Im Mittelpunkt dieser Seminararbeit steht jene Zeitspanne, die das Deutsche Kaiserreich zur Industrienation werden ließ - die 1880er bis 1910er Jahre.
In jenen Jahrzehnten gelang es den so genannten "neuen Industrien" sich nicht nur neben den klassischen schwer-industriellen Elementen einer prosperierenden Volkswirtschaft zu etablieren, sondern auch im globalem Maßstab zu agieren.
Im Kaiserreich erlangten die chemische und die elektrotechnische Industrie so große Dimensionen, dass Deutschland um 1900 in jenen Bereichen nahezu weltweit führend war. Es lohnt allein deshalb ein genauerer Blick auf diese "neuen Industrien" der deutschen Wirtschaft.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historischer Kontext
3. Die „neuen Industrien“
3.1. Die chemische Industrie
3.2. Die Elektroindustrie
4. Wirtschaftsstand von 1913/14
5. Schlussbetrachtung
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die sogenannte „zweite Industrielle Revolution“ in Deutschland wird von vielen Historikern in der Zeit zwischen 1873 und 1929 eingestuft. Da aber nach meiner Ansicht nach die grundlegende Entwicklung dieser Phase im Deutschen Kaiserreich stattfand, werde ich mich in dieser Arbeit auf die Zeit zwischen 1873 und 1914 beziehen. Der erste Weltkrieg bildet einen Sonderfall für die deutsche Wirtschaft, da diese vollständig auf Rüstung umgestellt wurde, und soll hier ebenfalls nicht in den Fokus meiner Betrachtung fallen.
In der Phase der Hochindustrialisierung, wie diese Zeit ebenfalls tituliert wird, fand eine fundamentale Veränderung der deutschen Volkswirtschaft statt. Die „traditionellen“ Industriebereiche, wie der Agrarsektor und die Schwerindustrie behielten auch in dieser Zeit einen recht beachtlichen Anteil an der Gesamtproduktion bzw. an der Gesamtzahl aller Beschäftigten. Zwischen 1873 und 1914 konnte der sekundäre Sektor seinen Anteil an der deutschen Gesamtproduktion massiv ausbauen und löste somit den primären Sektor von seiner Spitzenposition ab, damit kann man sagen, dass Deutschland in dieser Zeit den Wandel von einem Agrar- zu einem Industrieland nahezu vollzogen hat, auch wenn die Landwirtschaft auch in dieser Zeit noch sehr stark war. Doch gerade in Deutschland kam es zwischen 1873 und 1914 zur Etablierung neuer Industriezweige, die Deutschland kurz nach 1900 in den betreffenden Sektoren eine absolute Spitzenposition einräumten. Gemeint sind hier die neuen Industriebranchen der chemischen Industrie und der elektrotechnischen Industrie.
Diese Hausarbeit soll dazu dienen den „Siegeszug“ dieser neuen Industrien näher zu erklären und sie passend in den gesamthistorischen Kontext einzubeziehen. Hierzu werde ich im Punkt 2. auf den historischen Kontext eingehen, um die Lage der deutschen Industrie im besseren Zusammenhang zu anderen Ereignissen bzw. Geschehnissen jener Zeit zu setzen. Danach gehe ich auf die so genannten „neuen Industrien“ ein, der chemischen und elektrotechnischen Industrie. Dieser Teil, welcher den gesamten Punkt 3. befasst, stellt gewissermaßen den Hauptteil meiner Arbeit dar. Zur besseren Anschaulichkeit der raschen industriellen Entwicklung des Deutschen Kaiserreiches werde ich im Punkt 4. versuchen die gesamtwirtschaftliche Lage im damaligen globalen Kontext darzustellen, um so deutlich zu machen, welche Spitzenposition diese „neuen Industrien“ weltweit inne hatten. Zum Abschluss dieser Hausarbeit folgt mit dem Punkt 5. eine Schlussbetrachtung, welche dazu dienen soll, das zuvor in der Arbeit erklärte und erläuterte noch etwas zusammen zu fassen.
