Die Einführung des Christentums in den skandinavischen Ländern zog sich über mehrere Jahrhunderte hin und auch heute noch gibt es beispielsweise in Island oder Norwegen offiziell als Religion eingetragene Gemeinschaften mit dem Namen Asatrú (etwa: Asenglaube), in denen die vorchristlichen Götter des Nordens verehrt werden. Betrachtet man jedoch die offizielle Phase der Christianisierung vom uns überlieferten Beginn der Mission im 9. Jahrhundert bis zur Etablierung einer ordentlichen Kirchenorganisation für den Norden, so lässt sich im Jahr 1164 ein Abschluss finden. Als letztes skandinavisches Land erhielt Schweden damals ein eigenes Erzbistum mit Sitz in Uppsala. Die römische Kirche hatte sich zumindest offiziell gegen den heidnischen Glauben durchsetzen können und hatte ihre Einflusssphäre damit bis zum Nordmeer erweitert.
Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Bevölkerung von der offiziellen Einführung des Christentums betroffen war und wie lange es dauerte, bis der neue Glaube sich auch im Alltag allgemein durchsetzen konnte. Ab wann verhielten sich die Menschen nicht nur christlich, sondern fühlten sich selbst als Christen? In den Quellen finden sich hierzu nur wenige Anhaltspunkte, jedoch deuten Verbote von heidnischen Praktiken darauf hin, dass das Christentum sich noch einige Zeit nicht gänzlich durchsetzen konnte.Schon spätestens seit dem 8. Jahrhundert gab es Kontakte mit dem Christentum, sei es durch Raubzüge, durch Handel oder durch Heiratsbündnisse. Doch warum entschlossen sich die nordischen Herrscher, den christlichen Glauben anzunehmen? Und weshalb dauerte es dennoch Jahrzehnte, bis sich der Glauben innerhalb der Bevölkerung durchsetzen konnte? In dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, dass sowohl territoriale wie innenpolitische Gründe eine bedeutende Rolle bei der Durchsetzung des Christentums gespielt haben und dass sich der neue Glaube wohl vor allem über Loyalitätsverbindungen innerhalb der Gesellschaft verbreitete. Bekehrte Herrscher spielten eine bedeutsame Rolle in dieser Entwicklung. Die Oberhäupter waren jedoch von der Zustimmung der Adligen abhängig, ohne deren Unterstützung ein Regieren in den umkämpften Königreichen des Nordens nicht möglich gewesen wäre. Erst mit der Einführung des Christentums konnten sich in den einzelnen Regionen Skandinaviens starke Könige etablieren – ein Zusammenspiel von religiöser und politischer Dominanz liegt angesichts der Entwicklung auf der Hand.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- 1) DIE QUELLENPROBLEMATIK
- 2) DIE VORCHRISTLICHE RELIGION IM NORDEN
- a) Götter, Gottheiten und übernatürliche Wesen
- b) Weltbild, Kult und Ritus
- c) Die Bedeutung der vorchristlichen Religion für das tägliche Leben der Menschen
- 3) SEEFAHRT, HANDEL, RAUBZÜGE – FRÜHE KONTAKTE MIT DEM CHRISTENTUM
- 4) GESANDTE DES HERRN – MISSIONARE IN SKANDINAVIEN
- a) Beginn der Mission unter den Karolingern
- b) England als christliches Missionszentrum
- c) Einflüsse aus dem Osten
- d) Die Reisen Erzbischof Ansgars und die Rolle Hamburg-Bremens
- 5) DIE DURCHSETZUNG DES NEUEN GLAUBENS
- a) Die Einführung des Christentums mit Hilfe der Herrscher
- b) Bekehrungs- und Missionsmethoden
- c) Könige als Reichsheilige
- 6) DIE SONDERROLLE ISLANDS
- 7) DIE ENTSTEHUNG EINER EIGENSTÄNDIGEN KIRCHENSTRUKTUR IM NORDEN
- a) Erste Abspaltungsversuche und Kontakte zum Papsttum
- b) Die kirchliche Dreiteilung Skandinaviens
- c) Die Entwicklung von Kirche und Staatlichkeit
- 8) ÜBERGANG VON ALTER ZU NEUER RELIGION – DIE KONTINUITÄTSFRAGE
- SCHLUSSFOLGERUNGEN
- EXKURS: DIE ARCHÄOLOGISCHEN QUELLEN
- a) Gräber und Grabbeigaben
- b) Tempel und Kirchen
- c) Runensteine
- d) Schmuckstücke und Amulette
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Christianisierung Skandinaviens und untersucht die Prozesse der Mission, Religionsannahme und Kontinuitäten im 9. bis 12. Jahrhundert n. Chr. Sie analysiert die verschiedenen Phasen der Einführung des Christentums in Dänemark, Norwegen, Island und Schweden, wobei der Fokus auf der Frage liegt, wie sich der neue Glaube in der Gesellschaft durchsetzte und welche Auswirkungen er auf die Lebenswelt der Menschen hatte.
- Die Quellenlage für die Erforschung der Christianisierung Skandinaviens
- Die vorchristliche Religion und ihre Bedeutung für das tägliche Leben
- Die Rolle der Missionare und Herrscher bei der Einführung des Christentums
- Die Methoden der Bekehrung und die Herausforderungen der Durchsetzung des neuen Glaubens
- Die Kontinuitäten zwischen der vorchristlichen und der christlichen Religion
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und erläutert die Fragestellung, die in den folgenden Kapiteln behandelt wird. Sie gibt einen kurzen Überblick über die Quellenlage und die Forschungsgeschichte zur Christianisierung Skandinaviens.
Kapitel 2 beleuchtet die vorchristliche Religion in Skandinavien und beschreibt die Götter, Gottheiten und übernatürlichen Wesen, das Weltbild, den Kult und Ritus sowie die Bedeutung der Religion für das tägliche Leben der Menschen.
Kapitel 3 befasst sich mit den frühen Kontakten zwischen Skandinavien und dem Christentum. Es werden die Faktoren wie Seefahrt, Handel und Raubzüge untersucht, die zum Austausch zwischen den Kulturen führten.
Kapitel 4 behandelt die Missionierung Skandinaviens durch christliche Gesandte. Es werden die verschiedenen Missionszentren, die Reisen der Missionare und ihre Methoden vorgestellt.
Kapitel 5 analysiert die Durchsetzung des Christentums in Skandinavien. Es wird die Rolle der Herrscher bei der Einführung des neuen Glaubens und die Methoden der Bekehrung betrachtet.
Kapitel 6 befasst sich mit der besonderen Situation Islands und seiner Christianisierung.
Kapitel 7 untersucht die Entstehung einer eigenständigen Kirchenstruktur in Skandinavien. Es werden die ersten Abspaltungsversuche, die Kontakte zum Papsttum und die Entwicklung von Kirche und Staatlichkeit behandelt.
Kapitel 8 widmet sich der Frage der Kontinuitäten zwischen der vorchristlichen und der christlichen Religion. Es wird untersucht, inwieweit Elemente der alten Religion in der neuen Gesellschaft weiterlebten.
Schlüsselwörter
Christianisierung, Skandinavien, Mission, Religion, Heidentum, vorchristliche Religion, Götter, Kult, Ritus, Kontakte, Handel, Raubzüge, Missionare, Herrscher, Bekehrung, Kirchenstruktur, Staatlichkeit, Kontinuität, archäologische Quellen
- Arbeit zitieren
- M.A. Ellen Stickel (Autor:in), 2006, Vom Heidentum zum christlichen Glauben. Die Christianisierung Skandinaviens im 9. bis 12. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66553