Die Rolle der Vereinten Nationen als Weltordnungspolitische Instanz im Global Governance System


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

28 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Global Governance
2.1 Definition und Begriffsbestimmung
2.2 Bausteine und Akteure der Global Governance Architektur
2.3 Probleme und konzeptionelle Kritik der Global Governance Konzeption

3. Internationale Organisationen

4. Die VN im Global Governance System
4.1 Die Organisationsstruktur der Vereinten Nationen
4.2 Die Rolle der Vereinten Nationen im Global Governance System
4.3 Die Vereinten Nationen als Instrument, Arena und Akteur
4.4 Das Demokratiedefizit der VN als weltordnungspolitische Instanz im Sinne des
Global Governance Modells

5. Fazit

1. Einleitung

Im Zuge einer stetig zunehmenden internationalen Verflechtung, die durch den Prozess der Globalisierung hervorgerufen wurde, besteht aufgrund der anarchischen Struktur des internationalen Systems ein Bedarf an Leistungen jenseits der nationalen Grenzen.[1] Die zunehmende Verflechtung in allen gesellschaftlichen Bereichen und das Fehlen einer übergeordneten Sanktionsinstanz führten dazu, dass viele globale Prozesse und grenzüberschreitende Interaktionen keinerlei staatlicher oder gesellschaftlicher Kontrolle unterlagen. Somit ergaben sich enorme Probleme u.a. im Bereich des internationalen Waffenhandels, Terrorismus oder Migrations-Ströme, Umweltbelastungen und die zunehmende Verbreitung der HIV Epidemie.[2] Um diesen Problemen begegnen zu können, muss der Prozess der Globalisierung nationalstaatlich übergreifend, gemeinsam gesteuert und koordiniert werden. Keines dieser Probleme kann durch einen einzigen souveränen Staat gelöst werden, selbst nicht durch eine hegemoniale Supermacht, deren Anspruch derzeitig durch die Vereinigten Staaten von Amerika vertreten wird.[3] Konzeptionen und Anregungen für die Gestaltung der Globalisierung reichen von der Idee einer anarchischen Selbststeuerung des internationalen Systems, bis hin zu der Vorstellung eines Weltstaates der analog zu einer nationalstaatlichen Regierung auf internationaler Ebene agiert.[4] Gegenstand dieser Arbeit zur Steuerung der internationalen Beziehungen soll jedoch das Modell des Global Governance sein, welches sich zwischen den beiden o.g. Konzepten bewegt und im Wesentlichen auf ein Weltregieren ohne (Welt-) Staat hindeutet.[5] Anliegen dieser Analyse ist es, die Rolle von internationalen Organisationen am Beispiel der Vereinten Nationen in der Global Governance Architektur herauszuarbeiten. Als Weltorganisation die nahezu alle Staaten der Welt erfasst und deren Aufgabenbereiche sich über alle globalen Politikfelder erstrecken, nimmt sie eine Schlüsselrolle in konzeptionellen Weltordnungsmodellen ein. Doch welche Funktion soll den Vereinten Nationen im Zuge der Veränderungsprozesse, die durch die Globalisierung hervorgerufen wurden, zugeschrieben werden? Gegenwärtig wird debattiert inwieweit Staaten bereit sind hinsichtlich multilateraler Kooperationsbestrebungen einen Teil ihrer Souveränität an eine weltpolitische Ordnungsinstanz, wie den Vereinten Nationen, abzutreten und ihren Kompetenzbereich auszuweiten. Diskutiert werden soll desweiteren ob die Organisation der Vereinten Nationen mit ihren bestehenden Strukturen und Verfahrensweisen überhaupt über die nötigen Kapazitäten verfügt, um die Funktion einer Weltordnungspolitischen Instanz gerecht zu werden. Nachfolgend soll zunächst auf wichtige Grundbausteine und Konzeptionen von Global Governance Modellen eingegangen werden, insbesondere auf die Forschungsarbeiten und Ergebnisse der Commission on Global Governance (CGG) und des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg Essen. Im weiteren Verlauf wird eine begriffliche Definition und Klassifizierung von internationalen Organisationen vorgenommen und ihre Rolle bzw. Funktion im Global Governance System am empirischen Beispiel der Vereinten Nationen veranschaulicht.

