Grundlagen und Techniken des Psychodramas mit Kindern


Seminararbeit, 2005

30 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Biographie Morenos und die historische Entwicklung des Psychodramas

3. Das Psychodrama mit Kindern
3.1 Definition und Ziele
3.2 Allgemeine Grundlagen

4. Die Grundelemente des Psychodramas

5. Die Struktur einer Psychodramasitzung
5.1 Die Initialphase
5.2 Die Spielphase
5.3 Die Abschlussphase

6. Die Techniken im Psychodrama
6.1 Die Arbeit mit Puppen
6.2 Doppeln und Doppelgänger
6.3 Das Spiegeln
6.4 Der Rollentausch

7. Psychodrama in der Schule

8. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Das Psychodrama baut auf der theoretischen Annahme auf, dass der Mensch ein schöpferisch handelndes Wesen ist, dass Handeln in Rollen stattfindet und jeweils interdependent auf andere Rollenträger bezogen ist und dass diese Rollen in einem Sozialisationsprozess erlernt und auch immer wieder modifiziert werden.“[1]

Das Psychodrama stellt eine Methodik dar, in der versucht wird, viele Dimensionen emotionaler Konflikte, wie unerfüllte Wünsche, unausgesprochene Ängste und Gefühle, im Spiel darzustellen. Insbesondere bei Kindern kann dieses Verfahren, „ Handeln statt Reden[2], zu einer Lösung innerer Konflikte, sowie zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls führen.

Aufgrund der wenig erschienenen Literatur zum Psychodrama mit Kindern erscheint es uns fraglich, ob es sich dabei um einen Bereich handelt, der in der Gesellschaft wenig bekannt ist, oder sogar die Anwendung dieser Methode bei Kindern in der Fachöffentlichkeit umstritten ist.

Um dieser Vermutung nachzugehen, haben wir den Focus auf das Psychodrama mit Kindern gelegt und werden sowohl die Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten zu der Therapie mit Erwachsenen erörtern.

Bevor wir auf die allgemeinen Grundlagen des Psychodramas eingehen, schildern wir zu Beginn dieser Arbeit die Biographie von Jacob Levi Moreno, der als Begründer des Psychodramas gilt, sowie die historische Entwicklung dieser Therapiemethode.

In Kapitel vier werden dann die Grundelemente des Psychodramas aufgezeigt, die Moreno als unverzichtbare Komponenten ansah. Anschließend werden die Struktur einer Psychodramasitzung, sowie die verschiedenen Techniken, die im Psychodrama Anwendung finden, erläutert.

Als Abschluss dieser Arbeit wird ein Fallbeispiel aus der Praxis aufgeführt, welches die Arbeit abrunden soll. Im Resümee erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema, sowie eine Erörterung der Möglichkeiten und Grenzen des Psychodramas.

2. Biographie Morenos und die historische Entwicklung des Psychodramas

Jacob Levi Moreno, der Begründer des Psychodramas, wurde 1889 oder 1890 auf einem Schiff geboren und entstammt einer jüdischen, sephardischen Familie. Nach seinem Tode am 14. Mai 1974 in Beacon/ New York hat seine Witwe, Zerka Toeman Moreno, die Daten für seine Geburt neu festgelegt. Nach diesen soll Moreno am 20. Mai 1890 in Bukarest geboren worden sein und nicht 1892 auf dem schwarzen Meer.[3]

Einen entscheidenden Lebensabschnitt verbringt Jacob Levi Moreno in Wien, wo er nach der Übersiedelung seiner Eltern von Spanien über die Türkei nach Wien, seine Kindheit, Jugend und Studienzeit erlebt.

Nach der Scheidung seiner Eltern beginnt Moreno 1911 ein Medizinstudium an der Wiener Universität, das er 1917 erfolgreich abschließt. Als Ergänzung besucht er Vorlesungen der Philosophie und der experimentellen Psychologie.

Moreno nutzt die Zeit während und nach dem ersten Weltkrieg zur Entwicklung und Erprobung seiner Visionen. Auch konkrete Projekte in sozialen und politischen Randbereichen der Gesellschaft gehörten zu seiner damaligen Arbeit. Moreno entwickelt die so genannte Soziometrie, mit der es möglich ist, alle der Gruppenhandlung zugrunde liegenden Gefühle darzustellen und aufzudecken. Dadurch ist es möglich, soziale Spannungen durch Umgruppierungen zu lösen.

