Bereiche und Tendenzen der Darstellung technologischer Risiken in den Medien


Studienarbeit, 2006

27 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffklärung

3 Grundlagen: Risikokommunikation in Massenmedien

4 Klassische Themen und Tendenzen der Technikrisikodarstellung

5 Aktuelle Pesseberichte über Technologierisiken
5.1 Methodik der Pressebeobachtung
5.2 Ausgewählte Artikel:

6 Im Focus: Atomtechnologie
6.1 Nutzung der Kernenergie
6.2 Bedrohung durch Kernwaffen

7 Zusammenfassende Erörterung

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vier Filter im Prozess der Nachrichtenproduktion

Abbildung 2: Geschätzte und tatsächliche Häufigkeit von Todesfällen pro Jahr

Abbildung 3: Tendenz der Technikkritik in den Medien und Bevölkerungssicht

Abbildung 4: Jährliche Häufigkeit von Artikeln über sauren Regen in niederländischer Volkszeitung

Abbildung 5: Informationstechnik-Trends auf der Cebit 2006

Abbildung 6: Verendete Fische in Berliner Spree als Folgezeichen von Umweltverschmutzung

Abbildung 7: Visualisierung von Erdbeben ab Stärke 2 der Jahre 800 bis

2004

Abbildung 8: Partikel-Gefahrensybol auf der Titelseite des Technology Review

Abbildung 9: Spitze einer Iranischen Mittelstreckenrakete bei Militärparade

1 Einleitung

Technologie - dieses Schlagwort begegnet uns derzeit immer öfter in Verbindung mit der Frage nach Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und ganzer Volkswirtschaften in einer globalisierten Weltwirtschaft. Die europäische Wettbewerbsstrategie ist spätestens seit der Lissabon-Agenda offenkundig: Stärkung des Wissens durch Ausbildung und Forschung und darauf basierender technologischer Vorsprung soll den Absatz innovativer Produkte und damit letztlich die Aufrechterhaltung hoher Lebensstandards ermöglichen. Zunehmender Wettbewerbsdruck bedeutet demnach, (neue) Technologien mit Nachdruck (weiter) zu entwickeln und aus ihnen Profit zu generieren.

Technologien bzw. Anwendungen von Technik bergen jedoch immer ein gewisses Risikopotential. Das Wissen um mögliche Risiken und das damit verbundene Handeln beziehen sich jedoch immer auf zukünftige Zustände - die Konsequenzen stellen sich erst zukünftig ein.[1] Technikfolgenabschätzung und technische Risikoforschung sind deshalb von entscheidender Bedeutung, um der Verantwortung, die aus technischem Handeln erwächst, gerecht werden zu können. Die Ergebnisse wissenschaftlicher Risikoforschung und -analysen stimmen jedoch nicht notwendig mit der öffentlichen Meinung und Sichtweise überein – hierfür sind Mediendarstellungen bedeutsamer.

Dieses Gefüge begründet die Motivation für die Thematik der vorliegenden Arbeit. Anhand der aktuell in den Medien behandelten Technologierisikothemen, früherer Darstellungstrends sowie verfügbarer Literaturmeinungen soll versucht werden, Zusammenhänge und Tendenzen in der Darstellung technologischer Risiken in den Medien darzulegen. Aus Sicht des Technologiemanagements ist es weiterhin interessant zu wissen, ob und wie die Darstellung möglicher oder tatsächlicher Risiken die Weiterentwicklung von Technologien beeinflussen kann.

Zur Klärung dieser Fragen wird nach der einführenden Begriffklärung (2) zunächst auf das Thema der allgemeinen Risikokommunikation in den Massenmedien (3) eingegangen, um grundlegende Erkenntnisse und Zusammenhänge in diesem etablierten Forschungsgebiet darzustellen. Darauf aufbauend sollen anhand von Daten und Themen aus der Vergangenheit Wirkungsbeziehungen bezüglich der Darstellung technischer Risiken und deren Wahrnehmung in der Bevölkerung aufgezeigt werden (4). Schlussfolgerungen entsprechend der Arbeitsthematik (7) werden jedoch erst nach der Betrachtung aktueller Presseberichte und deren Erläuterung möglich, was den Hauptteil der Arbeit in den Abschnitten 5 und 6 ausmacht.

2 Begriffklärung

Der Begriff Risiko wird vielfältig verwendet, dennoch gibt es keine einheitliche Definition von dem, was Risiko darstellt. Der Begriff steht oft für Gefahr von Schaden oder Verlust und ist damit einseitig negativ belegt. Eine ausgeglichenere Sichtweise bietet folgende Definition:

Ein Risiko ist die kalkulierte Prognose eines möglichen Schadens bzw. Verlustes im negativen Fall (Gefahr) oder eines möglichen Nutzens bzw. Gewinns im positiven Fall (Chance). Was als Schaden oder Nutzen aufgefasst wird, hängt von Wertvorstellungen ab.[2]

Aus technischer Sicht ist dieses Kalkül scheinbar durchgängig schadens-orientiert und wird durch das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und zu erwartendem Schadensausmaß (Risikoformel) quantifiziert.

