Kundenwert und Unternehmensethik - Ethische Implikationen eines wertorientierten Kundenmanagements


Diplomarbeit, 2006

64 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einführung und Überblick
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Zur Einführung in das Verhältnis von Kundenwert und Unternehmensethik

3 Grundlagen des wertorientierten Kundenmanagements
3.1 Definition des wertorientierten Kundenmanagements
3.2 Der Kundenwert im Rahmen des wertorientierten Kundenmanagements
3.2.1 Definition des Kundenwerts
3.2.2 Bausteine des Kundenwerts aus Sicht des Unternehmens
3.3 Differenzierte Kundenbearbeitung im Rahmen des wertorientierten Kundenmanagements
3.3.1 Differenzierte Kundenbevorzugung
3.3.2 Differenzierte Kundenausgrenzung
3.4 Equity-Theory und Anreiz-Beitrags-Theorie

4 Grundzüge der Unternehmensethik
4.1 Definition der Unternehmensethik
4.2 Ansätze einer Unternehmensethik
4.2.1 Ökonomische Unternehmensethik nach Homann
4.2.2 Korrektive Unternehmensethik nach Steinmann
4.2.3 Integrative Unternehmensethik nach Ulrich
4.3 Kritische Betrachtung der Konzepte

5 Ethische Überlegungen im Kontext eines wertorientierten Kundenmanagements
5.1 Übertragung unternehmensethischer Überlegungen auf das wertorientierte Kundenmanagement
5.2 Versuch einer Synthese der Equity-Theory mit den Ansätzen der Unternehmensethik unter Einbeziehung ethisch-normativer und rechtlicher Werte
5.2.1 Einführung eines Entscheidungsmodells für das wertorientierte Kundenmanagement
5.2.2 Erste Ebene: Tauschgerechtigkeit
5.2.3 Zweite Ebene: Rechtliche Zulässigkeit
5.2.4 Dritte Ebene: Ethische Vertretbarkeit
5.2.5 Vierte Ebene: Dialog
5.2.6 Modellerprobung
5.2.6.1 Deutsche Bahn
5.2.6.2 Deutsche Post
5.2.6.3 Maschinenbau
5.2.6.4 Novartis

6 Abschlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Verzeichnis über die verwendeten Rechtsquellen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Kundenwert im weiteren Sinne

Abbildung 2: Differenzierte Kundenbevorzugung

Abbildung 3: Prozess der Kundenausgrenzung

Abbildung 4: Differenzierte Kundenbenachteiligung

Abbildung 5: Perspektiven der Unternehmensethik

Abbildung 6: Entscheidungsmodell eines legalen und legitimen wertorientierten Kundenmanagements

1 Einführung und Überblick

1.1 Problemstellung

Kunden zufriedenzustellen und damit an das Unternehmen zu binden gehört unter den herrschenden Wettbewerbsbedingungen[1] zu den zentralen Aufgaben erfolgreichen unternehmerischen Handelns[2]. Unternehmen orientieren sich deshalb zunehmend an den Bedürfnissen der Kunden, um langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen[3]. Die aus einer gesteigerten Kundenorientierung beziehungsweise Kundenbindung resultierenden höheren Erlöse stehen dabei nicht immer in einem wirtschaftlichen Verhältnis zu den aufgewendeten Kosten wie die Untersuchungen von Krafft[4] und Helm/Rolfes/Günter[5] beispielhaft für den deutschen Maschinenbau zeigen[6]. Angesehene Autoren wie Cooper/Kaplan propagieren in diesem Zusammenhang eine 20:225-Heuristik, wonach 20 Prozent der Kunden 225 Prozent des Profits generieren[7]. Der restliche Prozentsatz an Kunden erweist sich als neutral oder gar höchst verlustbringend[8]. Rust et al. untermauern diese These indem sie resümieren, dass „… not all customers are worth attracting and keeping“[9]. Daraus abgeleitet besteht das Ziel eines Unternehmens nach Rust et al. nicht darin, alle Kunden zu halten und eine hohe Zufriedenheit bei jedem Kunden zu erzielen, sondern sich auf die für das jeweilige Unternehmen „wertvollen“ Kunden zu fokussieren[10]. Auf diesem Wege sollen die Ressourcen effizient und effektiv zur Schaffung von „einzigartigen Leistungen für die richtigen Kunden“[11] eingesetzt werden, um langfristig Wettbewerbsvorteile zu generieren[12].