In seiner früheren Schaffensperiode arbeitete Moreno noch intensiv mit Kindern. Er führte beispielsweise soziometrische Untersuchungen mit Säuglingen und Kindern im Mittendorfer Kinderkrankenhaus (1917-1919), in Schulen und Kindergärten von 1931-1932 in New York, Rollen- und Spontaneitätstraining in der Hudson-School, einer Erziehungsanstalt für schwer erziehbare Mädchen.[4] Seine Erfahrungen verarbeitete er in seiner Rollen- und Entwicklungstheorie und leitete die wichtigsten Psychodramatechniken aus der Rollenentwicklung des Kindes ab.

In Wien gründete Moreno 1921 ein Stehgreiftheater in der Maysedergasse, nachdem er während seiner Studienzeit bereits solche veranstaltete. In diesem arbeitete er mit verschiedenen Improvisationstechniken an Beziehungsproblemen, sowohl mit einzelnen als auch in kleinen Gruppen. Dieses Stehgreiftheater gilt als der Ursprung des Psychodramas.

Bei der Arbeit mit dem Stehgreiftheater entdeckt Moreno, dass das Theater bzw. die Spiele positiven Einfluss auf die Kreativität der Darsteller, aber auch auf ihr Verhalten haben. Elemente seiner späteren Psychodramatherapie, wie die spontane Improvisation, szenische Darstellung und kreative Konfliktlösung tauchen erstmals auf.

„Historisch ging das Psychodrama aus der Grundlage des Spiels hervor […]. Aber eine neue Sicht des Spiels entstand, als wir in den Jahren vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges anfingen, in den Gärten und Straßen Wiens mit Kindern zu spielen: das Spiel als ein Prinzip der Selbst-Heilung und Gruppentherapie, als eine Form des ursprünglichen Erlebens;[…] Spiel als Phänomen sui generis, ein positiver Faktor verbunden mit Spontaneität und Kreativität. Das Spiel wurde von uns […] zu einem methodischen, systematischen Prinzip geformt.“[5]

Als theoretische Grundlage dieser Annahmen stützt sich Moreno auf den aristotelischen Begriff der Katharsis. Dieser Begriff stammt aus dem Griechischen und bezeichnet eine seelische Reinigung oder innere Befriedigung. Im Gegensatz zu Aristoteles, bei dem sich die kathartische Wirkung lediglich nur auf das Publikum bezog und sich auf fertige, schriftliche Sätze stützte, beruht die Katharsis beim Psychodrama auf der improvisierten Handlung im spontanen Spiel.

Nach Moreno ist der Mensch auf die Begegnung mit anderen Menschen ver- und angewiesen, um die Begegnung mit sich selbst, der Gruppe, der Gesellschaft und der Welt zu ermöglichen.

Wiederholt ein Mensch, freiwillig und spontan, eine Situation aus seiner Vergangenheit, oder macht etwas, das er zuvor versäumt hatte zu tun, kann ihm das eine Befreiung verschaffen.

Die Möglichkeit, Gefühle, die er damals unterdrücken musste, in einer Spielsituation darstellen zu können, kann ihm eine Katharsis verschaffen. „Jedes wahre zweite Mal ist eine Befreiung vom ersten“[6]

Die Behandlung „in der Gruppe, mit der Gruppe, durch die Gruppe“[7] war zu dieser Zeit eine Innovation auf dem Gebiet der Psychotherapie. Diese Art der Therapie führte weg von der zuvor häufig verwendeten isolierten Einzeltherapie. Anfang der 20iger Jahre hatte man für diesen Weg jedoch kaum Verständnis.

