Die rasante wirtschaftliche Entwicklung und die prosperierenden Küstenregionen der Volksrepublik China prägen das moderne Bild dieses Landes, das bei einer anhaltenden Entwicklung in den kommenden Jahren durchaus zu einer der führenden Wirtschaftsmächte der Welt aufsteigen könnte. Die besondere Kombination aus zentralstaatlicher politischer Autorität, wirtschaftspolitischer Dezentralisierung und interregionalem Wettbewerb ist eine Grundbedingung der wirtschaftlichen Entwicklung in Chinas Küstenprovinzen. 1 Die von Deng Xiaoping im Jahr 1978 eingeführten wirtschaftspolitischen Reformen, die nach seiner „Reise in den Süden“ des Landes im Jahr 1992 noch verstärkt wurden, verfolgen das Ziel einer „sozialistischen Marktwirtschaft“, die sich vor allem durch die Trennung der Wirtschaftspolitik zwischen der Zentral- und den Lokalregierungen auszeichnet. Die besondere wirtschaftpolitische Dezentralisierung Chinas lässt sich mit dem Modell des „Marktföderalismus“ erfassen. 3 Im Gegensatz zum formellen Verfassungsföderalismus beruht der Marktföderalismus auf einer besonderen Verteilung wirtschafts- und finanzpolitischer Kompetenzen, die durch informelle politische Spielregeln ohne institutionelle Absicherung bestimmt sind. Die nationale Zentralregierung beschränkt sich im Wesentlichen auf eine geld-und ordnungspolitische Steuerung, unterbindet regionale protektionistische Tendenzen, greift jedoch nicht in die dezentrale Wirtschaftsregelung ein. Eine solche Kompetenzverteilung setzt starke Anreize für interregionalen Wettbewerb um unternehmerische Investitionen und Innovationen und für regionale Regierungen die Konkurrenzfähigkeit, die Produktivität und Gewinne der örtlichen Unternehmen zu steigern. 4 Die vorliegende Hausarbeit untersucht daher, welche Charakteristika zur Herausbildung eines Marktföderalismus gegeben sein müssen und ob diese im chinesischen Wirtschaftsmodell wiederzufinden sind. Dazu soll zunächst im ersten Kapitel ein Überblick über die Konzeption des Marktföderalismus gegeben werden. Danach soll in den folgenden Kapiteln untersucht werden, inwieweit die einzelnen Charakteristika in China vorhanden bzw. ausgeprägt sind. Das letzte Kapitel bietet eine Zusammenfassung der gewonnen Ergebnisse und schließt mit einer Bewertung der Zukunftsaussichten für einen Marktföderalismus in China. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Charakteristika des Marktföderalismus
- 2. Marktföderalismus in China
- 2.1 Hierarchie und Selbstverantwortlichkeit
- 2.2 Verantwortlichkeit subnationaler Ebenen für die Wirtschaftsabläufe
- 2.3 Sicherstellung des gemeinsamen Marktes und des grenzüberschreitenden Handels durch die Zentralregierung
- 2.4 Haushaltsdisziplin
- 2.5 Unbefristete und festgeschriebene Kompetenzverteilung
- 3. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht, welche Charakteristika zur Herausbildung eines Marktföderalismus notwendig sind und ob diese im chinesischen Wirtschaftsmodell wiederzufinden sind.
- Charakterisierung des Marktföderalismus
- Analyse der wirtschaftspolitischen Dezentralisierung in China
- Beurteilung der Übereinstimmung zwischen den Charakteristika des Marktföderalismus und der Praxis in China
- Bewertung der Zukunftsaussichten für einen Marktföderalismus in China
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung bietet eine Einführung in die Thematik, beschreibt den Hintergrund der chinesischen Wirtschaftsreformen und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Existenz eines Marktföderalismus in China. Das erste Kapitel definiert die zentralen Charakteristika des Marktföderalismus. Die folgenden Kapitel untersuchen, inwieweit diese Charakteristika in der chinesischen Wirtschaftspolitik wiederzufinden sind, und analysieren die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.
Schlüsselwörter
Marktföderalismus, China, Wirtschaftsreformen, Dezentralisierung, politische Autorität, Wirtschaftswachstum, Interregionaler Wettbewerb, Wettbewerb um Investitionen.
- Quote paper
- Bernd Reismann (Author), 2006, China auf dem Weg zum Marktföderalismus?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65540