Japan und die Nullzinsgrenze


Seminararbeit, 2006

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1) Einführung in die Problematik

2.) Die Theorie der Nullzinsgrenze
2.1) Die Klassische Konzeption der Liquiditätsfalle
2.2) Die Neuinterpretation nach Krugman unter Berücksichtigung erwartungstheoretischer und intertemporaler Aspekte
2.3) Kritische Betrachtung des Modells Krugman’s

3.) Japans makroökonomische Situation in den Neunziger Jahren, Gründe für die Krise und die Reaktionen der Bank of Japan
3.1) Wachstumsschwäche, das Platzen der Spekulationsblase und die Krise der Banken
3.2) Das Ungleichgewicht zwischen Sparen und Investitionsnachfrage
3.3) Wechselkursbedingte Argumentation der Krise
3.4) Kritische Betrachtung der geldpolitischen Reaktionen der Bank of Japan und die Diskussion über die tatsächliche Existenz einer Liquiditätsfalle

4.) Alternative geldpolitische Möglichkeiten unter der Nullzinsgrenze
4.1) Einsatz der Reputation der Notenbank - Inflation- und Price-Level-Targeting
4.2) Ausweitung der monetären Basis und Offenmarktpolitik unter Ausnutzung des Portfolio- und Kreditkanals
4.3) Negative Normalzinsen durch Besteuerung von Geld
4.4) Der Wechselkurs als geldpolitisches Instrumentarium
4.5) Fiskalpolitische Möglichkeiten

5.) Ausblick

Literaturverzeichnis:

Abbildungsverzeichnis:

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1) Einführung in die Problematik

Die Problematik einer unteren Grenze der nominellen Zinsen, bei der die Geldpolitik mit ihren herkömmlichen Instrumentarien nicht mehr in der Lage ist auf die wirtschaftliche Entwicklung der Ökonomie Einfluss zu nehmen, schien Anfang der Neunziger Jahre in der wissenschaftlichen Diskussion keine Rolle mehr zu spielen. Dies änderte sich jedoch nachdem Japan in ein Depressionsumfeld aus Deflation und Rezession geriet und selbst Reposätze nahe null die Volkswirtschaft nicht wiederbeleben konnten. Angesichts dieser Situation wurde die Theorie der Liquiditätsfalle, sowie die Anwendung unkonventioneller geldpolitischer Lösungsvorschläge wieder intensiver diskutiert.

Nach der Einführung in die klassische Theorie der Nullzinsgrenze und der Vorstellung eines moderneren Ansatzes von Krugman (Gliederungspunkt 2), wird in diesem Papier auf die wirt- schaftliche Entwicklung Japans in den Neunzigern, mögliche Gründe für Krise und die Reak- tionen der Bank of Japan (BoJ) eingegangen (Gliederungspunkt 3). Danach werden die in der Wissenschaft diskutierten und vorgestellten alternativen Lösungsmöglichkeiten zur Überwin- dung des deflationären Umfelds unter der Restriktion der Nullzinsgrenze vorgestellt (Gliede- rungspunkt 4). Beendet wird die Arbeit mit einem Blick auf die aktuelle Situation Japans und einem wirtschaftspolitischen Ausblick.

