Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der 1924 erschienen Monolognovelle Fräulein Else von Arthur Schnitzler. Ausgehend von der Entstehungsgeschichte der Hysterie und dem Hysteriebegriff bei Freud sowie dem Aufzeigen des gesellschaftlich-sozialen Nutzen des frauenspezifischen Krankheitsbildes par excellence im 19. Jahrhundert, soll untersucht werden, wie die hysterische Erkrankung in Schnitzlers Fräulein Else konstruiert und dargestellt wird und welche Funktion dem zugesprochen werden kann.
Auf der Suche nach Beispielen von hysterischen Erkrankungen in der Literatur der Jahrhundertwende überraschte mich die Entdeckung, dass es anscheinend keine eindeutige Darstellung einer so zu bezeichnenden Hysterie mit ausführlich beschriebenen motorischen Störungen, wie Lähmungen, zu finden ist. Die hysterisch anmutenden Symptombilder sind in der literarischen Darstellung primär auf innerpsychische Vorgänge beschränkt. So auch die der Fräulein Else. Für die Darstellung dieser Erzählung nutzte Schnitzler die konsequent durchgehaltene Figurenperspektive des inneren Monologs1. Die psychische Verfassung der Protagonistin wird von äußeren Ereignissen beeinflusst, aber vor allem durch ihre Assoziationen vermittelt. Diese speisen sich aus äußerlich vermittelten und aus innerpsychischen Elementen, wie ihren Erinnerungen, Wünschen und Sehnsüchten. Diese gewählte Erzählhaltung sowie die Wichtigkeit von Träumen bzw. Phantasien rückt Schnitzlers Text in eine enge Beziehung zur Psychoanalyse Freuds. Die gesellschaftliche Dimension der Erzählung ist bezeichnend. Es handelt sich hierbei um das Milieu des Wiener Großbürgertums, in dem Scheinwelt und Realität auseinanderklaffen. Obwohl alle von der brüchigen Fassade wissen, die Wiener bürgerliche Gesellschaft der Jahrhundertwende sich also wohl des baldigen Zerfalls der Gesellschaftsordnung bewusst war, wird der äußere Schein und somit auch die normierten Rollenvorstellungen aufrechterhalten. Die ‚realen Hysterikerinnen’2 der Jahrhundertwende, so auch Fräulein Else, haben sich, so wie ich es verstehe, vorwiegend inszeniert, um dieser gesellschaftlich-normierten Rolle zu entgehen. Die Flucht in die Ohnmacht der Krankheit kann also als ein demonstrativer Rückzug aus der Realität interpretiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitende Bemerkungen
- Der Begriff der Hysterie
- Die Entstehung des Hysteriebegriffs
- Der Hysteriebegriff im 19. Jahrhundert
- Die Darstellung der Hysterie in Schnitzlers Fräulein Else
- Wichtige Aspekte der Erzählung Fräulein Else
- Der hysterische Anfall von Schnitzlers Fräulein Else
- Abschließende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Konstruktion und Darstellung hysterischer Erkrankung in Arthur Schnitzlers Monolognovelle „Fräulein Else“ (1924). Sie beleuchtet die Entstehungsgeschichte des Hysteriebegriffs, seine Bedeutung im 19. Jahrhundert und den gesellschaftlichen Nutzen dieses frauenspezifischen Krankheitsbildes. Im Zentrum steht die Analyse, wie Schnitzler Hysterie in seiner Erzählung konstruiert und welche Funktion dieser Konstruktion zukommt.
- Die historische Entwicklung des Hysteriebegriffs
- Der gesellschaftliche Kontext der Hysterie im 19. Jahrhundert
- Die Darstellung von Hysterie in Schnitzlers „Fräulein Else“
- Die Funktion der hysterischen Erkrankung in der Erzählung
- Der innere Monolog als erzählerisches Mittel
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitende Bemerkungen: Die Arbeit analysiert Arthur Schnitzlers „Fräulein Else“ (1924) im Kontext der Hysterie. Sie stellt die Forschungsfrage nach der Konstruktion und Funktion der hysterischen Erkrankung in der Erzählung und betrachtet diese im Lichte der Entstehungsgeschichte des Hysteriebegriffs und seiner gesellschaftlichen Bedeutung im 19. Jahrhundert. Der Fokus liegt auf der Analyse des inneren Monologs als erzählerisches Mittel und der Beziehung zwischen innerpsychischen Vorgängen und gesellschaftlichem Kontext.
