Ehrfurcht vor dem Alter wird in der traditionellen chinesischen Kultur hochgeschrieben. Ein fundamentales Prinzip ist dabei das Ideal der Kindespietät (xiào). Dieser Begriff umfasst die Pflichten, die man als Kind der älteren Generation und vor allem seinen eigenen Eltern schuldet. Dazu gehören unter anderem Respekt, Gehorsam, Loyalität und lebenslange Fürsorge.
Die Volksrepublik China machte jedoch im 20. Jahrhundert einige grundlegende Wandlungen durch. Es ist anzunehmen, dass Kommunismus, Kulturrevolution und die Reformen seit den achtziger Jahren einen Einfluss auf Werte und Familienstrukturen hatten und dass sich deshalb auch die Bedeutung der Kindespietät gewandelt hat.
In dieser Arbeit werde ich der Frage nachgehen, welche Rolle das Ideal der Kindespietät im heutigen, urbanen China einnimmt.
Folgt man der Argumentation von Modernisierungstheoretikern (z.B. Goode 1967), so kann man annehmen, dass mit dem Einzug des Kapitalismus und der zunehmenden Öffnung gegenüber dem Westen seit den achtziger Jahren die traditionellen Werte an Einfluss verloren haben. Auf der anderen Seite rechnen einige Autoren jedoch wegen dem Rückzug des Staates in den letzten Jahren mit einem Wiedererstarken dieser Werte (Davis und Harrell 1993: 5-6, Whyte 1997: 23).
Welche der beiden Annahmen eher zutrifft, werde ich anhand der folgenden Punkte zu beantworten versuchen:
1. Wie wird das Ideal der Kindespietät von der jungen Generation Chinas bewertet?
2. Hat die Kindespietät einen Einfluss auf den Anteil der Mehrgenerationenhaushalte in China?
3. Wie gross ist die intergenerationelle Unterstützung in China und welche Rolle spielt dabei die Kindespietät?
Die Unterschiede zwischen urbanen und ruralen Gebieten im heutigen China sind immens. Da die verschiedenen Lebensumstände kaum miteinander verglichen werden können, beschränke ich mich bei dieser Arbeit auf die urbanen Gebiete, die viel stärker von Modernisierung und Industrialisierung betroffen sind als ländliche Gebiete.
Ich werde mit einem Beschrieb des Ideals der Kindespietät beginnen. Im 2. Kapitel werde ich auf die Umwälzungen, die China im 20. Jahrhundert durchgemacht hat, eingehen. Danach folgt der Hauptteil, in dem ich unter den drei obengenannten Aspekten die Rolle der Kindespietät im heutigen China untersuchen werde.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DAS TRADITIONELLE IDEAL DER KINDESPIETÄT
- CHINA IM 20. JAHRHUNDERT
- KINDESPIETÄT IM MODERNEN CHINA
- Die Bewertung der Kindespietät durch die junge Generation Chinas
- Der Anteil der Mehrgenerationenhaushalte
- Intergenerationelle Unterstützung
- FAZIT UND AUSBLICK
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Rolle des Ideals der Kindespietät im heutigen, urbanen China und analysiert, ob und inwieweit dieses traditionelle Prinzip in der modernen Gesellschaft erhalten geblieben ist.
- Bewertung der Kindespietät durch die junge Generation Chinas
- Einfluss der Kindespietät auf den Anteil der Mehrgenerationenhaushalte
- Intergenerationelle Unterstützung und die Rolle der Kindespietät
- Veränderungen in den Familienstrukturen durch Modernisierung und Industrialisierung
- Vergleich von traditionellen und modernen Werten in China
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt das Konzept der Kindespietät in der traditionellen chinesischen Kultur vor und führt die zentralen Forschungsfragen der Arbeit ein. Die Autorin untersucht die Auswirkungen der Modernisierung auf die Bedeutung der Kindespietät in China und skizziert den Forschungsansatz.
- Das traditionelle Ideal der Kindespietät: Dieses Kapitel analysiert die historische und kulturelle Bedeutung der Kindespietät in China, beleuchtet die zentralen Aspekte dieses Konzepts und zeigt die enge Verbindung zur konfuzianischen Philosophie auf. Die Bedeutung der Familie und die Rolle der Eltern in der traditionellen chinesischen Gesellschaft werden ebenfalls diskutiert.
- China im 20. Jahrhundert: Dieses Kapitel skizziert die bedeutenden politischen und sozialen Umwälzungen, die China im 20. Jahrhundert durchmachte. Die Auswirkungen von Kommunismus, Kulturrevolution und den Reformen seit den achtziger Jahren auf die chinesische Gesellschaft werden beschrieben.
- Kindespietät im modernen China: Dieser Abschnitt untersucht die Rolle der Kindespietät in der heutigen urbanen Gesellschaft Chinas, wobei die Autorin die drei Hauptaspekte der Forschungsfragen behandelt: Bewertung der Kindespietät durch die junge Generation, Einfluss auf Mehrgenerationenhaushalte und die Bedeutung der intergenerationellen Unterstützung.
Schlüsselwörter
Kindespietät, traditionelle chinesische Kultur, Konfuzianismus, Modernisierung, Urbanisierung, Familienstrukturen, Mehrgenerationenhaushalte, Intergenerationelle Unterstützung, soziale Veränderungen, Wertewandel.
- Quote paper
- Sarah Brügger (Author), 2004, Kindespietät im urbanen China des 20. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66002