Somit tritt der Kundenwert als strategische Größe zur effizienten Gestaltung von Kundenbeziehungen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Mit Hilfe des Kundenwerts sollen die prinzipiell knappen unternehmerischen Ressourcen vor allem in jene Kundenbeziehungen gelenkt werden, die die höchste Profitabilität versprechen[13]. Diese Auffassung impliziert, dass ein Unternehmen seine Kräfte auf wertvolle Kunden nur dann bündeln kann, wenn es den „richtigen“ Umgang mit unprofitablen Geschäftsbeziehungen lernt und bereit ist, sich von gewissen Kunden zu trennen[14].

Die Beendigung von unprofitablen Geschäftsbeziehungen seitens des Anbieters[15] wurde in der Marketingwissenschaft, wie auch in der Unternehmenspraxis bislang erst ansatzweise untersucht, obwohl die Forschung dieses Themenfeld als wichtig erachtet[16]. Insbesondere ethische Fragestellungen wurden im Rahmen dieses Themenkomplexes bisher nicht diskutiert und stellen einen weißen Fleck auf der Forschungslandkarte des Marketings dar[17].

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Anliegen dieser Arbeit ist deshalb, die Instrumente und Konsequenzen eines wertorientierten Kundenmanagements insbesondere einer ethischen Betrachtung zu unterziehen und Empfehlungen für ein ethisch legitimes Beziehungsmanagement zu entwickeln.

Dafür werden zunächst im zweiten Kapitel mögliche Spannungsfelder zwischen einem wertorientierten Kundenmanagement und ethischen Werten und Normen aufgezeigt.

Im dritten Kapitel wird das wertorientierte Kundenmanagement vorgestellt und der Kundenwert begrifflich eingeordnet. Anschließend werden die Determinanten des Kundenwerts dargestellt[18]. Auf Basis des Kundenwerts folgt dann eine Beschreibung der differenzierten Kundenbearbeitung, insbesondere der Kundenausgrenzung. Das Kapitel schließt mit der Einführung der Anreiz-Beitrags-Theorie und der Equity-Theory zur Erklärung der Ungleichbehandlung von Kunden im Rahmen eines wertorientierten Kundenmanagements.

Im vierten Kapitel werden die Grundzüge der Unternehmensethik und die für die weitere Betrachtung relevanten unternehmensethischen Ansätze von Steinmann , Homann und Ulrich vorgestellt.

Die bisherigen Überlegungen des wertorientierten Kundenmanagements, insbesondere der Gedanke der Tauschgerechtigkeit aus der Equity-Theory, werden im fünften Kapitel mit den vorgestellten unternehmensethischen Erwägungen zusammengeführt und mit allgemein anerkannten ethischen Werten und kodifizierten Normen in Beziehung gesetzt. Aus dieser Synthese wird ein Entscheidungsmodell entwickelt, das Unternehmen ein legales und ethisch legitimes wertorientiertes Kundenmanagement ermöglichen soll. Das Modell wird anschließend mit vier Beispielen, die aus dem einführenden zweiten Kapitel übernommen werden, erprobt.

Das sechste Kapitel fasst die Ausführungen zusammen und endet mit einem Ausblick auf weitere offene Forschungsfelder.

2 Zur Einführung in das Verhältnis von Kundenwert und Unternehmensethik

„There is one and only one social responsibility of business – to use its resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game”[19].

