Mitmachfernsehen oder Geldmach-TV? Eine Analyse von Call-In-Quizshows im deutschen Fernsehen


Hausarbeit, 2006

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Call-In-Quizfernsehen in Deutschland

3. Beispielsendungen
3.1 Das „kabel eins Filmquiz“
3.2 Das „ProSieben Night-Loft“

4. Analyse

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis
6.1 Monographien
6.2 Aufsätze
6.3 Digitale Medien

7. Anhänge

Screenshots aus den Beispielsendungen

Anhang

1. Einleitung

Die aktive Einbeziehung des Rezipienten in das Fernsehprogramm ist nicht neu. Ob TED-Abstimmungen, Telespiele oder Lebensberatung - die telefonische Zuschauerbeteiligung gibt es im deutschen Fernsehen schon seit den sechziger Jahren. Dabei haben sich zwei Arten von telefonischer Zuschauerinteraktionen entwickelt: Die kollektive Interaktion, in der sich alle Zuschauer an einer Art Wahl beteiligen können und die individuelle Interaktion, in der ein oder wenige Zuschauer über die Telefonleitung direkt in einer Sendung zugeschaltet werden.

Trotz technischer Neuerungen ist das Prinzip dieser Art der Interaktivität im traditionellen Fernsehen doch immer gleich geblieben: Die Zuschauerbeteiligung mittels telefonischen Rückkanals reicht in der deutschen Fernsehgeschichte schon bis in die sechziger Jahre zurück. Die erste deutsche Fernseh-Show, in der eine individuelle Zuschauerinteraktion via Telefon möglich war, nannte sich „Der goldene Schuss“. In dieser Sendung schossen über das Telefon zugeschaltete Fernsehzuschauer mithilfe einer an eine Fernsehkamera montierte Armbrust auf ein Ziel (vgl. Hallenberger u.a. 1991, 98). Die Sendung erreichte hohe Zuschauerzahlen, das Konzept „machte Deutschland als ‚Exportland’ für Game Shows bekannt“ (ebd., 42). 1994 wurde ein ähnliches Konzept in verschiedenen deutschen, primär auf Jugendliche ausgerichteten TV-Shows verarbeitet. In den als interaktiv angepriesenen Game-Shows „X-Base“ (ZDF), „Games World“, „Super!!!“ (beide Sat.1) und „Die Hugo-Show“ (Kabel 1) konnten Anrufer mittels Tastentelefon an einem Spiel bzw. Videospiel in der Sendung teilnehmen (vgl. Schwarzer 1995, 151 ff). Die Shows wurden allerdings - teils schon nach kurzer Zeit - wieder abgesetzt. Call-In-Formate, also derartige Sendungen, in denen Anrufer in eine Sendung durchgeschaltet werden und mit den Moderatoren sprechen können, wiesen „keine große Tradition bzw. Verbreitung auf“ (Nieland, /Ruhrmann 1997, 89). Viele Sendungen wurden nach kurzer Zeit wieder abgesetzt, lediglich die WDR-Sendung „Domian“ und Call-In-Angebote in Musiksendungen wie „Most-Wanted“ auf MTV waren beliebt (vgl. ebda).

Die telefonische Einbeziehung der Fernsehzuschauer war praktisch immer schon, und ist auch heute noch wenig interaktiv: Werden die Fernsehzuschauer aufgefordert während einer TV-Show beim Sender anzurufen, so schaffen es doch nur verschwindend wenige im Verhältnis zur Anruferzahl tatsächlich bis ins Fernsehen, um für wenige Sekunden ein bisschen Prominenz zu erlangen.

Dieser Erkenntnis zum Trotz heißt dieselbe alte und sehr begrenzte Form von Interaktivität seit dem Start von 9Live im Jahr 2001 „Mitmachfernsehen“ (neunlive.de 2006). Noch nie gab es so viele kritische Stimmen gegen TV-basierte, telefonische Gewinnspiele. Andererseits trugen telefonische Mehrwertdienste auch noch nie zuvor in solch einem Maß zur Refinanzierung des Fernsehprogramms bei.

Im Rahmen dieser Arbeit werfe ich einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen der Call-In-Quizshows in der deutschen Fernsehlandschaft. Anhand zweier Beispiele von Call-In-Quizshows stelle ich dieses Format vor, um herauszufinden, wie solche Sendungen funktionieren. Handelt es sich bei diesem Format wirklich um Mitmachfernsehen? Oder wird hier das Programm nicht mehr zur Unterhaltung der Fernsehzuschauer gestaltet, sondern mit diversen Tricks nur versucht, eine möglichst hohe Anruferrate zu erzielen?

