Feldforschung im Internet aus ethnologischer Perspektive


Seminararbeit, 2006

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Begriffsklärung „Feldforschung“

2. Historischer Abriss zur Entwicklung des Internets

3. Entwicklung der Internetforschung

4. Methodik der ethnologischen Internetforschung
4.1 Theoretische Grundlagen zur Feldforschung im Internet
4.2 Das Feld
4.3 Forschungsquellen
4.4 Die Person des Ethnographen

Ethische Aspekte

Schlussbemerkung

Zitierte Literatur

Einleitung

Die Internetforschung hat sich in den letzten zehn Jahren im Fächerkanon der ethnologischen Disziplinen weitgehend etabliert. Mit der Öffnung des Internets für private und gewerbliche Zwecke Mitte der 90er Jahre sind auch in kultureller und sozialer Hinsicht eine Vielzahl an neuen Phänomenen im Cyberspace entstanden, welche die Ethnologie heute vor neue Herausforderungen stellen. Konzepte und Methoden sollten überprüft, verändert und an die Strukturen des Internets angepasst werden, der Ethnograph muss sich ein völlig neues Feld zu Eigen machen, und neue ethische Leitlinien müssen erarbeitet werden.

In der vorliegenden Seminararbeit werde ich mich mit der gegenwärtigen Methodik der ethnologischen Internetforschung auseinandersetzen.

Zunächst werde ich den Begriff der Feldforschung klären, damit eine sinnvolle Differenzierung zur Feldforschung im Netz erfolgen kann. Im Anschluss daran folgt ein historischer Überblick über die Entwicklung des Internets sowie ferner ein kurzer Abriss über die frühe Internetforschung. Im Hauptteil des Textes versuche ich eine Annäherung an die neuere und gegenwärtige Methodik der Online-Feldforschung, wobei ich mich im Wesentlichen an den theoretischen Teilen der Ethnographien Cyberidentities at War. Der Molukkenkonflikt im Internet von Birgit Bräuchler und Virtual Ethnography von Christine Hine orientieren werde. Den Abschluss werden einige ethische Betrachtungen zur Internetforschung bilden. Fragen der Repräsentation von ethnographischem Material lasse ich bewusst außen vor; dies würde den Rahmen sprengen.

Ausgangspunkt des Textes bildet die These, dass der Cyberspace einiger spezifischer Methoden bedarf, um sinnvoll untersucht zu werden, und eine unreflektierte Übertragung von gängigen Theorien und Methoden aus der Offline-Feldforschung nicht erfolgen kann.

1. Begriffsklärung „Feldforschung“

Um im späteren Verlauf die Frage behandeln zu können, inwiefern man vom Internet als „Feld“ sprechen kann bzw. um zu untersuchen, durch welche Parameter es sich konstituiert, erscheint es sinnvoll, zunächst den allgemeinen Begriff der Feldforschung genauer in Augenschein zu nehmen.

Im Taschenwörterbuch der Ethnologie[1] wird zunächst das Feld als Ort beschrieben, in dem der Ethnologe seinem Forschungsgegenstand begegnet. Bei der Feldforschung handle es sich um eine Praxis der empirischen Ethnologie, die durch L.H. Morgans Aufenthalt bei den Irokesen eingeleitet, von Franz Boas weiter als Methode verfolgt und mit Bronislaw Malinowskis Trobriand-Aufenthalt und der entsprechenden Monographie „Argonauten des westlichen Pazifik“ ihre wissenschaftliche Form gefunden habe. Auch wenn Malinowski als Vater der Feldforschung gilt, sei deren Praxis seither in ständiger Erneuerung begriffen (Panoff 2000)

Die Encyclopedia of Social and Cultural Anthropology differenziert grundsätzlich zwischen Feldforschung und Repräsentation der Feldforschung. Die Praxis des Forschens könne dabei so viele verschiedene Formen annehmen, wie es Ethnologen, Projekte und besondere Umstände gäbe, die potentielle Isolation von der eigenen Kultur und das vollständige Eintauchen in eine fremde sei aber anzustreben. Die spezielle Methode des Ethnologen, Daten zu sammeln, zu ordnen und Beweise zu erbringen, manifestiere sich in der „Teilnehmenden Beobachtung“, die seit Malinowski enorme Auswirkungen auf die Ethnologie gehabt habe. Die Beschreibung des Arbeitsprozesses als alltägliche Erfahrung und Problematik fehle aber bei Malinowski und seinen Schülern größtenteils, der Begriff der „Teilnahme“ sei weitgehend nur als sublime Form der Beobachtung verstanden worden, über die hinauszugehen als unwissenschaftlich verstanden worden wäre.

So sei die Problematik fast vierzig Jahre nicht herausgefordert worden. Erst in den 60er Jahren wären erste in sehr persönlichem Stil verfasste Monographien entstanden, welche die Position des Ethnologen offener dargelegt hätten (z.B: H. Powdermaker; K. Read). Eine Fülle an Literatur, vom Handbuch der Feldforschung über Memoiren bis hin zu neuen Spielarten des Aufzeigens und Einbringens der eigenen Persönlichkeit wäre gefolgt.