Folgt man der Auffassung Friedmans , so gibt es für Unternehmen keine Gründe, sich über ethisches Verhalten Gedanken zu machen. Im Gegenteil, es widerspreche sogar der ökonomischen Zielsetzung einer Firma, der Maximierung des Shareholder Values im Interesse der Eigentümer. Die Bekämpfung gesellschaftlich unerwünschter Nebenwirkungen und Auswüchse des unternehmerischen Handelns verantworten Recht und Gerichte. Das Recht schafft aus dieser Sicht die Voraussetzungen und Restriktionen für eine freie unternehmerische Betätigung.[20]

Lebensmittelskandale, Bilanzfälschungen, Insidergeschäfte von Managern, mangelhafte Sicherheitsstandards bei Fluglinien oder in der chemischen Industrie, Bestechungsskandale, Diskriminierung von Frauen und sozial Schwächergestellter bis hin zu Kinderarbeit westlicher Unternehmen in der Dritten Welt fordern jedoch auf, Friedmans Aussage zu hinterfragen. Friedman selbst relativiert seine These indem er an das Management appelliert „… to make as much money as possible while conforming to the basic rules of society, both these embodied in the law and those embodied in ethical customs.“[21]

Dieses von Friedman aufgezeigte Spannungsfeld zwischen dem Gewinnprinzip einerseits und der gesellschaftlichen Forderung an ein legales und legitimes unternehmerisches Handeln andererseits, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit.

Dabei stellt der Kundenwert[22] als zentrales Element der markt- und wertorientierten Unternehmensführung ein ökonomisches Formalziel[23] dar und lässt sich dem von Friedman vertretenden Shareholder Value Gedanken zuordnen. So beschreibt beispielsweise Reichheld , dass der Kunde „… the source of all positive cash flow…“[24] ist. Auch Rappaport verweist darauf, dass „…without customer value there can be no shareholder value“.[25]

Vor dem Hintergrund des erwerbswirtschaftlichen Prinzips, welches sich hier in der Praktizierung eines wertorientierten Kundenmanagements manifestiert, liegt der Schwerpunkt der Arbeit darin, unter ethischen Gesichtspunkten zu klären inwieweit Unternehmen ihre Kunden auf Grund unterschiedlicher Wertbeiträge differenziert behandeln dürfen. Im Falle eines negativen Wertbeitragss würde – als ultima ratio - sogar eine Trennung von dem jeweiligen Kunden erfolgen, um dadurch den Unternehmenswert zu steigern.

Um die vorliegende Problematik, also das Spannungsfeld zwischen einem wertorientierten Kundenmanagement einerseits und ethischen Werten und rechtlichen Normen andererseits zu verdeutlichen, werden im Folgenden vier Beispiele in die Diskussion eingeführt, auf die in Kapitel 5 zur Erprobung des im Rahmen dieser Arbeit noch zu entwickelnden Entscheidungsmodells zurückgegriffen werden soll.[26]

Bei der Deutsche Bahn wurde bis in die 90er Jahre hinein lediglich zwischen der ersten und zweiten Klasse unterschieden. Innerhalb dieser Klassen waren Service und Preise einheitlich. So erhielt beispielsweise der Bahnkunde, der das Beförderungsmittel nur einmal im Jahr benutzte, die gleiche Leistung wie der Vielfahrer innerhalb derselben Klasse. Zu fragen wäre hier, ob der Vielfahrer möglicherweise besser behandelt werden sollte als der Gelegenheitskunde? Wäre es vielleicht sogar als ungerecht zu bezeichnen beide gleich zu behandeln, obwohl sie einen unterschiedlichen Wert für das Unternehmen aufweisen?

Die Deutsche Post unterhält eine Vielzahl verlustbringender Stationen und Briefkästen in ländlichen Gebieten. Die ökonomische Vernunft würde die Schließung unprofitabler Filialen und die Reduzierung der Briefkästen und deren Leerung vorschlagen. Was hindert die Deutsche Post also an einer Reduzierung der Distributionsdichte?

Mittelständische Maschinenbauunternehmen in Deutschland erhalten oftmals arbeitsintensive Aufträge, die im hohen Maße individuelle Kosten verursachen. Welche Möglichkeiten hat beispielsweise ein Hersteller von Sinterbronzefiltern mit unprofitablen Kunden umzugehen? Ist die Beendigung einer Geschäftsbeziehung rechtlich und ethisch zulässig?

