Expertise - Die aktuellen Entwicklungen und der Stand in der Expertiseforschung mit Bezug auf den Leistungssport


Seminararbeit, 2006

20 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Expertise
2.1 Definition von Expertise
2.2 Hochbegabung versus Expertise
2.3 Repräsentation von Expertise
2.3.1 Produktionssystemmodelle
2.3.2 Schemabasierte Modelle
2.3.3 Expertise als fallbasiertes Denken

1.4 Expertise-Forschung

3 Übertrag auf den Sport
3.1 Sportwissenschaftliche Definition
3.2 Expertise-Forschung im Sport
3.2.1 Wissen und Können
3.2.2 Kognitive Leistungen bei Sportarten mit situativen Anforderungen
3.2.3 Wahrnehmung und Antizipation
3.2.4 Voraussetzungen für Lernprozesse beim Expertiseerwerb
3.2.5 Handeln Können

4 Zusammenfassung

5 Eigene Stellungnahme

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Sie sind ein Experte - wir sind es auch… jeder auf seinem Gebiet“ (www.experten-tricks.de). Dies ist der Slogen eines Portals, in dem jeder der Expertenrat sucht fündig werden kann und gleichzeitig seine eigenen „Weisheiten“ hinterlassen kann - auf welchem Gebiet auch immer.

Doch was ist ein Experte und was ist Expertise, was unterscheidet den Experten von anderen und wie stellt sich Expertise da? Wie erlangt man Expertise, wo liegt die Grenze zwischen Novize und Experte? Das alles sind Fragen, die in der folgenden Ausarbeitung geklärt werden sollen.

Neben dem allgemein gefassten zweiten Kapitel, der die Definition, die Abgrenzung von der Hochbegabung, die Repräsentation sowie Expertise-Modelle und Expertiseforschung beinhaltet, ist in Kapitel 3 der Übertrag auf den Sport das übergeordnete Thema. Hier soll unter anderem auf den Unterschied zwischen Wissen und Können, den Anteil der kognitiven Leistungen bei Sportarten mit situativen Anforderungen und auf die Voraussetzungen für Lernprozesse beim Expertiseerwerb eingegangen werden.

Abschließen wird diese Ausarbeitung mit der Umsetzung im Kapitel „Handeln können“.

2 Expertise

Nachfolgend soll ein Einblick in den Bereich der Expertise geschaffen werden.

Hierzu gilt es zunächst ein paar grundlegende und allgemeingültige Aspekte in Bezug auf Expertise zu klären. Es liegt also nahe, mit der Definition von Expertise zu beginnen.

2.1 Definition von Expertise

Durchsucht man die einschlägige Literatur, das Internet oder Lexika nach dem Begriff „Expertise“ so wird man zwar recht schnell fündig, doch gibt es eine ganze Reihe von Definitionsansätzen, die man letztendlich in 3 Gruppen fassen kann.

Zum einen ist das der alltagspsychologische Ansatz nach Krems (1994), bei dem sich Expertise vor allem durch Eigenschaften wie hohe Effizienz, Genauigkeit, Wissen und Erfahrung auszeichnet. Ein anderer ist der differentialpsychologische Ansatz, bei dem man davon ausgeht, dass ein Experte einen Novizen auf einem bestimmten Gebiet regelmäßig in seiner Leistung übertrifft. Man spricht hierbei auch von einem „outstanding individual in domain“(Ericsson & Smith, 1991, S. 2). „Im Gegensatz zum Experten wird ein Novize als Person definiert, die in einer Domäne geringe Leistungsstärke aufweist. Diese Auffassung lässt die beiden Möglichkeiten offen, dass ein Novize hohe Leistungsstärke entweder noch nicht erreicht hat oder nicht erreichen kann“ (http://paeps.psi.uni-heidelberg.de/).

Expertise in einem Bereich wird hierbei vor allem über einen sozialen Vergleich bestimmt. Bei diesem Definitionsansatz werden die erbrachten Leistungen allein dem Individuum zugeschrieben. Problem dabei ist allerdings die Frage nach der Grenze zwischen Expertise und Novizenwissen. Diese Grenze wird meist willkürlich festgesetzt. Eine Studie von Chase und Ericsson (1982) befasste sich mit der Verbesserung des Zahlengedächtnisses durch eigenständiges Training, bis ein Novize um das 10-fache übertroffen wurde. Warum gerade das 10-fache und nicht das 8, 12 oder 20fache ist hier nicht zu beantworten.

