Die „Überwindung der Teilung Europas [gibt] uns die Freiheit, nun gemeinsam auch mit unseren Nachbarn über die Vergangenheit zu sprechen - über die eigene Leidensgeschichte und über die Leidensgeschichte unserer Nachbarn. Darum ist es gut und begrüßenswert, dass sich immer mehr Menschen mit diesem Thema beschäftigen. […] Warum? Weil ich überzeugt davon bin, dass wir auch weiterhin über dieses Kapitel der deutschen und europäischen Geschichte sprechen und nachdenken müssen, damit wir den Weg in die Zukunft finden. Wir müssen darüber sprechen, weil die Menschen, denen unermessliches Leid widerfahren ist, Anspruch auf unser Mitgefühl und unsere Solidarität haben. Wir müssen darüber sprechen, weil die Kultur und die Geschichte der Vertriebenen zu unserer Identität gehören. Und wir müssen das Gespräch darüber mit unseren polnischen, tschechischen, slowakischen, ungarischen Nachbarn, den anderen Nachbarländern und Freunden suchen, weil zu einer gemeinsamen guten Zukunft auch gehört, dass wir aufrichtig und auf Versöhnung bedacht mit unserer Vergangenheit umgehen.“ Dieser Appell des deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler ist geradezu ein Aufruf an alle Historiker, sich mit dem Thema „Flucht und Vertreibung“ zu beschäftigen. Köhler erkennt, dass die Versöhnung zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn noch lange nicht vollendet ist und, dass gerade nach der Öffnung der Europäischen Union nach Osten es wichtig ist, den Dialog mit diesen Ländern voranzutreiben um hier zu einer echten Aussöhnung zu kommen. Die Kritik vom polnischen Premierminister Jaroslaw Kaczynski 2 und die Diskussion um das mögliche Ende für Minderheitenrechte Deutscher in Polen 3 zeigen, dass Köhler mit seiner Rede den Finger in eine wunde Stelle der Beziehungen Deutschlands mit seinen östlichen Nachbarn legt. Die vorliegende Arbeit soll diesen Aufruf Köhlers aufgreifen. Allerdings beschäftigt sie sich nicht mit dem Nachbarn Polen, sondern mit den Vertreibungen in und aus der Tschechoslowakei. Diese Arbeit soll aber keine Anklageschrift gegen die Tschechoslowakei sein, vielmehr soll der Versuch unternommen werden, den Dialog in einer vermittelnden Haltung zu fördern. Daher ist es auch das wichtigste Anliegen der Arbeit, die Vertreibungen in und aus der Tschechoslowakei nicht als Fehlverhalten einer Gruppierung zu interpretieren, [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Sudetendeutschen, das Münchener Abkommen und die Liquidierung der Tschechoslowakei
- Die Sudetendeutschen
- Die Maikrise und das Abkommen von München
- Die Maikrise
- Das Abkommen von München
- Die Liquidierung der Tschechoslowakei
- Die NS-Herrschaft im Gebiet des Protektorats
- Die Massaker von Lidice und Ležáky
- Der Weg zur Vertreibung
- Die Pläne und Aktivitäten der Exilregierung und die Haltung der Alliierten
- Die endgültige Entscheidung zur Vertreibung
- Die Vertreibung
- Der Prager Aufstand und die wilden Vertreibungen
- Die geregelten Aussiedlungen
- Die Opferzahlen
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und greift den Aufruf des deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler auf, die Versöhnung mit den östlichen Nachbarn voranzutreiben. Die Arbeit soll den Dialog in einer vermittelnden Haltung fördern und die Geschichte der Vertreibungen nicht als Fehlverhalten einer Gruppierung interpretieren, sondern die Vorgeschichte und Hintergründe beleuchten. Sie will keine Schuldzuweisungen unternehmen, sondern alle Seiten dazu aufrufen, die Aussöhnung voranzutreiben.
- Entwicklung bis zur Proklamation des Protektorats „Böhmen und Mähren“
- Verhältnisse im Protektorat
- Planung der Vertreibung der Deutschen
- Die Vertreibung selbst
- Die Aussöhnung zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext der Arbeit dar und befasst sich mit dem Aufruf des deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler zur Versöhnung mit den östlichen Nachbarn. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die Geschichte der Vertreibungen der Deutschen aus der Tschechoslowakei zu beleuchten und die Hintergründe zu analysieren, ohne Schuldzuweisungen zu treffen.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Situation der Sudetendeutschen und den Ereignissen, die zur Annexion des Sudetenlandes durch das Deutsche Reich führten. Hier werden die Maikrise und das Abkommen von München sowie die Liquidierung der Tschechoslowakei detailliert beschrieben.
Das dritte Kapitel behandelt die NS-Herrschaft im Protektorat Böhmen und Mähren, mit besonderem Fokus auf die Massaker von Lidice und Ležáky.
Das vierte Kapitel beschreibt die Planungen und Aktivitäten der tschechoslowakischen Exilregierung und die Haltung der Alliierten im Hinblick auf die Vertreibung der Deutschen. Außerdem wird die endgültige Entscheidung zur Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei behandelt.
Das fünfte Kapitel beleuchtet die Vertreibung selbst, mit besonderem Fokus auf den Prager Aufstand und die wilden Vertreibungen. Außerdem werden die geregelten Aussiedlungen und die Opferzahlen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Vertreibung, Tschechoslowakei, Sudetendeutsche, Münchener Abkommen, NS-Herrschaft, Protektorat, Massaker von Lidice und Ležáky, Exilregierung, Alliierte, Prager Aufstand, Opferzahlen, Versöhnung, Dialog.
- Arbeit zitieren
- Diplom-Politologe Martin H. Hetterich (Autor:in), 2006, Die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66934