Politische und staatliche Symbole im demokratischen Spanien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

45 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Geschichte des spanischen Symbolsystems
A. Al Andaluz
B. Die Reconquista der Katholischen Könige
C. Habsburger auf dem spanischen Thron
D. Las dos Españas: Uniformität und Ausschluss
E. Francisco Franco
F. Die Transición

II. Ausgewählte Nationale Symbole
A. Flagge, Wappen, Hymne
a. La Bandera
b. El Escudo
c. La Marcha Real
d. Staatssymbole Spaniens
B. König Juan Carlos I
C. Katholizismus
D. Cervantes und Don Quijote
E. Los torros
a. De Osborne
b. En la Maestranza
F. Sprachen

Einleitung

Politische und nationale Symbole eines Staates sollen als Sinnbilder für fundamentale Traditionen und Werte eines Gemeinwesens fungieren. Die heutige spanische Gesellschaft ist jedoch tief gespalten; die Gräben verlaufen nicht nur an den immer wieder anschwellenden ethnischen Konfliktlinien, sondern auch an religiösen und politischen Überzeugungen. Kann man im Fall von Spanien also überhaupt von einem solchen Gemeinwesen sprechen? Viele Gruppen der spanischen Gesellschaft haben ihre eigene Symbolik mit ihrer eigenen Bedeutung, auch um sich vom spanischen Kollektiv zu unterscheiden. Trotz aller ideologischen und ethnischen Unterschiede ist Spanien bis heute nicht auseinander gefallen, wie so viele andere multiethnische Föderationen. Gibt es also dennoch Symbole, welche das ganze spanische Volk als gemeinsame anerkennt, vielleicht sogar einen Eckpfeiler der spanischen Identität, welcher das Land zusammen hält? Und wenn nicht, kann man dann in Spanien überhaupt von einem Symbolsystem sprechen? Dies sind einige der Fragen die in dieser Arbeit beantwortet werden sollen.

Im ersten Teil werden die historischen Grundlagen der spanischen Nationalsymbole untersucht werden, wobei der Fokus auf sozialen, politischen und kulturellen Ereignissen, welche besonders für die Entstehung der heutigen Symbole wichtig waren, liegt. Welche Einflüsse haben auf die spanische Gesellschaft seit ihren frühesten Anfängen gewirkt und wie haben sich diese auf ihre Symbole ausgewirkt? Im zweiten Teil werden dann einige ausgewählte, von der Autorin als fundamental für die spanische Gesellschaft empfundene Symbole untersucht. Dabei werden sowohl politische als auch kulturelle Symbole in Betracht gezogen und auf ihren einigenden Wert für die spanische Gesellschaft hin untersucht.

Die Literatursituation ist erwartungsgemäß in Deutschland nicht sonderlich gut. Eine Ausnahme bildet der deutsche Spanienexperte Walther L. Bernecker, dessen zahlreiche Publikation über das Land sehr hilfreich waren. Für zeitnahe Publikationen war das Internet eine hilfreiche Quelle. Ansonsten half die Fernleihe der Universitäts- und Landesbibliothek, was sich jedoch als sehr zeitintensiv erwies.

Alle Übersetzungen der spanischsprachigen Literatur sind Übersetzungen der Autorin; das spanische Originalzitat wird in den Fußnoten angegeben.

I. Geschichte des spanischen Symbolsystems

Die ersten bekannten Besiedlungen der Iberischen Halbinsel lagen im Umkreis des Kantabrischen Gebirges[1] und stammen aus dem Paläolithikum. Die erste prägende Kultur entstand jedoch erst um 3000 vor Christus auf dem Gebiet des heutigen Almerías im Südosten des Landes. Diese so genannte Almeríakultur wurde stark beeinflusst durch die sich dort ansiedelnden Iberer, ein ursprünglich nordafrikanisches Volk. Weitere Volksgruppen folgten; Phöniker gründeten um 1100 v.Chr. die Kolonie Gadir an der Stelle der heutigen Stadt Cadiz und ab dem 7. Jahrhundert v.Chr. ließen sich Griechen in der Gegend um das heutige Málaga nieder. Die nordafrikanischen Iberer blieben jedoch die bedeutendste Volksgruppe auf der Halbinsel, bis sich im 6. Jahrhundert v.Chr. die Kelten im Zuge einer Völkerwanderung von Frankreich aus im Norden und Westen der Iberischen Halbinsel niederließen. Im Zentrum des Landes entstand durch die Vermischung der beiden größten Völker die Volksgruppe der so genannten Keltiberer. Bis ins erste Jahrhundert v.Chr. war die Iberische Halbinsel geprägt von der Stammeskultur dieser drei großen Volksgruppen.[2] Die noch heute verwendete Bezeichnung für diese Region, Hispaña, die auf ein griechisches bzw. phönizisches Etymon zurückgeht, bezieht sich direkt auf die zu dieser Zeit auf der Iberischen Halbinsel bestehende Völkervielfalt.[3]