Der Begriff der Hysterie: Dieses Kapitel unterteilt sich in zwei Abschnitte. Der erste Teil beleuchtet die historische Entwicklung des Hysteriebegriffs von der Antike bis zur Aufklärung. Hierbei wird die anfängliche Fokussierung auf körperliche Symptome (insbesondere im weiblichen Genitalbereich) und die spätere Verlagerung hin zu psychischen Aspekten dargestellt. Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Bedeutung der Hysterie als „Frauenkrankheit par excellence“ im 19. Jahrhundert. Er analysiert die Rolle der Hysterie in der entstehenden Psychiatrie und Psychoanalyse, die medizinischen Eingriffe und die zunehmend pathologisierende Sicht auf weibliche Emotionalität. Die Arbeiten Freuds und Breuers werden als ein Wendepunkt in der Auffassung der Hysterie diskutiert, der zu einer Verlagerung der Krankheitsursache von den Geschlechtsorganen in die Psyche führte.
Die Darstellung der Hysterie in Schnitzlers Fräulein Else: Dieser Abschnitt untersucht die Darstellung von Hysterie in Schnitzlers Novelle. Es wird analysiert, wie Schnitzler die psychische Verfassung der Protagonistin durch innere Monologe, Assoziationen und Erinnerungen vermittelt. Der Fokus liegt auf dem Zusammenspiel von äußeren Ereignissen und innerpsychischen Prozessen, die zur Konstruktion der „hysterischen“ Charakteristik von Fräulein Else beitragen. Die gesellschaftliche Dimension der Erzählung, eingebettet im Wiener Großbürgertum, wird ebenfalls beleuchtet, wobei der Schein und die gesellschaftlichen Normen im Kontrast zu den inneren Konflikten der Protagonistin stehen.
Schlüsselwörter
Hysterie, Arthur Schnitzler, Fräulein Else, Monolognovelle, Psychoanalyse, Freud, 19. Jahrhundert, Frauenkrankheit, Gesellschaft, Wiener Großbürgertum, innerer Monolog, psychische Erkrankung.
Häufig gestellte Fragen zu Schnitzlers "Fräulein Else" und dem Thema Hysterie
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit analysiert Arthur Schnitzlers Novelle "Fräulein Else" (1924) unter dem Aspekt der Hysterie. Sie untersucht, wie Schnitzler die hysterische Erkrankung in seiner Erzählung konstruiert und welche Funktion diese Konstruktion im Kontext der gesellschaftlichen und medizinischen Auffassungen des 19. Jahrhunderts hat.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die historische Entwicklung des Hysteriebegriffs, seine Bedeutung im 19. Jahrhundert als „Frauenkrankheit“, die Darstellung von Hysterie in "Fräulein Else", die Funktion der hysterischen Erkrankung in der Erzählung und die Rolle des inneren Monologs als erzählerisches Mittel. Der gesellschaftliche Kontext des Wiener Großbürgertums spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in Einleitung, ein Kapitel zum Hysteriebegriff (inkl. historischer Entwicklung und Bedeutung im 19. Jahrhundert), ein Kapitel zur Darstellung der Hysterie in "Fräulein Else" und einen Schluss. Die Kapitel enthalten detaillierte Analysen und beziehen sich auf relevante Werke von Freud und Breuer.
Welche Forschungsfrage steht im Mittelpunkt?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie konstruiert Schnitzler Hysterie in "Fräulein Else", und welche Funktion kommt dieser Konstruktion in der Erzählung zu? Die Arbeit untersucht dies vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Hysteriebegriffs und seiner gesellschaftlichen Implikationen.
Welche Rolle spielt der innere Monolog?
Der innere Monolog ist ein zentrales erzählerisches Mittel, durch das Schnitzler die psychische Verfassung von Fräulein Else und die Konstruktion ihrer "hysterischen" Charakteristik vermittelt. Die Analyse des inneren Monologs steht im Mittelpunkt der Interpretation.
Wie wird die Hysterie in "Fräulein Else" dargestellt?
Die Arbeit analysiert, wie Schnitzler durch innere Monologe, Assoziationen und Erinnerungen die psychische Verfassung der Protagonistin und die „hysterischen“ Symptome darstellt. Das Zusammenspiel von äußeren Ereignissen und innerpsychischen Prozessen im Kontext des Wiener Großbürgertums wird dabei beleuchtet.
Welche Bedeutung hat der gesellschaftliche Kontext?
Der gesellschaftliche Kontext des Wiener Großbürgertums des frühen 20. Jahrhunderts ist essentiell für das Verständnis der Erzählung und der Darstellung der Hysterie. Die gesellschaftlichen Normen und der Schein stehen im Kontrast zu den inneren Konflikten von Fräulein Else.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Hysterie, Arthur Schnitzler, Fräulein Else, Monolognovelle, Psychoanalyse, Freud, 19. Jahrhundert, Frauenkrankheit, Gesellschaft, Wiener Großbürgertum, innerer Monolog, psychische Erkrankung.
- Arbeit zitieren
- Stefanie Müller (Autor:in), 2006, 'Natürlich hysterisch!?' - die Unausweichlichkeit eines frauenspezifischen Krankheitsbildes am Beispiel von Schnitzlers Monolognovelle Fräulein Else, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65617