Kadir Dağlar von der Föderation der türkischen Elternvereine in Düsseldorf beschreibt die Lage der deutschen Einwanderungsgesellschaft und zugleich den Bildungsnotstand der Migrantenkinder und -jugendlichen, den die PISA-Studie offenbart hat, mit diesen Worten "Wir Migranten fühlten uns all die Jahre oft wie Passagiere dritter Klasse auf einem Luxusdampfer und wir kämpften mühsam darum, von den unteren Decks nach oben zu gelangen. Heute müssen wir feststellen, dass das ganze Schiff ins Schlingern geraten ist. Nur gemeinsam können wir es wieder auf Kurs bringen" (Kabis, AID 2002). Jahrelang wurde in der Bundesrepublik eine verfehlte Bildungspolitik mit einer halbherzigen Integrationspolitik durchgeführt. Nach der Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse, die eine Herausforderung an die Bildungs- und an die Migrationspolitik sind, kam man in der Öffentlichkeit und in der Politik rasch zu dem Ergebnis, dass die Migrantenkinder schuld seien am katastrophalen deutschen Abschneiden. "Ohne Migranten würde Deutschland in der Bewertung einen Riesensprung machen: vom einundzwanzigsten auf den neunzehnten Rang"- so lautet der zynische Kommentar, den der Bildungsforscher Klaus Klemm auf einer Fachtagung der Forschungsstelle für Interkulturelle Studien in Köln formulierte (ebd.).
Tatsächlich haben die Migrantenjugendlichen in der PISA-Erhebung geringere Kompetenzwerte in allen Bereichen erzielt als die deutschen. Um die Ursachen des schlechten Abschneidens zu analysieren, wurde der Blick auf die Bildungspolitik und auf das deutsche Bildungssystem gerichtet, das wie die Integrationspolitik seit Jahren auf Inklusion statt Exklusion setzt (ebd.). So stellt z.B. die Selektion am Ende der Grundschule bzw. der sechsten Klasse für die Migrantenkinder und -jugendlichen mit ungünstigen Eingangsvoraussetzungen eher eine Hürde dar. Die aktuelle Bildungspolitik gibt bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider keinen Anlass dafür, das Problem der Benachteiligung als gelöst zu betrachten. Die traditionelle, monolinguale und monokulturelle deutsche Schule hat sich den sprachlich-kulturellen Neuerungen nicht anpassen können. Es wurden keine Bemühungen unternommen, die ethnische und nationale Heterogenität der Migrantenkinder und -jugendlichen als Herausforderung für eine qualitative neue Bildungspolitik zu betrachten. „Deutschland braucht ein stärker förderndes und weniger selektierendes Bildungssystem.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bestandaufnahme der Bildungssituation von Kindern mit Migrationshintergrund
- Entwicklung der Schülerzahlen von 1970 bis 2004
- Verteilung auf die Schularten
- Verteilung nach Schulabschlüssen
- Verteilung nach Geschlecht
- Regionale und nationalitätenspezifische Unterschiede in der Schulleistungsvergleichsstudie PISA
- Bildungsbeteiligung
- Jugendliche aus Migrantenfamilien
- Basiskompetenzen der Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund
- Geschlechterunterschiede in Basiskompetenzen
- Befunde zu den beiden größten Herkunftsgruppen bei der PISA-Studie 2003
- Zugewanderte Jugendliche aus der ehemaligen Sowjetunion
- In Deutschland geborene Jugendliche mit Eltern aus der Türkei
- Schlussfolgerungen und Datenkritik
- Erklärungsansätze für die Bildungsbenachteiligung
- Soziokulturelle und sozioökonomische Faktoren
- Das Einreisealter
- Wohnort- und Lebensbedingungen der Migrantenfamilien
- Bildungsstand der Eltern und kulturelles Kapital
- Sozioökonomischer Status und das Einkommen der Eltern
- Soziale Herkunft und Kompetenzerwerb
- Bildungspolitische Faktoren
- Schulsystemimmanente Faktoren
- Das deutsche Bildungssystem - integrativ oder selektiv?
- Institutionelle Diskriminierung
- Die Einschulung
- Überweisung auf eine Sonderschule für Lernbehinderte (SOLB)
- Übergang in die Sekundarstufe
- Sprache und Sprachkompetenz
- Zusammenfassung
- Soziokulturelle und sozioökonomische Faktoren
- Anregungen für die Veränderung schulischer Angebotsstrukturen
- Die Aufgabe der deutschen Schule
- Fördermaßnahmen im Elementar-, Primar- und Sekundarbereich
- Sprachliche Fördermaßnahmen
- Außerschulische Fördermaßnahmen
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bildungsbenachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Ziel ist es, die Ursachen für diese Benachteiligung zu analysieren und Lösungsansätze aufzuzeigen.
- Die Bildungsbeteiligung und -erfolg von Migrantenkindern in Deutschland seit 1970.
- Die Rolle von soziokulturellen und sozioökonomischen Faktoren bei der Bildungsbenachteiligung.
- Der Einfluss von Bildungspolitik und dem deutschen Bildungssystem auf die Bildungschancen von Migrantenkindern.
- Die Bedeutung von Sprache und Sprachkompetenz für den Schulerfolg von Migrantenkindern.
- Möglichkeiten zur Verbesserung der Integration von Migrantenkindern in die deutsche Bildungslandschaft.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer umfassenden Bestandsaufnahme der Bildungssituation von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland. Dabei werden die Entwicklung der Schülerzahlen, die Verteilung auf die Schularten und Schulabschlüsse sowie die Unterschiede in der Bildungsbeteiligung zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen beleuchtet. Im zweiten Kapitel werden die Ursachen für die Bildungsbenachteiligung analysiert. Soziokulturelle und sozioökonomische Faktoren, Bildungspolitik, das deutsche Bildungssystem, sowie Sprache und Sprachkompetenz werden als Einflussfaktoren betrachtet. Der dritte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit möglichen Lösungen, um die Bildungschancen von Migrantenkindern zu verbessern. Hier werden Maßnahmen zur sprachlichen Förderung und zur Verbesserung der Integration in die deutsche Bildungslandschaft vorgestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Bildungsbenachteiligung, Migrantenjugendliche, Integration, Bildungssystem, PISA-Studie, soziokulturelle Faktoren, sozioökonomische Faktoren, Sprachförderung und Bildungspolitik. Die Forschungsarbeit untersucht die Bildungsbeteiligung und -erfolg von Migrantenkindern in Deutschland, analysiert die Ursachen für ihre Benachteiligung und sucht nach Lösungsansätzen, um ihre Integration in die deutsche Gesellschaft zu verbessern.
- Quote paper
- Nuray Ozan (Author), 2006, Bildungsbenachteiligung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch das selektive Schulsystem in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67254