Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Theorie der SchweigespiraleS
2.1 Kernpunkte der Theorie
2.1.1 Erläuterung des Spiralprozesses
2.1.2 Belege für die Isolationsfurcht- Hypothese: Das Asch Experiment
2.2 Methodik der Forschung
2.2.1 Empirische Forschung: Der Eisenbahntest
2.3 Öffentliche Meinung
3. Kritische Standpunkte zur Theorie
3.1 Inhaltliche und methodische Kritik
3.2 Kritikpunkte nach Donsbach
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Theorie der Schweigespirale hat Ihren empirischen Ursprung in den anfangs nicht erklärlichen Umfrageergebnissen im Vorfeld der Bundestagswahl des Jahres 1965. Hier handelt es sich um ein Konzept von öffentlicher Meinung, dass man am besten als Makrotheorie bezeichnen kann. Die breite Fächerung des Themas in verschiedene Bereiche der Wissenschaft bringt eine große Fülle an Literatur mit sich, die gleichzeitig Chance und Problematik bei der Auswahl von Lektüre bedeutet. Eine weitere Schwierigkeit stellt die Tatsache dar, dass die Theorie sich innerhalb der letzten 20 Jahre ständig weiterentwickelt hat und somit ein Überblick über die Thematik erschwert wird. Was jedoch bei der Literaturrecherche am schnellsten ins Auge fällt ist der große Anteil von kritischer Literatur zum Thema.
Deshalb soll es Ziel der folgenden Arbeit sein, zu Beginn die Grundzüge der Theorie darzustellen, um sie danach kritisch beleuchten zu können. Die Grundzüge der Theorie beinhaltet methodische, wie inhaltliche Aspekte; und ebenso wird auch in der Kritik zwischen Methodik und Inhalt unterschieden werden.
Um den Rahmen des Textes in Grenzen zu halten, wird Elisabeth Noelle-Neumanns geschichtsphilosophische Forschung nur am Rande erwähnt werden, obwohl sie einen relativ hohen Standpunkt im Bereich ihrer Forschung hat. Ebenfalls wird der Begriff der Öffentlichkeit und die Rolle der Massenmedien nur in Grundzügen erläutert werden.
Obgleich bekannt ist, dass die Rezeption des Themas beispielweise in den USA anders als in Deutschland zu sehen ist, beschränkt sich der Inhalt, der in dieser Arbeit verwendeten Diskussion, auf nationale Literatur.
2. Die Theorie der Schweigespirale
2.1 Kernpunkte der Theorie
Im folgenden Abschnitt sollen die Grundzüge der Theorie der Schweigespirale erläutert werden, wie sie Elisabeth Noelle-Neumann in ihrem Werk „Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung- unsere soziale Haut (1989)“ darlegt.
2.1.1 Erläuterung des Spiralprozesses
Noelle Neumanns Theorie beschreibt einen Spiralprozess. Unter der Voraussetzung, dass ein öffentliches und aktuelles Thema moralische Aspekte hat, geht die Kommunikationsbereitschaft des Einzelnen zurück, wenn er eine von der vermuteten Mehrheit differierende Meinung hat. Der Mensch fürchtet sich, durch seine Meinungsäußerung, zu isolieren. Hingegen sind diejenigen, die glauben auf der Seite der Mehrheitsmeinung zu sein, eher dazu bereit, ihre Meinung öffentlich preiszugeben. Die Spiralwirkung vertieft sich nach Noelle-Neumann dadurch, dass die (tatsächlichen oder scheinbaren) Meinungsführer stärker wirken als sie wirklich sind und solche, die sich nicht an öffentlicher Diskussion beteiligen schwächer zu sein scheinen als sie faktisch sind.[1] Dabei muss angemerkt werden, dass Noelle-Neumann unter „Reden“ jegliche Form des kommunikativen Ausdrucks im weitesten Sinne versteht.[2]
Aus der Isolationsfurcht entwickelt sich beim Individuum ein dauerndes Streben nach Meinungskonformität. Jede Person nimmt die öffentliche Meinung direkt durch andere oder durch die Medien wahr.[3] Diese Fähigkeit, die Zu- und Abnahme von Meinungsverteilungen in der Gesellschaft zu registrieren nennt Noelle-Neumann quasi-statistischen Sinn.[4] Es kann jedoch zu einer Fehleinschätzung der sozialen Umwelt kommen. Diesen Gesichtspunkt bezeichnet Noelle-Neumann als pluralistische Ignoranz.[5] Diese Verzerrung der Meinungswahrnehmung wird auch als doppeltes Meinungsklima bezeichnet.