2. Global Governance

2.1 Definition und Begriffsbestimmung

In der gegenwärtigen Global Governance Debatte werden aus unterschiedlichen theoretischen Richtungen zahlreiche Definitionen geboten, unter denen es bisher jedoch noch keine allgemein anerkannte Definition gibt.[6] Unter allen Theorierichtungen und unterschiedlichen Perspektiven, können jedoch gemeinsame Zweck- und Zielrichtungen abgeleitet werden:

„Zweck und Ziel von Global Governance können vorläufig definiert werden als Entwicklung eines Institutionen- und Regelsystems und neuer Mechanismen internationaler Kooperation, die die kontinuierliche Problembearbeitung globaler Herausforderungen und grenzüberschreitender Phänomene erlauben.“[7]

Zu den Protagonisten der Global Governance Debatte zählen James Rosenau und Ernst Otto Czempiel („Governance without Government: Order and Change in World Politics“ 1992) und die Commission of Global Governance (CGG), der Initiative für Entwicklung und Frieden (INEF) und der Gruppe Lissabon.[8] Die Commission on Global Governance etablierte den Begriff 1995 in ihrem Bericht „Our common Neighbourhood” und definierte ihn wie folgt:

„The sum of the many ways individuals and institutions, public and private manage their common affairs. It is a continuing process through which conflicting or diverse interests may be accommodated and cooperative action may be taken. It includes formal…as well as informal arrangements that people and institutions have agreed to or perceive to be in their interests.”

Die CGG plädiert in erster Linie für ein globales Politiknetzwerk indem auch private Akteure wie INGOs oder BINGOs in die internationalen Entscheidungsprozesse und Verfahren mit einintegriert werden. Die Zivilgesellschaft erhält damit eine bedeutsame Rolle und soll eine Mittlerfunktion zwischen Markt und Staat ausfüllen und somit die nationale Steuerungsfähigkeit kompensieren.[9] Sie konzentriert sich darauf Politikfeld übergreifende Prozesse und verschiedenen Handlungsebenen im Global Governance System zu analysieren. Zielsetzung ihrer Forschungsarbeiten ist es in diesen Bereichen neue Regelungsformen zu erarbeiten.[10]

Das Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg baute auf dem Konzept der CGG auf und betont in ihren Arbeiten besonders die politisch-strategische Variante von Global Governance:

„Global Governance wird verstanden als Netzwerkbildungen von der lokalen bis zur globalen Ebene, die auf gemeinsamen Problemlösungsorientierungen, fairem Interessenausgleich sowie einem tragfähigen Kanon von gemeinsamen Normen und Werten als Grundlage stabiler institutioneller Strukturen zur Bearbeitung von Problemen und Konflikten basieren.“[11]

Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit zu Global Governance wurden fünf Dimensionen des Begriffs herausgearbeitet:[12]

1. Global Governance ist die Suche nach Lösungen für grenzüberschreitende Probleme, die zum Teil schon seit längerem bestehen (wie z.B. Entwicklung, Bevölkerungswachstum, Migration) und zum Teil durch die aktuellen Formen der Globalisierung entstanden sind (wie z.B. Instabilität der internationalen Finanzmärkte, Steuersenkungswettläufe). è Problem
2. Für Global Governance sind neue Strukturen der Politik ein Mittel zur Lösung dieser Probleme. Neben formellen sind auch informelle Regelungen von Bedeutung, dem Verhältnis von nicht-staatlichen und staatlichen Akteuren wird große Aufmerksamkeit geschenkt. è Regelungsform, Akteure
3. Global Governance thematisiert des Weiteren die Aufgabenverteilungen zwischen den verschiedenen Ebenen der Politik von der internationalen bis zur innerstaatlichen. è Handlungsebenen
4. Global Governance ist ein dynamisches, auf Wandel ausgerichtetes Konzept, Überlegungen über Wesen und Ursachen von Veränderungsprozessen sind ein wichtiger Bestandteil von Global Governance. Hierzu gehört unter anderem die Frage, welche Faktoren für die Veränderungen von Bedeutung sind: Macht, Interesse, Werte und Ideen. Dabei geht es ebenfalls um den Ansatz, ob Veränderungen sich radikal oder inkrementell vollziehen und ob es sich dabei um harmonische bzw. kooperative oder um konfliktive Prozesse handelt. Diese Dimension von Global Governance wird im folgenden Prozess genannt
5. Global Governance ist letztlich die Suche nach Politikfeld übergreifenden Ordnungsstrukturen. Hieraus ergibt sich der Bedarf nach Erforschung der Interdependenzen zwischen verschiedenen Handlungsfeldern. Es wird nach Möglichkeiten der Koordination verschiedener Aktivitäten und der Integration von Einzelmaßnahmen in einen Gesamtrahmen mit dem Ziel der effektiven Problemlösung gesucht. Darüber hinaus besteht zusätzlich der Anspruch einer demokratischen Legitimation. è Ordnungsfragen