Im Jahre 1925 verlässt Moreno Europa und lässt sich in New York nieder. In Beacon eröffnet er eine psychiatrische Klinik. Dort widmet er sich intensiv, neben dem Psychodrama, den wissenschaftlichen Untersuchungen der zwischenmenschlichen Beziehungen. 1934 gelingt ihm eine endgültige Ausarbeitung der „Soziometrie“, die er als „Wissenschaft von den Messungen zwischen menschlichen Beziehungen“ bezeichnet.[8]

Er gründete 1936 das Moreno Sanitarium, das jahrelang Ausbildungs- und Behandlungszentrum für Psychodrama war. Es diente gleichzeitig als stationäres Behandlungszentrum, in dem oft stark gestörte Klienten mit Hilfe der Psychodrama - Methode behandelt werden. Bis zu seinem Tode im Jahre 1974 beschäftigte sich Moreno (zusammen mit seiner Frau Zerka) mit der Weiterentwicklung und Verbesserung des Psychodramas, das auf die verschiedensten Bereiche Einfluss nahm. „Heute findet sich Morenos Einfluss beim Rollenspiel, im Soziodrama, in der Familientherapie, in anderen `Körper-Geist-Therapien´ sowie in vielen der neueren Therapieansätzen, wie z.B. Encountergruppen und `Sensory Awareness´- Seminaren.“[9]

Trotz dieser frühen intensiven Beschäftigung mit Kindern entwickelte Moreno das Psychodrama als Therapiemethode lediglich für Erwachsene und nicht für Kinder.

In der Folgezeit wurden verschiedene Wege eingeschlagen, um die Psychodramatherapie auch auf Kinder anwenden zu können. In Amerika und Frankreich wurde versucht, das klassische Psychodrama nach Moreno durch kleine Veränderungen auf die Therapie mit Kindern zu übertragen. Es musste dabei auf die verschiedensten Besonderheiten der Kinder im Vergleich zu den Erwachsenen geachtet werden, welche wir jedoch an dieser Stelle nicht ausführen, sondern im Verlauf dieser Arbeit erläutern werden.

In Frankreich speziell wurden die übernommenen Techniken mit Hilfe psychoanalytischer Konzeptionen verändert und eine neue Theorie des Psychodramas entwickelt: Das analytischem Psychodrama. Es wurde dort von Dr. Fouquet und Mireille Monod , die den therapeutischen Sitzungen von Moreno beigewohnt hatten (1945-1946), auf die Arbeit mit Kindern bezogen und umgesetzt.[10]

Man praktizierte das Psychodrama zum ersten Mal im psycho-pädagogischen Zentrum der Akademie von Paris (1946/1947), um Kinder und Jugendliche, die hauptsächlich Schulprobleme hatten, bei der Readaptation zu unterstützen.[11]

3. Das Psychodrama mit Kindern

3.1 Definition und Ziele

Das Ziel dieser von Jacob Moreno, unter Bezugnahme auf die Rollentheorie begründeten Therapieform, ist die Freisetzung des kreativen Potenzials im Menschen durch spielerisches Darstellen von, für den Einzelnen, wichtigen Lebenssituationen.

Wenn es den Teilnehmern einer Psychodramasitzung gelingt, sich vollständig auf das Spiel einzulassen, können verdrängte Gefühle, unbewusste Erfahrungen oder Konflikte hervortreten, die dann wiedererlebt und verarbeitet werden. Das Nacherleben und das Spielen von belastenden Ereignissen hat nach Moreno eine heilende Wirkung. Bei dieser Wirkung spricht er dann von der Katharsis.

So soll der Klient über das Rollenspiel und die anschließende Reflexion aus bisher gelebten alten Rollen neue Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten entwickeln.

Moreno selbst hat das Psychodrama klar und deutlich definiert: „Psychodrama kann […] als diejenige Methode bezeichnet werden, welche die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründet. Die Katharsis, die sie hervorruft, ist eine `Handlungskatharsis´ “.[12]

Somit geht das Psychodrama durch Handlung über rein sprachliche Formen, wie beispielsweise die Psychoanalyse, hinaus.

Eine weitere umfassendere Definition lieferte Petzold:

„Das Psychodrama ist eine Methode, in der Situationen, Konflikte, Phantasien über die Verbalisation hinaus in die Handlung, in dramatisches Spiel, umgesetzt werden, um emotionales Erleben, rationale Einsicht und körperlich vollzogene Aktion zu Erfahrungen von vitaler Evidenz zu verdichten, durch die Änderung von Haltungen und Verhalten möglich wird.“[13]

Es handelt sich heute beim Psychodrama um eine integrative Methode, in der pädagogische, sozialpsychologische und tiefenpsychologische Ansätze vereint werden. Es findet in Therapie, Schule, Management und anderen sozialen Bereichen auf der ganzen Welt seine Anwendung.

