„Hier ist kein Berg, wo die Aussicht frei sei. Hügel hinter Hügel und breite Täler, eine hohle Mittelmäßigkeit in Allem; ich kann mich nicht an diese Natur gewöhnen, und die Stadt ist abscheulich.“ Als sich Georg Büchner im Jahre 1834 nach längerem Stillschweigen mit diesen Worten von Gießen aus an seine Verlobte Wilhelmine Jaeglé wendet, beginnt er damit einen Brief, dessen Interpretation die Forschung wie kaum ein anderer beschäftigen wird.
Schon die genaue zeitliche Einordnung des sogenannten „Fatalismusbriefs“ gestaltet sich schwierig, eine exakte Datumsbestimmung ist unmöglich, da Büchner selbst den Brief undatiert ließ. Sein Bruder Ludwig ordnet das Schriftstück nach dem Tod des Dichters in seinem Werk „Nachgelassene Schriften“ an erster Stelle der Reihe „Briefe an die Braut, aus Gießen, 1833 und 1834“ ein und die Herausgeber der späteren Sammelwerke folgen dieser Ordnung.2 Die daraus resultierende Datierung bewegt sich um den Zeitraum des Frühjahrs 1834, gilt aber lange Zeit als sehr unsicher. Erst Max Zobel von Zabeltitz stellt diese Einordnung aber als erster so in Frage, dass er den Brief am Ende seiner Nachforschungen im Jahre 1915 mit folgendem Argument umdatieren kann: „Büchner war 1833 erst seit Herbst in Gießen [...]. Brief 1 könnte noch am ehsten 1833 geschrieben sein, wenn die Erwähnung von Frühling und Veilchen sich vielleicht nicht wörtlich nehmen lassen kann [...]“.3 Ihm folgt sieben Jahre später Fritz Bergemann und Jan-Christoph Hauschild verschiebt das Datum nochmals um einige Monate in den Januar 1834. Den bis dahin geltenden inhaltlichen Widerspruch löst er folgendermaßen auf: „Halten wir fest: im Herbst und Winter 1833/34 schlug das Wetter Kapriolen. Der Satz ‚Bei uns ist Frühling, ich kann deinen Veilchenstrauß immer ersetzen‘ rückt den ‚Fatalismusbrief‘ also keineswegs ins Frühjahr 1834, genausogut könnte er Ende Oktober 1833 [...] im November oder Anfang Januar geschrieben sein.“4 Als endgültigen Entstehungszeitraum legt Hauschild in seinem Aufsatz die Tage „zwischen dem 10. und 20. Januar 1834“ fest.5
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Brief als Zeugnis persönlicher Resignation
- Der Brief als Voraussetzung politischer Aktion
- Der Begriff „Fatalismus“ und seine Bedeutung
- Der Fatalismus von Georg Büchner
- Büchners Arbeit am „,Hessischen Landboten“
- Der Einfluss des Fatalismusbriefes auf das Drama „Dantons Tod❝
- Das Studium der Geschichte: Büchners Vorarbeit zur Dramenkonzeption
- Der „Fatalismusbrief“ als direkte Quelle
- Der Fatalismus-Gedanke als charakterbildendes Element
- Schlussfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem „Fatalismusbrief“ von Georg Büchner und dessen Bedeutung für seine politische und literarische Entwicklung. Sie analysiert den Brief im Kontext von Büchners Biographie und seinen politischen Aktivitäten, insbesondere im Hinblick auf den „Hessischen Landboten“. Darüber hinaus untersucht die Arbeit den Einfluss des Briefes auf Büchners Drama „Dantons Tod“ und zeigt direkte Parallelen zwischen den beiden Werken auf.
- Der „Fatalismusbrief“ als Ausdruck persönlicher Resignation
- Die Interpretation des Begriffs „Fatalismus“ bei Georg Büchner
- Die Verbindung zwischen Fatalismus und politischer Aktion
- Der Einfluss des Fatalismusbriefes auf Büchners Dramenkonzeption
- Die Analyse der Charaktergestaltung im Drama „Dantons Tod“ im Kontext des Fatalismusgedankens
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des „Fatalismusbriefs“ ein und beleuchtet die Schwierigkeiten der zeitlichen Einordnung des Briefes. Sie beschreibt Büchners persönliche Lebensumstände zur Zeit der Entstehung des Briefes und erläutert die Bedeutung der Briefpassage, die den Fokus dieser Arbeit bildet. Kapitel 2 widmet sich der Interpretation des Briefes als Zeugnis persönlicher Resignation und beleuchtet die Argumente, die diese Sichtweise stützen. Kapitel 3 analysiert den Brief als Voraussetzung politischer Aktion und setzt sich kritisch mit unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs „Fatalismus“ auseinander. Es wird untersucht, wie Büchners Verständnis von Fatalismus seine politische Arbeit beeinflusst hat. Kapitel 4 analysiert den Einfluss des „Fatalismusbriefs“ auf Büchners Drama „Dantons Tod“ und zeigt die direkten Parallelen zwischen der Briefpassage und der Dramenkonzeption auf. Die Schlussfolgerungen fassen die Ergebnisse der Arbeit zusammen und diskutieren die Bedeutung des „Fatalismusbriefs“ für das Verständnis von Büchners politischem und literarischem Werk.
Schlüsselwörter
Fatalismus, Georg Büchner, „Fatalismusbrief“, „Hessischer Landboten“, politische Aktion, Resignation, „Dantons Tod“, Dramenkonzeption, Geschichte der Revolution, Frankreich, Deutschland, Charaktergestaltung, Literaturanalyse, Interpretation.
- Arbeit zitieren
- Jasmin Braun (Autor:in), 2005, Georg Büchners Fatalismusbrief - Zeugnis persönlicher Resignation oder Voraussetzung politischer Aktion?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65360