Die Hanse war ein Handelsbund im Nord-/Ostseeraum und auch heute gibt es noch Hansestädte. Doch was ist aus der Hanse geworden? Wodurch wurde sie abgelöst? Ihr Ende nahm die Hanse 1669, 1 doch warum ist heute nur noch bei Bremen, Hamburg, Lübeck und Rostock die Hanse in der Stadtbezeichnung vorhanden?
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Forschungsstand
Fragestellung
Die Hanse an sich
Die Entwicklung der Hanse und des Handels
Die Entwicklung des Handels im 15. Jahrhundert
Die Entwicklung des Handels seit dem 16. Jahrhundert
Erklärungsansätze für den Niedergang der Hanse
Untergang der Hanse aufgrund von innovatorischem Rückstand?
Anpassung
Schluss
Literaturverzeichnis
Tabelle 1
Tabelle 2
Einleitung
Die Hanse war ein Handelsbund im Nord-/Ostseeraum und auch heute gibt es noch Hansestädte. Doch was ist aus der Hanse geworden? Wodurch wurde sie abgelöst? Ihr Ende nahm die Hanse 1669,[1] doch warum ist heute nur noch bei Bremen, Hamburg, Lübeck und Rostock die Hanse in der Stadtbezeichnung vorhanden?
Forschungsstand
Im 19. und frühen 20. Jahrhundert entstand ein Bild von der Hanse, das sich seit den 1960er Jahren bis zum heutigen Tag in der historischen Forschung zunehmend in der Auflösung befindet. Durch einen Wandel in den westlichen Gesellschaften der letzten Jahre werden neue Aspekte der Vergangenheit beleuchtet,[2] wodurch die Hansegeschichte heute hauptsächlich als Wirtschaftsgeschichte betrachtet wird. Früher wurde sie mehr unter verfassungs- und politikgeschichtlichen Aspekten betrachtet.[3] Heute gibt es diverse Neuansätze in der Forschung zur Hanse. Sechs wichtige Neuansätze der Forschung sollen hier kurz vorgestellt werden.
Die Frage nach der Verfassung der Hanse stellt keine rein rechtliche Auseinandersetzung dar, sondern sowohl das Innenverhältnis der Hanse zwischen dem einzelnen Kaufmann, der hansischen Organisation und der Mitgliedstadt, als auch das Außenverhältnis der Hanse zu Territorialherren, zum Kaiser, zu Königen, Großfürsten, Herzogen usw. der Zielländer des Handels. Weiter wird sich hierbei mit der Frage beschäftigt, was die Hanse war. Die Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und die Geschichtsforschung der DDR mit dem Vertreter H. Wernicke vertrat die Ansicht, dass sie ein Bund mit hierarchisch gegliederten Zuständigkeitsbereichen war. Eine andere Ansicht vertrat beispielsweise Ahasver von Brandt und die Geschichtsforschung der Bundesrepublik Deutschland. Nach ihnen war sie eine bloße handelswirtschaftliche Interessengemeinschaft und verfolgte nur Ziele, die dem Großteil der Mitglieder nutzte. Ernst Pilz hingegen vertrat die Meinung, die Hanse wäre eine mehrstufige Einigung von Individuen und Teilverbänden gewesen.[4]
Ein weiterer Neuansatz beschäftigt sich damit, ob sich die Hanse aus partikularen Regionen oder hansischen Teilräumen zusammensetzte. Gefragt wird hierbei nach dem Gewicht der einzelnen regionalen Verbände innerhalb der Hanse. Dabei wird beispielsweise von Fritz Rörig der Ansatz verfolgt, dass die Regionen hansische Teilräume waren. Ein anderer Aspekt beschreibt die Regionen als partikulare, eigenständige Verbände mit der Hanse übergeordneten Interessen. So gab es eher zwei „Hansen“, zuerst die handelsbezogene, ältere Hanse mit dem Kern in den Auslandsniederlassungen und dann später die politische, neuere, durch die vor allem von Lübeck versucht wurde die lockere Einung zu einem Städtebund umzuwandeln. Untersucht wird hierbei vor allem die verschieden starke Intensität der Identifizierung der einzelnen Städte mit der Hanse.