Am 2. Oktober 1963 verweigerte die Library of Congress der Vereinigten Staaten von Amerika einem sonderbaren Buch die Aufnahme: Einem kleinen, weissen Büchlein, kaum grösser als eine Handfläche, dessen Umschlag die Worte „Twentysix Gasoline Stations“ zeigt. Kein Hinweis auf Autor oder Verlag, geschweige denn die marktüblichen Anpreisungen des Inhaltes. Im Inneren des Buches befindet sich genau das, was der Titel verspricht: Sechsundzwanzig mehr schlecht als recht fotografierte Tankstellen in unregelmässiger Reihenfolge, begleitet von jeweils einer Zeile Text, die Marke und Ort der Zapfsäulen bezeichnet. Kein Werk, das es verdient hätte, in die nationale Bibliothek der USA aufgenommen zu werden, deren erklärtes Ziel es ist, eine Sammlung von Wissen und Kreativität in allen Formaten und Sprachen anzulegen. Ein Buch also, das sich weder durch Wissen noch durch Kreativität auszeichnet, das nichts Neues bietet, aber auch mit Altem nichts zu tun hat, das keine schöpferische Handschrift trägt, das keinen benennbaren Inhalt hat, kurz: ein Buch, das eigentlich keines ist. Der Macher des Bandes gibt sich als Edward Ruscha zu erkennen, ein bildender Künstler, der sich bis anhin dem gemalten oder gedruckten Bild gewidmet hat. Der Künstler Ed Ruscha schien sich um das Urteil der offiziellen Buchverwalter nicht sonderlich zu scheren, im Gegenteil, ein Jahr später nutzte er es, um in der ZeitschriftArtforummit einem Inserat für sein Büchlein zu werben. „Rejected“ [Abb. 1] steht da in fetten Lettern, darunter eine dilettantische Fotografie, die zeigt, wie der Künstler sein Werklein vor die Kamera hält. Ganz unten der Preis, mickrige 3$ und die Adressen, an denen interessierte Käufer das Produkt finden werden.
Wenn das ‚Establishment’ etwas verabscheut, dann muss es sich um eine gute Sache handeln, so die einfache Aussage dieser Werbung. Zwar weckte Ruscha damit die Aufmerksamkeit der Kunstwelt der sechziger Jahre, doch diese reagierte etwas entgeistert.„A kind of a ‚Huh?’?“, zu deutsch ‚Häh?’, eine dümmliche Sprachlosigkeit sei es gewesen, mit der dem Buch begegnet worden sei - eine Reaktion, so der Künstler, auf die er schon immer hin gearbeitet habe.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Twentysix Gasoline Stations und andere kleine Bücher
- Das Buch, die Kunst und die Fotografie
- Was ist das „Buch“?
- Das Buch in der Kunst
- Die Fotografie und das Buch
- Fotobücher als Kunst: Ein Readymade?
- Die Fotografien: Zwischen „Dokument“ und „Kunst“
- Fotografie als Readymade?
- Fotografisches Sammeln
- Ruscha I: Der Informationsmann
- Fotografische Berichterstattung
- Ruscha II: Der rasende Reporter
- Fotografische Essays
- Ruscha III: Der absurde Poet
- Ruschas Fotobuchwerke: Geschriebene Bilder und fotografische Texte?
- Schriftbilder
- Bildtexte
- Eine Versuchsanordnung aus „Bildern“ und „Texten“
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Lizentiatsarbeit befasst sich mit den Fotobuchwerken des amerikanischen Künstlers Edward Ruscha. Die Arbeit untersucht die spezifischen Eigenschaften dieser Werke und ihre Einordnung innerhalb der Kunstgeschichte.
- Die Einzigartigkeit von Ruschas Fotobuchwerken
- Die Beziehung zwischen Fotografie, Text und Kunst
- Ruschas Umgang mit der Readymade-Ästhetik
- Die Rezeption von Ruschas Werken in der Kunstkritik
- Die Bedeutung von Ruschas Fotobuchwerken im Kontext der Konzeptkunst
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt das Buch „Twentysix Gasoline Stations“ vor und beleuchtet die Reaktion der Library of Congress auf dieses ungewöhnliche Werk. Sie führt in Ruschas künstlerisches Schaffen ein und stellt die Rezeption seiner Fotobuchwerke in der Kunstgeschichte dar.
- Das zweite Kapitel untersucht die frühen Werke Ruschas, insbesondere die kleinen Fotobücher wie „Twentysix Gasoline Stations“, „Various Small Fires“ und „Nine Swimming Pools“.
- Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Rolle des Buches als künstlerisches Medium. Es analysiert die verschiedenen Aspekte des Buches, die für Ruschas Werk relevant sind, und stellt die Verbindung zwischen Fotografie, Text und Buch in den Mittelpunkt.
- Das vierte Kapitel analysiert die Fotografien in Ruschas Werken. Es untersucht die Verwendung des Readymade-Konzepts in der Fotografie, die Rolle des Sammelns und der fotografischen Berichterstattung in Ruschas Arbeiten.
- Das fünfte Kapitel widmet sich der besonderen Verbindung zwischen Text und Bild in Ruschas Fotobuchwerken. Es untersucht die Rolle von Schriftbildern und Bildtexten und analysiert die Versuchsanordnung aus „Bildern“ und „Texten“, die Ruscha in seinen Werken erschafft.
Schlüsselwörter
Die Lizentiatsarbeit konzentriert sich auf die Untersuchung der Fotobuchwerke Edward Ruschas. Schlüsselbegriffe sind dabei: Künstlerbuch, Readymade, Fotografie, Text, Konzeptkunst, Pop Art, Minimal Art, serielle Fotografie, Sprachskepsis, amerikanische Kunstgeschichte, Kritik der Repräsentation.
- Quote paper
- lic.phil. Catharina Graf (Author), 2005, Und übrig bleibt das "Häh?" - Edward Ruschas Fotobuchwerke , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64397