Der dritte und gleichsam zweite, in der Expertiseforschung bedeutsame Ansatz, ist die wissenspsychologische Sichtweise.

„Aus wissenspsychologischer Sicht ist Expertise vor allem dadurch gekennzeichnet, dass umfangreiches und entsprechend organisiertes Wissen herangezogen wird, um komplexe Probleme zu bewältigen“ (vgl. http://paeps.psi.uni-heidelberg.de/), was auch als professionelles Wissen bezeichnet wird. Man geht davon aus, dass Expertise keine rein individuelle Spitzenleistung ist und sich nur unter Berücksichtigung des Wissens und der Erfahrung des Experten erklären lässt Dem wissenspsychologischen Ansatz sind die „klassischen Expertisestudien“ verpflichtet, eine davon ist die von Chi, Feltovich und Glaser (1981).

„In dieser Untersuchung zeigte sich, dass Novizen und Experten Physikprobleme unterschiedlich einordnen. Experten achteten vor allem auf die den Problemen zugrundeliegenden Strukturen. Sie ordneten die Probleme nach den physikalischen Prinzipien, die für die Problemlösung relevant sind (z.B. das Impulserhaltungsprinzip). Novizen hingegen achteten mehr auf Oberflächeneigenschaften. Sie sortierten Probleme nach Merkmalen, die in der Problemstellung beinhaltet waren (z.B. schiefe Ebene).“ (http://paeps.psi.uni-heidelberg.de/)

Bei der wissenspsychologischen Sicht steht die Beschreibung und Untersuchung des deklarativen und prozeduralen Wissens von Experten in einer Domäne im Vordergrund. Mehr dazu in Kapitel 2.4 - Expertise-Forschung.

2.2 Hochbegabung versus Expertise

Vergleichen wir die Definition von Hochbegabung, mit der der Expertise, so fällt auf, dass es einige Gemeinsamkeiten, allerdings auch etliche Unterschiede, vor allem im Bereich der Voraussetzungen, gibt.

Hochbegabung ist als „Ausdruck eines deutlichen Entwicklungsvorsprungs im geistig- intellektuellen, musisch-künstlerischen, sozialen oder motorischen Bereich“ definiert worden, die zu außerordentlichen Leistungen auf ihren Gebieten führen kann und zu etwa 50% genetisch vorbestimmt ist. Expertise hingegen setzt keine solche Hochbegabung voraus, um zu außerordentlichen Leistungen in einer Domäne zu gelangen. Bisweilen ist allerdings noch unklar, inwieweit basale Fähigkeiten das Ausgangsniveau, den Lernverlauf und das erreichbare Leistungsmaximum beeinflussen (vgl. Weinert, Schneider & Beck, 1991). Vielmehr spielt hier der Aspekt des so genannten „deliberate practice“, des zielgerichteten, reflektiven Übens nach Ericsson et al. (1993), sowie die 10-Jahres-Regel nach Chase und Simon (1973), eine Rolle. Hierbei gilt die Dauer und Intensität des Lernprozesses als entscheidend.

Die Relation zwischen wohldurchdachter Übung und Expertise erklären Ericsson et al. (2003) mit der sogenannten „monotonic benefits assumption“: „The amount of time an individual is engaged in deliberate practice activities is monotonically related to that individual’s acquired performance”.

Demnach steigt der Expertisegrad über langzeitige wohldurchdachte Übung kontinuierlich an. Eine mehrjährige wohldurchdachte Übung impliziert demnach folgende Erfordernisse bzw. Hindernisse (nach Ericsson et al., 2003):

1. Ressourcen: Ein Individuum benötigt ausreichend Zeit und Energie sowie Zugang zu Lehrern und Trainingsmaterialien. Auch die Eltern spielen hierbei eine nicht zu vernachlässgende Rolle. Sie können beispielsweise ihrem Kind eine bestimmte Aktivität wie etwa das Erlernen eines Instruments ermöglichen und es dabei langfristig unterstützen und begleiten.
2. Motivation: Das Engagement in wohldurchdachte Übung ist meist nicht sonderlich motivierend bzw. belohnend. Es dient zunächst nur dem instrumentellen Zweck der Performanzsteigerung. Hier können Lehrer oder Eltern gerade für Kinder oder Jugendliche eine wichtige Rolle spielen, indem sie diese in kürzeren Zeitabständen immer wieder zur Übung motivieren.
3. Anstrengung: Die wohldurchdachte Übung ist eine anstrengende Tätigkeit, welche über einen längeren Zeitraum hinweg täglich nur für eine begrenzte Zeit aufrecht erhalten werden kann, ohne dass sie zu Erschöpfung führt. Falls sich beispielsweise Sportler von ihren Trainingsanstrengungen nicht ausreichend erholen können, kann dies zu Übertraining oder sogar „burnout“ führen. (vgl. Reimann & Rapp, nach Ericsson, http://paeps.psi.uni-heidelberg.de/)