2. Historischer Kontext
Das Deutsche Kaiserreich, dessen industrielle Entwicklung zwischen 1873 und 1914 Gegenstand dieser Arbeit ist, wurde 1871 gegründet. Dieses neue Reich im Herzen Europas verursachte bei den etablierten Großmächten enorm viel Misstrauen, da das eingespielte Kräftegleichgewicht zwischen den europäischen Mächten empfindlich gestört werden konnte. Denn die „bislang […] eher ungefährliche Föderation in der Mitte [Europas][…] hatte nunmehr […] die Fähigkeit gewonnen, die andere Großmächte längst besaßen, nämlich zu attackieren“.[1] So bezeichnete Klaus Hildebrand die damalige Situation kurz nach der Reichsgründung.
Das anfängliche Misstrauen gegenüber dem Deutschen Kaiserreich war aber unnötig, da Bismarck den neuen deutschen Nationalstaat für saturiert erklärte und somit den Nährboden für Angst vor weiteren territorialen deutschen Eroberungen entzog. Somit war Deutschland bereits kurz nach seiner Gründung außenpolitisch weitgehend konsolidiert.
Innenpolitisch gab es aber massive Probleme. Denn im Zuge der bereits um 1835 begonnenen Industrialisierung traten nun verstärkt soziale Konfliktfelder auf, die allgemein unter dem Schlagwort „Soziale Frage“ bekannt sind. Hinzu kam 1873 das Einsetzen der Gründerkrise, welche bis zur Mitte der 1890er Jahre andauern sollte. Aufgrund von massiven Spekulationen kam es zu einer Überbewertung der gesamten Industrie, gepaart mit extremer Überproduktion, für die kein ausreichender Absatz vorhanden war, entwickelte sich dieses Gemisch zur wirtschaftlichen Stagnation, welche von den Zeitgenossen als „Große Depression“ empfunden wurde. Anfänglich nahm man an, dass es in dieser Zeit zu keinerlei wirtschaftlicher Entwicklung kam, sogar zu einem gewissen Rückgang der wirtschaftlichen Produktion. Dies ist allerdings ein Irrtum, denn „die Kontinuität des Wachstums der deutschen […] industriellen Volkswirtschaft[…] blieb nämlich trotz der Krisenerscheinungen nahezu ungebrochen“[2]. Damit wuchs die deutsche Wirtschaft auch in der Zeit der „Großen Depression“ weiterhin an, auch wenn das wirtschaftliche Wachstum zwischen 1875 und 1880, ausgenommen das Jahr 1878, stets negative Werte aufwies, dadurch sei nur die extreme Steigerung in der Zeit von 1870 bis 1874 korrigiert wurden, so meinte dies Henning.[3] Ende der 1870er Jahre wurden Schutzzölle für Agrarprodukte und schwerindustrielle Produkte eingeführt, um den heimischen Absatzmarkt vor Billigerzeugnissen aus Übersee zu schützen. Im Zuge der Transportrevolution „überschwemmte“ das mit Abstand billigere Überseegetreide den europäischen Markt und wurde so zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz der etablierten Agrarproduzenten in Deutschland, vornehmlich in „Ostelbien“. Die Einführung von Schutzzöllen war nicht allein ein Werk der damaligen Regierung. Auch die neu gegründeten und zum Teil recht einflussreichen Interessenverbände übten dementsprechend Druck auf die Regierung aus, um so ihre Interessen besser zur Geltung zu bringen. In diesem Zusammenhang sei hier erwähnt, dass es gerade in der Zeit der Hochindustrialisierung zwischen 1873 und 1914 zu regelrecht massenhaften Gründungen von Vereinen jeglicher Art kam. Die einflussreichsten und auch wohl bedeutendsten seien hier auch noch mal erwähnt, der Bund der Landwirte (BdL) und der Bund der Industriellen (BdI).
