Im Anfang war Adenauer?


Seminararbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

2. „Im Anfang war Adenauer“?
2.1 Adenauer statt Schumacher – warum es zu ihm keine Alternative (mehr) gab
2.2 Kurzer Weg zur Macht
2.3 „Kanzler der Alliierten“?

3. Ergebnis und Ausblick

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

„Im Anfang war Adenauer – so lässt sich der Beginn der Bundesrepublik kurz kennzeichnen.“[1] Mit diesen Worten beginnt Arnulf Baring seine Habilitationsschrift, die sich mit der Außenpolitik Adenauers beschäftigt. Während die Bundesrepublik noch im Entstehen war, es „den Bundespräsidenten so wenig [gab] wie eine Bundesregierung“, hätte der werdende westdeutsche Staat mit Konrad Adenauer als Präsident des Parlamentarischen Rates schon seinen äußeren und inneren Repräsentanten gefunden.[2]

Im Anfang war Adenauer – das klingt nach einem großen Gestalter, der, beginnend mit der ‚Stunde Null‘, Eckpfeiler einrammte und der Welt – oder zumindest Deutschland – seinen Stempel aufdrückte. Es klingt nach einer großen Persönlichkeit. Die war Adenauer auch zweifellos. Doch war er deswegen im Anfang? Er galt als Übervater der Deutschen, wurde als „Democratic Dictator“[3] beschrieben. Selbst ein Freund notierte über Adenauer in sein Tagebuch, er sei „unzuverlässiger als ein Franzose, verlogener als ein Engländer, brutaler als ein Amerikaner und undurchsichtiger als ein Russe – also der gegebene Staatsmann für unser geschlagenes und misshandeltes Volk“.[4] Vom den Zuschauern des ZDF wurde er am 28.11.2003 zum ‚besten Deutschen‘ gewählt.[5] Und das Allensbacher Institut für Demoskopie bestätigt: Adenauer liegt bei der Frage „Welcher große Deutsche hat Ihrer Ansicht nach am meisten für Deutschland geleistet?“ seit 1966 kontinuierlich an der Spitze.[6]

Über die Bedeutung Adenauers besteht kein Zweifel. Dennoch soll in dieser Arbeit, ausgehend von Barings Ausspruch, untersucht werden, wie Adenauer zu diesem Gestalter wurde und ob er wirklich so omnipräsent dieser Zeit seinen Stempel aufdrückte oder ob noch andere Faktoren ihn zu seiner Bedeutung brachten und seine Politik beeinflussten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und mit beginnender Etablierung der Parteien in den besetzten Zonen, aber noch vor der ersten Bundeskanzlerwahl, waren es im Wesentlichen zwei Politiker, die die westdeutsche politische Bühne bestimmten: Konrad Adenauer und der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher. Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, was Adenauer dazu prädestinierte, nach 1945 die Führung zu übernehmen? Warum war er auch objektiv die einzig wirkliche Lösung? Um diese Fragen zu beantworten wird auch kurz auf Adenauers Gegenspieler Schumacher eingegangen und beide Politiker gegenübergestellt.

Im zweiten Punkt wird Adenauers kurzer Weg zur Macht geschildert. Auf seinem Weg vom Vorsitzenden der CDU in der britischen Zone zum Präsidenten des Parlamentarischen Rates hin zum ersten Bundeskanzler schaltete er konsequent innerparteiliche Konkurrenten aus. Was machte seinen Erfolg aus, wie ging er vor?

Im dritten Punkt wird auf Adenauers wichtigstes Politikfeld, die Außenpolitik, eingegangen. Westintegration ist ein Stichwort, das untrennbar mit dem seinem Namen verbunden ist. Was waren seine Ideen, wie setzte er sie um, und vor allem gab es überhaupt eine wirkliche Alternative zu ihnen? Anders als in der Literatur üblich wird als Zäsur nicht das Jahr 1955 und die Eingliederung der Bundesrepublik in die NATO gewählt, sondern das Jahr 1952. In diesem Jahr nahm die Westintegration der Bundesrepublik durch die Ratifizierung des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl erstmals verbindliche Formen an. Die Zielvorstellungen Adenauers und die internationalen Rahmenbedingungen sind zudem bis zu diesem Punkt ausreichend hervorgetreten. Es ist auch die Einteilung, der Hans-Peter Schwarz in seiner Adenauer Biografie folgt, indem er das Jahr 1952 als „Wendepunkt“ und – sehr bildhaft und pathetisch – als „Ende der beschwerlichen Wüstenwanderung“ bezeichnet.[7]

Ziel dieser Arbeit ist es, zu überprüfen inwiefern es korrekt ist, den Anfang der Bundesrepublik auf Adenauer zu subsumieren. Seine Leistung und Bedeutung soll und kann dabei nicht in Frage gestellt werden. Dennoch handelt kein Politiker in einem luftleeren Raum, sondern in einer Sinfonie aus persönlichen Anlagen, Überzeugungen und weltgeschichtlicher Entwicklung. In einem besetzten Land wie Deutschland zudem unter den Gegebenheiten, die die Besatzungsmächte vorgeben. Am Anfang war Adenauer – aber war da nicht noch mehr?

