Schon lange gibt es nicht mehr nur das autonome menschliche Subjektbild, sondern auch die Frage nach der Determinierung und der Konstruktion des Menschen, der menschlichen Identität und der Wirklichkeit: Inwiefern ist es möglich, sich selbst zu bestimmen? Ist es nicht vielmehr so, dass jede Identität bereits vorgegeben ist durch Gesellschaft, Bestimmungen, Sprache? Das menschliche Subjekt wird in diesem Denken dezentralisiert und verdrängt – so spricht Michel Foucault von dem Diskurs, der „die Macht, deren man sich zu bemächtigen sucht“, darstellt. Wie
bei Judith Butler ist es hier der Diskurs, der wuchert, der dem Menschen bereits vorausgeht, Bedeutungen zuweist und dem Menschen so seine Zentralstellung nimmt. Sie spricht von politischen Kategorien, die durch Sprache erzeugt werden.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dieser Frage nach der Konstruktion von Identität. Der autonome Mensch wird bezweifelt und es soll die Frage gestellt werden: Inwiefern ist das menschliche Subjekt gesellschaftlich, sprachlich und kulturell determiniert und erzeugt? Ist eine eigene Identität überhaupt möglich? Grundlage zur Bearbeitung dieses Themas sind zum einen die Ausführungen Judith Butlers und zum anderen das Buch „Lust“ von Elfriede Jelinek. Die Sprache erhält hier auf zwei Arten Bedeutung: Performativ konstituiert sie bei Judith Butler den Menschen – die Identität entsteht durch Sprache. Elfriede Jelinek spielt wiederum nicht nur mit der Schaffung von Identität durch die Gesellschaft, sondern auch mit der Sprache, die sie einsetzt – so erschafft sie Figuren.
Thematisiert wird bei beiden Autorinnen vor allem die Frau als Kategorie der Gesellschaft, deren Natürlichkeit in Frage gestellt wird. Diese Arbeit soll sich deshalb vor allem auf die Gender- Diskussion beziehen, also die Relativität der Geschlechter aufzeigen. Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Sprachphilosophie – John L. Austin und Judith Butler werden als Sprachphilosophen herangezogen. Im zweiten Teil der Arbeit wird anschließend unter Berücksichtigung der sprachphilosophischen Eindrücke das Buch „Lust“ von Elfriede Jelinek auf die Identität, den Charakter „Frau“ hin untersucht: Wie wird die Geschlechtertrennung und die Identitätskritik literarisch verarbeitet? Dem übergeordnet steht die Frage nach der Möglichkeit einer Persönlichkeit und Identität im Raum: Kann der Mensch sich selbst bestimmen oder ist das menschliche Subjekt ganz und gar gesellschaftlich und diskursiv erzeugt?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die performative Erschaffung von Identität in der Sprachphilosophie
- 2.1 Handeln durch Worte: Austins Theorie der Performativität
- 2.2 Performanz, Anrufung, Konstitution: Judith Butlers sprachphilosophischen Erkenntnisse zur Macht der Sprache
- 2.3. Die Identität der Geschlechter: Butlers Ansätze zu Sex und Gender
- 3. Die kulturell-sprachliche Erzeugung der Identität „Frau“ in Elfriede Jelineks „Lust“
- 3.1 Die Frau als Ehefrau und Sexualobjekt konstituiert durch den Mann
- 3.2 Die Performanz in Elfriede Jelineks Sprache
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Konstruktion von Identität, insbesondere von Geschlecht, im Kontext der Sprachphilosophie und Literatur. Sie hinterfragt die Annahme eines autonomen Subjekts und beleuchtet den Einfluss von Gesellschaft, Sprache und Kultur auf die Identitätsbildung. Die Arbeit analysiert die Theorien von Judith Butler und die literarische Darstellung in Elfriede Jelineks „Lust“, um die performative Erschaffung von Identität zu ergründen.
- Performativität von Sprache und Identitätskonstruktion
- Judith Butlers Theorie von Sex und Gender
- Die Darstellung der „Frau“ als gesellschaftliche Kategorie in Elfriede Jelineks Werk
- Der Einfluss von Sprache auf die Konstitution von Wirklichkeit und Geschlecht
- Die Frage nach der Möglichkeit einer autonomen Identität
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Identitätskonstruktion ein und stellt die zentrale Frage nach dem Verhältnis von individuellem Selbst und gesellschaftlichen, sprachlichen und kulturellen Determinanten. Sie präsentiert die theoretischen Grundlagen der Arbeit, die in den sprachphilosophischen Ansätzen von Judith Butler und der literarischen Darstellung in Elfriede Jelineks „Lust“ liegen. Der Fokus liegt auf der kritischen Auseinandersetzung mit dem autonomen Subjektbild und der Untersuchung der performativen Aspekte von Sprache bei der Identitätsbildung, insbesondere im Hinblick auf die Konstruktion von Geschlecht.