Unterscheidung bzw. Kategorisierung von Risiken erfolgt anhand von Risikofeldern und Risikotypen:

Risikofelder:

- Chemie / chemische Technik
- Energietechnik, -technologien
- Gentechnik, -technologie
- Informations- & Kommunikationstechnologien
- Ökologie, natürliche Umwelt
- Verkehr, -stechnik
- Medizin / Gesundheit
- Wirtschaft
- individuelle Arbeits- & Lebensbedingungen
- Gesellschaft / Politik / Kultur[3]

Risikotypen:

Als Risikotyp (Name) bezeichnen Ökologen und Umweltforscher potentielle Katastrophen bei gleichzeitiger Berechnung der Vorkommen und der Folgen. Zur Bewertung globaler Umweltrisiken werden in der internationalen Gremienarbeit sechs verschiedene Risikotypen unterschieden. Namensgebend sind Personen und Wesen aus der Griechischen Mythologie.

Mit dieser Typisierung werden unterschiedliche mögliche Schadenshöhen, deren Eintrittswahrscheinlicheit und die Wahrnehmung von Risiken in der Öffentlichkeit in Kategorien geordnet - hier zwei Beispiele:

- Damokles bedeutet eine Kombination von „Hohem Schaden im Eintrittsfall“ und „geringster Wahrscheinlichkeit“. Beispiel: Bruch eines Staudammes
- Pandora bedeutet eine irreversible Einwirkung von Stoffen oder Dingen auf die Umwelt, deren Auswirkungen noch weitgehend unbekannt sind. Beispiel: Umweltgifte

Die meisten der Risikofelder und Typen beinhalten direkt oder indirekt technische Risiken. Titel dieser Arbeit ist die Darstellung technologischer Risiken - bei der Unterscheidung zwischen Technik und Technologie in der Literatur und vor allem im allgemeinen Sprachgebrauch gibt es jedoch beachtliche Unterschiede. Der Begriff Technologierisiko ist ebenfalls nicht einfach zu definieren, wie der folgende Erklärungsversuch verdeutlicht:

Technologierisiko

Gefahr der nicht gegebenen Funktions- und Leistungsfähigkeit der genutzten Technik und potentieller negativer externer Effekte (Prozess- und Umweltrisiko).[4]

Für die weitere Abhandlung steht der Term Technologierisiko allgemein für die Risiken verbunden mit der Anwendung von Technik aus naturwissenschaftlicher Sicht.

3 Grundlagen: Risikokommunikation in Massenmedien

Die Rolle der Medien im Zusammenhang mit der Entwicklung von Technikakzeptanz bzw. -ablehnung kann zwiespältig gesehen werden. Zum einen wird davon ausgegangen, dass Akzeptanzprobleme zu einem großen Teil auf mangelnden oder fehlenden Informationen bezüglich der Technologien und den objektiven Risiken beruhen, was impliziert, das gerade Massenmedien mit ihrer hohen Publikumswirksamkeit das Potential haben, durch Kompensation der Defizite die Akzeptanz bzw. Risikoeinschätzung zu verbessern. Zum anderen werden jedoch gerade die Medien für Fehlinformation der Öffentlichkeit und den damit verbundenen Problemen verantwortlich gemacht. „The rise in reaction against a scientific technology appears to coincide with a rise in quantity of media coverage, suggesting that media attention tends to elicit a conservative public bias“.[5]

Auf der Suche nach Wirkungszusammenhängen für die Darstellung medialer Inhalte ist des sinnvoll, die Handlungsmotivation der Medien-akteure zu beleuchten. Medien im Allgemeinen und gerade die hier intensiv betrachtete Tagespresse bedienen das Informationsbedürfnis ihrer Kunden mit täglichen Meldungen und Berichterstattungen.

Es liegt auf der Hand, dass dieses Geschäft am erfolgreichsten betrieben werden kann, wenn die Interessen der Kunden bzw. der jeweiligen Zielgruppe bestmöglich getroffen bzw. bedient werden. Auch hierfür gibt es Hinweise in der Literatur: Ängste in der Bevölkerung sind nicht eine Wirkung, sondern Ursache der Berichterstattung.[6]

Letztlich bedienen die Medien also die Bedürfnisse ihrer Kunden, was das Bild des unmündigen, überfluteten und fehlinformierten medialen Konsumenten etwas relativiert. Diese Sichtweise schließt natürlich nicht aus, dass das Bedürfnis nach bestimmten Inhalten beeinflusst werden kann und wird - und lässt keine Wertung der in diesem Motivationsfeld generierten und veröffentlichten Inhalte zu.

Zumindest aber kann gesagt werden: Die Menschen mit ihrer Risikowahrnehmung bestimmen indirekt die medialen Inhalte, denn aus der Vielfalt der potentiellen Berichte über mögliche Risiken werden jene gefiltert, die für die Konsumenten zum Veröffentlichungszeitpunkt interessant sein könnten und damit letztlich den wahrgenommenen Wert des Mediums erhöhen. Die folgende Abbildung verdeutlicht den Filterprozess.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vier Filter im Prozess der Nachrichtenproduktion[7]

Eine norwegische Forschergruppe entwickelte bereits 1965 eine Nachrichtenwerttheorie. Danach sind für die westliche Welt vier Kriterien besonders relevant im Auswahlprozess: Frequency, unicity, continuity and negativism - zu deutsch etwa Häufigkeit, Einzigartigkeit, Fortbestehen und Schwere des Ereignisses im negativen Sinn.