3.2 Allgemeine Grundlagen

Das Psychodrama kann, wie bereits erwähnt, bei den meisten emotionalen Konflikten angewandt werden. Jedoch sollte diese Methode bei präpsychotischen, akut psychotischen Zuständen, bei psychosomatischen Erkrankungen im akuten Stadium, sowie bei einer Suizidgefährdung davon abgesehen werden.[14]

Prinzipiell kann das Psychodrama mit einem oder mehreren Kindern durchgeführt werden, wobei eine individuelle Therapie vor allem dann indiziert ist, wenn es einem weniger auf die therapeutische Wirkung der Gruppe ankommt, sondern verstärkt auf den Vorteil der dramatischen Ausdrucksform innerhalb einer der Einzelanalyse Erwachsener entsprechenden Therapie.

Grundsätzlich bringt eine Sitzung mit mehreren Kindern die Vorteile, dass die so genannten therapeutischen Effekte ` in´, `mit´ und ` durch die Gruppe´ erfahren werden können, die Kinder in den entsprechenden Gruppenverhalten beobachtet werden können, sowie eine Erleichterung des Rollenspiels, da das Kind sich nicht ganz alleine vor lauter Erwachsenen dieser Aufgabe ausgesetzt fühlt.[15] An einer Gruppe sollten allerdings maximal fünf Kinder teilnehmen, da sonst die Teilnahme jedes Einzelnen ungenügend und die Gruppe unbeweglich wird. Eine ideale Gruppengröße sind vier Kinder.

Des Weiteren sollte es sich um eine homogene Gruppe, vor allem hinsichtlich des Alters, handeln. Die unterste Altersgrenze kann man etwa bei zehn Jahren setzen, wobei eine konkrete Angabe diesbezüglich kaum zu finden ist.[16] Ein Altersunterschied bis maximal einem Jahr gilt beim Psychodrama als tragbar, da sonst die kulturellen und emotionalen Interessen zu weit auseinander gehen.

Ein weiteres Kriterium ist das Intelligenzalter. Es macht keinen Sinn, wenn die Gruppe zwar im biologisch realen Alter homogen ist, jedoch im Intellektuellen zu stark variiert. Des Weiteren wird in der Praxis oftmals die Gruppe nach den Geschlechtern getrennt, da gerade in der Pubertät die Hemmungen der Teilnehmer durch die Anwesenheit anderer Geschlechter vergrößert werden.

Dennoch sind ein gleiches Alter und das gleiche Geschlecht noch nicht für die Homogenität der Gruppe ausreichend.

[...]


[1] Stimmer 2000; S. 534.

[2] Anm. d. Verf.: das so genannte Handlungsaxiom nach Moreno

[3] vgl. dazu: Schützenberger – Ancelin 1979; S.18.

[4] vgl. dazu: Aichinger 1997; S. 10.

[5] Moreno 1973; S. 80 f.

[6] Moreno 1973; S.19.

[7] vgl. dazu: Widlöcher 1974; S.34 f.

[8] Moreno 1973; S. 19.

[9] Badaines 1990; S. 127.

[10] vgl. dazu: Anzieu 1984; S. 80.

[11] vgl. dazu: Anzieu 1984; S. 80.

[12] Moreno 1973; S. 77.

[13] www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/psp/10409.html

[14] vgl. dazu: Leutz 1980; S. 310.

[15] vgl. dazu: Widlöcher 1974; S.34 f.

[16] vgl. dazu: Widlöcher 1974; S. 35.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Grundlagen und Techniken des Psychodramas mit Kindern
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, früher: Berufsakademie Stuttgart
Note
1,6
Autor
Jahr
2005
Seiten
30
Katalognummer
V65066
ISBN (eBook)
9783638577236
ISBN (Buch)
9783640827282
Dateigröße
644 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundlagen, Techniken, Psychodramas, Kindern
Arbeit zitieren
Dipl.-Soz.päd. (BA) Sabrina Radtke (Autor:in), 2005, Grundlagen und Techniken des Psychodramas mit Kindern , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65066

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