Die nächste wichtige Etappe begann im ersten Jahrhundert v.Chr., als die Römer im Zuge ihrer Eroberungen nach Spanien kamen; bis 19 v.Chr. brachte Kaiser Octavio Augusto die gesamte Iberische Halbinsel unter römische Kontrolle.[4] Damit begann eine der für die heutige Zeit am folgenträchtigsten Besiedlungen des heutigen Spanien. Zwar hatten sich vorher schon große Besatzungsmächte wie Griechen und Karthager angesiedelt, die Römer waren jedoch die Ersten, die auf dem gesamten Gebiet die immer noch vorherrschende Stammeskultur ersetzten und eine römisch geprägte Gesellschaftsstruktur einführten. Dazu gehörte auch die Einführung des Römischen Rechts, auf dem noch heute das spanische Rechtssystem aufbaut, sowie eine erste territoriale Verwaltungsstruktur: Rom teilte sein neu erobertes Gebiet erstmals in Provinzen auf. Latein wurde unter römischer Herrschaft zur vorherrschenden Sprache, woraus sich im 7.-12. Jahrhundert die Sprachen Kastilianisch[5], Galizisch und Katalanisch entwickelten.[6] Für die heutige Zeit folgenreich war auch die Christianisierung des Gebietes; ab 380 n.Chr.[7] war das Christentum die einzige zulässige Religion im Römischen Reich und die heidnischen Bräuche der Einwohner wurden nicht mehr akzeptiert. Getreu dem uralten spanischen Sprichwort „ se obedece, pero no se cumple“ (man gehorcht, aber man hält sich nicht daran) lebten die traditionellen heidnischen Bräuche und Traditionen trotzdem noch etwa 200 Jahre weiter.[8]

Mit dem Ende des Weströmischen Reiches 476 endete jedoch die Oberhoheit Roms über die Iberische Halbinsel.[9] 585 begann die nächste wichtige Besetzungsetappe, als der westgotische König Leovigildo (Leowigild) durch den Sieg über die seit 409 auf die Iberische Halbinsel vordringenden Sweben das erste vereinigte Königreich auf dem heutigen spanischen Gebiet gründete. Bis heute nehmen einige Befürworter der Monarchie Bezug auf diesen historischen Vorgang. 589 konvertierte König Recaredo I. (Rekkared), der Erbe von Leovigildo, zum Katholizismus und stellt damit auch erstmals die religiöse Einheit des spanischen Territoriums her.[10] 712 findet diese jedoch mit dem Einmarsch der Marokkaner und dem Beginn des fast 800 Jahre währenden Al-Andaluz ihr vorläufiges Ende.

A. Al Andaluz

Als 711 die Familie des vorherigen Königs Witiza die Muselmane von Magreb um Hilfe bei ihrem Kampf um den Thron bat, nutzen diese die einmalige Gelegenheit auf Einladung der Herrscherfamilie zu agieren und beließen es nicht dabei, die Truppen des Thronkonkurrenten Don Juan zu besiegen. Im selben Jahr noch schlugen die nordafrikanischen Mauren den letzten spanischen Westgotenkönig Roderich in der Nähe des heutigen Jerez de la Frontera und innerhalb weniger Jahre eroberten sie die gesamte Iberische Halbinsel. 732 bereits gelang es den Arabern, über die Pyrenäen in das Frankenreich einzudringen, wurden jedoch im selben Jahr vom „Retter des Abendlandes“ Karl Martell zurückgeschlagen und beschränkten ihre Herrschaft nun auf die Iberische Halbinsel.[11]