Dieses Modell des so genannten Weltregierens ohne Weltstaat zielt auf eine durch Normen und Regeln reglementierte zwischenstaatliche Kooperation ohne eine Sanktionsmacht im Sinne eines Weltstaates mit integrierten supranationalen Elementen ab.[13] Ein wesentlicher Unterschied in der Konzeption des INEF zu dem der CGG ist dahingehend zu verzeichnen, dass sie mit ihrem Konzept eine Mehrebenenstruktur anstreben und nicht nur ein globales Politiknetzwerk in dem private Akteure mit eingebunden sind. Vorgeschlagen wird eine Global Governance Architektur mit folgenden sechs Säulen:

Welthandels-, Weltwettbewerbs-, Weltwährungs-, Weltsozial-, Weltumwelt- und Weltfriedensordnung. Diese auf internationalen Regimen basierenden Regelungen sollen in den ordnungspolitischen Rahmen einer internationalen (Welt-) Organisation integriert werden.[14] Mit diesem Konzept strebt das INEF das Ziel einer Weltrepublik an. „Ausgehend von der Annahme abnehmender Souveränität der einzelnen Nationalstaaten können diese ihre Handlungsfähigkeit durch das poolen von Souveränität auf internationaler Ebene in einer Weltrepublik zurückgewinnen. Die Staaten nehmen dabei als „Interdependenzmanager“ (Kaiser 1995) eine Klammerfunktion zwischen der innerstaatlichen und internationalen Ebene ein, die innerstaatlich unter stärkerer Beteiligung der lokalen Ebene dafür Sorge zu tragen haben, dass gesellschaftliche Gestaltungsaufgaben wahrgenommen werden, eine gerechte Verteilung sozialer und ökonomischer Kosten erfolgt, eine tragfähige öffentliche Infrastruktur gewährleistet und die Macht partikularer Interessen begrenzt wird.“[15]

Zusammenfassend kann das Global Governance Konzept des INEF durch folgende Thesen veranschaulicht werden[16]:

- Global Governance heißt nicht Global Government
- Global Governance beruht auf verschiedenen Formen und Ebenen internationaler Koordination, Kooperation und kollektiver Entscheidungsbildung
- Der objektive Zwang zur Kooperation verlangt Souveränitätsverzicht
- Global Governance ist ein gesellschaftsgetragenes Public-Private Partnership Projekt
- Staaten als Hauptakteure internationaler Politik sind die Schnittstellen und Klammern zwischen den verschiedenen Handlungsebenen und die tragenden Pfeiler der Global Governance Architektur

2.2 Bausteine und Akteure der Global Governance Architektur

Wichtige Bausteine der Global Governance Architektur sind zwischenstaatliche Vereinbarungen zur Lösung globaler Probleme. Dazu zählen Elemente des internationalen Rechts oder Regeln sowie internationale Normen, wie beispielsweise die Wahrung von Menschenrechten. Überdies zählen formale wie nicht formale Strukturen dazu, wie internationale Organisationen, Weltkonferenzen, einzelne Gruppierungen bzw. Koalitionen zwischen Staaten wie (u.a. G8, G22, Afrikanische Union) und schließlich private Akteure wie Nichtregierungsorganisationen. Als letzter Baustein sind internationale Regime anzuführen, die in spezifischen Politikfeldern oder Problemlagen Regeln und Normen festlegen.[17]

Zu den wesentlichen Akteuren des Global Governance Systems gehören in erster Linie Staaten, die im Wesentlichen immer noch als grundlegende Entscheidungsträger fungieren, sowie Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Multinationale Unternehmen und die Zusammenarbeit in globalen Netzwerken.[18]