Heute gelte zwar nach wie vor das Ideal Malinowskis, die Figur des Ethnologen werde aber als komplexeres, brüchigeres Wesen verstanden, dessen Beobachtungen einerseits nuancierter und vielschichtiger, andererseits aber auch persönlicher und subjektiver dargestellt würden. Allgemeiner gefasst bedeute dies auch, dass ein erstes Wissen, das der Ethnologe sich während der Feldforschung aneigne, um sich grundsätzlich in einer fremden Kultur zurechtzufinden, von ihm später abstrahiert, d.h. in ein zweites Wissen verwandelt werden solle, damit sich ein umfassenderes Bild einer Kultur abzeichne. Die persönliche Erfahrung, zu kritischer Kenntnis transformiert, könne so zu einem Kulturenvergleich führen. Statt der Bezeichnung „Participant Observation“ plädiert der Autor für den Terminus „engaged learning.“

Darüber hinaus weist er darauf hin, dass eine Feldforschung weit mehr umfasse, als die eigentliche Arbeit im Feld. Dazu gehörten: gute Vorbereitung, Neugier, Wille, Abstraktionsvermögen etc. (Carrithers 1996: 229-232).

Jean Jackson betont im Dictionary of Anthropology die Notwendigkeit einer lang andauernden, intensiven Forschungszeit. Im Gegensatz zur soziologischen Feldforschung sei diese in der Ethnologie die „Initiation“ des Wissenschaftlers und werde zumindest für eine Dissertation meist vorausgesetzt. Darüber hinaus unterscheide sie sich von der Soziologie konzeptionell wie praktisch durch verschiedenartige epistemologische Auffassungen, einer unterschiedlichen Historie und der abweichenden Sozialisationspraxis im Feld.

Die neuere Literatur beschäftige sich weniger mit der Methodik und der Praxis der Feldforschung, als vielmehr mit der Erfahrung an sich. Sie sei demnach von gesteigerten reflexivem Charakter und beziehe sich z.B. verstärkt auf ethische Fragen.

Als zentrale Instanz der Feldforschung beschreibt der Autor die Erfahrung: das Lernen durch die Sinne ermögliche einerseits ein gewisses Eintauchen in eine fremde Kultur, andererseits könne der Ethnologe durch sie den Fokus auf sich selbst richten und über sich reflektieren. Die Teilnehmende Beobachtung könne so ein multidimensionales Ausmaß annehmen.

Ungeklärt sei bisher das beste Verhältnis von wissenschaftlicher und erfahrungs­basierter Annäherung an den Forschungsgegenstand. Der Auffassung Malinowskis, der natürliche Umgang („natural intercourse“) sei wichtiger, als die faktische Information stellt der Autor die Gefahr des „going native“ gegenüber, wenngleich er auch vor einer zum nur oberflächlichen Verständnis eines Phänomens führenden Distanz warnt.

Jeder Feldforscher müsse sich demnach persönlich mit diesen Fragen beschäftigen.

Die postmoderne Debatte habe Kritik an beiden Extremen geäußert und damit das Bewusstsein für die ambivalente Figur des Wissenschaftlers gestärkt.

Als weitere Problematik beschreibt Jackson die sinkende Bereitschaft von sog. Dritte-Welt-Ländern, sich mit Forschungsaufenthalten einverstanden zu erklären, nicht zuletzt aus dem kolonialen und postkolonialen Kontext heraus. Dieser Umstand habe bei einigen Ethnologen mittlerweile dazu geführt, dass sie sich einer kulturhistorischen Herangehensweise verpflichtet hätten.

In Bezug auf die Auswahl des Feldes beschreibt Jackson eine jüngst vollzogene Wende: hatte es bis vor wenigen Jahren noch geographisch exotisch sein müssen, so sei es mittlerweile zu einer Erweiterung gekommen (Jackson 1997: 188-190).

Ein sicherlich zentraler Bestandteil der Erweiterung des Forschungsfeldes ist das Internet und die CMC (computer mediated communication). Seit Mitte der 90er Jahre sieht sich die Ethnologie in diesem Zusammenhang mit kulturellen Phänomen konfrontiert, zu deren Erforschung bislang gültige Methoden und Techniken überprüft, modifiziert und gegebenenfalls erneuert werden müssen.

Aber auch gängige Terminologien müssen überdacht und reflektiert werden und selbst der Ethnologe nimmt potentiell eine völlig neue Rolle in der Feldforschung ein.

Dies zu veranschaulichen und zu erörtern ist Ziel des vorliegenden Textes. Zunächst soll aber ein kurzer historischer Überblick über die Entwicklung des Internets Aufschluss über die sozialen und kulturellen Dimensionen dieser neuen Technologie erteilen.

[...]


[1] Im folgenden Text werde ich Fachbegriffe und feststehende Wendungen der Übersichtlichkeit halber kursiv vom Text absetzen.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Feldforschung im Internet aus ethnologischer Perspektive
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Ethnologie und Afrikanistik)
Veranstaltung
Cyberanthropology
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V66846
ISBN (eBook)
9783638592345
ISBN (Buch)
9783638665537
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Feldforschung, Internet, Perspektive, Cyberanthropology
Arbeit zitieren
Philipp Einhäuser (Autor:in), 2006, Feldforschung im Internet aus ethnologischer Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66846

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