Diese Kriterien beeinflussen die - oder werden beeinflusst von der Risikowahrnehmung der Menschen - je nach Betrachtungsweise.[8]

Die Risikowahrnehmung der Menschen weicht jedoch häufig von dem objektiven Gefahrenpotential ab. Die folgende Abbildung von Studien-ergebnissen aus dem Jahr 1979 veranschaulicht dies. Gegenübergestellt wurden die von Probanden geschätzten Todesfälle durch 41 Todesursachen pro Jahr (subjektiv) mit statistischen Daten (objektiv).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Geschätzte und tatsächliche Häufigkeit von Todesfällen pro Jahr[9]

Würden sich die Schätzungen mit den statistischen Häufigkeiten decken, dann müssten sich die Datenpunkte gleichmäßig entlang der Diagonalen (Steigung 1) befinden. Tatsächlich werden sie aber am besten mit einer deutlich flacheren Kurve beschrieben, in der die Häufigkeit von Lebensmittelvergiftungen (Botulism), Stürmen und Fluten als Todesursache deutlich überschätzt wurde. Die Untersuchung der diesbezüglichen Bericht-erstattung in der Lokalpresse führte zu dem Ergebnis, dass relativ viele Artikel Naturkatastrophen, Lebensmittelvergiftungen, Tötungsdelikte und Unfälle abdeckten. Tatsächlich überstieg die Häufigkeit von Artikeln über Tötungsdelikte die Häufigkeit derer über Krankheiten um den Faktor drei, obwohl statistisch Krankheiten um zwei Zehnerpotenzen tödlicher sind.[10]

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Risikopotential schwerer und seltener Ereignisse bzw. außergewöhnlicher Ursachen von den Menschen offenbar stärker wahrgenommen wird und dass derartige Risiken von den Medien stärker thematisiert werden.

Die dargestellten Zusammenhänge allein lassen noch keine klaren Rückschlüsse über die Art und Weise der Darstellung von Technikrisiken in den Medien zu, dennoch wurden einige grundlegende Mechanismen deutlich, auf denen die Beobachtung der Berichterstattung aufgebaut werden kann.

[...]


[1] Vgl. Banse, G. „Über den Umgang mit Unbestimmtheit“ in Banse, Kiepas (HG.) Rationalität Heute, LIT-Verlag Münster, 2002, S. 214

[2] Vgl. Risiko, Wikipedia- Artikel, http://de.wikipedia.org/wiki/Risiko

[3] Banse, Risiko in Technik und technischem Handeln, Vorlesungsskript

[4] Susanne Niemann, Bankfachklasse, erschienen im Gabler Verlag, Wiesbaden, http://www.bankfachklasse.de

[5] Mazur, A. Media coverage and public opinion on scientific controveries, Jurnal of communication 31, S.106-115 aus Gutteling, Wiegman, „Exploring Risk Communication“, Cluver Academic Publishers, Dordrecht, Niederlande, 1996, S. 81

[6] Vgl. Peters, Durch Risikokommunikation zurTechnikakzeptanz? in Krüger, Ruß-Mohl, Risikokommunikation – Technikakzeptanz, Medien und Kommunikationsrisiken, Ed. Sigma, Berlin 1991

[7] Servannes, Tonnaer, The News Marketplace, Wolters-Noordhoff, Groningen, Niederlande 1992 in Gutteling, Wiegman, „Exploring Risk Communication“, Cluver Academic Publishers, Dordrecht, Niederlande, 1996, S. 58

[8] Gutteling, Wiegman, „Exploring Risk Communication“, Cluver Academic Publishers, Dordrecht, Niederlande, 1996, S. 59

[9] Lichtenstein et al. Judged Frequency of lethal events, Journal of Experimental Psychology: Human learning and Memory 4, 551-579, 1978 in Gutteling, Wiegman, „Exploring Risk Communication“, Cluver Academic Publishers, Dordrecht, Niederlande, 1996, S. 81

[10] Vgl. Gutteling, Wiegman, „Exploring Risk Communication“, Cluver Academic Publishers, Dordrecht, Niederlande, 1996, S. 81

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Bereiche und Tendenzen der Darstellung technologischer Risiken in den Medien
Hochschule
Brandenburgische Technische Universität Cottbus
Veranstaltung
Risiko in Technik und technischem Handeln
Note
1.0
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V64955
ISBN (eBook)
9783638576369
ISBN (Buch)
9783656772729
Dateigröße
1331 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bereiche, Tendenzen, Darstellung, Risiken, Medien, Risiko, Technik, Handeln
Arbeit zitieren
Stefan Kutter (Autor:in), 2006, Bereiche und Tendenzen der Darstellung technologischer Risiken in den Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64955

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