2.3 Probleme und konzeptionelle Kritik der Global Governance Konzeption

In den derzeitigen Konzeptionen von Global Governance Modellen können drei grundlegende Forschungsgegenstände herausgestellt werden. Zunächst kann angeführt werden, dass viele Schlüsselprobleme durch das Global Governance Konzept nicht beseitigt werden können, wie beispielsweise bei der Regulierung des Nord-Süd Gefälles. Viele Entscheidungen die im Rahmen globaler Verhandlungen entstehen, haben nachteilige Auswirkungen auf Entwicklungsländer. Diese Benachteiligungen werden durch Global Governance jedoch nicht abgebaut.[19] Ein zweites Problem besteht darin, dass mit zunehmender Integration des Global Governance Modells eine inflationäre Zunahme von internationalen Standards zu verzeichnen ist, die die institutionellen Kapazitäten besonders der Entwicklungsländer übersteigen. Als Beispiel können hier die Standards zur Kreditvergabe durch den Internationalen Währungsfond (IWF) genannt werden, die mittlerweile von 6 auf 26 angestiegen sind.[20] Schließlich ist die Global Governance Architektur bisher durch eine Fragmentierung ihrer Regelungsstrukturen gekennzeichnet. Sie setzt sich aus verschiedenen Akteuren und Ordnungspolitischen Regelungsmechanismen zusammen, in der noch keine einheitliche Struktur als Ganzes zu erkennen ist. Dies führt meist zu Kohärenzdefiziten und Koordinationsschwierigkeiten, sowie zu Widersprüchlichkeiten der nebeneinander existierenden Rechtsetzungen bzw. Regelungen.[21]

[...]


[1] Vgl.: Rittberger, Volker.: „Globalisierung und der Wandel der Staatenwelt – Die Welt regieren ohne Weltstaat?“

(2000), S. 188

[2] Vgl.: Von Plate, Bernhard.: „Grundzüge der Globalisierung“ Rev.: 2006-07-14

[3] Vgl.: Karns, P. M/Mingst, K. A.: „Internationale Organizations – The Politics and Procsses of Global

Governance”, 2004, S. 4

[4] Vgl.: Rittberger, Volker / Zangl, Bernhard: „Internationale Organisationen – Politik und Geschichte“

(2005), S. 315 ff.

[5] Vgl.: a.a.O. S. 322

[6] Vgl.: Behrens, M.: “Global Governance”, 2004, S. 104

[7] Zit.: Nuscheler, Franz: “Global Governance”, 2002, S. 72

[8] Vgl.: Mürle, Holger: “Global Governance – Literaturbericht und Forschungsfragen”, 1998, S. 8

[9] Vgl.: Messner, D. / Nuscheler, F.:“Das Konzept Global Governance – Stand und Perspektiven“, 2003, S. 16

[10] Vgl.: Mürle, Holger: “Global Governance – Literaturbericht und Forschungsfragen”, 1998, S. 8

[11] Zit.: a.a.O. S. 25

[12] Zit.: a.a.O. S. 6

[13] Vgl.: Rittberger, Volker / Zangl, Bernhard: „Internationale Organisationen – Politik und Geschichte“

(2005), S. 322ff.

[14] Vgl.: Behrens, M.: “Global Governance”, 2004, S. 111

[15] Zit.: a.a.O. S. 112

[16] Vgl.: a.a.O. S. 110

[17] Vgl.: Karns, P. M/Mingst, K. A.: „Internationale Organizations – The Politics and Procsses of Global

Governance”, 2004, S. 5

[18] Vgl.: a.a.O. S. 15 ff.

[19] Vgl.: Messner, D. / Nuscheler, F.: “Das Konzept Global Governance – Stand und Perspektiven“, 2003, S. 49

[20] Vgl.: a.a.O. S. 49

[21] Vgl.: a.a.O. S. 50

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Vereinten Nationen als Weltordnungspolitische Instanz im Global Governance System
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Sozialwissenschaft)
Veranstaltung
Die Rolle der Vereinten Nationen im Global Governance System
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V64108
ISBN (eBook)
9783638570008
ISBN (Buch)
9783638669726
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Vereinten, Nationen, Weltordnungspolitische, Instanz, Global, Governance, System, Rolle, Vereinten, Nationen, Global, Governance, System
Arbeit zitieren
Huong Tran (Autor:in), 2006, Die Rolle der Vereinten Nationen als Weltordnungspolitische Instanz im Global Governance System, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64108

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