Friedrich Maximilian Klinger verleiht mit seinem Drama "Sturm und Drang" der literarischen Bewegung ihren Namen, doch es wird ein Roman eines bis dahin noch relativ unbekannten Autors sein, der als das Werk des Sturm und Drang schlechthin in die Literaturgeschichte eingehen wird. Es ist Goethes "Werther", mit dem er seinen Ruhm begründet und mit dem er Wirkungen erzielen wird, die unwiederholbar bleiben werden.
Die Protagonisten dieser Liebesgeschichte, Werther und Lotte, sind seit der Veröffentlichung dieses Romans nicht mehr wegzudenken aus dem Kreis der großen Liebespaare der Weltliteratur und werden in einem Atemzug mit Romeo und Julia, Tristan und Isolde oder Julie und Saint Preux genannt. Goethes Jugendwerk, mit dem er zu Weltruhm gelangt und einen Erfolg feiern kann, den er in dieser Form nie wird wiederholen können, jedoch nur an der Intensität der Darstellung der Liebesproblematik zu messen, würde dem Werk nicht gerecht werden. Die Liebe ist nur als ein Mosaikstein des Bildes zu sehen, als ein hinzutretendes Moment, das zu Werthers Untergang führt. So zeigt sich im Verlauf des Romans nicht ein einzelnes Motiv als ursächlich verantwortlich für seinen Selbstmord, sondern ein komplexes Motivenbündel, das der Tat zugrunde liegt.
Warum also wird Werther von einer solch großen Todessehnsucht getrieben, die letztlich dazu führt, dass er keine Alternative zum Selbstmord sieht und scheitert? Diese Frage wird in der vorliegenden Arbeit eingehend untersucht. Dazu wird Werthers Charakterstruktur über seine Anschauungen zu verschiedenen Bereichen analysiert, wie zum Beispiel Werthers Haltung zur feudalabsolutistischen Gesellschaft, sein Verhältnis zur Natur als gegenzivilisatorische Kraft, seine Position zur Kunst sowie seine Gottesvorstellung.
Die ungeheure Wirkung des Erstlingsromans von Goethe empfiehlt es, eine Darstellung der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des Werther-Romans anzuschließen, die sich allerdings auf das zeitgenössische Publikum beschränkt. So beschäftigt sich der Exkurs mit der Frage, wie es ein fiktiver Text hat erreichen können, dass eine in viele Kleinstaaten zersplitterte Nation in der Frage pro oder kontra Werther insofern geeint schien, als man nur glühender Verehrer oder aber leidenschaftlicher Gegner des Werther sein konnte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Werther und die Gesellschaft
- 1.1 Werthers Herkunft, seine Kindheit und Jugend
- 1.2 Werthers Position in der Gesellschaft
- 1.3 Werthers Haltung zur Gesellschaft
- 1.3.1 Werthers Verhältnis zu Kindern
- 1.5 Die Parallelfiguren zu Werther
- 1.5.1 Die Bauernburschenepisode
- 1.4 Werthers Verhältnis zu Kindern
- 1.4.1 Der wahnsinnige Schreiber
- 1.4.2 Albert als Werthers Antagonist
- 1.5 Die Selbstmorddiskussion
- 1.6 Die Gesandtschaftsepisode
- 1.7 Der Eklat in der Adelsgesellschaft
- 2. Werther und die Natur
- 2.1 Die Naturauffassung des Sturm und Drang
- 2.2 Der Gegensatz Stadt/Land bzw. Kultur/Natur
- 2.2.1 Werther als Spaziergänger
- 2.2.2 Das Motiv der Nussbäume
- 2.3 Natur als positiver Verstärker
- 2.4 Die zerstörerische Natur
- 3. Werther und die Kunst
- 3.1 Erste Annäherung an Lotte mittels Literatur
- 3.1.1 Klopstock
- 3.1.2 Homer
- 3.1.3 Ossian
- 3.1.4 Lessing
- 3.2 Werther als Leser
- 3.2 Werther als Künstler
- 3.3 Die Kunstauffassung des Fürsten versus Werthers Kunstauffassung
- 3.1 Erste Annäherung an Lotte mittels Literatur
- 4. Die Liebe zu Lotte
- 4.1 Der euphorische Bericht an Wilhelm
- 4.1.1 Klopstock als Losung
- 4.1.2 Lotte als Lebensmittelpunkt
- 4.2 Werther als Kranker
- 4.2.1 Werthers Rede gegen die üble Laune
- 4.2.2 Die Herz-Kind-Metaphorik