Aussenpolitisch etablierte sich das Deutsche Kaiserreich unter Reichskanzler Bismarck immer mehr. Die von Bismarck eingeleiteten Bündnisse und das dadurch entstandene Bündnissystem dienten zur Absicherung des Reiches nach aussen. Das „Versprechen“, Deutschland sei saturiert, welches Bismarck nach der Reichsgründung 1871 äußerte, wurde auch gehalten. Innerhalb Europas kam es nach 1871 zu keiner weiteren territorialen Erweiterung des Reichsgebietes mehr. Lediglich in Übersee, vornehmlich in Afrika, wurde das Deutsche Reich „aneignungspolitisch“ im Jahre 1884 aktiv. In Afrika wurden einige große koloniale Besitzungen unter den Schutz des Deutschen Kaiserreiches gestellt. Die Zeitgenossen hofften, man könne diese Kolonien zu blühenden Wirtschaftsgebieten machen und so den Auswandererstrom aus Deutschland vor allem in diese Gebiete „locken“. Diese recht naive Annahme erwies sich bald als großer Irrtum. Keine einzige deutsche Kolonie erreichte auch nur annähernd einen Einwandererstrom, der mit dem der Vereinigten Staaten von Amerika gleich zu setzen gewesen wäre. Auch die wirtschaftliche Entwicklung in den deutschen Kolonien, die auch als Schutzgebiete bezeichnet wurden, lief doch sehr stagnierend voran, so dass der „Traum“ von blühenden wirtschaftlichen Kolonien regelrecht wie eine Seifenblase zerplatzte.
Mitte der 1880er Jahre kam es innenpolitisch zu tiefgreifenden Reformen. Weltweit wurde damals als erstes die Sozialgesetzgebung eingeführt. Die Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung sollten dazu dienen, die Probleme der unteren Schichten, vornehmlich der Arbeiter zu mildern. Man versprach sich mit diesen Maßnahmen eine Verbesserung der teilweise prekären Lage der Arbeiter und man erhoffte sich dadurch ansatzweise die Lösung der „Sozialen Frage“, welche mit dem Fortschreiten der Industrialisierung immer mehr auf die damalige politische Tagesordnung gebracht wurde.
Als 1888 Kaiser Wilhelm I. starb und sein Nachfolger Friedrich-Wilhelm III. aufgrund einer schweren Krebserkrankung nur wenige Monate regieren konnte, kam dessen Sohn, Kaiser Wilhelm II. an die Macht, ein recht junger und somit auf dem diplomatischen Parkett unerfahrener Monarch. Wilhelm II. veranlasste, dass der alteingesessene (und damit sehr erfahrene) Reichskanzler Otto von Bismarck sein Amt niederlegen musste. Damit war die Ära Bismarck endgültig vorbei und das „persönliche Regiment“ Kaiser Wilhelms II. begann.
Wirtschaftlich gesehen ging es vor allem Ende der 1880er Jahre wieder bergauf und die so- genannte Phase der Hochindustrialisierung begann, unaufhaltsamer Aufschwung war die Folge.
Zudem brachte der aussenpolitische „neue Kurs“ Wilhelms II. einige Impulse für die Schwerindustrie mit sich. Der Aufbau einer schlagkräftigen Hochseeflotte brachte Absatz und die stetige Aufrüstung der Reichsarmee trug ihren Teil an diesem Absatz bei. Aber auch regelrecht neue Industriezweige brachten es in dieser Zeit zu wahrer Blüte. Neben den traditionellen Industriesektoren, der Schwerindustrie und dem Textilgewerbe, etablierten sich die chemische und die elektrotechnische Industrie.
Im folgenden Abschnitt wird versucht, die Entwicklung dieser neuen Industriezweige eingehender zu erläutern.
[...]
[1] Vgl. Klaus Hildebrand, Das vergangene Reich – Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler, Stuttgart 1996, S. 18.
[2] Vgl. Hans-Werner Hahn, Die Industrielle Revolution in Deutschland, München 1998, S. 40.
[3] Vgl. Friedrich-Wilhelm Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800-1914, Paderborn 1995, S. 211.
- Arbeit zitieren
- René Cremer (Autor:in), 2005, Die sogenannte Zweite Industrielle Revolution in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64944
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.