Laut Noelle-Neumann, ist die Theorie der Schweigespirale nicht identisch mit dem sogenannten „Bandwagon Effect“ oder „Mitläufereffekt“. Folgt man der Autorin, ist der Unterschied der beiden Theorien darin zu sehen, dass beim „Bandwagon Effekt“ eine Belohung, nämlich die, auf der Seite des Siegers zu stehen, winkt. Die Schweigespirale hingegen wird durch Furcht vor der Isolation in Gang gesetzt.[6] Wie Noelle-Neumann beschreibt endet die Schweigespirale nur dann, wenn ein öffentliches Thema sich erledigt hat oder bei ungelösten Diskursen ein Tabu verhängt wird.[7] In den USA wurde in diesem Zusammenhang der Begriff „political correctness“ geprägt.
Im Ganzen stellt die Schweigespirale eine Makrotheorie mit zusammenhängenden Variablen aus der Psychologie, der Soziologie und der Kommunikationstheorie dar.[8]
2.1.2 Belege für die Isolationsfurcht- Hypothese: Das Asch Experiment
Im Kontext von psychologischen Hypothesen besitzt die Isolationsfurcht eine besondere Bedeutung. Sie war Gegenstand zahlreicher Untersuchungen und ist insbesondere in der Konformitätsforschung zu finden. Noelle-Neumann stützt ihre Theorie im wesentlichen auf Laborexperimente, die der Gestalt- und Sozialpsychologe Solomon Asch Anfang der fünfziger Jahre in den USA über 50mal durchführte. Im Verlauf des sogenannten Strichexperiments wird Versuchpersonen eine Musterlinie und drei weitere, unterschiedlich lange Vergleichslinien vorgelegt. Die Aufgabe der Versuchpersonen besteht darin, abzuschätzen, welche der drei Vergleichslinien der Länge der Musterlinie entspricht.[9] Jeweils acht bis neun Personen nehmen an zwölf Durchgängen des Experimentes teil.
Nachdem in den ersten zwei Durchgängen von allen Teilnehmern die korrekte Linie benannt wurde, änderte der Versuchsleiter die Experimentsituation. In die Gruppe der getesteten Personen wurden außer einer Testperson, die am Ende der Reihe saß, Eingeweihte eingesetzt, die gezielt falsche aber konforme Aussagen über die Länge der Linien machten. Sinn dieser Experimentänderung war, das Verhalten der ahnungslosen Person unter Konformitätsdruck zu testen.[10] Das Experiment ergab, dass sich 60 Prozent der beeinflussten Versuchspersonen der offensichtlich falschen Majoritätsmeinung anschlossen.[11] Noelle-Neumann interpretiert dieses Ergebnis als eindeutiges Indiz für die Isolationsfurcht des Menschen und sieht darin den Grund für den Prozess der Schweigespirale.[12] Selbst bei relativ unpersönlichen, objektiv einfachen Fragen, die keine öffentliche Meinungsäußerung erfordern, neigen laut Noelle-Neumann Menschen dazu, sich der Mehrheitsmeinung anzuschließen.[13]
[...]
[1] Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann: Öffentliche Meinung- Die Entdeckung der Schweigespirale (2. Aufl.). Frankfurt/M. 1989, S.264.
[2] Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann: Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung- unsere soziale Haut. (6. erweiterte Neuauflage). München. 2001, S.42 f.
[3] Vgl. Merten, K./Schmidt, S.J./Weischenberg, S. (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Opladen. 1994, S.320 f.
[4] Vgl. Schmidt, Siegrfried J./ Zurstiege, Guido: Orientierung Kommunikationswissenschaft. Was sie kann, was sie will. Reinbeck. 2000, S.100.
[5] Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann: 1989, S.316 f.
[6] Vgl. Noelle-Neumann: Öffentliche Meinung. In: E. Noelle-Neumann, W. Schulz, J. Wilke. (Hrsg.). Fischer Lexikon Publizistik/Massenkommunikation. Frankfurt/M. 2001, S.404.
[7] Vgl. ebd., S.404.
[8] Vgl. Donsbach W. : Die Theorie der Schweigespirale. In: M. Schenk (Hrsg.). Medienwirkungsforschung 1. Aufl. Tübingen. 1987, S. 324.
[9] Vgl. Elisabeth Noelle-Neumann: 1989, S.59.
[10] Vgl. ebd., S.59 f.
[11] Vgl. ebd., S.60.
[12] Vgl. ebd., S.63.
[13] Vgl. ebd., S.60-61.