2. Call-In-Quizfernsehen in Deutschland

Den Trend zum Call-In-Quizfernsehen setzte der Privatsender 9Live (vormals Frauensender TM3, Sendergründung 2005), als er am 1. September 2001 auf Sendung ging. Ca. 55% des Programms setzt sich aus interaktiven Spielshows zusammen. Als „Mitmachfernsehen“ bezeichnet 9Live selbst diese Quizsendungen, in denen Zuschauer eine kostenpflichtige Rufnummer wählen und sich somit an Gewinnspielen beteiligen können. Daraus erzielt der Sender größtenteils seine Erlöse und macht sich somit weitgehend unabhängig von Werbung. Ein gutes halbes Jahr nach dem Start von 9Live, im März 2002, schrieb der Sender in seiner siebenjährigen Geschichte erstmals schwarze Zahlen (vgl. neunlive.de 2006). Das ist kaum verwunderlich, da beim Sender „pro Monat bis zu 20 Millionen Anrufe eingehen und das Programm kaum etwas kostet.“ (Tietz 2004, 102)

Was 9Live hier vormachte, schien verbunden mit dem Einbruch im deutschen Werbemarkt eine viel versprechende Geschäftidee für alle privaten deutschen Fernsehanstalten zu sein. Tatsächlich setzten immer mehr Sender auf TV-basierte, telefonische Mehrwertdienste, unter anderem Call-In-Quizsendungen, als zusätzliche Quelle der Refinanzierung (vgl. ecin.de 2006).

Die drei großen Sender der ProsiebenSat1 AG integrierten von 9Live produzierte Quizspiele in ihr werktägliches Nachtprogramm (vgl. sevenoneintermedia.de 2006). Zwischen April 2004 und Juni 2005 bekam jeder Sender seine eigene Call-In-Show: das „kabel 1 Filmquiz“, die „Quiz Night“ (Sat.1) und das „ProSieben Night-Loft“, die mit nächtlicher Sendedauer von jeweils ein bis eineinhalb Stunden bis heute fester Bestanteil des Programms geblieben sind (vgl. wunschliste.de 2006). Jede Show ist - wenn auch nur vage - auf die jeweiligen Klientel der einzelnen Sender ausgerichtet. So heißt die Kabel-Eins-Sendung „kabel eins Filmquiz“ und beinhaltet ab und zu filmbezogene Rätsel, da Kabel Eins von seinen Zuschauern als Spielfilm-Sender wahrgenommen wird. Auch RTL startete Anfang 2004 das „RTL Nachtquiz, eine Call-In-Show (vgl. quotenmeter.de), die allerdings bald wieder abgesetzt wurde. RTL sah angeblich ein, dass dem Zuschauer nicht mehr zuzumuten sei als die Votings- und Call-In-Optionen innerhalb alternativer Sendungen der RTL-Gruppe (vgl. medienforum.nrw.de).

Kleinere Privatsender und Spartenkanäle nahmen gleichartige Telefon-Gewinnspiele sogar mit ins Tagesprogramm auf. Bevor der Sportkanal DSF anfing, sein eigenes Call-In-Quiz zu senden, konnte er in seiner Sendergeschichte noch nie Gewinn verzeichnen. Seit dem Sendestart von „Das Sportquiz“ im August 2003, das täglich in drei Folgen gesplittet rund sechs Stunden läuft, „verdient das DSF durch Call-in-Shows einen ‚siebenstelligen Betrag’ und dürfte das Jahr erstmals mit Gewinn abschließen können.“ (Tietz 2004, 103)

Viva Plus machte es DSF gleich, kurz nachdem der Musiksender vom amerikanischen Viacom-Konzern aufgekauft wurde. Am 11. Juli 2005 wurden 17 Sendungen durch eine von der Münchner Produktionsfirma Call Active zugelieferte Telefon-Quizsendung ersetzt (vgl. sueddeutsche.de 2006). Somit werden auf Viva Plus inzwischen täglich neun Stunden Call-In-Quiz im Stile von 9Live ausgestrahlt. Vormittags läuft die „Viva PLUS Quiz - Tagschicht“, nachmittags die Sendung „call4cash“ und abends bis in die Nacht hinein gibt es die „Viva PLUS Quiz - Nachtschicht“ (vgl. wikipedia.de 2006).