Im 8. und 9. Jahrhundert etablierte sich Al-Andaluz als Zentralstaat mit einem Emir und ab 929 mit einem Kalifen als Herrscher mit absoluter Autorität. Besonders im 10. Jahrhundert war die Zeit des Al-Andaluz geprägt von Wachstum und Wohlstand. Die arabischen Herrscher führten eine effiziente Administration ein[12] und brachten wichtige Neuerungen der Bewässerungstechnik mit. Besonders im heutigen Andalusien, wo die arabische Besetzung am längsten dauern sollte, sind die prächtigen Bauwerke der Kalifen allgegenwärtig, wie die Alhambra in Granada oder die Giralda in Sevilla. Zudem war die Zeit der spanischen Kalifen geprägt von einer beispiellosen religiösen Toleranz. Die so genannten mozarabes (Christen) wie auch Juden genossen – gegen Zahlung einer Steuer – dieselben Rechte wie die Muslime.[13]

Das Miteinander der Christen und Muslime zeigt sich auch heute noch sehr deutlich in der spanischen Sprache: Die von den Nordafrikanern mitgebrachten Pflanzen tragen zum größten Teil noch ihre arabischstämmigen Namen: algodón (Baumwolle), azúcar (Zucker), naranja (Orange), arroz (Reis). Während die Christen zum Kochen Tierfette benutzten, führten die Araber das Olivenöl als Nahrungsmittel ein. Noch heute trägt der Olivenbaum einen lateinisch-stämmigen Namen (olivo) während das Olivenöl (aceite) auf ein arabisches Wort zurückgeht.[14]

Nach dem Sturz des letzten arabischen Herrschers von Córdoba 1031 zerfiel das Kalifat in kleinere Fürstentümer. Damit waren die Grundlagen für die Reconquista der christlichen Könige gelegt.[15]

B. Die Reconquista der Katholischen Könige

Bereits kurz nach Abschluss der muslimischen Eroberung konnten sich im Norden des heutigen Spaniens wieder kleinere christliche Gebiete etablieren. Schon 7 Jahre nach Beginn der arabischen Eroberungen wurde das Reino de Asturias (Königreich Asturien) an der nördlichen Küste gegründet. Insgesamt dauerte die Reconquista (Rückeroberung) etwa 800 Jahre, welche von langen Friedensperioden zwischen den christlichen und muslimischen Gebieten unterbrochen war. Somit ist die Übersetzung „Rückeroberung“ wohl eher eine nachträgliche Interpretation des Prozesses, da die Reconquista größtenteils kein zielgerichteter Feldzug der christlichen Königreiche war. Einer der Gründe dafür war die starke Konkurrenz der christlichen Gebiete untereinander.[16]

1469 vereinigte die Hochzeit von Isabel I. de Castilla (Isabella von Kastilien) und Fernando II. de Aragón (Ferdinand von Aragonien) die beiden mächtigsten bis dato um die Herrschaft des christlichen Teils der Iberischen Halbinsel konkurrierenden Königreiche in einer Personalunion.[17] Zwar wurden die beiden Königreiche offiziell getrennt regiert. Da man sich aber jetzt nicht mehr gegenseitig in Schach halten musste, konnten sich Isabella und Ferdinand auf die Wiederherstellung der Einheit des spanischen Territoriums konzentrieren. Damit war der Grundstein für die endgültige Rückeroberung des letzten noch verbliebenen muslimischen Königreichs Granada im Jahre 1492 und damit für die Entstehung des heutigen Spaniens gelegt.

Um nach der Erreichung der territorialen Einheit auch die politische und ideologische Einheit zu gewährleisten, setzten Isabella und Fernando eine starke Unterdrückungspolitik gegenüber allen Nicht-Katholiken durch. Juden und Muslime wurden entweder gezwungen zu konvertieren oder des Landes verwiesen. Auch die Römer hatten schon die christliche Religion als Staatsreligion auf ihrem Territorium durchgesetzt, jedoch hielten sich durch mangelnde Kontrolle unter ihrer Herrschaft die heidnischen Bräuche der Einwohner noch etwa 200 Jahre lang. Isabella und Fernando waren jedoch nicht gewillt halbe Sachen zu machen und machten sich die bereits seit geraumer Zeit im restlichen Europa grassierende Inquisition zunutze. Diese hatte jedoch weniger als sonst üblich die Verfolgung von Hexen und Zauberern zum Ziel, sondern wurde gezielt gegen „falsche“ Konvertiten eingesetzt.[18]