Die Firma Novartis hat in den vergangenen Jahren wirksame Medikamente im Kampf gegen Lepra und Tuberkulose entwickelt. Die Forschung kostete das Unternehmen mehrere Milliarden Euro. Wie soll sich das Untenehmen in Hinblick auf die große Zahl von armen, kranken Menschen in Afrika und Indien verhalten? Ist das Unternehmen rechtlich oder ethisch verpflichtet diese Menschen am medizinischen Fortschritt teilhaben zu lassen?

Ein Versuch der Beantwortung dieser Fragen folgt nach der Vorstellung des wertorientierten Kundenmanagements einerseits und der unternehmensethischen Ansätze andererseits.

3 Grundlagen des wertorientierten Kundenmanagements

3.1 Definition des wertorientierten Kundenmanagements

Das wertorientierte Kundenmanagement[27] umfasst nach Helm/Günter „die Planung, Durchführung und Kontrolle bei Selektion, Aufbau, Gestaltung und Erhaltung beziehungsweise Beendigung der Geschäftsbeziehungen zu bestimmten Kunden(gruppen) auf Basis von deren Wertbeiträgen zu den Anbieterzielen.“[28] Geschäftsbeziehungen stellen hier eine Folge von Markttransaktionen zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager dar, die nicht zufällig, sondern von ökonomischen Zielen geleitet sind[29]. Der Aufbau und die Pflege einer Geschäftsbeziehung stellen seitens des Unternehmens zumeist einen hohen finanziellen, zeitlichen und personellen Aufwand dar. Der diesbezüglich aufgewendete Ressourceneinsatz amortisiert sich in der Regel erst nach einem längeren Zeitraum. Damit liegt es nahe, eine Geschäftsbeziehung als Investitionsobjekt zu betrachten[30]. Da sich die (Anfangs-)Investitionen nicht bei allen Kunden amortisieren beziehungsweise in gleicher Weise rentieren, wird der Wahl ertragreicher Geschäftsbeziehungen respektive der (unternehmens-)wertsteigernden Gestaltung von bestehenden Geschäftsbeziehungen große Beachtung geschenkt. Das wertorientierte Kundenmanagement versucht angedeuteter Problemstellung Rechnung zu tragen, indem die Aktivitäten des Anbieters an den spezifischen Beiträgen des Kunden innerhalb der Geschäftsbeziehung ausgerichtet werden[31]. Die Beiträge werden in der Literatur unter dem Begriff des Kundenwerts subsumiert, der im Folgenden vorgestellt wird.

3.2 Der Kundenwert im Rahmen des wertorientierten Kundenmanagements

3.2.1 Definition des Kundenwerts

Der Kundenwert als zentrale Steuerungsgröße des wertorientierten Kundenmanagements wird hier definiert als der „bewertete Beitrag eines Kunden beziehungsweise des gesamten Kundenstammes zur Erreichung der monetären und nicht-monetären Ziele eines Anbieters“[32]. Allgemein formuliert stellt der Kundenwert den quantifizierten Nutzen dar, den das Unternehmen durch den Kunden im Laufe einer Geschäftsbeziehung erfährt[33].

Günter unterscheidet zudem zwischen einem Kundenwert im engeren Sinne und einem Kundenwert im weiteren Sinne, deren Determinanten im folgenden Abschnitt vorgestellt werden.[34]

3.2.2 Bausteine des Kundenwerts aus Sicht des Unternehmens

Der Kundenwert im engeren Sinne umfasst quantitative, in erster Linie ökonomische Größen wie Umsatz, (diskontierte) Cash Flows und Deckungsbeiträge. Zusätzlich werden oftmals der Lieferanteil, der so genannte Share-of-Wallet, sowie das Umsatzpotential und das Cross-Selling-Potential hinzugezählt.[35]

Dem Gegenüber schließt der Kundenwert im weiteren Sinne auch qualitative Faktoren ein. Zu nennen sind hierbei insbesondere der Empfehlungs- und Informationswert, aber auch der Ausstrahlungs-, Kooperations- und psychische Wert einer Kundenbeziehung.[36]

Folgende Grafik veranschaulicht den Zusammenhang und die Wirkungsweise der Kundenwertbestandteile:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Der Kundenwert im weiteren Sinne

Quelle: Günter 2003, S. 258.