2.3 Repräsentation von Expertise

In Kapitel 1.1 haben wir uns mit den Definitionsansätzen von Expertise beschäftigt. Wie sich Expertentum allerdings zeigt, wurde bisher außen vor gelassen. Hiermit soll sich im Folgenden auseinander gesetzt werden.

Prinzipiell gibt es 3 Klassen der Repräsentation von Expertenwissen, die sich zwar prinzipiell ähneln, allerdings unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

2.3.1 Produktionssystemmodelle

Das Lösen von Problemen erfordert ein Zusammenspiel vielfältigen Wissens.

Man unterscheidet hierbei meist zwischen deklarativem Wissen, das Situationen oder Ereignisse beschreibt, und prozeduralem Wissen, das Operationen zur Nutzung und zum Erwerb von Wissen bereitstellt.

Bei diesem Modell erfolgt der Expertiseerwerb durch die Aneignung deklarativen Wissens in einem ersten Schritt und der Bildung bzw. Verbesserung von Produktionsregeln als zweiter Schritt. Letztere sind die s.g. Bedingungs-Aktions-Paare, d.h. „sie schreiben bestimmte Aktionen vor („Dann-Teil“), falls bestimmte Bedingungen gegeben sind („Wenn-Teil“)“ (Lagger & Ostermann, 2005).

Eine Theorie, die auf Grundlage dieser Produktionssysteme beruht, ist die von John Anderson vorgeschagene ACT-Theorie (Adaptive Character of Thought).

Nach dieser Theorie sind die elementaren Einheiten des deklarativen Gedächtnisses in Chunks (= sinnvolle (Merk)-Einheiten) repräsentiert, die in ihrer Größe begrenzt und hierarchisch organisiert sind. Die einzelnen Chunks sind mit Aktivierungswerten ausgestattet, die herangezogen werden, wenn es darum geht ob ein Chunk im nächsten Verarbeitungszyklus verwendet wird.

Auch die Produktionen sind mit einem Stärkeparameter versehen, wobei Produktionen mit höherem Stärkeparameter bevorzugt verwendet werden. Lernen wird einerseits modelliert durch die Anpassung der Stärkeparameter aufgrund von Erfahrung und andererseits durch Bildung neuer Produktionen, wenn die bisherigen Produktionen bei der Problemlösung versagen. Dieser Vorgang erfolgt durch Analogiebildung: Es wird nach Produktionen gesucht, die in früheren, ähnlichen Situation erfolgreich waren. Die Übergangsphase von deklarativem Wissen in prozedurales Wissen wird als Wissenskompilierung bezeichnet. Die Feinabstimmung des prozeduralen Wissens geschieht auf der Grundlage der drei Lernmechanismen: Generalisierung, Diskriminierung und Verstärkung (Lagger & Ostermann, 2005).

Ein Beispiel für Expertiseerwerb nach dem Produktionssystemmodell ist das 3-Phasen-Modell des Fertigkeitserwerbs nach Fitts und Posner (1967). In der ersten, der kognitiven Phase findet der Erwerb deklarativen Wissens über die zu erlernende Tätigkeit statt. In der zweiten, der assoziativen Phase, findet eine Transformation des deklarativen Wissens in prozedurales Wissen statt. Kognitive Prozesse beispielsweise laufen nun effizienter ab, was schnelleres Wiedererkennen ermöglicht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Expertise - Die aktuellen Entwicklungen und der Stand in der Expertiseforschung mit Bezug auf den Leistungssport
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (IfS Darmstadt)
Veranstaltung
PS Psychologie des Leistungssports
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V65941
ISBN (eBook)
9783638583633
ISBN (Buch)
9783638937726
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Expertise, Entwicklungen, Stand, Expertiseforschung, Bezug, Leistungssport, Psychologie, Leistungssports
Arbeit zitieren
Christina Neeb (Autor:in), 2006, Expertise - Die aktuellen Entwicklungen und der Stand in der Expertiseforschung mit Bezug auf den Leistungssport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65941

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