Zuletzt sprang Das Vierte auf den Zug auf. Der „Spielfilmsender“ startete im September 2005 auf dem vormaligen Sendeplatz von Giga, ein Kanal für Computer-affine Jugendliche, sein Programm (vgl. blm.de 2006a). Anfangs lief Giga noch als 3-stündiges Fensterprogramm auf dem Vierten. Ab dem 1. April 2006 aber wurde die Jugendsendung durch eine ebenso lange Call-In-Quizsendung, dem „Hollywood Quiz“, ersetzt (vgl. dwbl.de 2006).

Auch Tele 5, unter demselben Namen wie der damalige Cartoon-Sender im April 2002 erstmals auf Sendung gegangen, bezeichnet sich trotz mehrstündiger Call-In-Shows ebenfalls als Spielfilmsender. Allerdings wurde ab September 2005 die Call-In-Schiene gekürzt und stattdessen Spielfilme in der Primetime gezeigt, um sich als Spielfilmsender erneut zu positionieren. Call-In-Quiz sollte es weiterhin im Mittags- und Nachmittagsprogramm geben (vgl. blm.de 2006b): Von montags bis freitags zwischen 13 Uhr und 16:05 Uhr laufen die drei Telefonquizsendungen „Bei Anruf – Spiel!“, „Schlau & Reich“ und „Die Stunde der Gewinner“ (vgl. tele5.de 2006).

Der Anteil telefonischer Mehrwertdienste, so genannter „Call-Media“, machte im Jahr 2004 ca. 3-8% an den Gesamterlösen der TV-Vollprogramme aus, bei den Spartenprogrammen sogar ca. 30% (vgl. goldmedia.bytespring.de 2006).

Parallel zum Anstieg des Programms, das sich über Call-Media finanziert, nahm auch die Zahl der Beschwerden über „nicht nachvollziehbare oder unlautere Spielmethoden der TV-Sender“ (alm.de 2006) zu. Die Landesmedienanstalten reagierten im November 2005 mit „Anwendungs- und Auslegungsregeln der Landesmedienanstalten für die Aufsicht über Fernseh-Gewinnspiele (GewinnSpielRegeln)“ (ebda). Insgesamt ist zu beobachten, dass die Quizspiele seither etwas transparenter und fairer geworden sind. Dennoch werden die Regeln der LMA zu oft ignoriert oder umgangen.

3. Beispielsendungen

3.1 Das „kabel eins Filmquiz“

Bei dem ersten Beispiel handelt es sich um eine etwa einstündige Folge der Sendung „kabel eins Filmquiz“ vom 7.8.06. Die Zuschauer können eine kostenpflichtige Rufnummer wählen oder kostenpflichtige Kurzmitteilungen schicken und haben so die Möglichkeit, in die Sendung geschaltet zu werden, um einen Tipp für die Lösung des gerade laufenden Spiels abzugeben. Bei richtiger Antwort gewinnen sie 500 €.

Die Bildfläche ist vertikal in eine schmalere linke und eine breitere rechte Fläche aufgeteilt. Links ist die Moderatorin in einer Nahaufnahme eingeblendet, auf der rechten Seite ein virtuelles Spielfeld sowie die Gewinnsumme. Am jeweils unteren und oberen Bildschirmrand werden die computeranimierten Ruf- bzw. SMS-Nummern und die momentane Quizfrage eingeblendet. (s. Abb. 1)

Innerhalb dieser Folge der Sendung werden zwei Spiele gespielt, wobei das erste Spiel dreiviertel der Sendedauer bestimmt. Das zweite Spiel dauert eine knappe Viertelstunde.

Im ersten Spiel werden acht durchnummerierte Verkehrszeichen gezeigt. Die dazugehörige Quizfrage lautet: „Welche Verkehrzeichen gibt es wirklich?“ Bis auf das mit 1 nummerierte Schild mit der Aufschrift „Pinkeln verboten“ stammen die Vorlagen aller Schilder aus der deutschen Straßenverkehrsordnung (vgl. verkehrsportal.de 2006): Ende der Autobahn (2), Vorfahrtstraße (3), Ausfahrt von der Autobahn (4), zu innerörtlichen Zielen (…) (5), Autobahntankstelle (6), „Vorfahrt gewähren!“-Zusatzschild (7), Sackgasse (8) (s. Abb. 1). Die am Ende der Sendung bekannt gegebene richtige Lösung lautet 3, 6 und 7 (s. Abb. 2). Demnach gibt es außer der Nr. 1 die Verkehrszeichen mit der Nummerierung 2, 4, 5 und 8 nicht. Es muss sich also um Bildmanipulationen handeln. Diese Grafiken stimmen allerdings mit den in der Straßenverkehrsordnung abgebildeten Grafiken der entsprechenden Verkehrzeichen so genau überein - berücksichtigt man dabei die Bildauflösung eines durchschnittlichen Fernseh-Geräts, dass die Lösung des Rätsels den Zuschauern nicht zumutbar ist. Die Zuschauer werden zusätzlich noch dadurch in die Irre geführt, dass die beiden richtigen Lösungen 6 und 7 nicht als Grafik sondern nur wörtlich umschrieben, bzw. grafisch nur in einer anderen Form in der StVO zu finden sind.