2. Die performative Erschaffung von Identität in der Sprachphilosophie: Dieses Kapitel untersucht die sprachphilosophischen Grundlagen der Identitätskonstruktion. Es beginnt mit einer Erörterung von John L. Austins Sprechakttheorie und der Performativität von Sprache, also der Fähigkeit von Worten, Handlungen auszuführen. Anschließend wird Judith Butlers Theorie vorgestellt, die die performative Konstitution von Identität, insbesondere von Geschlecht (gender) im Kontext von biologischem Geschlecht (sex) und Heterosexualität, in den Mittelpunkt stellt. Butlers Arbeiten zeigen, wie sprachliche und gesellschaftliche Praktiken die Kategorien von Geschlecht erzeugen und aufrechterhalten.
3. Die kulturell-sprachliche Erzeugung der Identität „Frau“ in Elfriede Jelineks „Lust“: Dieses Kapitel analysiert Elfriede Jelineks Roman „Lust“ im Lichte der vorangegangenen sprachphilosophischen Diskussion. Es untersucht, wie Jelinek die Konstruktion der „Frau“ als gesellschaftliche Kategorie und Sexualobjekt literarisch darstellt und kritisiert. Der Fokus liegt auf der Analyse der Sprache Jelineks und deren Rolle bei der Schaffung und Dekonstruktion von Identitäten. Die Kapitel erforschen die Performanz in Jelineks Werk und wie die sprachliche Gestaltung die Wahrnehmung und Konstitution der weiblichen Identität beeinflusst.
Schlüsselwörter
Identität, Sprachphilosophie, Performativität, Judith Butler, Elfriede Jelinek, Geschlecht (Gender), Sex, Heterosexualität, „Lust“, Identitätskonstruktion, Diskurs, Macht, Gesellschaft, Kultur.
Häufig gestellte Fragen zu: Performative Identitätskonstruktion in Elfriede Jelineks "Lust"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Konstruktion von Identität, insbesondere von Geschlecht, im Kontext der Sprachphilosophie und der Literatur. Sie analysiert, wie Sprache und gesellschaftliche Praktiken zur Identitätsbildung beitragen und hinterfragt die Annahme eines autonomen Subjekts.
Welche theoretischen Ansätze werden verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf die sprachphilosophischen Theorien von Judith Butler und die literarische Darstellung in Elfriede Jelineks Roman "Lust". Der Fokus liegt auf Butlers Konzept der Performativität und der Frage, wie Sprache und Diskurs Identitäten (insbesondere Geschlechtsidentitäten) konstituieren.
Welche Rolle spielt Judith Butlers Theorie?
Butlers Theorie der Performativität ist zentral. Die Arbeit erörtert Butlers Konzept von Sex und Gender und wie sprachliche und gesellschaftliche Praktiken die Kategorien von Geschlecht erzeugen und aufrechterhalten. Es wird untersucht, wie Butlers Ansätze zur Analyse von Jelineks Werk beitragen.
Wie wird Elfriede Jelineks "Lust" in die Analyse einbezogen?
Jelineks "Lust" dient als Fallstudie, um die theoretischen Ansätze praktisch anzuwenden. Die Analyse konzentriert sich darauf, wie Jelinek die Konstruktion der "Frau" als gesellschaftliche Kategorie und Sexualobjekt literarisch darstellt und kritisiert. Die sprachliche Gestaltung des Romans und deren Einfluss auf die Wahrnehmung und Konstitution der weiblichen Identität werden untersucht.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Zentrale Themen sind Performativität von Sprache, Identitätskonstruktion, Butlers Theorie von Sex und Gender, die Darstellung der "Frau" in Jelineks Werk, der Einfluss von Sprache auf die Konstitution von Wirklichkeit und Geschlecht, sowie die Frage nach der Möglichkeit einer autonomen Identität.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit besteht aus einer Einleitung, einem Kapitel zur performativen Identitätskonstruktion in der Sprachphilosophie (mit Unterkapiteln zu Austin und Butler), einem Kapitel zur Analyse von Jelineks "Lust" und einem Fazit. Jedes Kapitel wird in der Zusammenfassung der Kapitel detaillierter beschrieben.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Identität, Sprachphilosophie, Performativität, Judith Butler, Elfriede Jelinek, Geschlecht (Gender), Sex, Heterosexualität, "Lust", Identitätskonstruktion, Diskurs, Macht, Gesellschaft, Kultur.
Welche Forschungsfrage steht im Mittelpunkt?
Die zentrale Forschungsfrage ist: Wie wird Identität, insbesondere die Geschlechtsidentität, durch Sprache und gesellschaftliche Praktiken performativ konstruiert, und wie lässt sich dies anhand von Elfriede Jelineks "Lust" und Judith Butlers Theorie veranschaulichen?
- Arbeit zitieren
- Daniela Steinert (Autor:in), 2006, Identität in Sprachphilosophie und Literatur: Die Konstitution von Wirklichkeit und Geschlecht bei Judith Butler und Elfriede Jelinek, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66177