Die Erzberger′sche Finanzreform war eine der wichtigsten Reformen in der jüngeren deutschen Finanzgeschichte - auch wenn sie heutzutage weitgehend vergessen ist, prägt sie doch von ihrer Form her und auch von einzelnen Bestimmungen sogar noch die Finanzverfassung der Bundesrepublik. Sie ist gleichsam als Reaktion auf die Niederlage im 1. Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches zu sehen. Nach Kriegsende erdrückte das Reich eine immense Schuldenlast durch die Kriegsanleihepolitik sowie Reparationszahlungen und kriegsbedingten sozialen Folgekosten nach der Niederlage. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ein großes fiskalisches Interesse des sich neu konstituierenden Staates (Weimarer Republik) bestand und in der Verfassung durch eine starke Stellung des Reichs ihren Niederschlag fand. Zudem schon zu Beginn des 1. Weltkriegs eine Stimmung herrschte, die auf politische und gesellschaftliche Einheit drang. Wirtschaftspolitisch einschneidende Maßnahmen wurden reichseinheitlich durchgeführt (Ermächtigungsgesetz), was die herrschende Stimmung zusätzlich unterstützte. Auch muss beachtet werden, wenn man bedenkt, dass Staatsstrukturen oft historisch, kulturell oder gesellschaftspolitisch bedingt sind und nicht ökonomischen Argumenten folgen , dass Begriffe auch von gesellschaftlichen und politischen Werten abhängen und sich wandeln können.
So wird heute Föderalismus als Organisationsprinzip von verschiedenen politischen und wissenschaftlichen Grundpositionen grundsätzlich positiv gesehen. Man versteht darunter u.a. mehr Basisdemokratie, horizontale und vertikale Machtbegrenzung des Staates sowie eine Verbesserung der Effizienz staatlicher Entscheidungen durch politischen Wettbewerb zwischen Gebietskörperschaften.
In der Historie sieht das anders aus: Meinte Föderalismus bei der Reichsgründung 1871 noch einen Bundesstaat und damit die Struktur des Deutschen Reiches, verstand man in der zweiten Hälfte des Bestands des Deutschen Reiches die Wahrnehmung der Interessen der Gliedstaaten gegenüber dem Bundesstaat, danach sogar diese selbst als Föderalismus. Der Begriff hatte sich gewandelt und sich beschränkt auf die Beziehung zwischen Gliedstaaten und Gesamtstaat; die Beziehung zwischen Reich und Länder sollten föderativ sein. Da aber die gesellschaftliche und politische Stimmung zu Beginn der Weimarer Republik von Einheit geprägt war, waren die Vertreter einer starken Stellung der Gliedstaaten den Anhängern einer starken Reichsgewalt suspekt.
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Inhaltsverzeichnis
- Die Erzberger'sche Finanzreform aus der Sicht der ökonomischen Theorie des Föderalismus
- Abkürzungsverzeichnis
- 1. Einleitung und Gliederung.
- 1.1. Konkretisierung der Aufgabenstellung..
- 1.2. Aufbau der Arbeit.
- 2. Die ökonomische Theorie des Föderalismus.......
- 2.1. Begriffliches ......
- 2.2. Die Aussagen der ökonomischen Theorie des Föderalismus.
- 2.2.1. Grundlegende Bemerkungen..
- 2.2.2. Das Ausgangsmodell nach Olson..
- 2.2.3. Die Verfolgung finanzpolitischer Zielsetzungen in föderativen Staaten
- 2.2.3.1. Allokationstheoretische Überlegungen zu einem föderativen Staatsaufbau......
- 2.2.3.2. Verteilungspolitische Überlegungen zu einem föderativen Staatsaufbau.…......
- 2.2.3.3. Stabilitätspolitische Überlegungen zu einem föderativen Staatsaufbau.……........
- 2.3. Die Zuordnung von Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen…………………..\n
- 2.4. Fazit zur ökonomischen Theorie des Föderalismus
- 3. Die Erzberger'sche Finanzreform.
- 3.1. Das Deutsche Reich von 1871.
- 3.1.1. Die Stellung der Gemeinden während des Kaiserreichs
- 3.1.2. Fazit zum Deutschen Reich von 1871.
- 3.2. Die Weimarer Republik
- 3.2.1. Die Kompetenzenverteilung in der Weimarer Verfassung
- 3.2.1.1. Die Aufgabenverteilung
- 3.2.1.2. Die Einnahmeverteilung..