2. „Im Anfang war Adenauer“?

2.1 Adenauer statt Schumacher – warum es zu ihm keine Alternative (mehr) gab

Mit dem angehenden Niedergang des ‚Tausendjährigen Reiches‘ begannen auch die Repressionen gegen die eigene Bevölkerung zu wachsen. Das Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 löste dann eine neue Verfolgungswelle aus, die sich schon bald nicht mehr nur gegen die Verschwörer, sondern gegen alle bekannten und noch nicht inhaftierten politisch Aktiven richtete. Die ‚Aktion Gewitter’ sollte die Entstehung einer neuen politischen Opposition unmöglich machen.[8]

So gab es nach 1945 in Deutschland nur noch wenige Politiker, „deren Erfahrung und politische Vergangenheit“ sie befähigte, für sachliche und personelle Entscheidungen an die Spitze zu rücken.[9] Einer von ihnen war – nachdem er intern Konkurrenten ausgeschaltet hatte (Vgl. 2.2) – Konrad Adenauer. Der andere war Kurt Schumacher.

In der Weimarer Republik war Konrad Adenauer zunächst Oberbürgermeister von Köln gewesen, von 1921 bis zu seiner Auflösung 1933 auch Präsident des preußischen Staatsrates. Dieses Amt verschaffte ihm wichtige Einblicke in die ‚große Politik‘, und schon früh reichte sein Blick weit über das Rheinland hinaus. Auf seinen umstrittenen Beitrag zum Kölner Separatismus 1918/1919 kann hier zwar nicht weiter eingegangen werden[10], festzuhalten bleibt jedoch, dass Konrad Adenauer nie nur ein Kommunalpolitiker war. Die Absetzung aus seinem Amt als Oberbürgermeister durch die Nationalsozialisten und einige Verhaftungen brachten seinen Namen auf die ‚weiße Liste‘ der Amerikaner.[11] Zwar war er kein Mann des Widerstandes, vielmehr hatte er jede Beteiligung an Umsturzplänen, die von verschiedensten Seiten an ihn herangetragen wurden, abgelehnt.[12] Dennoch – oder gerade deswegen - war er „unbescholten durch die dunklen Jahre gegangen“.[13]

Ganz anders Kurt Schumacher.[14] Der SPD-Vorsitzende war von 1933 bis 1945 fast ohne Unterbrechung gefangen gehalten worden. Bereits im ersten Weltkrieg war sein rechter Arm amputiert worden, nach dem Zweiten Weltkrieg auch noch das linke Bein. Die Jahre im Konzentrationslager hatten nicht nur seiner Gesundheit geschadet, sondern ihn auch verändert. Das „herrische, gebieterische Auftreten [...] war das Ergebnis langer Jahre schwerster persönlicher, physischer uns [sic!] psychischer Anspannungen im Dritten Reich.“[15]

Durch ihre grundverschiedene Biografie unterschieden sich Adenauer und Schumacher nicht nur in ihren politischen Zielvorstellungen, sondern auch in ihrem politischen Stil. „Schumacher [...] fehlte jede Geschmeidigkeit, seine Politik mehrheitsfähig zu präsentieren.“[16] Vor allem den Alliierten gegenüber fühlte er sich in einer zumindest gleichwertigen, wenn nicht sogar überlegenen Position, da er schon im Konzentrationslager saß, als viele westliche Staatsmänner Adolf Hitler noch hofierten.[17] Mit seinen leidenschaftlichen Reden und verbalen Ausfällen brüskierte er immer wieder politische Gegner und bot ihnen gleichzeitig eine große Angriffsfläche. In seinen politischen Zielen versteifte er sich auf absolutes, das er kompromisslos verfolgte. Er forderte aber keinen Arbeiterstaat, sondern einen Staat mit gleichberechtigter Stellung der Arbeiter. Gleichzeitig war er stark national geprägt, weswegen die Alliierten ihn nur mit Distanz behandelten.[18] Schumacher war also in seinen Forderungen sehr links, aber Anti-kommunistisch, wenig kompromissbereit und gleichzeitig auf die Nation bedacht – eine Mischung, die den Alliierten nur wenig entgegen kam. Das Time Magazin spitzte den Gegensatz zwischen Schumacher und den Alliierten folgendermaßen zu: „Schumacher is the man of the West who most threatens what the Western democracies are trying to build in Europe. [...] On the course the West has chosen, Kurt Schumacher is the Man in the Way.“[19]

