Zur identitätsbildenden Wirkung materieller Kultur in der Moderne


Seminararbeit, 2005

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Begriffsklärung
Materielle Kultur
1.2 Artefakt
1.3 Commodity
1.4 Identität

2. Moderne und Identität

3.Abriss zur Historie der Wirtschaftsethnologie respektive Konsumstudien

4. Artefakte und kulturelle Identität in der Moderne
4.1. Wie wir Dinge ordnen
4.2. Wie Dinge uns ordnen

5. Objektbiographie und Zeit als Determinante von Bedeutung

6. Behavioral Chain, Singularisierung, Performance: Aspekte der Wirkungsweise von Artefakten

Schlussbemerkung

Zitierte Literatur

Einleitung

Ausgehend von der Tatsache, dass die tägliche Auseinandersetzung mit der Welt im Wesentlichen über die materielle Kultur, d.h. über die mit Bedeutung behafteten, im weitesten Sinne als Artefakte, im engeren, insbesondere auf die westlichen Gesellschaften bezogenen Sinn als Commodity[1] bezeichneten Dinge stattfindet, möchte ich die These postulieren, dass materielle Kulturphänomene in der Moderne eine ebenso entscheidende Instanz in Bezug auf die Bildung von Identität darstellen. Wie ich später aufzuzeigen versuche, finden sich gerade im Kontext der Globalisierung und ihrer Konsequenzen Phänomene, die sehr deutlich auf eine „Identifikationswelle“ mit Artefakten schließen lassen.

Dabei ist es sinnvoll, einerseits die soziokulturelle Relevanz von materieller Kultur zu untersuchen, und andererseits die theoretischen Überlegungen der Ethnologie als Reaktion, sowie die historische Entwicklung von Konsumstudien kurz darzustellen.

Ich werde zunächst die einzelnen wichtigen Begriffe klären, dann im Wesentlichen anhand zweier Texte von Daniel Miller bzw. Anthony Giddens Basiseigenschaften des Modernephänomens darstellen und die theoretischen Grundlagen meiner These erörtern um schließlich einzelne Konzepte als Schlüssel zum Verständnis der Wirkungsweise von Artefakten zu besprechen. Dabei sollen einige Beispiele zur Aneignung und Bedeutungsänderung von Objekten deren identitätsbildende Wirkung plastisch darstellen.

Zentrale Fragen und Leitfaden in diesem Text sollen stets sein: Identifizieren wir Menschen uns, zumindest zum Teil, wirklich mit Materieller Kultur ? Wenn ja, warum? Wie machen wir uns Artefakte zu Eigen, d.h. wie verleihen wir ihnen kulturelle Bedeutung? Und schließlich: Welche Konsequenzen hat das für uns?

1. Begriffsklärung

Damit grundsätzlich keine Missverständnisse hinsichtlich des Gebrauchs einiger Fachtermini entstehen, werde ich im Folgenden die Bedeutung einiger zentraler Begriffe charakterisieren.

Materielle Kultur

Im Wörterbuch der Völkerkunde schreibt Hans P. Hahn, dass der Terminus Materielle Kultur alle Dinge umfasse, von denen in einer Kultur Gebrauch gemacht würde oder die mit Bedeutung behaftet seien. Sie werde immer in Kategorien von Formen gedacht und zugeordnet, die sich aber in ständiger Veränderung befänden. Johansen betont darüber hinaus, dass Dinge die Materialisierung von geistigen und kulturellen Konzepten seien (Hahn 1999: 247/8). Miller begreift Materielle Kultur als etwas, das nur über seine Artfizialität und Intentionalität definiert werden kann (Miller 1994: 399).

Das Konzept der Kulturkreislehre gilt als veraltet, die Ethnologie geht nicht mehr davon aus, dass man anhand von materiellen Kulturphänomenen Rückschlüsse auf frühere Kontakte zwischen zwei Kulturen ziehen kann. Neuere Sichtweisen verstehen vielmehr Materielle Kultur als Teil eines Zeichensystems, bei dem vor allem das Verhältnis von Mensch zu Objekt in den Vordergrund tritt. Appadurais Fokus liegt vor allem auf der Objektbiographie, andere, praxisbezogene Perspektiven zielen im Wesentlichen auf die soziale Bewertung von Objekten ab.

Synonym für m. K. werden die Begriffe Materialisierte Kultur, Sachgüter, Sachkultur verwendet (Hahn 1999: 247/8).

1.2 Artefakt

(lat.: ars, „Technik“, „Kunst“; facere, „machen“)

Das Dictionary of Social Sciences versteht ein Artefakt als individuellen Ausdruck materieller Kultur oder menschlichen Handelns. Durch Naturgewalten entstandene Dinge werden nicht dazugezählt.

Ein Artefakt muss weder das Werk eines Individuums sein, noch aus nur einem Teil bestehen. Beispielsweise können Flugzeuge, Autos etc. als Artefakte bezeichnet werden. Nicht einig sind sich die verschiedenen Sozialwissenschaften darüber, ob Artefakte unabhängig von ihrer Funktion und kulturellen Zugehörigkeit untersucht werden können (Gerow 1964: 37).