Die Funktion der Moderatorin besteht darin, möglichst laufend zum Fernsehzuschauer zu sprechen, und zwar in Form eines direkten Dialogs. Sie begrüßt den Zuschauer („Hier sind wir wieder !“ [s. Anhang 7.B, CD 1: 14’44’’]), erklärt die Spielregeln, ruft immer wieder dazu auf, anzurufen („Wenn Sie jetzt vorm Fernseher sitzen und sich denken, dass ist ja total einfach, dann sofort durchwählen!“ [15’59’’]), gibt hin und wieder mehr oder weniger hilfreiche Tipps, spricht mit den Anrufern (“Hallo, wer ist da?“ [16’04’’] ,…leider nicht richtig. Schade!“ [16’26’’]) und verabschiedet sich schließlich („Schlafen sie gut, haben sie einen guten Wochenstart. Tschüss!“ [1h13’56’’]).

Die meisten als Tipps zu verstehenden Ansagen der Moderatorin sind nicht hilfreich, da sie nicht auf Bildmanipulationen hinweisen, sondern eher den Anschein erwecken, als existierten einige der veränderten Verkehrszeichen im StVO-Katalog grundsätzlich nicht:

Schauen Sie im Internet nach, denken Sie an ihre Fahrschulzeit. (29’38’’)

Vielleicht stellen Sie sich einfach mal so ihre tägliche Fahrt zur Arbeit vor. […] Und was sehen Sie da so für Verkehrszeichen? (38’52’’)

„Ich hoffe, Sie haben einen Führerschein. Wenn Sie keinen haben, dann… auch nicht so schlimm. Ich meine, einige Verkehrszeichen kennt man ja. (28’11’’)

Sie täuscht immer wieder leichte Einwahlchancen vor und spielt den Schwierigkeitsgrad des Rätsels herunter.

„Wo ist jetzt der Nächste. Wir machen hier ganz schnell weiter. Einer nach dem anderen wird durchgestellt. […] Der Hot-Button ist heut mal wieder ganz schnell unterwegs. […] Ich mein’, für 500 Euro, da könnten Sie sich ganz schön viel kaufen.“ (24’08’’)

[…] die Lösung hätte eigentlich schon längst kommen sollen, denn das Spiel ist ja jetzt nicht so schwierig.“ (28’04’’)

„Ich möchte jetzt die 500 Euro loswerden, das kann doch jetzt nicht so schwierig sein.“ (32’44’’)

„Ich glaub’, viele Anrufer sind jetzt echt schon im Tiefschlaf, weil die morgen arbeiten müssen. Aber wenn sie jetzt noch wach sind, dann ist das natürlich toll, dann kommen Sie hundertprozentig durch.“ (36’30’’)

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Mitmachfernsehen oder Geldmach-TV? Eine Analyse von Call-In-Quizshows im deutschen Fernsehen
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Fernsehkulturen im Wandel
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V66451
ISBN (eBook)
9783638590426
ISBN (Buch)
9783640522262
Dateigröße
1581 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hinweis: Der Arbeit lag ursprünglich eine CD mit Aufzeichnungen von Beispielssendungen bei - diese wird hier nicht mitgeliefert.
Schlagworte
Mitmachfernsehen, Analyse, Call-In-Quizshows, Fernsehen, Fernsehkulturen, 9Live, Call In, Mehrwertdienste, Quiz, Quizsendungen, Hausarbeit, wissenschaftlich, interaktiv, erlösquellen
Arbeit zitieren
Ines Sundermann (Autor:in), 2006, Mitmachfernsehen oder Geldmach-TV? Eine Analyse von Call-In-Quizshows im deutschen Fernsehen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66451

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