. 2), S. 115ff.

[6] Vgl. Karl-Oswald Bauer: Pädagogische Basiskompetenzen (wie Anm. 3), S. 20.

[7] Karl-Oswald Bauer, Andreas Kopka und Stefan Brindt: Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit (wie Anm. 2), S. 116.

[8] Im Folgenden wird der besseren Lesbarkeit halber lediglich in der maskulinen Form von „Schülern“ gesprochen, die feminine Form allerdings stets mitgedacht. Analoges gilt für „Lehrer“.

[9] Hier ergeben sich insbesondere Verbindungen zur Dimension ‚Ziele klären und Inhalte strukturieren’.

[10] Vgl. Andreas Helmke: Unterrichtsqualität. Erfassen, bewerten, verbessern. Seelze: Kallmeyer 2003.

[11] Karl-Oswald Bauer: Pädagogische Basiskompetenzen (wie Anm. 3), S. 22.

[12] Vgl. Karl-Oswald Bauer, Andreas Kopka und Stefan Brindt: Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit (wie Anm. 2), S. 122.

[13] Vgl. ebd.

[14] Vgl. Karl-Oswald Bauer: Pädagogische Basiskompetenzen (wie Anm. 3), S. 23.

[15] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Das Lehrerbild bei Jeremias Gotthelf im Vergleich zum 'professionellen Lehrer' bei Karl-Oswald Bauer u.a.
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Arbeitsbereich 'Theorie von Erziehung, Bildung und Unterricht')
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
33
Katalognummer
V63983
ISBN (eBook)
9783638569057
ISBN (Buch)
9783656793458
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schriftliche Ausarbeitung zur Vorbereitung auf die Prüfung in Erziehungswissenschaft im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Amt des Studienrats. Dozentenkommentar: Brillant
Schlagworte
Lehrerbild, Jeremias, Gotthelf, Vergleich, Lehrer, Karl-Oswald, Bauer
Arbeit zitieren
Kevin Demski (Autor:in), 2006, Das Lehrerbild bei Jeremias Gotthelf im Vergleich zum 'professionellen Lehrer' bei Karl-Oswald Bauer u.a., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63983

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