Auch im Wörterbuch der Völkerkunde beschreibt Christian F. Feest ein Artefakt als ein technisches, künstliches Erzeugnis, im weitesten Sinne alles materielle Menschenwerk, im engeren tradierte, dingliche Formen bzw. materielle Kultur (Feest 1999: 32).

Seit der jüngeren Vergangenheit hat man den Begriff nicht nur in Bezug auf materielle, sondern allgemein auf von Menschen geschaffene Kulturphänomene bezogen. Besonders in Bezug auf Computer, Software und Cyberspace erscheint mir diese Ergänzung sinnvoll.

1.3 Commodity

Deutsche Übersetzungen wie Bedarfsartikel, Gebrauchsgegenstand oder Konsumartikel für den Terminus commodity sind meiner Meinung nach unzureichende Annäherungen an dessen Bedeutung. Ich werde im Folgenden deshalb den englischen Begriff, oder, der Einfachheit halber, das Wort „Ware“ verwenden.

Zur historischen Entwicklung des Commodity-Begriffs verweist das Dictionary of Anthropology auf Aristoteles, der erstmalig zwischen dem später so von Marx bezeichneten Nutz- und Tauschwert unterschieden habe. Der Nutzwert sei dabei das Naturell eines Objekts und zeige entweder seine Nutzbarkeit oder die unmittelbare Befriedigung nach dessen Konsum auf, der Tauschwert beschreibe die Nützlichkeit für andere Menschen und die Möglichkeit einer beidseitigen Gewinnsituation im Tauschvorgang selbst. Marx zufolge nähmen Produkte innerhalb eines Marktes diese Eigenschaften an, sofern es sich um bestandsfähige, veräußerbare commodities handle (Kaplan 1997: 72/3).

Auch die Companion Encyclopedia of Anthropology bezieht sich auf die Aristotelische Idee. Darüber hinaus beschreibt sie, wie Marx erstmalig formulierte, dass Arbeit ebenfalls eine commodity sei: reduziere man verschiedene Arbeitsleistungen auf ihren kleinsten gemeinsamen Nenner, so entstünde ein Quantitätsverhältnis. Wenn auch der Nutzwert ganz verschieden sei, so könne doch bezüglich des quantitativen Tauschwerts verhandelt und Verabredungen getroffen werden. Der Austausch heterogener commodities verkörpere so ein bestimmtes Volumen an homogener, abstrahierter Arbeit.

Historisch deutet Marx die Entstehung von Waren als Indiz für erste Transaktionshandlungen mit Fremden, wobei „nutzlose“ Objekte ausgetauscht worden seien, die der jeweils andere hätte verwenden können. Dabei wären unter dem zunehmend zerstörerischen Einfluss von Waren die Stammesgesellschaften langsam auseinander gebrochen. Nach dem Prinzip von Division und Multiplikation hätte sich der Umgang mit commodities vom einfachen Warentausch, über die Einführung des Geldes als Wertäquivalenz bis hin zum kapitalistischen Ansatz von Gewinnmaximierung durch Einkauf und Verkauf bzw. der Erfindung des Zinses entwickelt.

Daraus leitet Marx die Formel ab:

C = c+v+s (commodity = constant capital + variable capital + surplus capital)

und folgert, dass durch die Etablierung des Proletariats auch Arbeit zu einer Ware geworden sei.

Anhänger der Marx´schen Theorie entwickeln später daraus die These, dass im Tausch sich zugrunde liegende Kräfteverhältnisse der unterschiedlichen sozialen Klassen zeigen (Gregory 1994: 912ff).

Im Dictionary of Social Sciences weist R. W. Pfouts darauf hin, dass es aufgrund der Frage nach der Zugehörigkeit von Freien Waren und Serviceleistungen keine klare Abgrenzung des commodity -Begriffs geben könne (Pfouts 1964: 108). Sevons beschreibe sie aber als Objekt, Substanz, Aktion oder Dienstleistung, welche Genuss hervorruft oder Schmerz abwehre (Sevons 1924: 37/38 zit. n. Pfouts 1964: 108).

Trotz feiner Unterschiede liegt jeder Charakterisierung oder Definition zugrunde, dass es sich bei einer commodity um ein nützliches Objekt mit wirtschaftlichem Wert handeln muss.

[...]


[1] Im Folgenden werde ich Schlüsselbegriffe, relevante Fachtermini, Anglizismen etc. der Einfachheit halber durch kursive Schrift vom Text absetzen

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Zur identitätsbildenden Wirkung materieller Kultur in der Moderne
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Ethnologie und Afrikanistik)
Veranstaltung
Grundfragen der Ethnologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V66841
ISBN (eBook)
9783638592291
ISBN (Buch)
9783638669214
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ausgezeichnet und solide aufgebaut, sehr flüssig formuliert, plausibel argumentiert - richtig mitgedacht. Sehr gut.
Schlagworte
Wirkung, Kultur, Moderne, Grundfragen, Ethnologie
Arbeit zitieren
Philipp Einhäuser (Autor:in), 2005, Zur identitätsbildenden Wirkung materieller Kultur in der Moderne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66841

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