Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist ein System?
3. Barnards Anwendung des Begriffs System auf Organisationen
3.1 Elemente: Handlungen
3.2. Handlungen verbunden durch bewußte Koordination
3.3. Teil des Systems sind Handlungen – nicht Menschen
4. Herbert Simon: die Organisation als Entscheidungsmaschine
4.1. Elemente: Entscheidungen
4.2. Entscheidungsprämissen als Verbindungen
4.3. Nur die Entscheidung ist im System
5 Einbettung der Organisation als System in Luhmanns Systemtheorie
5.1. Elemente der Organisation bei Luhmann: Entscheidungen als Kommunikationen
5.2. Was verbindet die Entscheidungen zur Organisation? Autopoesis!
5.3. Die Unterscheidung zwischen System und Umwelt
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Chester Barnard hat mit seiner berühmten Definition einer Organisation als „System bewußt koordinierter Handlungen zweier oder mehr Personen“ den Begriff des Systems in die Organisationstheorie eingeführt. Herbert Simon und seine Anhänger haben die handlungstheoretische Theorie Barnards weiterentwickelt – und in ihren Arbeiten Barnards Systembegriff aufgegriffen, jedoch die Elemente des Systems „Organisation“ neu gefasst. Schließlich hat Niklas Luhmann die Ansätze von Barnard und Simon in sein kommunikationstheoretisches Theoriegebäude „sozialer Systeme“ integriert.
Die Einführung des Systembegriffs in die Organisationswissenschaften stellte für die Disziplin in zweierlei Hinsicht eine Revolution dar: Zum Einen konnte man von diesem Zeitpunkt an Organisationen abstrakt fassen – und war nicht mehr an konkrete Organisationen wie zum Beispiel Firmen oder öffentliche Verwaltungen als Forschungs- und Denkobjekte gebunden. Zum anderen war dieser Begriff des Systems die Grundlage für Luhmanns später folgenden Versuch, die Organisationstheorien in „naturwissenschaftlichen“, exakten Begriffen zu beschreiben und so in ein Theoriegebäude zu integrieren, dass nicht nur Organisationen, sondern sämtliches soziales Handeln beinhaltet.
Ziel dieser Arbeit ist es, die strukturelle Kontinuität der drei Ansätze anhand des jeweils zentralen Begriffs des „Systems“ herauszustellen. Dazu werde ich erst drei zentrale Merkmale dieses Begriffes – Elemente, Verbindungen und Welt-/Umwelt-Unterscheidung – herausarbeiten, und dann zeigen, wie diese Struktur in den Arbeiten von Barnard, Simon und Luhmann ausgefüllt wird.
2. Was ist ein System?
Das Wort „System“ kommt aus dem Griechischen: Das Wort σύστημα bedeutet „das Gebilde, Zusammengestellte, Verbundene“ (Wikipedia 2006a). Wenn das System also das „Verbundene“ sei, so müssen Systeme als zu verbindendes Elemente beinhalten – und jeweils ihre Verbindungen. Kant nutzt den Systembegriff in seiner berühmten Wissenschaftsdefinition: „Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d. i. ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis sein soll, heißt Wissenschaft“ (Kant 1768, S. V). Der Begriff an sich ist also prinzipiell nichts neues.
Als zweckgebunde Einheit wirkt das System auf seine Umwelt, insofern ist hier eine weiteres Merkmal des Systems an sich zu identifizieren: Jedes System hat eine Außengrenze, die das System von seiner Umwelt trennt (Wikipedia 2006).
Zusammenfassend sind für die Zwecke dieser Arbeit die drei Wesensmerkmale eines Systems seine Elemente, Verbindungen sowie die Unterscheidung zwischen System und Umwelt.
3. Barnards Anwendung des Begriffs System auf Organisationen
Für Barnard ist eine Organisation ein „System bewußt koordinierter Aktivitäten oder Kräfte zweier oder mehr Personen“. Im folgenden werde ich diese Definition im Hinblick auf die oben genannten drei Merkmale erklären:
3.1 Elemente: Handlungen
Für Barnard kann eine Organisation nicht als aus Personen bestehend definiert werden: Denn dann wäre schwierig zu erklären, wie eine Person mehreren Organisationen zugehörig sein kann, und wie Organisationen weiter bestehen, selbst wenn alle Mitglieder ausgetauscht sind. Die Elemente eines Systems, das eine Organisation ist, müssen laut Barnard sinnvollerweise Handlungen sein. Insofern kommen die Personen in seiner Definition nurmehr im Genitiv vor: Personen sind die Träger der Handlungen, die sie als „Mitwirkende“ den Organisationen „beisteuern“ („contribute“). Am Beispiel einer Studierenden, die verschiedene Seminare besucht, kann dies veranschaulicht werden: Die Studentin ist nicht Teil der einzelnen Seminare, verstanden als Organisation, sondern nur ihre Redebeiträge, ihr Verhalten im Seminar, ihr Zuspätkommen und ihr Zufrühgehen konstituieren die Organisation Seminar.
3.2. Handlungen verbunden durch bewußte Koordination
Die Elemente des Systems Organisation werden bei Barnard verbunden durch „bewußte Koordination“. Barnard holt hier weit aus und erklärt zunächst die Notwendigkeit, zu kooperieren, aus der biologischen Unzulänglichkeit des Menschen: „Hence, when biological powers are regarded as the limiting factor, and it is believed that by cooperation these limitations can be overcome, the the limiting factor becomes cooperation itself.“ (Barnard 1938, S. 25). Weiterhin postuliert Barnard, „the individual human ... has motives, arrives at purposes, and wills to accomplish them“ (Barnard 1938, S. 60) Da er jedoch seine Ziele wegen seiner biologischen Grenzen nicht allein verwirklichen kann, ist es notwendig, ein gemeinsames Ziel anzunehmen (ebd.). Insofern haben wir es hier mit einer speziellen Zweckrationalität (siehe Kieser 2002, S. 39ff.) im Weberschen Sinne zu tun: Individuen versuchen, durch auf rationalem Wege ein gesetztes Ziel zu erreichen. Im Unterschied zu Weber akzentuiert Barnard jedoch, dass die Individuen sich den fremd gesetzten Zielen freiwillig anschließen, während Weber eher auf durch Zwang gekennzeichnete Machtverhältnisse abstellt.
Nach Barnard ist die Kooperation grundsätzlich unwahrscheinlich. Er identifiziert zwei „Bedingungen“, von denen die erfolgreiche Kooperation abhängig ist: Effektivität und Effizienz. Effektivität meint in diesem Kontext das Ausmaß, in dem die Organisation ihr (gemeinsames) Ziel erreicht. Effizienz ist hingegen das Ausmaß, in dem die individuellen Bedürfnisse der Handlungen beisteuernden Individuen befriedigt werden. Die Rolle der Führung ist, Effektivität und Effizienz einer Organisation unter Beachtung der begrenzenden Umweltbedingungen („limiting factors“) sicherzustellen.
Um das Beispiel des Seminars wieder aufzugreifen, ist nun die Rolle des Seminarleiters, Ziele – in diesem Fall: Lernziele – zu setzen, und mit Regeln sicherzustellen, dass sie in einer Umwelt, die Seminarteilnehmer leicht verleitet, an den See zu gehen oder ihre Arbeitskraft anderen Organisationen, etwa ihrer Lieblingsdiskothek, zur Verfügung zu stellen.
Zusammenfassend ist die bewußte Koordination von Handlungen unter einem gemeinsamen Ziel durch die Führung der Organisation der Kitt, der die Handlungen als Elemente der Organisation verbindet.
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