[5] Der personengeschichtliche Ansatz versucht über die Handlungsträger des hansischen Handelns und hansischer Politik, wie Bürgermeister oder Ratsherren, die als Ratssendeboten auf den hansischen Versammlungen ihre Stadt vertraten, und deren individuellen Vita auf soziologische Gemeinsamkeiten und kollektive Identitäten zu schließen.[6]
Weiter werden die Innen- und Außenansichten, das heißt die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Hanse versucht näher zu beleuchten. Beispielsweise wurde der Begriff Hanse erst seit Mitte des 14. Jahrhunderts im diplomatischen Verkehr gebräuchlich. Ansonsten wurden die einzelnen Händler mehr mit ihrer Herkunft in Zusammenhang gebracht, also demnach die Heimatstadt oder die Richtung, im Westen waren sie demnach oft als „Osterlinge“ bekannt.[7]
Die hansische Spätzeit war vor allem im letzten Jahrzehnt (1990er) Objekt der Forschung, steht aber noch relativ am Anfang, weil die Quellenlage verhältnismäßig dünn ist, da die Hanserezesse[8] nur bis 1537 vorliegen.[9] Wie erwähnt, ist die Geschichte der Hanse heutzutage eigentlich Handels- und Wirtschaftsgeschichte. Jedoch setzte die historische Erforschung der Kaufleute erst im 20. Jahrhundert ein, indem sich Fritz Rörig und Friedrich Keutgen dem Thema widmeten. Problematisch war für die Forschung, dass wichtige Quellenarchive hinter dem Eisernen Vorhang bis 1989/90 nur sehr schwer erreichbar waren.
Eine umstrittene These ist, dass seit Mitte der 1970er Jahre die Hanse bis auf Ausnahmen als innovatorisch rückständig betrachtet wurde, da Fernhandels- und Exportgewerbestädte bis auf Köln, Braunschweig und Breslau gefehlt hätten. Neue Untersuchungen der kapitalistischen Organisationsformen, Ursachen der Konkurrenzfähigkeit der Hanse oder der Gewerbegeschichte mithilfe der Erforschung des Verlagswesens sind abschließend zu erwähnen.[10]
Fragestellung
In dieser Arbeit sollen die Umstände der Spätzeit der Hanse, also dem 15. bis 17. Jahrhundert, behandelt werden. Es soll der Frage nachgegangen werden, welche Ursachen für den Untergang der Hanse verantwortlich gemacht werden können und welche allgemeinen Entwicklungen und Faktoren des Handels Einfluss auf die Hanse und deren Niedergang ausübten. Dazu werden erst für Fragestellung des Niedergangs wichtige allgemeine Punkte zur Hanse behandelt werden. Weiter soll ein besonderes Augenmerk auf die allgemeine Entwicklung des europäischen Handels im Verlauf des 15. bis 17. Jahrhunderts gelegt werden, um die späteren Entwicklungen besser erklären und nachvollziehen zu können. Dazu wird besonders der Englandhandel betrachtet werden, da hier die Literatur- und Quellenlage durchaus gut ist und an ihm auch die allgemeinen Entwicklungen ersichtlich werden. Auch die lange Zeit führende Hansestadt und wichtigste Hansestadt im Späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit Lübeck wird näher betrachtet, was aber im Folgenden noch präzisiert wird. Um einen wirtschaftlichen Trend wiedergeben zu können,[11] wurden Daten aus der wirtschaftlichen Entwicklung Lübecks zur Hilfe genommen,[12] was aber ebenfalls an gegebener Stelle erläutert werden soll.