In Anlehnung an Cornelsen lassen sich die Kundenwertbestandteile in drei Kategorien einteilen: Transaktionswert, Outgoing-Informationswert und Ingoing-Informationswert. Während der Transaktionswert aus dem Kundenwert im engeren Sinne besteht, umfasst die Kategorie des Outgoing-Informationswerts den Empfehlungswert und den Ausstrahlungswert einer Geschäftsbeziehung. Der Wert dieser Informationen ist in der Wirkung im Kunden-Kunden-Bereich zu bestimmen. Dabei bezeichnet der Empfehlungswert die Wirkungsfähigkeit eines Kunden auf die Akquisition neuer Geschäftspartner eines Anbieters durch aktive Weiterempfehlungen[37]. Unter dem Begriff des Ausstrahlungswerts wird hingegen die Wirkung auf potentielle Kunden verstanden, die durch passive Ausstrahlungswirkungen des Kunden entstehen[38]. Die Nutzung vorhandener Kundenbeziehungen ist insbesondere im B-2-B-Bereich eines der bedeutendsten Instrumente zur Akquisition neuer Partner[39]. Die Ingoing-Informationen umfassen diejenigen Informationen, die Anbieter von ihren Kunden beziehen und mit denen sie Rückschlüsse auf ihr unternehmerisches Handeln ziehen können[40]. Demnach steht dabei nicht die Wirkung von Kunden auf ihr soziales Umfeld im Vordergrund, sondern die Informationsströme von Kunden zum Anbieter. Beispielhaft können Beschwerden oder aktive Verbesserungsvorschläge von Kundenseite genannt werden[41]. Ein weiterer Bestandteil des Ingoing-Informationswerts ist der Kooperationswert, der durch das Einbringen von Kundenressourcen in die Wertschöpfungskette des Anbieters gekennzeichnet ist[42]. Diese Zusammenführung von Ressourcen kann zum Beispiel in den Bereichen Marketing und Logistik vollzogen werden. Der Kooperationswert drückt danach Wertsteigerungspotentiale aus, die sich durch eine enge Zusammenarbeit von Anbieter und Nachfrager ergeben[43]. Als letzter Bestandteil des Ingoing-Informationswerts lässt sich der psychische Wert einer Kundenbeziehung nennen. Darunter ist neben der Bildung von Vertrauen und Zufriedenheit, sowie einer Steigerung sozialer Interaktion und einer Senkung kognitiver Dissonanzen, insbesondere die Aufmerksamkeit als nicht-monetäres Einkommen des Anbieters von Bedeutung[44].

3.3 Differenzierte Kundenbearbeitung im Rahmen des wertorientierten Kundenmanagements

Nachdem nun einerseits die Ziele eines wertorientierten Kundenmanagements und andererseits der Kundenwert als zentrale Steuerungsgröße des Kundenmanagements vorgestellt wurden, soll aufbauend auf diesen Erkenntnissen nach Strategien und Maßnahmen für den Umgang mit profitablen, weniger profitablen und unprofitablen Kunden gesucht werden. Während die Bearbeitung profitabler Kunden durch eine Individualisierung des Austauschprozesses, eine umfassende Interaktion mit den Kunden und deren Integration in Wertschöpfungsprozesse im Rahmen des Relationship Marketing zumindest ansatzweise diskutiert wird[45], weichen Unternehmenspraxis wie auch Marketingwissenschaft bislang einer Beschäftigung mit dem Management unprofitabler Kunden aus.[46]

Um die Bedeutsamkeit dieser Thematik zu untermauern, werden im Folgenden die Instrumente des wertorientierten Kundenmanagements vorgestellt. Eine explizite Betrachtung der Kundenausgrenzung erscheint dabei sinnvoll.

3.3.1 Differenzierte Kundenbevorzugung

Unter Kundenbevorzugung wird hier eine bewusste Bevorzugung eines aktuellen Kunden gegenüber anderen Abnehmern auf der Grundlage seines höheren Wertbeitrags zu den Zielen des Anbieters verstanden.