1496 bekamen Isabella und Ferdinand für ihre Verdienste für die Katholische Kirche vom Papst den Titel Reyes Católicos (Katholische Könige) verliehen. Die Bedeutung des Katholizismus als Antriebsfaktor für die Reconquista ist jedoch umstritten. Einige Autoren betonen beständig die Bedeutung der Religion als „konstitutives Element“[19] und die Reconquista als Kreuzzug gegen die islamischen Besatzer[20]. Andere wiederum vertreten die These, dass es sich bei der Reconquista der spanischen Könige um einen profanen Krieg gehandelt habe, in dem man um die Herrschaft auf einem Gebiet gefochten habe.[21] Fest steht auf jeden Fall, und dies ist auch für die weitere Entwicklung am wichtigsten, dass besonders das Katholische Königspaar sich die Religion für ihren Kampf um die Einigung Spaniens zunutze machte. Nachdem der Papst bereits bei der Jahrhundertwende 1100/1200 die Reconquista mit den üblichen Kreuzzugsprivilegien ausgestattet hatte, machten sich Isabella und Ferdinand dies zunutze bei der Anwerbung von Soldaten und der Kriegspropaganda.[22] Ob als Mittel zum Zweck oder aus ehrlichem Glauben heraus, die Bedeutung der katholischen Könige für die Katholisierung des heutigen Spaniens ist unumstritten. So dienten in der jüngeren Geschichte Spaniens Isabella und Ferdinand immer wieder dazu, etwas Weltlichem einen katholischen Anstrich zu geben. Die Falange, die Partei Francos, wählte als ihr Zeichen die yugo y flechas (Joch und Pfeil), die Zeichen Isabellas und Ferdinands (siehe auch Kapitel II.A.a La Bandera).[23]

Eine weitere folgenschwere Entscheidung zu dieser Zeit war die finanzielle Unterstützung des Entdeckers Cristóbal Colón (Christopher Kolumbus), der am 12. Oktober 1492 Amerika entdeckte[24] und damit die Zeit des spanischen Imperiums einläutete.

C. Habsburger auf dem spanischen Thron

Als Ferdinand 1516 starb, wurden die beiden bis dato weiterhin nur in Personalunion regierten Reiche Castilla (Kastilien) und Aragón (Aragonien) erstmals unter einer Krone vereint. Karl I. wurde so der erste spanische König, der sich offiziell Carlos I, Rey de España (König von Spanien) nannte. Durch seine Mutter Juana La Loca (Johanna die Wahnsinnige) erbte er nicht nur die spanische Krone, sondern auch das besetzte Territorium im Süden Italiens sowie die spanischen Kolonien in Amerika. Durch seinen Vater, den Habsburger Felipe El Hermoso (Philip der Schöne), kamen Teile des heutigen Belgiens, der Niederlande, Deutschlands, Österreichs und der Norden Italiens hinzu. 1519 wurde Carlos I. de España als Karl V. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gekrönt. Da Karl in Flandern aufgewachsen war, sprach er kein Spanisch, und obwohl er sich während seiner Regentschaft kaum in seinem spanischen Königreich aufhielt, erfreute er sich bei der dortigen Bevölkerung großer Beliebtheit. Mit Stolz sprachen die Einwohner der Iberischen Halbinsel vom ‚spanischen’ Kaiser.[25]

Seinem entschiedenen Entgegentreten gegen die im 16. Jahrhundert aufkommende Reformation ist es wohl zu verdanken, dass Spanien weiterhin katholisch blieb. 1521 lud Karl den „widerspenstigen Mönch“ Luther vor den Reichstag in Worms, wo dieser endlich widerrufen sollte. Luther widerstand dem Druck des Kaisers jedoch, und wäre wohl auf Karls Scheiterhaufen gelandet, hätte ihn der Kurfürst von Sachsen nicht beschützt.[26]

1556 ging der spanische Thron an Karls Sohn Felipe über. Letzterer erwarb sich bald den Ruf, katholischer als der Papst zu sein. Wer dem protestantischen ‚Irrglauben’ nicht abschwören wollte, wurde als Ketzer verbrannt. 1588 schickte Felipe seine Flotte Richtung England, um die katholische Königin von Schottland, Maria Stuart, gegen die Protestantenkönigin Elisabeth I. zu unterstützen. Mit dem Untergang der spanischen Armada verlor Felipe jedoch seinen Kampf um die katholische Vorherrschaft in Europa. Zudem leitete diese Niederlage auch den Niedergang Spaniens als See- und Hegemonialmacht in Europa ein.[27] 1700 beginnt mit dem Tod Carlos II.s, dem letzten Habsburger auf dem spanischen Thron, der spanische Erbfolgekrieg zwischen den Anhängern des Bourbonen Felipe V.s und denen Carlos IV.s. Am Ende dieses Krieges 1714 musste Spanien alle europäischen Besitzungen außerhalb der Iberischen Halbinsel abtreten und verlor damit endgültig seinen Weltmachstatus. Mit Felipe V. bestieg 1714 der erste Bourbonenkönig den spanischen Thron, deren Regentschaft sich mit Juan Carlos I. bis heute hinzieht.[28]