Die Hanse an sich
Der Begriff Hanse bedeutete seit dem Wechsel vom 13. zum 14. Jahrhundert eine Organisation niederdeutscher Kaufleute und der von ihnen dominierten Städte von der Zuijdersee im Westen bis zum Baltikum im Osten und von Visby bis zu der Linie Köln-Erfurt-Krakau.[13] Die Hanse war weniger ein hierarchisch gegliederter Städtebund, sondern ein Zusammenschluss von Einzelnen zur Durchsetzung der jeweiligen Außenhandelsinteressen.[14]
Die Hanse war ein Wirtschaftsbündnis und hat sich niemals stärker in der Form einem Städtebund angenähert.[15] Auch war die Hanse nicht wirklich international, vielmehr wurden die jeweiligen Städte nur durch die dort ansässigen niederdeutschen Fernkaufleute Mitglieder der Hanse,[16] waren aber als hansisch erkennbar durch ihre Art zu bauen, wohnen und zu leben. So bemühten sich die Städte seit dem frühen 13. Jahrhundert an, die anerkannten Rechtsvertreter der Hanse zu werden. Den Kern der Hansestädte bildete die so genannten wendische Städtegruppe Lübeck, Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald.[17] Die wendischen Städte waren die Städte, die im ehemals slawischen = wendischen Siedlungsgebiet lagen.[18]
Eine weitere Ausprägung der Hanse war das Kontor. Ein Kontor war ein Beieinander von Kirche, Versammlungsraum, gesicherten Warenspeichern und/oder Verwahrungsorten für Maß und Waage, eigenem Kleinhafen oder Anlegeplatz mit Laderampe, Grundeigentum mit Wohnplätzen für den (befristeten) Aufenthalt der Kaufleute und der ständige Sitz des Sekretärs. Der Begriff „Kontor“ war hingegen erst im 16. Jahrhundert gebräuchlich, davor wurde dasselbe mit „der Kaufmann“ umschrieben.[19] Die bedeutendsten Kontore der Hanse waren Nowgorod in Nordwestrussland, Bergen in Norwegen, Brügge in Flandern und London in England.[20]
Der Handel war das verbindende Element und Substanz der Hanse.
Die Grundstruktur des Handels bestand in dem Austausch von Rohstoffen, Halbfertigprodukten und Lebensmitteln aus dem Osten und Norden gegen gewerbliche Fertigprodukte des Westens und Südens.[21] Die Vorgänge des Handels wurden meist unschriftlich und ohne jegliche Kenntnisnahme durch Außenstehende vollzogen, was die Forschung erschwert. Manche Geschäftsabsprachen und Gesellschaftsverträgen zwischen zwei oder mehr Hansekaufleuten sind jedoch durch öffentlichrechtliche Eintragungen (vergleichbar mit unserem Handelsregister) in Stadtbüchern überliefert. Diese machen aber nur einen kleinen Teil aller Übereinkünfte aus. Sie können jedoch mit erhaltenen firmeninternen Geschäftsbüchern, die meist vollständig sind, verglichen werden.[22] So wurde ein Eintrag in das Stadtbuch normalerweise nur vorgenommen, wenn die Verlässlichkeit des Handelspartners fragwürdig war. Viel öfter war gegenseitiges Vertrauen die Basis der handelsrechtlichen Verbindlichkeiten. Als ein Beispiel hierfür können Hermann Wittenborg und sein Sohn Johan genannt werden, die in ihrem Geschäftsbuch zwischen 1346 und 1359 416 handelsgesellschaftliche Verbindlichkeiten verzeichneten, wovon lediglich 26, etwa 6%, mit einem ratsamtlichen Eintrag beurkundet wurden.[23]
Die bevorzuge Gesellschaftsform in der Hanse war die „societas“. Damit wurde eine Handelsgesellschaft zwischen zwei, selten auch mehr Personen beschrieben, wobei der eine Partner als „Kapitalist“ der andere „Kaufmann“ tätig war. Der „Kapitalist“ vertraute dem „Kaufmann“ sein Eigentum für Handelsgeschäfte an, der Gewinn und meist auch der Verlust wurden geteilt. Diese Gesellschaftsform war für den Handel über große Entfernungen am besten geeignet, da bei fast vollständig fehlenden Verständigungs- und Kontrollmöglichkeiten zwischen den Partnern, dem Kaufmann volle Entscheidungsfreiheit für die Dauer des Geschäfts zugemessen wurde. Dies war der Grundtyp der hansischen Handelsgesellschaften gewesen und wurde später leicht abgewandelt zur „sendeve“, was die Mitgabe von Handelsgut beschrieb.[24]
Eine andere, weniger gebräuchliche Form der hansischen Handelsgesellschaften war die „wedderlegginge“, bei der die Kapitaleinlagen, der Gewinn und die Verlusthaftung (bis zur Höhe der Einlage) für alle Partner gleich war. Eine weitere Form war die „vulle mascopei“.
