Zentrale Fehlhörigkeit und LRS


Seminararbeit, 2002

21 Seiten, Note: LN


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und Symptomatik
2.1 von LRS
2.2 von zentraler Fehlhörigkeit
2.2.1 Teilfunktionen der zentralen Hörverarbeitung

3. Anatomie und Funktionen der Hörbahn nach Matzker, Keidel und Galambos

4. Diagnose/Testverfahren/Therapie
4.1 Diagnose auditiver Störungen bei Sprachauffälligkeiten...
4.2 Dichotischer Lateralisations-Test von Ernst Neukomm
4.3 Grundzüge eines mehrdimensional methoden- integrierten Konzepts zur (Früh-)Diagnostik und Förderung
4.4 Therapieverfahren bei die zentrale Fehlhörigkeit mit Auswirkung auf die Lese- Rechtschreib- schwäche
4.5 Teilfunktionsorientiertes Therapiekonzept zur auditiv- zentralen Verarbeitungsstörung nach Lauer

5. Untersuchungen zur
5.1 Fehlhörigkeit und Sprachentwicklungsstörungen
5.2 Fehlhörigkeit und Lese- Rechtschreibschwäche

6. Fallbeispiel

7. Schlussbemerkung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Von Beginn unseres Daseins umgeben uns Geräusche und Klänge. Unsere auditive Wahrnehmungsfähigkeit erweitert und differenziert sich immer mehr. Geräusche nehmen wir unbewußt oder bewußt wahr, wir filtern, strukturieren oder blenden aus, wie es die persönliche Situation erfordert.

Die Sprache gehört zu den spezifisch menschlichsten auditiven Reizen. In unserer Gesellschaft war der Spracherwerb kulturell nie zuvor so wichtig wie heute. (Olbrich, 25)

Seh- und Hörfähigkeit, Sprachverständnis, kognitive Bedingungen wie das Wahrnehmen und Verarbeiten von Reizen, motorische Koordinationsfähigkeit für den Schreibvorgang, Konzentrationsfähigkeit usw. sind Grundbedingungen für den Erwerb des Lese- Rechtschreib-Prozesses. (Ramacher-Faasen, 11)

Mit den im Hörbereich angesiedelten Ursachen eines verzögerten Aufbaues von Laut- und Schriftsprache befaßt sich die internationale Dysphasie- und Dyslexie-Forschung schon seit geraumer Zeit. Seit Juni 1993 liegt der Berichtsband eines Symposiums an der New York Acadamy of Science vom 12.- 15.09.1992 vor. Darin wird nachgewiesen, daß die zeitliche Verarbeitung von Sinnesreizen, und zwar vor allem in der zentralen Hörverarbeitung, eine wesentliche Ursache eines verzögerten Aufbaues von Laut- und Schriftsprache ist.

2. Definition und Symptomatik

2.1 von LRS

Die Lese-Rechtschreib-Schwäche ist ein Verarbeitungsproblem beim Schreiben und/oder Lesen bei mindestens durchschnittlicher Intelligenz und trotz ausreichenden Unterrichts.

Sie ist eine angeborene oder im Verlauf von Schwangerschaft oder Geburt erworbene, von der Norm abweichende Verarbeitung sprachlicher Leistungen.

Das Gehirn besteht aus zwei Hemisphären (Großhirnhälften), die über den Balken miteinander verbunden sind. In jeder Hälfte liegen im Prinzip andere Funktionen, die aber mit anderen Bereichen vernetzt sind. Die Vernetzung wird in den ersten Lebensjahren angelegt, später werden nur noch bestimmte Verbindungen durch häufigen Gebrauch gängiger. Bewegungen, gleich welcher Art, bahnen demnach keine "Leitungen", sondern unterstützen - wie jede Form der Bewegung - die Voraussetzungen für das Denken.

Die Kurzzeitspeicher funktionieren deutlich sicherer als die Langzeitspeicher. Daraus kann man wieder schließen, dass die Speicher auf die Dauer immer schwerer verfügbar sind, die Verbindung zwischen den Bereichen also nicht eindeutig verläuft. Je bewusster die Speicherung verlaufen ist, desto höher ist der korrekte Abruf bei Bedarf. Diese Speicher sind jedoch relativ schlecht belastbar, so dass unter Stress immer mehr Fehler gemacht werden.

Allerdings ist es so, dass die "schweren" Wörter leichter abgerufen werden können als die "leichten". Das liegt einfach an der einerseits bewussten und andererseits noch relativ neuen Speicherung. Diese Wörter können nach einiger Zeit auch nicht mehr korrekt abgerufen werden.