D.Las dos Españas: Uniformität und Ausschluss

Im 19. Jahrhundert bildeten sich in Spanien zwei universelle Gegensätze heraus, welche die Geschichte des Landes bis zum heutigen Tage ganz entscheidend mitprägen sollten: 1833 löste der Erbfolgestreit nach dem Tod Fernandos VII. den Konflikt zwischen den klerikalen, restaurativen Anhängern Don Carlos Isidoro, den Karlisten, und den liberalen Cristinos, den Anhängern der Regentin Maria Christina, den ersten Karlistenkrieg, und damit die Spaltung Spaniens in ein konservativ geprägtes und ein liberales Lager aus.[29] Dieser erste Karlistenkrieg endete zwar 1839 mit der Niederlage der Karlisten, trotzdem setzen sich die konservativen Kräfte am Ende durch.

Die zu dieser Zeit bestimmenden Gruppen der Politik, vor allem Großgrundbesitzer und Großbürgertum, waren allein auf den Erhalt ihres Besitzes aus und keinesfalls bereit die notwendigen Reformen zu unterstützen, um die Lage der Arbeiterschaft zu verbessern. Durch die mangelnde Modernisierungsbereitschaft blieben die sozialen Probleme Spaniens weiterhin ungelöst. Dieses festgefahrene politische Klima führte dazu, dass Konflikte nicht mehr auf der politischen Ebene ausgetragen wurde, sondern mit Gewalt und Willkür aus allen politischen Richtungen beantwortet wurden[30]: Zwischen 1833 und 1936, innerhalb von nur gut 100 Jahren, erlebte Spanien elf Regimewechsel, drei Entthronungen, zwei Republiken, zwei Diktaturen, acht Verfassungen, 109 Regierungen und die Ermordung von vier Ministerpräsidenten.[31]

Hinzu kam, dass Spanien sich relativ isoliert vom Rest Europas entwickelte. Das Land war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und so auch nur indirekt am Ersten Weltkrieg beteiligt. Auch die industrielle Revolution vollzog sich nur sehr verspätet und dann auch nur in den Randgebieten, vor allem in Katalonien und im Baskenland.[32] Diese unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung vor allem am Ende des 18. Jahrhunderts war die Initialfunktion für eines der schwersten heutigen Probleme Spaniens: den Regionalismus. In Katalonien entwickelte sich durch eine solide industrielle Infrastruktur ein starkes Bürgertum, das im restlichen Spanien kaum existierte. Dies hatte eine starke kulturelle Blüte zur Folge, während Katalanisch zur Sprache der Kultur avancierte. All dies trug enorm zum katalanischen Selbstbewusstsein bei. Im Baskenland dagegen begann eine starke Einwanderungswelle von Arbeitern, besonders aus dem verarmten Süden. Hier bildeten Bauern und Handwerker das Fundament des Regionalismus. Nicht umsonst stammte Sabino Arena, der spiritus rector der baskischen Regionalismusbewegung und Gründer der Vorgängerin der baskischen Nationalpartei (PNV-Partido Nacional Basco) aus einer ruinierten Reederfamilie.[33]

General Miguel Primo de Rivera, der im September 1923 an die Macht kam, gewann anfangs die Sympathien der ‚beiden’ Spanien, da er für kurze Zeit Ruhe in das Chaos der spanischen Politik brachte. Dies gelang ihm jedoch nur mithilfe einer strengen Militärdiktatur, durch das Verbot sämtlicher Parteien, dem Außerkraftsetzen der Verfassung und der Schließung des Parlaments. Trotzdem wurde seine Regierung anfangs allgemein akzeptiert, da er die allgemeine Ordnung wieder herstellte. Als er jedoch durch seine Wirtschaftspolitik in die Interessen der Oberschicht eingriff, verlor er 1930 die Unterstützung des spanischen Militärs, auf die sich seine gesamte Macht aufgebaut hatte.[34]

