Die Einteilung der Menschheit in Männer und Frauen, die Koppelung der
Geschlechtsrolle an das körperliche Geschlecht und die starre Dichotomie des
Geschlechtersystems haben starke Auswirkungen auf unsere Realität. Jedoch
ist auch die Sicht auf die biologische Geschlechtlichkeit komplex, wie die
wechselnden Definitionen im Laufe der Geschichte zeigen. Heute gelten andere Faktoren als „Beweis“ für das Geschlecht eines Menschen als noch vor einigen Jahrzehnten.
Die starre Festlegung von Menschen auf zwei Geschlechter mit all den daran
geknüpften Erwartungen führt oft zu einer Entwicklungsbeschränkung für die einzelnen Individuen, schlimmstenfalls – wie in dieser Arbeit berichtet - zu gravierenden Verletzungen und Traumatisierungen. Daher ist es für notwendig, sich gerade im sozialpädagogischen Feld kontinuierlich mit Normen und Zuschreibungen auseinanderzusetzen.
Aus den genannten Gründen setzt sich diese Arbeit mit Intersexualität
und den Auswirkungen der Geschlechterdichotomie auseinander und
untersucht sie anhand der These der Autorin, dass es sich bei ihr um ein
Normensystem und ein Dogma handelt.
Nach einer kurzen Einführung zu Definition und Häufigkeit von
Intersexualität wird die Ausprägung der Zweigeschlechtlichkeit als
politische, rechtliche, soziale und kulturelle Norm betrachtet.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den medizinischen und gesundheitlichen
Aspekten der Intersexualität. Die meisten intersexuellen Menschen haben Erfahrungen mit medizinischer Einordnung, Eingriffen und Behandlungen und
leiden teilweise massiv unter ihren körperlichen und seelischen Folgen. Die folgenreiche Zuweisung eines Geschlechts findet in den Kliniken statt und wird im Allgemeinen von ÄrztInnen vorgenommen. Daher richten sich Kritik und Forderungen der Betroffenen auch zunächst an diese.
Breiten Raum nehmen persönliche Erfahrungen erwachsener Intersexueller ein. Auch das Selbsthilfesystem und die aktuelle medizinische Situation werden betrachtet.
Im weiteren Kapiteln geht es um die psychosozialen Auswirkungen der
Zweigeschlechtlichkeitsnorm auf die Betroffenen und die Konsequenzen für die Sozialarbeit.
Zum Schluss wird die Frage betrachtet, inwiefern soziales und biologisches Geschlecht immer neu konstruiert werden und was hieraus folgt. Dabei wirft die Autorin einen polemischen Blick auf die Reproduktion von Rollenstereotypen in verbreiteten natur- und populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Intersexualität – das letzte Tabu?
- Was ist Intersexualität?
- Häufigkeit der Intersexualität
- Intersexualität, Transsexualität und Transgender
- Zweigeschlechtlichkeit als Norm
- Entwicklung der Geschlechtstypisierung
- Zweigeschlechtlichkeit als politische und rechtliche Norm
- Zweigeschlechtlichkeit als soziale und kulturelle Norm
- Intersexualität als medizinische,,Störung”
- Die geschlechtliche Entwicklung
- Die embryonale Entwicklung
- Die pubertäre Entwicklung
- Medizinische Einordnung der Intersexualität
- Medizinische Maßnahmen und ihre Folgen
- Traumatisierung
- Probleme und Kritik
- Forderungen von Betroffenen
- Aktuelle Ansätze in der Medizin
- Psychosoziale Auswirkungen der Normung für die Betroffenen in einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft”
- Selbst- und Fremddefinitionen
- Tabuisierung und „Outing”
- Sexualität und Zweierbeziehung
- Selbsthilfe und Interessenvereinigungen
- Die Gruppe XY-Frauen
- Konsequenzen für die soziale Arbeit
- Soziale Arbeit mit Erwachsenen
- Soziale Arbeit mit Eltern
- Soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
- Zweigeschlechtlichkeit als Dogma
- Ist die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen ein Dogma?
- ,,Superegoistische Chromosomen\" oder die naturwissenschaftliche Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit
- Hat das System der Zweigeschlechtlichkeit ausgedient?
- Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht die Auswirkungen der Zweigeschlechtlichkeitsnorm auf Intersexuelle. Sie beleuchtet die historische Entwicklung der Geschlechtszuschreibung und die Konstruktion von Geschlecht als soziales und kulturelles Konstrukt. Die Arbeit setzt sich kritisch mit der medizinischen Einordnung der Intersexualität als „Störung“ auseinander und beleuchtet die Folgen medizinischer Maßnahmen für Betroffene.
- Die Konstruktion von Geschlecht als soziales und kulturelles Konstrukt
- Die Folgen der Zweigeschlechtlichkeitsnorm für Intersexuelle
- Die medizinische Einordnung der Intersexualität und ihre Folgen
- Die Bedeutung von Selbsthilfe und Interessenvertretung für Intersexuelle
- Die Relevanz der Thematik für die soziale Arbeit
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel beleuchtet das Thema der Intersexualität und definiert den Begriff. Es werden die Häufigkeit der Intersexualität sowie die Unterscheidung zwischen Intersexualität, Transsexualität und Transgender dargestellt.
- Im zweiten Kapitel wird die Zweigeschlechtlichkeitsnorm als gesellschaftliches Konstrukt beleuchtet. Die Entwicklung der Geschlechtstypisierung und die politische und rechtliche Verankerung der Zweigeschlechtlichkeit werden analysiert.
- Kapitel 3 untersucht die medizinische Einordnung der Intersexualität als „Störung“. Die geschlechtliche Entwicklung, die medizinischen Maßnahmen und ihre Folgen sowie die Traumatisierung von Betroffenen werden beleuchtet.
- Kapitel 4 befasst sich mit den psychosozialen Auswirkungen der Zweigeschlechtlichkeitsnorm auf Intersexuelle. Die Selbst- und Fremddefinitionen, die Tabuisierung und das „Outing“ sowie die Herausforderungen in Bezug auf Sexualität und Zweierbeziehung werden thematisiert.
- Das fünfte Kapitel stellt die Selbsthilfegruppe „XY-Frauen“ vor und beleuchtet die Bedeutung von Interessenvertretung für Intersexuelle.
- Kapitel 6 befasst sich mit den Konsequenzen der Zweigeschlechtlichkeitsnorm für die soziale Arbeit. Die Arbeit mit Erwachsenen, Eltern und Kindern und Jugendlichen wird im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse von Intersexuellen beleuchtet.
- Das siebte Kapitel hinterfragt die Zweigeschlechtlichkeitsnorm als Dogma und untersucht die naturwissenschaftliche Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit.
Schlüsselwörter
Die Diplomarbeit befasst sich mit den Themen Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeitsnorm, Geschlechtskonstruktion, Medizinische Eingriffe, Psychosoziale Auswirkungen, Selbsthilfe, Interessenvertretung und Soziale Arbeit. Sie untersucht die Folgen der Zweigeschlechtlichkeitsnorm für Intersexuelle und plädiert für ein Verständnis von Geschlecht als ein komplexes und vielseitiges Konstrukt, das nicht auf zwei Kategorien beschränkt werden kann.
- Arbeit zitieren
- Mary Jirsak (Autor:in), 2006, Zweigeschlechtlichkeit als Norm? Das Dogma der Zweigeschlechtlichkeit und seine gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen am Beispiel der Intersexualität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64187