- 3.2.1.2.1. Die Regelung der Gesetzgebungshoheit....
- 3.2.1.2.2. Die Regelung der Ertragshoheit
- 3.2.1.2.3. Die Regelung der Verwaltungshoheit
- 3.3. Die Elemente der Erzberger'schen Finanzreform...
- 3.3.1. Die ideelle Ausgangslage.
- 3.3.2. Das Reformwerk......
- 3.3.2.1. Die Steuerreform .....
- 3.3.2.1.1. Die Regelung der direkten Steuern....
- 3.3.2.1.2. Die Regelung der indirekten Steuern.
- 3.3.2.2. Die Reichsabgabenordnung.
- 3.3.2.3. Das Landessteuergesetz..
- 3.3.2.3.1. Die Regelung der Landessteuern und Gemeindeabgaben..........\n
- 3.3.2.3.2. Die Regelung der Anteile an den Verbundsteuern
- 3.3.2.3.3. Die Regelung der Lastenverteilung.
- 3.3.2.4. Die Auswirkung des Landessteuergesetzes auf die Gemeinden ....
- 3.3.3. Fazit zur Erzberger'schen Finanzreform
- 4. Die föderalismustheoretische Auswertung der Finanzreform...\n
- 4.1. Die Steuerreform aus föderalismustheoretischer Sicht
- 4.1.1. Allokative Argumente..
- 4.1.2. Distributive Argumente.
- 4.1.3. Stabilitätspolitische Argumente.
- 4.2. Die Reichsabgabenordnung aus föderalismustheoretischer Sicht.
- 4.2.1. Allokative Argumente
- 4.3. Das Landessteuergesetz aus föderalismustheoretischer Sicht
- 4.3.1. Allokative Argumente
- 5. Schlussresümee....
- Literaturverzeichnis
- Anhang
- Erklärung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit analysiert die Erzberger'sche Finanzreform aus der Perspektive der ökonomischen Theorie des Föderalismus. Ziel ist es, die Reform anhand der zentralen Aussagen der Theorie zu bewerten und ihre Auswirkungen auf die Aufgabenverteilung, Einnahmen und Ausgaben im Deutschen Reich zu beleuchten.
- Die ökonomische Theorie des Föderalismus und ihre Kernaussagen
- Die historische Entwicklung des Finanzsystems im Deutschen Reich
- Die Analyse der Erzberger'schen Finanzreform und ihrer Elemente
- Die Bewertung der Reform unter Berücksichtigung der ökonomischen Theorie des Föderalismus
- Die Auswirkungen der Reform auf die Gemeinden und die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 dient der Einleitung und Gliederung der Arbeit. Es werden die Aufgabenstellung präzisiert und der Aufbau der Arbeit erläutert.
Kapitel 2 behandelt die ökonomische Theorie des Föderalismus. Es werden die grundlegenden Aussagen der Theorie sowie die Verfolgung finanzpolitischer Zielsetzungen in föderativen Staaten analysiert. Die zentralen Aspekte der Allokations-, Verteilungs- und Stabilitätspolitik werden dabei diskutiert.
Kapitel 3 beleuchtet die Erzberger'sche Finanzreform. Es werden die geschichtlichen Hintergründe der Reform sowie die Elemente des Reformwerks, wie die Steuerreform, die Reichsabgabenordnung und das Landessteuergesetz, ausführlich dargestellt.
Kapitel 4 untersucht die Finanzreform aus föderalismustheoretischer Sicht. Es werden die Allokations-, Distributions- und Stabilitätsaspekte der Reform im Kontext der ökonomischen Theorie des Föderalismus analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der ökonomischen Theorie des Föderalismus, der Erzberger'schen Finanzreform, dem deutschen Finanzsystem, der Aufgabenverteilung, der Einnahmen und Ausgaben, der Steuerreform, der Reichsabgabenordnung, dem Landessteuergesetz und den Auswirkungen der Reform auf die Gemeinden und die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Wichtige Konzepte sind die Allokations-, Verteilungs- und Stabilitätspolitik sowie die föderalismustheoretische Perspektive auf die Finanzreform.
- Arbeit zitieren
- Fatma Deniz (Autor:in), 2002, Die Erzberger´sche Finanzreform aus der Sicht der ökonomischen Theorie des Föderalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6564