Nachdem Primo de Rivera sich gezwungenermaßen aus der Politik zurückgezogen hatte, stand König Alfonso XIII. nun alleine dar. Der Monarch veranlasste im April 1931 Neuwahlen, die zwar mit einem Sieg der konservativen Kräfte endete. In den Städten, welche für die öffentliche Meinungsbildung äußerst wichtig waren, hatten jedoch die republikanischen Parteien den Sieg davon getragen. Als am Tag der Wahlen in Barcelona die Zweite Spanische Republik ausgerufen wurde, brach erneut allgemeines Chaos aus. König Alfonso verließ, und diese Tatsache wird für die neueste spanische Geschichte wieder wichtig werden, ohne formell auf seinen Thron zu verzichten, aus Angst um sein Leben das Land.[35]

Das spanische Militär, das schon immer zu großen Teilen den konservativen und somit auch den antirepublikanischen, pro-monarchischen Kräften Spaniens angehörte, verweigerte der jungen Republik daraufhin seinen Dienst. Ohne die Unterstützung der Guardia Civil und der bewaffneten Truppen konnte die öffentliche Sicherheit jedoch nicht wieder hergestellt werden. Die Neuwahlen im Dezember 1936 wurden zum Machtkampf zwischen den beiden gegensätzlichen Ideen für ein zukünftiges Spanien; das Opfer dieses Kampfes war die liberale Republik. „Brandstifter, Streiks und politische Morde lähmten das Leben des Landes. Die Bilanz der ersten vier Monate des Volksfrontregimes […] umfasste 269 Morde, 249 Brandstiftungen, 113 Generalstreiks und 228 Teilstreiks.“[36] Spanien war nun endgültig gespalten.

E. Francisco Franco

Im Juli 1936 führte die Auseinandersetzung zwischen links und rechts Spanien zum vierten Mal innerhalb von nur gut 100 Jahren in einen Bürgerkrieg: Am 18. Juli überquerten die aufständischen Militärs unter den Generälen José Sanjurjo, Francisco Franco, Emilio Mola und Gonzalo Queipo die Meerenge von Gibraltar. Sie wurden unterstützt vom überwiegenden Teil der Armee, den Anhängern des Katholizismus sowie den traditionalistischen und monarchistischen Kräften. Die Verteidiger der Republik wiederum hatten die Industriegebiete, die nach Autonomie strebenden Regionen, die Gewerkschaften und die Arbeiterschaft auf ihrer Seite.[37] Der Krieg dauerte drei Jahre und kostete Hunderttausende das Leben – sowohl auf republikanischer als auch auf franquistischer Seite. Am 1. April 1939 erklärte Franco den Bürgerkrieg für beendet und sich selbst und seine Falange Partei zum Sieger.[38]

Eine der größten Erinnerungsstätten an den Bürgerkrieg ist das Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen) in der Sierra de Guadarrama, etwa 50 Kilometer nördlich von Madrid. Gebaut wurde diese Stätte – auf Anordnung Francos höchstpersönlich – als Erinnerungsort für faschistische Gefallene des Bürgerkriegs. Sie beherbergt aber nicht nur die Gräber von tausenden Gefallenen aus dem Bürgerkrieg, fast alle aus dem Lager Francos, sondern auch die Grabstätten Primo de Riveras und Francisco Francos selbst. Noch heute, 70 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs, wird in den Besucherprospekten des Valle de los Caídos nichts darüber geschrieben, dass die wenigen republikanischen Gefallenen die hier begraben sind, fast alle beim Bau des Werkes starben.[39]

[...]


[1] Das Kantabrische Gebirge liegt an der nördlichsten Küste der Iberischen Halbinsel auf dem Gebiet der heutigen Regionen Asturien und Kantabrien.

[2] Vgl. Enric Juan Redal (Hrsg.): La Enciclopedia del Estudiante. Historia de España, Band 8 von 20, Madrid 2005, S. 22-23, 26-27.

[3] Vgl. Arnold Gimber: Kulturwissenschaft Spanien, Stuttgart 2003, S. 29.

[4] Vgl. Redal: Historia de España, S. 26-27.

[5] Kastilianisch ist die Sprache, die umgangssprachlich und vor allem im Ausland als Spanisch bezeichnet wird. Um Verwechslungen zu vermeiden, wird an dieser Stelle jedoch die Bezeichnung Kastilianisch verwendet werden.