Wörter, die eigentlich klar sein müssten, wie z.B. "wahr" statt "war" zeigen dann, wie sehr die Speicher am Rande ihrer Möglichkeiten arbeiten. Auch Satzzeichen werden dann häufig vergessen. Man weiß inzwischen, dass manche Legastheniker unter Winkelfehlsichtigkeit leiden. Das bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, dass die zwei Abbildungen, die von beiden Augen weitergeleitet werden, nicht zur Deckung gebracht werden. Im günstigen Fall wird das schlechtere Bild einfach unterdrückt, im schlechteren Fall erscheinen Doppelbilder, die den Leseprozess natürlich erheblich stören.

Ein weiteres mögliches Problem ist die Unausgewogenheit der Verweilzeiten des Auges auf einer Buchstabengruppe und den raschen Blickspüngen zur nächsten. Dadurch, dass diese Techniken zeitlich nicht angepasst verlaufen, kommt es zu Nachbildern der ersten Gruppe. Die Wahrnehmung ist unscharf und verschwommen. Im Bereich der akustischen Probleme ist besonders die mangelnde Wahrnehmung-Trennschärfe einiger Legastheniker zu nennen, die die Laute p-t-k-b-d-g nicht gut differenzieren können.

Die Aufmerksamkeitsdauer bei der Verarbeitung sprachlicher Informationen ist deutlich verkürzt, so dass die Legasthenie zunächst oft als Konzentrationsschwäche diagnostiziert wird. Unruhe und Ablenkung sind demnach nicht die Ursache der mangelnden Leistungsfähigkeit, sondern die Folgen der unzuverlässigen Verbindung mit den zuständigen Gehirnbereichen. Die "Akkus" müssen bei Anforderungen an die Sprachverarbeitung relativ mehr leisten, so dass sie schneller erschöpft sind. "Aufgeladen" werden können diese Akkus durch Bewegung.

Stress verursacht bei jedem Bewegungen, besonders der Hände und der Füße, damit wir uns sicherer fühlen. So klickern wir an der Kappe eines Kugelschreibers oder stecken die Hände fest in die Taschen. Das Gleiche, nur weniger konventionell überformt, machen Kinder, wenn sie nach einem langen Schultag Hausaufgaben machen sollen. Sie spielen mit Stiften, rutschen auf dem Stuhl hin und her und laden sich durch Streitgespräche auf, die emotional aufputschen.

Je mehr zusätzliche Leistung die Speicher im Gehirn erbringen müssen, desto kürzer ist die Aufmerksamkeitsspanne.

Bei Legasthenikern, deren sprachliche Speicher deutlich unterdurchschnittlich funktionieren, sind die Aufladungsversuche sehr auffällig. Da die Legastheniker nicht die üblichen sicheren Bahnen zur Verfügung haben, sind sie auf anderes Lernen angewiesen. Die einzelnen Elemente des Wortschatzes müssen durch unterschiedliche, besonders visuelle Aufbereitungen optisch verankert werden. Diese Verankerung erfolgt "normalerweise" flüssig, so dass wir bemerken, wenn ein Wort "seltsam" aussieht. Dann schalten wir die Korrekturmechanismen dazu. Für Legastheniker müssen die Wortbilder durch unterschiedliche Übungen trainiert werden.

2.2 von Zentraler Fehlhörigkeit

Kann ein Mensch Töne, Klänge und Laute wahrnehmen, sie aber nicht in sinnvolle Informationen umsetzen, dann ist die zentrale Hörverarbeitung nicht intakt, es liegt eine Fehlhörigkeit vor.

Esser (et al.) definiert „zentrale Fehlhörigkeit“ als eine Hörverarbeitungsstörung bei intaktem peripheren Hörvermögen und nennt sie als eine Verursachung für Sprachentwicklungsstörungen.

Der Hörvorgang jedes Menschen gliedert sich in zwei gut unterscheidbare Abschnitte.

Das „periphere Hören“ ist die Fähigkeit, Töne, Klänge und Geräusche überhaupt wahrzunehmen. Die vom peripheren Hören gelieferten Signale werden jedoch erst in der „zentralen Hörverarbeitung“ unseres Gehirns in sinnvolle Informationen umgesetzt.

Die direkten und indirekten Anzeichen von zentraler Fehlhörigkeit sind verlangsamte zeitliche Verarbeitung, Ablenkbarkeit durch Geräusche, eine verwaschene Artikulation, Links- Rechts- Unsicherheit, erhöhte Mutter- Kind- Sprechlautstärke, Gleichgewichtsprobleme, Konzentrationsschwäche, Hyperaktivität, Außenseiterverhalten, niedriger Muskeltonus, homolateraler Gang, herbgesetzte phonetische Merkfähigkeit, auditiv- motorische Probleme, geringe auditive Ordnungsfähigkeit, Tonhöhenunterscheidung, verlangsamte Ordnungsschwelle und Probleme bei der phonetischen Diskrimination (Wahrnehmungs-Trennschärfe).