2.) Die Theorie der Nullzinsgrenze

2.1) Die Klassische Konzeption der Liquiditätsfalle

Das klassische Konzept einer absoluten Untergrenze des nominalen Zinssatzes geht auf J.M Keynes zurück, der diesen Spezialfall der Geldtheorie als erster ansprach. Die Geldnachfrage ist nach Keynes abhängig von der Liquiditätspräferenz der Wirtschaftssubjekte. Die Zinselastizität ist dabei wie folgt definiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hat der Nominalzins seine Untergrenze erreicht, wird die in (1) beschriebene Zinselastizität der Geldnachfrage unendlich elastisch (Abbildung 1). Die Akteure der Volkswirtschaft erwar- ten daher zukünftig steigende Zinsen und folglich sinkende Wertpapierkurse.1 In dieser Situa- tion, in der der Nominalzins bei Null oder nahe Null angelangt ist, sind somit Wertpapiere und Geld für die Wirtschaftssubjekte perfekte Substitute. Die Geldpolitik verfügt in dieser keynesschen Liquiditätsfalle gemäß der klassischen Lehrbuchansicht über keinerlei expansive Gestaltungsmöglichkeiten mehr, da zusätzliche Liquidität immer weiter gehalten wird und keine wirtschaftlich belebenden Impulse erzeugen kann.2 Diese Situation kann zudem noch durch die Tatsache verschlimmert werden, dass der Realzins, bei auf Null beschränkten No- minalzinsen, durch deflationäre Schocks erhöht wird.3 Dadurch kann eine Rezession sowohl ausgelöst, als auch vertieft werden. Dieses Dilemma wurde insbesondere an der Situation Ja- pans in der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre deutlich, in der sich die japanische Volkswirt- schaft in einem Teufelskreis aus Rezession, Nullzinsen und Deflation befand.4 Dieses auf Keynes basierende Grundkonzept der Liquiditätsfalle kommt auch in dem von J.R. Hicks entwickelten IS-LM Modell zum Ausdruck. Hicks’ Formulierung der Liquiditätsfalle basiert auf der Vorstellung, dass der kurzfristige Nominalzins nicht negativ werden kann und dass der langfristige Zinssatz durch die Erwartungen über den zukünftigen Wert der kurzfris- tigen Zinsen zuzüglich einer Risikoprämie beeinflusst wird. Hicks zeigt zudem auf, dass in einer Phase der wirtschaftlichen Rezession mit fallenden Preisen die Zentralbank nicht in der Lage ist die Volkswirtschaft über den Zinsmechanismus zu stabilisieren. Grund dafür ist, wie bereits beschrieben, der untere Korridor der Nominalzinsen.5 Wird das Geldangebot seitens der Zentralbank erhöht verschiebt sich die LM Kurve zwar nach rechts, der horizontale Teil bleibt allerdings bestehen, so dass der Zinssatz nicht weiter reduziert werden kann (Abbildung 2). Würde die IS-Kurve die LM-Kurve in ihrem rechten, vertikal verlaufenden Teil schneiden, so könnte die Beschäftigung durch die Zentralbank erhöht werden. Liegt der Schnittpunkt jedoch im linken, horizontalen Bereich ist diese Möglichkeit nicht gegeben,6

2.2) Die Neuinterpretation nach Krugman unter Berücksichtigung erwartungstheoretischer und intertemporaler Aspekte

Die von Krugman in seinem 1998 veröffentlichten Artikel aufgestellte These, dass sich die japanische Volkswirtschaft in einer Liquiditätsfalle befinde, in der sie möglicherweise noch Jahre verharren müsse, löste nicht nur bei den Offiziellen der BoJ heftige Reaktionen aus. Der Artikel stieß auch außerhalb Japans bei geldpolitischen Entscheidungsträgern und Aka- demikern auf Interesse und teilweise Unterstützung.7 Diese Aussage Krugmans steht im Ge- gensatz zu seiner früheren Ansicht nach der eine Liquiditätsfalle nur auf Grund der Inkon- sistenz des IS-LM Modells auftreten könne.8 In seiner neuen Schlussfolgerung geht er hinge- gen davon aus, dass die Liquiditätsfalle durch ein Glaubwürdigkeitsproblem hervorgerufen wird. Der neue Grundgedanke besteht in der Annahme der Marktakteure, dass die Zentralbank eine Politik der Preisstabilität verfolgt, wodurch eine gegenwärtige monetäre Expansion in einer „liquididty trap“ Situation lediglich als vorübergehend angesehen wird. Eine expansive Fiskalpolitik als alleinige Lösungsmöglichkeit muss daher überdacht werden, da die Geldpolitik durch das glaubwürdige Versprechen ein höheres zukünftiges Preisniveau zuzulassen die verloren gegangene Wirkungskraft zurück erlangen kann.9

Ausgangspunkt von Krugmans Überlegungen ist eine ein Gut Ökonomie, in der die Marktteilnehmer ihre Konsumausgaben durch Geld finanzieren. Die von ihnen maximierte Nutzenfunktion ist folgende:

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wobei c den Konsum in einer Periode, ȡ die relative Risikoaversion und D den Diskontfaktor darstellt.10 Die monetäre Seite wird durch die „cash-in-advance-constraint“ beschränkt:

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Diese wird dadurch bindend, dass unter Abwesenheit von Unsicherheit und einem positiven Nominalzins zusätzlich benötigte oder überschüssige Liquidität auf einem „Geld-für- Wertpapiere“ Markt getauscht wird. Formel (3) gleichgesetzt ergibt die LM-Kurve. Die IS- Kurve wird durch die Euler Gleichung für Konsum, Nominalzinsen und Preise definiert:11