Die Kundenbevorzugung wird durch einen differenzierten Einsatz des Marketing-Mix angestrebt. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über Ansatzpunkte für eine Kundenbevorzugung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Differenzierte Kundenbevorzugung

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hohm/Hansen/Geisler 2003, S. 817.

Im Rahmen der Leistungspolitik lässt sich eine Kundenbevorzugung besonders durch eine Individualisierung des Austauschprozesses und durch Generierung eines Mehrwerts durch zusätzliche Dienstleistungen für den Kunden erreichen.

Die Preispolitik umfasst neben der Gewährung von Preisvorteilen und Treueboni auch die Möglichkeit komplexe Leistungsbündel für den Kunden zu entwerfen beziehungsweise auf Wunsch des Kunden Individuallösungen anzubieten

Die Kommunikationspolitik erhält im Rahmen der Kundenbevorzugung eine Schlüsselfunktion. Es wird eine umfassende, persönliche Interaktion mit dem Kunden angestrebt. Zudem werden zusätzliche Kommunikationskanäle geöffnet (beispielsweise das Internet und Hotlines).

Die Distributionspolitik umfasst hier die Etablierung einerseits vieler, andererseits auch die Schaffung exklusiver Vertriebswege, so genannter Servicescapes.

Die vier „kleinen“ Marketinginstrumente können ebenfalls zur differenzierten Kundenbearbeitung genutzt werden. So bietet sich bei der Zeitpolitik zum Beispiel eine bevorzugte Behandlung an, was die Wartezeit des wertvollen Kunden reduziert. Im Kontext der Mengenpolitik wird beispielsweise auf Mindestbestellmengen oder Mengenbeschränkungen verzichtet. Im Rahmen der Kontrahierungspolitik können Kündigungsfristen den Wünschen des Kunden angepasst werden und auch die Absatzfinanzierungspolitik bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten Kunden bevorzugt zu behandeln. So können insbesondere Lieferungs- und Zahlungsbedingungen an die Vorstellungen der Abnehmer angeglichen werden.

Ergänzt werden kann der differenzierte Einsatz einzelner Marketinginstrumente durch die Einführung von exklusiven Kundenclubs und Kundenkarten.[47]

Allerdings rechtfertigen nicht alle Kunden eine intensive Bearbeitung. Auf Grund prinzipiell knapper Unternehmensressourcen in personeller, finanzieller und zeitlicher Art kann es einem Unternehmen sogar unmöglich sein, die wertvollen Kunden so zu behandeln, dass sie durch eine hohe Kundenzufriedenheit langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Dies deshalb, da die hierfür notwendigen Ressourcen auch von unprofitablen Kunden gebunden werden[48]. Einen möglichen Lösungsweg für die beschriebene Problemlage bietet der in der Literatur bislang nur ansatzweise diskutierte Gedanke der Ausgrenzung unprofitabler Kunden, welcher im folgenden Abschnitt vorgestellt wird.

[...]


[1] Beispielsweise sei auf die Homogenisierung der Leistungsangebote in weiten Bereichen der Märkte hingewiesen, vgl. hierzu allgemein Bruhn 2002, S. 35 ff.

[2] Vgl. Bruhn / Homburg 2005, S. 6; Günter / Helm 2003a, S. VII; Helmke / Dangelmaier 2001, S. 5;

[3] Zum Zusammenhang zwischen den vier Kunden-Konstrukten Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Kundenwert siehe bspw. Helm / Günter 2003, S. 11 ff; vgl. auch Krafft 1999, S. 511 ff und Krafft 2002, 45 ff.

[4] Vgl. Krafft / Marzian 1997, S. 104 ff.

[5] Vgl. Helm / Rolfes / Günter 2005.

[6] In der Studie von Krafft gaben die befragten Unternehmen an, dass nur 11,7% ihrer Kunden positiv zum Betriebsergebnis beitragen; die Untersuchung von Helm / Günter / Rolfes kommt hier zu ähnlichen Ergebnissen.

[7] Vgl. Cooper / Kaplan 1991, S. 130 ff.