Die Wahrnehmungs- Trennschärfe ist die Fähigkeit, ähnlich klingende Laute (Konsonanten und Verschlußlaute, b-d / g-k / p-t / d-g / b-w) zu differenzieren. (www.logopädie-steinauer.de) Ein Kind mit einer zentraler Fehlhörigkeit nimmt einige Laute nicht differenziert genug wahr. Es braucht mehr Zeit zum Erkennen. Dadurch kommt es zur Verzerrung des akustischen Wahrnehmungseindruckes. Ein Kind mit dieser auditiven Differenzierungsschwäche hat auch Schwierigkeiten den Sinn ähnlich klingender Wörter zu unterscheiden, manchmal sogar dem Klang eines Wortes einen bestimmten Sinn zuzuordnen. Es braucht dazu mehr Zeit als andere. Dadurch ist es langsamer im Verstehen und muss häufiger nachfragen.

Auch die Figur- Grund- Wahrnehmung kann betroffen sein. Dabei können Lautgestalten nicht genügend differenziert von einem allgemeinen Geräuschhintergrund wahrgenommen werden. Das zentral fehlhörige Kind empfindet Nebengeräusche als viel lauter und störender als normalhörende Kinder, obwohl der messbare Lärmpegel bei beiden Gruppen gleich ist. Dies hat zur Folge, dass sich das Kind nicht lange konzentrieren kann und schnell ermüdet.(Ramacher-Faasen, 41)

Weiter kann der Betroffene auch Probleme bei der Unterscheidung zwischen langen und kurzen Selbstlauten aufweisen.

2.2.1 Teilfunktionen der zentralen Hörverarbeitung

Die folgenden fünf Teilfunktionen können Auskunft über eine zentrale Fehlhörigkeit als mögliche Teilursache von Sprachauffälligkeiten geben.

a) Auditives Ortungsvermögen

Dies ist die Fähigkeit Richtungsunterschiede einer Schallquelle wahrzunehmen. Dadurch ist der Mensch in der Lage aus einem Störlärm eine gewünschte Schallquelle herauszuhören und zu verstehen. Dies wird als Partyeffekt bezeichnet und beschreibt die auditive Figur- Grund- Wahrnehmung. Mit Hilfe eines Rauschgenerators, der ein weißes Rauschen erzeugt und jeweils kurz aus verschiedenen Richtungen eingeschaltet wird, können Probleme des auditiven Ortungsvermögens festgestellt werden. Das zu testende Kind zeigt dabei mit geschlossenen Augen in die Richtung, aus der es das Rauschen wahrgenommen hat.

b) Tonhöhen-Unterscheidungsvermögen

Guthörende Menschen können angeben, ob der letzte von zwei aufeinanderfolgenden Tönen der höhere bzw. der tiefere war. Kinder mit einer zentralen Fehlhörigkeit können dagegen sehr selten einen Halbtonschritt, häufig sogar nicht einmal einen Ganztonschritt und manchmal sogar nicht einmal eine kleine Terz in dieser Weise voneinander unterscheiden. Das läßt sich feststellen mit einem Spielzeug- Keyboard, einem Glockenspiel oder einem Viertongeber.

c) Laut-Unterscheidungsvermögen = Wahrnehmungs-Trennschärfe

Dies ist die Fähigkeit, ähnlich klingende Laute voneinander zu unterscheiden. Herkömmlich wird sie häufig mit sogenannten Minimalpaaren, wie „Tanne-Kanne“ oder „Nagel-Nadel“, überprüft. Ausagekräftiger ist jedoch ein Wahrnehmungs-Trennschärfe-Test mit sinnfreien Wörtern, wie zum Beispiel „ETI-EKI-EPI-EGI-...“ (Warnke-Test), weil er einen Rückgriff auf den lexikalische Wortschatz des Kindes ausschließt und in der typischen Akustik eines Klassenraumes in Kunstkopfstereophonie aufgenommen wurde.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Zentrale Fehlhörigkeit und LRS
Hochschule
Universität Rostock  (ISER)
Veranstaltung
Seminar: Zur Entwicklung und Beeinträchtigung des Schriftspracherwerbs und Möglichkeiten der Förderung
Note
LN
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V6539
ISBN (eBook)
9783638140829
Dateigröße
482 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zentrale, Fehlhörigkeit, Seminar, Entwicklung, Beeinträchtigung, Schriftspracherwerbs, Möglichkeiten, Förderung
Arbeit zitieren
Claudia Becker (Autor:in), 2002, Zentrale Fehlhörigkeit und LRS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6539

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