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Aus Gleichung (4) folgt, dass ein Anstieg des gegenwärtigen Preisniveaus zukünftige Deflati- onserwartungen bedingt und bei einem gegebenen „natürlichen“ Realzins zu einer Reduzie- rung des Nominalzinses führt. Dadurch ist auch der inverse Verlauf der IS-Kurve zu erklären (Abbildung 3).12

Ausgehend von einem durch den Schnittpunkt der IS- und LM-Kurve bestimmten Gleichge- wicht in Punkt 1, führt eine mittels Offenmarkt-Transaktionen durchgeführte Erhöhung des Geldangebotes in Periode 1 zu einem Anstieg des Preislevels und einer Senkung des Zinses (Bewegung hin zu Punkt 2). Dies ist solange möglich bis die Untergrenze des nominalen Zinssatzes erreicht ist. Eine zusätzliche Erhöhung der Geldmenge hat dann auf Grund der Nullzinsgrenze keine weiteren Auswirkungen mehr, da Bonds ansonsten durch Geld domi- niert werden würden. Ein Anstieg des Geldangebotes über Punkt 2 hinaus würde also dazu führen, dass die überschüssige Liquidität gegen die von der Notenbank in der Offenmarkt- Transaktion ausgegebenen Zero Bonds getauscht werden. In dieser Situation ist die „cash-in- advance-constraint“ nicht mehr bindend, so dass die LM-Kurve irrelevant wird und die Volkswirtschaft in ihrem bisherigen Punkt verharrt.13

Dadurch dass langfristig sowohl das Geldangebot, als auch das Preisniveau fix sind, verrin- gert sich bei einer Ausweitung der Geldmenge durch die Zentralbank das zukünftig erwartete Geldmengenwachstum und damit auch die erwartete Inflationsrate. In diesem Modell mit Vollbeschäftigung hat die Volkswirtschaft somit eine maximale Deflationsrate. Ist das mo- mentane Geldangebot im Vergleich zum zukünftigen so groß, dass der Nominalzins null ist, so muss der reale Zinssatz negativ sein und das Preisniveau unter seinen langfristigen Wert fallen. Seitens der Marktteilnehmer wird dann ein steigendes Preisniveau erwartet.14

Geht man nun jedoch von dem realistischeren Fall einer relativen Rigidität der Preise aus, so hat das Bedürfnis der Volkswirtschaft nach Inflation eine Rezession zur Folge, die selbst durch eine Nullzinspolitik nicht zu bewältigen ist.15 Angenommen das Preisniveau ist gegeben und das Konsumgut wird in Periode 1 mit einer maximalen Produktionskapazität von yf hergestellt, dann passt sich der Output den Konsumbedürfnissen an, und es ergibt sich für die den realen Output bestimmende IS-Kurve folgende Bedingung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Ausweitung des Geldangebotes kann nun den Output bis Punkt 2 erhöhen (Abbildung 4). Liegen die Produktionsmöglichkeiten jedoch bei Punkt 3, so gilt die gleiche Argumentation wie im Modell mit flexiblen Preisen. Eine weitere Ausweitung der Geldmenge bleibt auf Grund der Nullzinsgrenze wirkungslos.16 Diese Hickssche Liquiditätsfalle kann nun laut Krugman durch Deflationserwartungen seitens der Bevölkerung zustande kommen, so dass selbst ein nomineller Zins von Null zu einem hohen Realzins führt. Eine andere Erklärung wäre, dass ein niedrigeres zukünftiges Einkommen erwartet wird, so dass die Sparquote im Vergleich zu den Investitionen zu hoch ist und es eines negativen Realzinses bedürfe, um den Konsum anzuregen. Bei nach unten rigiden Preisen ist dies jedoch nicht möglich.17

Diese Beziehung soll anhand eines Modells überlagernder Generationen einer Volkswirtschaft ohne Kapital nur mit Boden ausgestattet verdeutlicht werden. Annahmegemäß konsumiert die jüngere Generation in Periode 1 nicht, sondern verwendet ihr gesamtes Einkommen zum Kauf

von Land von den Älteren. Daraus folgt:

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Die erwartete Rendite des Bodenerwerbs ist daher definiert als:

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Ein abnehmendes demographisches Wachstum, das mit einem Schrumpfen des Arbeitskräftepotentials verbunden ist, führt folglich zu einem Rückgang des realen Bodenpreises. Dadurch kann der reale Zinssatz bei gleichwohl positivem Grenzprodukt negativ sein.18

