Die Parteipolitisierung des Bundesrates ist ein in Öffentlichkeit und Wissenschaft unaufhörlich diskutiertes Thema. Häufig werden die Zustimmungsverweigerungen des Bundesrates, wenn sie nach parteipolitischen Gesichtspunkten getroffen werden, als Ursache für den oft konstatierten Reformstau in der Bundesrepublik Deutschland angesehen. Dabei war der Bundesrat nicht als Arena einer parteipolitischen Auseinandersetzung erschaffen worden. In diesem einzigartigen Organ sollten die Länder - und nicht die Parteien - an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mitwirken. Bei unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat bietet sich aber jenen Parteien, die sich im Bundestag in der Opposition befinden, die Chance einer gestaltenden Mitwirkung durch den Bundesrat, wenn sie denn in der Lage zur Bildung einer mehrheitsfähigen Blockadefront sind. Diese Mitgestaltungsmöglichkeit ist insofern problematisch, da sie als Oppositionsparteien im Bundestag nicht in Regierungsverantwortung stehen. Die politische Entscheidungsfindung im parlamentarischen Bundesstaat ist folglich stark durch Aushandlungserfordernisse zwischen Bund und Ländern gekennzeichnet. Diese beiden Entscheidungssysteme - Aushandlungsprozesse einerseits, parteipolitische Konkurrenz andererseits - beruhen auf unterschiedlichen Handlungslogiken, die ein Mehr oder Minder an ´Politikstillstand´ produzieren können. Jenen Handlungslogiken widmet sich die vorliegende Arbeit. Mithilfe einer empirischen Untersuchung werden diese Tendenzen im deutschen Bundesstaat nachgewiesen. Folgende Sachverhalte werden vertiefend behandelt:
Historische Vorläufer, Legitimationsgrundlage, Arbeitsweise des Bundesrates, Kompetenzverteilung im Bundesstaat, Gesetzgebung im Zweikammerverfahren, Politikverflechtung, ´divided government´, der Bundesrat als Vetospieler, konkurrenz- und konkordanzdemokratische Strukturelemente, Parteipolitik im Bundesrat, Auswirkungen divergierender Mehrheitsverhältnisse.
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung, Problemstellung und Gang der Argumentation
- Forschungsstand und theoretische Grundlagen
- II Der Bundesrat im politischen System der Bundesrepublik Deutschland
- Historische Vorläufer des Bundesrates
- Die Legitimationsgrundlage des Bundesrates
- Der Bundesrat im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland
- Die Zusammensetzung des Bundesrates
- Die Stimmenverteilung im Bundesrat
- Präsident, Präsidium und Ständiger Beirat des Bundesrates
- Das Ausschusswesen
- Sonstige Einrichtungen
- Der Vermittlungsausschuss als gemeinsames Organ von Bundestag und Bundesrat
- Die Kompetenzverteilung im Bundesstaat als Ursache der Politikverflechtung
- Die Kompetenzen des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren
- Gesetzgebung im Zweikammerverfahren
- Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften
- Zustimmungspflichtige Gesetze
- Einspruchsgesetze
- Der Bundesrat als Vetospieler
- Die Bundesrepublik Deutschland zwischen Konkurrenz und Konkordanz
- Die konkurrenzdemokratischen Strukturelemente und das Parteiensystem in der Bundesrepublik Deutschland
- Die konkordanzdemokratischen Strukturelemente im politischen System der Bundesrepublik Deutschland
- Der Bundesrat zwischen Konkurrenz und Konkordanz – ein Strukturbruch?
- Die Auswirkungen divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat
- Der Bundesrat zwischen Parteipolitik und Vertretung von Länderinteressen
- Inhaltsanalyse der Beschlussgründe des Bundesrates bei Anrufung des Vermittlungsausschusses
- Datenmaterial
- Kategorisierung der Begründungen des Bundesrates bei Anrufung des Vermittlungsausschusses
- Gesetzestechnische Gründe
- Rechtliche Gründe
- Finanzpolitische Gründe
- Verwaltungsverfahrensbezogene Gründe
- Wahrnehmung gesteigerter Länderinteressen
- Kombinationen
- Inhaltsbezogene Gründe
- Allgemeinpolitische Gründe
- Interpretation der Anrufungsbegründungen der 4. Wahlperiode
- Interpretation der Anrufungsbegründungen in der 14. Wahlperiode
- Interpretation der Anrufungsbegründungen der 15. Wahlperiode
- Parteipolitik im Bundesrat
- IV Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle der Parteipolitik im Bundesrat, indem sie die Anrufungsbegründungen des Bundesrates zum Vermittlungsausschuss auf ihre inhaltliche Begründung hin analysiert. Die spezifische Anrufungsbegründung dient als Indikator für die Art der Einflussnahme des Bundesrates auf den Gesetzgebungsprozess und erlaubt Rückschlüsse auf die Frage, ob eher Landesinteressen oder Parteipolitik die Arbeit des Bundesrates dominieren. Die Arbeit analysiert die Anrufungsbegründungen des Vermittlungsausschusses in der 4., 14. und 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestages.
- Die Rolle des Bundesrates im politischen System der Bundesrepublik Deutschland
- Die Kompetenzen des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren
- Der Bundesrat als Vetospieler
- Die Auswirkungen divergierender Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat auf die Gesetzgebung
- Die Beziehung zwischen Parteipolitik und Länderinteressen in der Arbeit des Bundesrates
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung, Problemstellung und Gang der Argumentation: Diese Einleitung stellt die Forschungsfrage und die zentrale These der Arbeit vor, nämlich die Frage, inwieweit Parteipolitik im Bundesrat eine Rolle spielt. Der methodische Ansatz und die Struktur der Arbeit werden erläutert.
- Der Bundesrat im politischen System der Bundesrepublik Deutschland: Dieses Kapitel beleuchtet den Bundesrat im Kontext des deutschen Verfassungsgefüges. Es werden seine historische Entwicklung, seine Legitimationsgrundlage, seine Zusammensetzung, seine Kompetenzen und seine Rolle im Gesetzgebungsprozess erläutert. Insbesondere werden die Kompetenzen des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren näher betrachtet, wobei ein Schwerpunkt auf den Vetospieler-Charakter des Bundesrates gelegt wird.
- Die Bundesrepublik Deutschland zwischen Konkurrenz und Konkordanz: Dieses Kapitel untersucht die verschiedenen Demokratieformen, insbesondere die Konkordanz- und die Konkurrenzdemokratie. Es wird gezeigt, wie diese Elemente im politischen System der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden und welche Auswirkungen unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat auf die Gesetzgebung haben können.
- Die Auswirkungen divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat: Dieses Kapitel befasst sich mit den möglichen Folgen unterschiedlicher parteipolitischer Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat. Es wird die Theorie der legislativen Autolimitation vorgestellt, die die Folgen von Mehrheitsverhältnissen für die Gesetzgebung erläutert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen dieser Arbeit sind der Bundesrat, die Parteipolitik, das deutsche politische System, die Gesetzgebung, das Vermittlungsausschussverfahren, das deutsche Bundesstaatssystem, Konkordanzdemokratie, Konkurrenzdemokratie, Vetospieler, Mehrheitsverhältnisse, Länderinteressen und die Inhaltsanalyse von Dokumenten.
- Quote paper
- Stephan Fischer (Author), 2006, Der deutsche Bundesrat zwischen Konkordanz und Konkurrenz - Vertretung der Länder oder Instrument der Parteien?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66875