Hierbei setzte jeder einzelne Partner sein gesamtes Vermögen ein. Dies war in der Hanse eigentlich nur bei engen Verwandten üblich, die ihr Erbe auch im Handel nicht aufteilen wollten. Im 14. Jahrhundert gingen die hansischen Kaufleute mehr zu der freieren und flexibleren Form des Kommissionshandels über.[25]
Das Grundmuster der hansischen Handelsgesellschaft bestand darin, dass zwei Kaufleute sich von verschiedenen Orten her gegenseitig Waren zuschicken. Dafür gab es keinen direkten Lohn, allerdings mussten beide etwas schicken, nur evtl. anfallende Spesen wurden berechnet. Die Kaufleute konnten Proper- als auch Gesellschaftsgut nebeneinander handeln und innerhalb der Hanse bestand sowohl Offenheit als auch Konkurrenzerlaubnis. Die Kaufleute verzichteten untereinander meist auf Konkurrenzkampf und handelten solidarisch ihrem Partner gegenüber.[26] Das entscheidende Kriterium für die Aufnahme eines Kaufmannes in die Hanse war, dass er deutsch und eben Kaufmann war.[27] Fremden gegenüber verhielt man sich meist geschlossen, womit die Hanse eine Art Kartellfunktion durch korporative Maßnahmen und Regelungen des wirtschaftspolitischen Verhaltens gegenüber Fremden einnahm. Große Handelshäuser, wie die Medici, Datini, Bardi, Fugger, Welser usw., entstanden im Gegensatz zu Süddeutschland und Italien innerhalb der Hanse kaum.[28]
[...]
[1] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 2.
[2] ebd., S. 13.
[3] Hammel-Kiesow, Rolf: Hansischer Seehandel und wirtschaftliche Wechsellagen. Der Umsatz im Lübecker Hafen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, 1492-6 und 1680-2, in: Jenks, Stuart und North, Michael (Hrsg.): Der hansiche Sonderweg? Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Hanse, Köln u.a. 1993, S. 77.
[4] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 14-15.
[5] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 15-16.
[6] ebd., S. 16.
[7] ebd., S. 17.
[8] Hanserezesse werden allgemein die Beschlussprotokolle der Hansetage bezeichnet.
[9] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 18.
[10] ebd., S. 19-21.
[11] Hammel-Kiesow, Rolf: Hansischer Seehandel und wirtschaftliche Wechsellagen, S. 90-93.
[12] vgl. Tabelle 1
[13] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 2.
[14] ebd., S. 2.
[15] Friedland, Klaus: Die Hanse, Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 142.
[16] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 9.
[17] Friedland, Klaus: Die Hanse, Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 141.
[18] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 12.
[19] Friedland, Klaus: Die Hanse, Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 147-148.
[20] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 11.
[21] ebd., S. 11.
[22] Friedland, Klaus: Die Hanse, Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 168.
[23] ebd., S. 168.
[24] Friedland, Klaus: Die Hanse, Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 168.
[25] ebd., S. 168-169.
[26] Friedland, Klaus: Die Hanse, Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 169-170.
[27] Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 2004, S. 10.
[28] Friedland, Klaus: Die Hanse, Stuttgart, Berlin, Köln 1991, S. 170.
- Arbeit zitieren
- Oliver Quast (Autor:in), 2006, Die Entwicklung des Handels der Hansestädte in der Frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64665
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