[8] Cooper / Kaplan fanden in oben genannter Studie heraus, dass 10 % der Kunden einen Verlust von 125% verursachen, vgl. Cooper / Kaplan 1991, S. 93; vgl. auch die Stobachoff-Kurve bei Rapp / Storbacka / Kaario 2002, S. 47.

[9] Rust / Zeithaml / Lemon 2000, S. 187.

[10] Vgl. Rust / Zeithaml / Lemon 2000, S. 187; vgl. auch Homburg / Daum 1998, S. 126.
Entgegen der Zero Defections – Auffassung von bspw. Reichheld / Sasser 1990, S. 105 ff.

[11] Belz 1997, S. 96.

[12] Vgl. Günter / Helm 2003a, S. VII; vgl. zu Wettbewerbsvorteilen bspw. Backhaus 2003, S. 36 ff.

[13] Vgl. Whitney 1996, S. 100; vgl. auch Hohm / Hansen / Geisler 2003, S. 814.

[14] Vgl. Günter / Helm 2003b, S. 45 ff.

[15] Die Begriffe Unternehmen, Unternehmung und Anbieter werden hier synonym verwendet.

[16] Vgl. Helm / Rolfes / Günter 2005, S. 23 ff; vgl. auch Helm / Rolfes / Günter 2006, S. 366 ff. und Günter / Helm 2003b, S. 45 ff; vgl. auch Dwyer / Schurr / Oh 1987, S. 11ff.

[17] Eine Ausnahme bildet Hohm / Hansen / Geisler 2003, S. 811 ff; vgl. hierzu auch Helm / Günter 2003, S. 32.

[18] Auf eine eingehende Beschreibung möglicher Methoden zur Kundenwertberechnung wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet. Für einen Überblick zu Methoden der Kundenbewertung siehe bspw. Günter / Helm 2003c.

[19] Friedman 1970, S. 32.

[20] Vgl. Steinmann / Löhr 1994, S. 6 f.

[21] Friedman 1970, S. 33.

[22] Unter Kundenwert wird hier der Beitrag eines Kunden zur Zielerreichung des Anbieters verstanden. Vgl. hierzu Kapitel 3.2 in dieser Arbeit; vgl. auch Helm / Günter 2003, S. 7.

[23] Die in der betriebswirtschaftlichen Literatur gängige Bezeichnung als „Formalziel“ bezeichnet das Gewinnziel als ein ethisch entproblematisiertes Kriterium „rationaler“ Unternehmensführung vgl. Kosiol 1972, S. 226 f. Zur Kritik in der das Gewinnprinzip als normatives Konzept mit unternehmensethischem Geltungsanspruch betrachtet wird vgl. Ulrich 1997, S. 407 ff.

[24] Reichheld 1996, S. 10.

[25] Rappaport 1998, S. 76; vgl. auch Finsterwalder 2002, S. 42; zur Verknüpfung von Kundenwert und Shareholder Value siehe Bauer / Hammerschmidt / Brähler 2004, S. 324 ff. und Stahl / Matzler / Hinterhuber 2003, S. 423 ff; wobei hier der Shareholder Value Ansatz nicht als Antonym zum Stakeholder Ansatz gedacht werden soll, da das Unternehmen die Ansprüche der relevanten Stakeholder befriedigen muss, um den Wert des Unternehmens langfristig zu steigern; vgl. Stahl / Matzler / Hinterhuber, S. 425.

[26] Die Beispiele sind aus der unternehmerischen Praxis abgeleitet und bilden hier die fiktive Grundlage für Entscheidungsprozesse im Rahmen des wertorientierten Kundenmanagements.

[27] Das wertorientierte Kundenmanagement ist in die allgemeine wertorientierte Unternehmensführung, das heißt in das Streben nach langfristiger Steigerung des Gesamtnutzens der Unternehmung, einzuordnen; vgl. hierzu Bruhn / Georgi / Treyer / Leumann 2000, S. 167.

[28] Helm / Günter 2003, S. 11.

[29] In Anlehnung an Plinke 1989, S. 307 f.; vgl. auch Homburg / Krohmer 2003, S. 422.