[6] Vgl. SiSPain: La Presencia de Roma, http://www.sispain.org/spanish/history/roman.html [05.03.2006] sowie Redal: Historia de España, S. 27 – 32.

[7] Alle folgenden Jahreszahlen beziehen sich auf die Zeit n.Chr. außer wenn anders angegeben.

[8] Vgl. Redal: Historia de España, S. 43.

[9] Vgl. Manfred Mai: Weltgeschichte, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2005, S. 42.

[10] Vgl. SiSPain: El Reino visigodo, http://www.sispain.org/spanish/history/visigoth.html [05.03.2006] sowie Redal: Historia de España, S. 42.

[11] Vgl. Mai: Weltgeschichte, S. 48.

[12] Vgl. Redal: Historia de España, S. 44-46.

[13] Vgl. Ders., S. 54.

[14] Vgl. Ders., S. 50.

[15] Vgl. Universität Marburg: Die Mauren in Spanien (711 – 1492), http://www.students.uni-marburg.de/~Schmeer/mauren.html [05.03.2006].

[16] Vgl. Alexander Pierre Bronisch: Reconquista und Heiliger Krieg. Die Deutung des Krieges im christlichen Spanien von den Westgoten bis ins frühe 12. Jahrhundert, Münster 1998, S. 2-3.

[17] Vgl. SiSPain: La Reconquista, http://www.sispain.org/spanish/history/reconque.html [05.03.2006].

[18] Vgl. Redal: Historia de España, S. 91.

[19] Zacarías García Villada: Historia eclesiástica, Band 3 von 3 der Reihe: La iglésia desde la invasión sarracena en 711 hasta la toma de Toledo en 1085, Madrid 1936, S. 178.

[20] Vgl. Ricardo García Villoslada: La Edad media (800-1303). La cristianidad en el mundo europeo y feudal, Band 2 von 5 aus der Reihe: Historia de la Iglésia católica, Madrid 1963, S. 144.

[21] Vgl. Carl Erdmann: Entstehung des Kreuzzugsgedankens, Darmstadt 1980, S. 56.

[22] Vgl. Bronisch: Reconquista und Heiliger Krieg, S. 9.

[23] Vgl. Gimber: Kulturwissenschaft Spanien, S. 68.

[24] Vgl. SiSpain : Los Reyes Catolicos, http://www.sispain.org/spanish/history/catholic.html [05.03.2006].

[25] Vgl. Redal: Historia de España, S 98.

[26] Vgl. Mai: Weltgeschichte, S. 78.

[27] Vgl. Ders., S. 81-82.

[28] Vgl. SiSpain: Auge y caída del imperio español, http://www.sispain.org/spanish/history/rise.html [05.03.2006].

[29] Vgl. Gimber: Kulturwissenschaften, S. 33.

[30] Vgl. Heinz Meyer/Wichard Woyke: Spanien. Eine politische Länderkunde, Opladen 1977, S. 13-14.

[31] Vgl. Günther Haensch, Paul Hartig (Hrsg): Spanien. Band 1: Staat und Gesellschaft, Frankfurt am Main 1975, S. 58-59.

[32] Vgl. Meyer/Woyke: Eine politische Länderkunde, S. 11, 13.

[33] Vgl. Walther L. Bernecker/Hans-Jürgen Fuchs/Rafael de la Vega, et al.: Spanien-Lexikon. Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft, München 1990, S. 32-33.

[34] Vgl. Jaime Vicens Vives: Geschichte Spaniens, Stuttgart u.a. 1969, S. 130.

[35] Vgl. Meyer/Woyke: Eine politische Länderkunde, S. 16.

[36] William C. Atkinson: Geschichte Spaniens und Portugals, München 1962, S. 376-377.

[37] Vgl. Meyer/Woyke: Eine politische Länderkunde, S. 22.

[38] Vgl. Bernecker/Fuchs/De la Vega: Spanien-Lexikon, S. 230.

[39] Vgl. Gimber: Kulturwissenschaften Spanien, S. 66. Sowie Redal: Historia de España, S. 215.

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Details

Titel
Politische und staatliche Symbole im demokratischen Spanien
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
45
Katalognummer
V66806
ISBN (eBook)
9783638592055
ISBN (Buch)
9783656789956
Dateigröße
826 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politische, Symbole, Spanien
Arbeit zitieren
Nina Westermann (Autor:in), 2006, Politische und staatliche Symbole im demokratischen Spanien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66806

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