- 4.3 Lottes Charakter
- 4.4 Das Märchen vom Magnetberg
- 4.5 Albert als Werthers Konkurrent
- 4.6 Erster Entwurf einer jenseitigen Liebe
- 4.7 Wilhelm als Vertreter des Vernunftsprinzips
- 4.8 Werthers Vorstellung von der Liebe
- 4.8.1 Flucht aus der Situation und Rückkehr zu Lotte
- 4.8.2 Die Erfüllung der Liebe durch Lottes Kontrollverlust
- 4.1 Der euphorische Bericht an Wilhelm
- 5. Werther und die Religion
- 5.1 Die Haltung des Sturm und Drang zur Religion
- 5.2 Werthers Pantheismus
- 5.2.1 Ossian als Symbol einer deutlichen Absage an den Pantheismus
- 5.3 Biblische Anklänge im Werther
- 5.3.1 Die Hinwendung zu einem persönlichen Vatergott
- 5.3.2 Werther und die Kinder
- 5.4 Die religiöse Stilisierung Lotte
- 6. Der Selbstmord
- 6.1 Frühe Thematisierungen des Selbstmordes
- 6.1.1 Das tote Mädchen als Beispiel für die Rechtfertigung des Selbstmordes
- 6.2 Werthers latente Todessehnsucht
- 6.3 Der fantasierte Mord an Albert oder an Lotte
- 6.4 Die Planung
- 6.4.1 Die Funktion des Abschiedsbriefes an Lotte
- 6.5 Die Tat
- 6.6 Die Symbolik des Sterbetages
- 6.1 Frühe Thematisierungen des Selbstmordes
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Ursachen für Werthers Selbstmord im gleichnamigen Roman von Johann Wolfgang von Goethe. Sie analysiert Werthers Charakter und seine Ansichten zu verschiedenen Themen, um die Motive für seine Selbstmordentscheidung zu verstehen.
- Werthers komplexe Beziehung zur Gesellschaft und seine schwierige Position innerhalb der feudalen Ordnung
- Die Bedeutung der Natur für Werther und die Frage, ob sie als Gegenpol zur Gesellschaft Trost bietet
- Die Rolle der Kunst in Werthers Leben und die Frage, ob sie ihm als Trost und Ausweg dient
- Die Liebe zu Lotte und deren Einfluss auf Werthers Gefühlswelt und Entscheidungen
- Werthers religiöse Ansichten und die Frage, ob er aus seinem Glauben Trost und Orientierung findet
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 beleuchtet Werthers Haltung zur Gesellschaft und seine Erfahrungen in der Kindheit und Jugend. Dabei wird deutlich, dass Werthers Empfindsamkeit und seine Liebe zur Natur im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Konventionen stehen.
Kapitel 2 untersucht Werthers tiefe Verbindung zur Natur. Die Natur wird für Werther zu einem Ort der Ruhe und der Inspiration, doch sie kann ihn auch mit ihrer zerstörerischen Kraft konfrontieren.
Kapitel 3 analysiert Werthers Verhältnis zur Kunst. Kunst ist für Werther ein wichtiger Ausdruck seiner emotionalen Welt, doch sie bietet ihm keinen dauerhaften Schutz vor den Herausforderungen des Lebens.
Kapitel 4 widmet sich Werthers Liebe zu Lotte. Die Liebe zu Lotte ist für Werther von Anfang an ein leidenschaftliches und kompliziertes Erlebnis, das ihn in seinen Extremen gefangen hält.
Kapitel 5 erörtert Werthers religiöse Ansichten. Werther ist von einem persönlichen Vatergott überzeugt, doch er findet in seinem Glauben keinen Trost und keine Orientierung, die ihm aus seiner verzweifelten Lage helfen könnten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Selbstmord, Empfindsamkeit, Natur, Kunst, Liebe, Religion und Gesellschaft im Kontext des Sturm und Drang. Weitere wichtige Begriffe sind Feudalismus, Bürgertum, Pantheismus, Klopstock, Ossian, und die Hauptfiguren Werther, Lotte und Albert. Die Arbeit analysiert Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werthers“ aus der Perspektive der literarischen Epoche des Sturm und Drang.
- Arbeit zitieren
- MA Annette Wallbruch (Autor:in), 2002, Die Motive des Selbstmords oder Werthers Todessehnsucht in Goethes "Werther", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65134