Ganz anders Adenauer. Er verkörperte den „antipreußischen und westlich orientierten Flügel des deutschen Katholizismus“, dementsprechend stieß er auf weniger Vorbehalte.[20] Im Gegensatz zu Schumacher behielt er im Auge, was außenpolitisch möglich und realisierbar war, arbeitete im Rahmen der realpolitischen Gegebenheiten.[21] Er scheute zwar die Auseinandersetzung mit den Alliierten nicht[22], verhielt sich gleichwohl weniger polternd als Schumacher. Er plädierte für eine „Rückbesinnung auf Demokratie, Freiheit und Christentum“.[23] Peter Merseburger hat den Gegensatz zwischen Adenauer und Schumacher auf folgende Formel gebracht: „Anders als Adenauer fühlte er [Schumacher] sich nicht als Repräsentant der besiegten deutschen Mehrheit, sondern als der einer – wenn auch kleinen – befreiten Minderheit, was ihn für die Sieger zu einem schwierigen Deutschen werden lässt. [...] In der Erinnerung sind Konrad Adenauer und Kurt Schumacher unversöhnliche Gegenspieler – Streiter für die Integration in den Westen der eine, Streiter für den Vorrang der deutschen Einheit der andere.“[24]

[...]


[1] Baring, Arnulf: Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie. Bonns Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Oldenburg 1969, S. 1

[2] Ebda.

[3] Wighton, Charles: Adenauer – Democratic Dictator. A Critical Biography. New York 1963

[4] Görtemaker, Manfred: Kleine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 2004, S. 39

[5] http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/31/0,1872,2085567,00.html Stand: 20.09.2006, 18:10 Uhr

[6] Allensbacher Berichte: Adenauer als Denkmal. Eine Allensbacher Umfrage zum 25. Todestag. Allensbach, 1992 / Nr. 7

[7] Schwarz, Hans-Peter: Adenauer. Der Aufstieg: 1876-1952. 2. Auflage, Stuttgart 1986, S. 959; Dem Verfasser dieser Arbeit ist unklar, wie man den Lebensweg eines Mannes, der Zeit seines Lebens finanziell gut abgesichert war und an den politische Ämter immer wieder bittend herangetragen wurden oder die er sich über geschickte Intrigen erarbeitet hat als ‚beschwerliche Wüstenwanderung‘ bezeichnen kann.

[8] Hett, Ulrike; Tuchel, Johannes: Die Reaktion des NS-Staates auf den 20. Juli 1944; In: Steinbach, Peter; Tuchel, Johannes: Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933-1945. Bonn 2004, S. 526ff

[9] Sternburg, Wilhelm von: Adenauer. Eine deutsche Legende. Frankfurt/Main 1990, S. 93

[10] Vgl. dazu: Köhler, Henning: Adenauer. Eine politische Biographie. Frankfurt/Main 1994, S. 86 – 117; vgl. ebenso: Schwarz: Adenauer, S. 202-229

[11] Sternburg: Adenauer, S. 93f

[12] Vgl. Köhler: Adenauer, S. 315f

[13] Sternburg: Adenauer, S. 94

[14] Vgl. dazu: Merseburger, Peter: Der schwierige Deutsche: Kurt Schumacher. Eine Biographie. 3. Auflage, Stuttgart 1996

[15] Hacke, Christian: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland: Von Konrad Adenauer bis Gerhard Schröder. Aktualisierte Neuausgabe, München 2003, S. 49

[16] Sternburg: Adenauer, S. 85

[17] Merseburger: Kurt Schumacher. In: Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (Hrsg.): Petersberger Perspektiven. Konrad Adenauer und Kurt Schumcher – Politiker als Repräsentanten ihrer Zeit. Bad Honnef 2002, S. 24f

[18] Ha>

[19] Time Magazin, 9. Juni 1952: Tiger, Burning Brigth; unter: http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,806442,00.html Stand 18.09.06, 11:05 Uhr

[20] Ha>

[21] Ebda., S. 49

[22] Vgl. dazu Köhler: Adenauer, S. 331f

[23] Altmann, Normen: Konrad Adenauer im Kalten Krieg: Wahrnehmungen und Politik 1945 – 1956. Mannheim 1993, S. 31

[24] Merseburger: Kurt Schumacher, S. 25 und S. 32

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Im Anfang war Adenauer?
Hochschule
Universität Rostock  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V67301
ISBN (eBook)
9783638739481
ISBN (Buch)
9783638844352
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anfang, Adenauer, Proseminar
Arbeit zitieren
Michael Draeger (Autor:in), 2006, Im Anfang war Adenauer?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67301

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