2.3) Kritische Betrachtung des Modells Krugman’s

Wilson kritisiert an Krugman’s Modellen, dass es mit ihnen kaum möglich sei zu klären, ob die Problematik einer Liquiditätsfalle auch in einer real existierenden Ökonomie auftreten könne. Grund dafür sei, dass in den meisten Modellen relevante Parameter, wie beispielsweise Investitionen, Sparen oder Bevölkerungswachstum fehlen würden. Dadurch kämen manche Schlussfolgerungen nur auf Grund von Annahmen zustande.19

Sumner wirft Krugman hingegen vor, dass sein Ansatz nicht dazu geeignet sei eine konventionelle Liquiditätsfalle20 zu analysieren, da bei ihm für die BoJ durchaus die Möglichkeit bestünde die Wirtschaft über geldpolitische Maßnahmen zu stabilisieren.21 Dominguez kritisiert insbesondere das Modell flexibler Preise, da in dieser Situation eine Liquiditätsfalle in terms of output kaum negative Auswirkungen mit sich bringt. Zudem sei eine Stabilisierungspolitik innerhalb einer reinen Ausstattungsökonomie nur schwer vorstellbar. Auch eine negative Ertragsrate sei in einem Modell mit im Gegensatz zu Krugman endogen bestimmten Tobinschen q nicht sehr einfach zu implementieren.22

Rogers wirft Krugman vor nicht klar zwischen den Kapitalkosten und der Kapitalrendite zu unterscheiden. Zudem würde der Vorschlag negative Kapitalkosten als Ausgleich der negativen Grenzleistungsfähigkeit ökonomisch wenig Sinn machen. Er fordert daher, dass die japanische Ökonomie ein positives Tobinsches q benötigt.23

3.) Japans makroökonomische Situation in den Neunziger Jahren, Gründe für die Krise und die Reaktionen der Bank of Japan

3.1) Wachstumsschwäche, das Platzen der Spekulationsblase und die Krise der Banken

Japan war nach dem 2. Weltkrieg eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Bis zur ersten Ölkrise 1973 waren die Wachstumsraten extrem hoch und selbst danach in der Zeit von 1973 bis 1990 lag Japans Durchschnittswachstum über dem der meisten O- ECD Staaten. (Abbildung 5).24 In Verbindung mit relativ niedrigen Zinsen (siehe Abbildung 6) führte dies zu einer gelockerten Kreditvergabe, so dass der Anteil der Bankkredite am BIP anstieg und Japans Wachstum unterstützte.25

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die japanische Volkswirtschaft Ende der Achtziger kla- re Anzeichen für eine beginnende Überhitzung zeigte. Das BIP Wachstum lag bei etwas mehr als sechs Prozent pro Jahr und die Inflationsrate - ausgedrückt durch die Steigerung des CPI - erreichte fast vier Prozent (Abbildung 7).26 Zusätzlich verschärfend wirkte die Vermögens- wert- und Aktienblase. Der japanische Nikkei 225 Aktien Index erhöhte sich ausgehend von einem Stand bei 6.000 Punkten 1980 auf fast 40.000 Punkte neun Jahre später. Auch die Im- mobilienpreise verdoppelten sich innerhalb von zehn Jahren. Das Platzen dieser Spekulati- onsblase Anfang der Neunziger erzeugte somit einen starken deflationären Impuls. Der Nik- kei verlor in den ersten neun Monaten 1990 ca. 50 Prozent und fiel auf fast 8.000 Punke im Jahr 2003 zurück. Auch die Grundstückspreise erreichten 2003 nahezu wieder ihr Ausgangs- niveau von 1980. Sie hatten dabei ausgehend von ihrem Spitzenwert 1989 einen Wertverlust von ungefähr 45 Prozent zu verzeichnen, bei gewerblich genutzten Immobilien waren es sogar 60 Prozent, wobei die Verluste in Ballungszentren noch größer ausfielen.27 Das Auftreten dieser Spekulationsblase wurde durch eine zu lockere Geldpolitik, steuerliche Verzerrungen und Finanzderegulierungen begünstigt. Anstatt das Hauptaugenmerk auf die Stabilisierung der Vermögenspreise zu legen, gab die BoJ einer Stabilisierung des Yen mehr Gewicht. Dar- aus resultierte, dass der Diskontsatz erst ab Mai 1989 kontinuierlich erhöht wurde.28 Obwohl um eine Stabilisierung des Wechselkurses bemüht, konnte die BoJ nicht verhindern, dass der Yen gegenüber dem Dollar zur selben Zeit stark aufwertete, wodurch die Wettbewerbsfähig- keit importierter Güter zunahm.29

