Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. „der Austausch der Gedanken über Gegenstände des Gemeinwohls “ – Hardenbergs Schreiben an Sack vom 10. Oktober 1814
2.1 Hardenberg und die preußische Zensur nach den Befreiungskriegen
2.2 „diese Ansicht“ des Staatskanzlers – Inhalt der Quelle
3. Der historische Rahmen
3.1 Das napoleonische Erbe: Presse und Öffentlichkeit während der französischen Besatzung und den Befreiungskriegen
3.2 Der Rheinische Merkur – Entstehung und Ziele
3.3 Hardenberg auf dem Wiener Kongress: Grundzüge seiner Politik
4. Einschätzung
4.1 Der rheinische Verbündete
4.2. Schlussbemerkung
Literatur
1. Einleitung
Bei der Durchsicht der vorhandenen Literatur zur Öffentlichkeit in Preußen[1] im frühen 19. Jahrhundert fällt die überwältigende Anzahl von Schriften betreffend den Fürsten von Hardenberg auf. Bei einer näheren Betrachtung wird der Grund hierfür in einer offenbar allgemein geteilten Auffassung ersichtlich: die liberale Haltung des Reformministers ermöglichte in weiten Teilen Preußens ein Maß bürgerlich-politischer Öffentlichkeit und Kommunikation, wie es bis dahin nicht möglich gewesen war[2]. Gerade an Hardenbergs Umgang mit dem politischen Tagesschrifttum wird dies immer wieder gezeigt. Die Frage nach den Gründen für Hardenbergs liberale Haltung wird dabei leider außer Acht gelassen und es bleibt bei der lapidaren Feststellungen einer persönlichen Entscheidung[3]. Diese Begründung kann nicht genügen, denn die Haltung des Staatskanzlers kann nicht allein aus seiner persönlichen liberalen Einstellung heraus erklärt werden, sondern muss auch im Kontext der Zeitereignisse betrachtet werden. Dieses Unternehmen soll im Folgenden versucht werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwieweit Hardenberg sich gerade in Bezug auf die politische Tagesliteratur, die preußische Pressefreiheit und Zensur, vielmehr als ein geschickter Stratege darstellt, der die politischen Kräfte zu integrieren und für seine Zwecke zu nutzen suchte und weniger als heroischer „Revolutionär“ und Anwalt der freien Meinungsäußerung. Dies soll am Beispiel seiner Haltung gegenüber dem „Rheinischen Merkur“, wie sie in seinem Schreiben vom 10. Oktober 1814 aus Wien an den rheinischen Zivilgouverneur Sack zum Ausdruck kommt, versucht werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. „…der Austausch der Gedanken über Gegenstände des Gemeinwohls …“ – Hardenbergs Schreiben an Sack vom 10. Oktober 1814
2.1 Hardenberg und die preußische Zensur nach den Befreiungskriegen
Die Quelle liegt in gedruckter Form vor; sie wurde der Quellenedition „Zur Geschichte der Tagesliteratur während der Freiheitskriege“, die Paul Czygan 1910 besorgt hat, entnommen[4]. Aus den dort vorgefundenen 41 Quellen zur Geschichte des „Rheinischen Merkur“ wurde der Brief Hardenbergs an Sack ausgewählt, weil der Staatskanzler dort explizit für die Freiheit der Presse eintritt. Anlass des Schreibens waren die wiederholten Klagen der württembergischen Regierung bezüglich des „Rheinischen Merkurs“, der seit Ende Januar 1814 von Joseph Görres in Koblenz herausgegeben wurde. Görres hatte mit rhetorischer Geschicklichkeit und Stilsicherheit mehrfach die württembergischen Zustände angeprangert[5] und damit den Unwillen der württembergischen Regierung erregt, die sich in mehreren Schreiben an den Staatskanzler wandte[6].
Hardenberg, seit 1791 Minister im preußischen Dienst, hatte bereits die Eingliederung von Ansbach und Bayreuth in den preußischen Staat geleitet. Durch die Forderung nach Gebietszuwachs in Westfalen und Mitteldeutschland als Gegenzug für die preußische Neutralität bei der napoleonischen Expansionspolitik hatte er ebenfalls seine auf Preußens Wachstum ausgerichtete Territorialpolitik deutlich gemacht. Als er selbst auf Drängen Napoleons mehrfach seines Amtes enthoben wurde, trug er wesentlich zur Ernennung des Reformers vom und zum Stein bei, dessen Reformen er, als er 1810 zum Staatskanzler ernannt wurde, fortführte. Das Ziel seiner Politik auf dem Wiener Kongress war ein territorial geeintes, liberales Preußen[7]. Daher ließ er Klagen der konservativen, württembergischen Regierung mehrere Monate lang verhallen, ehe er sich im Oktober 1814 genötigt sah, dem für die Zensur zuständigen Zivilgouverneur Sack in Koblenz eine Stellungnahme zu übermitteln.
[...]
[1] Sösemann, Hoppe (2002)
[2] vgl. z.B. Schneider (1966), aber auch Hofmeister-Hunger (1994)
[3] Schneider (1966), S.196
[4] Czygan (1910), Bd. II/2, S. 319
[5] vgl.: d´Ester (1928)
[6] vgl.: Czygan (1910), Nrn 2-4, 6, S. 303 ff
[7] vgl.: Dwyer (2001)