[30] Vgl. Plinke 1989, S. 305 ff; vgl. auch Eggert 2003, S. 44 und Schirmeister / Kreuz 2003, S. 337 ff.

[31] Die verwendeten Instrumente des Kundenmanagements werden im Kapitel 3.3 vorgestellt,
wo insbesondere auf die Gestaltung und Beendigung von Geschäftsbeziehungen abgestellt wird.

[32] Helm / Günter 2003, S. 7; vgl. auch Cornelsen 2000, S. 38; es handelt sich demnach hier um den Kundenwert aus Anbietersicht, für eine Darstellung des Kundenwerts aus Nachfragersicht, dem sog. Customer Value vgl. Beutin 2000, S. 7 ff; vgl. auch Plinke 2000, S. 78 ff; zur Unterscheidung der zwei Kundenwertperspektiven siehe Eggert 2003, S. 43 ff.

[33] Vgl. Rudolf-Sipötz 2001, S.14; vgl. auch Günter 2003, S. 252.

[34] Vgl. Günter 2003, S. 251 ff.

[35] Angemerkt sei an dieser Stelle, dass insbesondere die Bestimmung von Potentialen und damit die Berechnung von Kundenlebenszeitwerten wegen der Prognoseerfordernis mit Unsicherheit behaftet sind vgl. hierzu Krafft / Rutsatz 2003, S. 279 ff.

[36] Vgl. Günter 2003, S. 257 und die dort zitierte Literatur.

[37] Vgl. Backhaus 2003, S. 171; Bruhn / Hadwich / Georgi 2005, S. 660; Tomczak / Rudolf-Sipötz 2003, S. 141 f; Blattberg / Getz / Thomas 2001, S. 5; vgl. auch Cornelsen 2003, S. 197 ff.

[38] Vgl. Bruhn / Hadwich / Georgi 2005, S. 659; Scholl / Heinzer 2005, S. 804; Tomczak / Rudolf-Sipötz 2003, S. 142; auch Böhrs 2004, S. 61 f.

[39] Vgl. Helm 2005, S. 127; Tomczak / Rudolf-Sipötz 2003, S. 142; Stichwort: Meinungsführer.

[40] Vgl. Tomczak / Rudolf-Sipötz 2003, S. 142 f; auch Backhaus 2003, S. 171 und Böhrs 2004, S. 62.

[41] Vgl. Cornelsen 2000, S. 224 ff; vgl. auch Backhaus 2003, S. 171.

[42] Vgl. Tomczak / Rudolf-Sipötz 2003, S. 143; vgl. auch Backhaus 2003, S. 172.

[43] Vgl. Backhaus 2003, S. 172; vgl. auch Rudolf-Sipötz 2001, S.121 ff; Stichwort: Lead User.

[44] Vgl. Günter 2003, S. 259 ff.

[45] Vgl. Diller 1995, S. 442 ff.

[46] Als Ausnahmen vgl. bspw. Günter / Helm 2003b, S. 48 ff; vgl. auch Hohm / Hansen / Geisler 2003, S. 817; vgl. auch Tomczak / Reinecke / Finsterwalder 2000, S. 399 ff.

[47] Vgl. Blattberg / Deighton 1997, S. 28 ff; vgl. auch Hohm / Hansen / Geisler 2003, S. 817.

[48] Vgl. Homburg / Daum 1997, S. 394; vgl. auch Böhrs 2004, S. 86 und Alajoutsijärvi / Möller / Tähtinen 2000, S. 1271.

Ende der Leseprobe aus 64 Seiten

Details

Titel
Kundenwert und Unternehmensethik - Ethische Implikationen eines wertorientierten Kundenmanagements
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
64
Katalognummer
V65763
ISBN (eBook)
9783638582575
Dateigröße
735 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kundenwert, Unternehmensethik, Ethische, Implikationen, Kundenmanagements
Arbeit zitieren
Christian Claus (Autor:in), 2006, Kundenwert und Unternehmensethik - Ethische Implikationen eines wertorientierten Kundenmanagements, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65763

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