Auf der real ökonomischen Seite führte die in den Neunziger Jahren anhaltende Wachstums- schwäche unter anderem zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf für Japan ungewöhnlich hohe fünf Prozent (Abbildung 8) und einer Staatsverschuldung die 2005 bei über 150 Prozent des BIP lag.30 Der große Wohlfahrtsverlust - laut OECD zwischen 1989 und 1997 ca. das Zweifache des jährlichen BIPs - wurde zu 50 Prozent von den privaten Haushalten getragen, so dass die Konsumausgaben stark sanken.31 Der Zusammenbruch der Spekulationsblase hat- te auch negative Auswirkungen auf das gesamte japanische Bankensystem. Auf Grund des Preisverfalls von Immobilien kam es zu einer raschen Verschlechterung der Kreditqualität im Immobiliensektor. Zudem begannen die zur Deckung der Kredite hinterlegten Sicherheiten zu erodieren. Drittens wurde ein Rückgang der Vermögenswerte der Banken ausgelöst, wodurch sich bankenseitig der Druck auf das Eigenkapital erhöhte, verstärkend wirkte die Implemen- tierung der Basel II Eigenkapitalrichtlinien. Die Wachstumsschwäche verringerte zudem die Rückzahlungsfähigkeit vieler Schuldner und verschärfte die bereits angespannte Situation, so dass viele Banken in eine finanzielle Notlage gerieten.32

Inwieweit die Bankenkrise jedoch für die Stagnation der Volkswirtschaft mitverantwortlich ist, ist in der Literatur nicht unumstritten. Die Ansichten reichen von einer völligen Vernei- nung bis hin zur klassischen Lehrbuchansicht, dass die Bankenproblematik Kreditrestriktio- nen mit negativen Folgen für Beschäftigung und Investitionen bewirkte.33 Auffallend ist jedoch, dass sich das Bankensystem nicht rehabilitieren konnte und es den An- schein hatte als wolle die Krise nicht enden. Den Grund dafür sieht McKinnon dabei weniger in den Altlasten schlecht gewordener Kredite. Seine Argumentation zielt darauf ab, dass es für die Banken durch die nahe null gehaltenen Zinsraten selbst bei niedrigem Ausfallrisiko unpro- fitabel geworden ist neue Kredite zu vergeben. Der niedrige Zinsaufschlag hinderte die Ban- ken somit daran sich zu refinanzieren und dämpfte weiter die gesamtwirtschaftliche Nachfra- ge.34 Mitte 1994 verzeichnete die japanische Volkswirtschaft Anzeichen einer leichten Erho- lung. In den Augen vieler wirtschaftspolitischer Entscheidungsträger rechtfertigte dies weitere stimulierende Impulse einzustellen. Rückblickend war dieser Aufschwung jedoch sehr schwach, weshalb er auch durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Asienkrise 1997 unterbrochen wurde. 1995 wurden die CPI Inflation erstmals negativ. Kurzen positiven Pha- sen in 1996 und 1997 folgte eine dauerhafte Deflation seit September 1999 bis Ende 2004 (Abbildung 11).35

3.2) Das Ungleichgewicht zwischen Sparen und Investitionsnachfrage

Ein weiterer Grund, der für die lang anhaltende Krise Japans mitverantwortlich ist, sind die zunehmend pessimistischen Erwartungen bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Volkswirtschaft. Dies schlug sich wiederum in dem Auftreten eines Ungleichgewichts von Ersparnis und Investitionsnachfrage nieder.36 Japans Sparquote gehört mit zu den höchsten in der Welt und lag im Jahr 2000 bei 31 Prozent ausgedrückt als Anteil am BIP.37 Dem standen das wachsende heimische Haushaltsdefizit und ein beträchtlicher Leistungsbilanzüberschuss gegenüber. Gegen Ende der Neunziger absorbierten beide dennoch im Vergleich zur Höhe der Sparquote „nur“ sechs bzw. zwei Prozent ausgedrückt als BIP Anteil.

