In der folgenden Abhandlung über die 1961 von Ingeborg Bachmann geschriebene Erzählung Undine geht werden vor allem die in der Erzählung dargestellten Raumkategorien eine Analyse und Deutung erfahren. Der Untersuchung der Kategorie Raum liegen hierbei die Definitionen zur Raumanalyse nach der Erzähltextanalyse Kahrmann/Reiss/Schluchters zugrunde.
Bei der Argumentation wird der Aspekt der Ablesbarkeit der Rollen- und Geschlechterproblematik an der Kategorie Raum im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses liegen. Die Tatsache, dass es sich bei den Adressaten der Rede sowohl um Männer als auch um Menschen handelt, mag einen feministischkritischen Interpretationsansatz als inadäquat und als Reduktion der Vielschichtigkeit und Bedeutungsvielfalt der Erzählung auf den Liebes- und Beziehungsaspekt erscheinen lassen. Es muss hingegen beachtet werden, dass sich ein solcher Ansatz schon allein dadurch rechtfertigt, dass Undine in der Erzählung ihre Beziehung zu dem Mann Hans und dessen Beziehung zu seiner Ehefrau beschreibt. Jedoch soll der Text durch die Anwendung des feministisch-kritischen Interpretationsansatzes keineswegs auf eine mögliche Deutung reduziert werden, vielmehr muss dieser als eine Annäherung an den Text verstanden werden, der die Erzählung zwar, wie jede andere Deutung auch, niemals vollkommen entschlüsseln kann, von dem aus jedoch ungeklärte und unberücksichtigte Fragen gestellt werden können, die zu einer weiteren Erhellung der Interpretation beitragen.
Im folgenden soll zunächst durch eine werkimmanente Annäherung an den Text eine Charakterisierung der unterschiedlichen in der Abschiedsrede erzählten Räume und der in ihnen befindlichen Personen erfolgen, dann der Erzählraum der Erzählerin während ihrer Rede näher betrachtet werden und abschließend durch die Vernetzung beider Raumkategorien das der Erzählung zugrundeliegende Raumkonzept und dessen Übertragung auf die Figurenebene erläutert werden. Hierbei wird sich zeigen, dass Undine der Raum des Institutionellen kategorisch verwehrt bleibt und dass die Gegensätzlichkeit des privaten Liebesraumes und des Elements des Meeres durch Undines zirkuläre Bewegung zwischen diesen Räumen ihre innere Gespaltenheit ausdrückt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Meeresfrau und Erdenmann
- Die Räume des Hans
- Der öffentliche, institutionelle Raum
- Der verborgene Liebesraum
- Undines Element
- Im Dazwischen: Der Erzählraum
- Im Zirkel der Räume: Das Raumkonzept
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Abhandlung beschäftigt sich mit Ingeborg Bachmanns Erzählung „Undine geht“ und analysiert die in der Erzählung dargestellten Raumkategorien unter besonderer Berücksichtigung der Rollen- und Geschlechterproblematik. Die Untersuchung basiert auf den Definitionen zur Raumanalyse nach Kahrmann/Reiss/Schluchter.¹
- Analyse der in der Erzählung dargestellten Raumkategorien
- Untersuchung der Rollen- und Geschlechterproblematik im Kontext der Raumkategorien
- Interpretation der Beziehung zwischen Undines Raum und ihrem inneren Konflikt
- Bewertung der Möglichkeiten von freier Raum- und Rollenwahl für Undine
- Übertragung der Problematik auf gesellschaftliche Rollenzuschreibungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Thematik der Abhandlung vor und erläutert den methodischen Ansatz, der auf der Raumanalyse nach Kahrmann/Reiss/Schluchter basiert. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Rollen- und Geschlechterproblematik im Kontext der Raumkategorien.
- Das Kapitel „Meeresfrau und Erdenmann“ führt in die Erzählung „Undine geht“ ein und beschreibt die Konstellation von Undine als Meereswesen und Hans als Erdenmann. Der Fokus liegt auf den beiden grundlegenden Raumkategorien der Erde und des Meeres, wobei der Erdenraum in den öffentlichen, institutionellen Raum und den verborgenen Liebesraum unterteilt wird.
- Der Abschnitt „Die Räume des Hans“ beleuchtet die beiden erzählten Unterräume, in denen sich Hans bewegt: den öffentlichen, institutionellen Raum, der durch gesellschaftliche Instanzen wie Politik, Wirtschaft und Familie geprägt ist, und den verborgenen Liebesraum, der die Beziehung zwischen Hans und Undine repräsentiert.
- Im Kapitel „Undines Element“ wird das Element des Meeres als Raumkategorie charakterisiert, in dem sich Undine bewegt. Das Meer wird als Gegensatz zum Erdenraum dargestellt und als Ort der Freiheit und Unabhängigkeit für Undine interpretiert.
- Das Kapitel „Im Dazwischen: Der Erzählraum“ widmet sich dem Erzählraum der Erzählerin Undine. Die Analyse beleuchtet die räumliche Verortung der Erzählerin während ihrer Abschiedsrede und die Perspektive, aus der sie die erzählten Räume präsentiert.
- Im Abschnitt „Im Zirkel der Räume: Das Raumkonzept“ werden die verschiedenen Raumkategorien der Erzählung miteinander vernetzt und das der Erzählung zugrundeliegende Raumkonzept erläutert. Die Analyse zeigt auf, wie die Raumkategorien die Figuren und deren Konflikte prägen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit folgenden Schlüsselwörtern: Raum, Raumkategorie, Rollen- und Geschlechterproblematik, Erzähltextanalyse, feministisch-kritischer Interpretationsansatz, Undine geht, Ingeborg Bachmann, Institutioneller Raum, Liebesraum, Meeresraum, Soziologie, Rollenzuschreibungen, freie Raum- und Rollenwahl.
- Arbeit zitieren
- Anne-Christin Sievers (Autor:in), 2002, Undine im Raum des Hans - Analyse der Rollen- und Geschlechterproblematik in der Erzählung "Undine geht" von Ingeborg Bachmann unter besonderer Berücksichtigung der Kategorie Raum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64891