Daraus ergeben sich zwei Probleme: Zum einen sind einer weiteren Expansion des Budgetde- fizit und des Leistungsbilanzüberschusses Grenzen gesetzt, zum anderen wurde ein Teil der Staatsausgaben für ineffiziente Infrastrukturinvestitionen und Steuersenkungen, die wiederum von den privaten Haushalten größtenteils gespart wurden, verwendet. Entsprechend blieben stimulierende Impulse für die Wirtschaft aus.38 Japan befand sich somit in einer Situation, in der die Ersparnis die geplanten Investitionsausgaben des privaten Sektors überstieg. In einer offenen Volkswirtschaft ist es möglich die überzählige Ersparnis in Form von Exportüber- schüssen auszugleichen. Dazu bedarf es aber einer Abwertung des realen Wechselkurses. Ist dies nicht möglich, bspw. weil Investoren eine zukünftige Aufwertung erwarten, da Handels- überschüsse nicht unbegrenzt auftreten können39, resultiert der Ersparnisüberschuss in einem Rückgang der heimischen Nachfrage.40

Eine weitere Möglichkeit Überschüsse abzubauen besteht darin sie im Ausland zu investieren. Problematisch dabei ist aber, dass sogar bei perfekter Kapitalmobilität der Anteil der nicht- handelbaren Güter und Dienstleistungen bei großen Volkswirtschaften zu hoch ist, als dass es selbst bei Zinsraten von null möglich wäre die Volkswirtschaft durch Kapitalexporte aus der Liquiditätsfalle zu befreien. Die Argumentation, die sich dahinter verbirgt ist, dass eine mone- täre Expansion die Nettoexporte nur bis zu einem bestimmten Punkt stimulieren kann, da die Abwertung des realen Wechselkurses durch die Nullzinsgrenze begrenzt ist.41

[...]


1 Vgl. Issing (2001), S. 42.

2 Vgl. Blanchard/Illing (2004), S. 641f.

3 i =i-ʌ (Jarchow (2003), S. 245).

4 Vgl. Coenen/Wieland (2003), S. 6.

5 Vgl. Boianovsky (2003), S. 93 und 95.

6 Vgl. Hicks (1937), S. 155.

7 Vgl. Wilson (1999), S. 1.

8 Krugman (1999).

9 Vgl. Krugman (1998a), S. 139.

10 Vgl. Krugman (1998a), S. 143.

11 Krugman (1999).

12 Vgl. Boianovsky (2003), S. 117.

13 Vgl. Krugman (1998a), S. 146.

14 Vgl. Krugman (1998a), S. 146ff.

15 Krugman (1999).

16 Krugman (1998b).

17 Vgl. Ebenda, S. 150.

18 Vgl. Krugman (1998a), S. 150f.

19 Vgl. Wilson (1999), S. 2 und 6.

20 Eine Situation mit Nullzinsen, anhaltender Deflation und anhaltenden Deflationserwartungen, in der geldpolitische Interventionen wirkungslos bleiben; (Svensson (1999), S. 27).

21 Vgl. Sumner (2002), S. 485.

22 Vgl. Dominguez (1998), S. 191.

23 Vgl. Rogers (2001), S. 5f.

24 Vgl. Bigsten (2005), S. 596.

25 Vgl. Ahearne et al (2002), S. 8.

26 Clouse et al (2000), S. 19.

27 Vgl. Hoshi/Kashyap (2004), S. 6.

28 Vgl. Fukao (2003), S. 291.

29 Vgl. Bigsten (2005), S.597.

30 Ebenda.

31 Vgl. Boltho/Corbett (2000), S. 3.

32 Vgl. Kanaya/Woo (2000), S. 8.

33 Vgl. Hoshi/Kashyap (2004), S. 7.

34 McKinnon/Ohno (2001), S. 306.

35 Vgl. Ahearne et al (2002), S. 10f.

36 Vgl. Boltho/Corbett (2000), S. 4.

37 Vgl. Dekle (2000), S. 46.

38 Vgl. Bigsten (2005), S. 598.

39 Vgl. Bisten (2005), S. 599.

40 Vgl. Boltho/Corbett (2000), S. 5.

41 Vgl. Krugman (1998), S. 152.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Japan und die Nullzinsgrenze
Hochschule
Universität Hohenheim  (Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
34
Katalognummer
V66180
ISBN (eBook)
9783638588713
Dateigröße
602 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Japan, Nullzinsgrenze
Arbeit zitieren
Markus Maisch (Autor:in), 2006, Japan und die Nullzinsgrenze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66180

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