Die Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern ist keine neu aufkommende Erscheinung. Sie lässt sich einige Jahre bzw. gar Jahrzehnte zurückverfolgen. Sicherlich wird jeder von uns diesbezüglich Geschichten aus vergangenen Zeiten kennen, in denen die Großeltern in der Schule mit dem Rohrstock „erzogen“ wurden und zur Strafe unwürdigen Verhaltens auf dem spitzen Holzscheit knien mussten. Dieser Tatbestand wurde von ihren Eltern akzeptiert, da sie sich derartiger Erziehungsmaßnahmen auch selbst zuhause bedienten. Nicht nur seitens der Eltern, sondern auch seitens der Gesellschaft waren gewaltnahe Erziehungs- und Züchtigungsmethoden anerkannt. Man kannte es schließlich nicht anders und hielt es für normal. Disziplin und Gehorsam hatten seinerzeit oberste Priorität in Bezug auf die Erziehungsziele, welche mit Züchtigungsmaßnahmen erreicht werden sollten. Davon abgesehen gab es nicht mehr viel Spielraum für eine liebevolle Erziehung. In emotionaler Hinsicht wurden die Kinder extrem vernachlässigt.
Dieses Erziehungsverständis hat sich in unserer heutigen Zeit geändert. Nun stehen andere Erziehungsziele an erster Stelle, und ebenso wird dem Kind eine andere Bedeutung beigemessen. Im Jahre 2000 verabschiedete der Deutsche Bundestag § 1631 BGB. An der Stelle, an der vorher das „elterliche Züchtigungsrecht“ rechtlich verankert war, steht nun mit in Kraft treten des § 1631 BGB fest, dass „Kinder gewaltfrei zu erziehen sind. Zudem sind körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Erziehungsmaßnahmen unzulässig“. Demnach werden dem Kind Rechte zugesprochen, welche es vorher nicht innehatte. Trotzdem scheint diese Tatsache einigen Eltern noch nicht bekannt zu sein. Denn trotz des neuen, in Bezug auf die Kinder sensibilisierten Erziehungsverständnisses berichten die Medien immer wieder schreckliche Tatsachen von Kindern, die fast verhungerten, von den eigenen Eltern körperlich gepeinigt und verstümmelt wurden oder tagelang ohne Essen und Toilettenmöglichkeiten eingesperrt wurden. Gerade durch solche Nachrichten und Bilder in den Medien ist die Kindesmisshandlung im Vergleich zu früher neu erschienen bzw. überhaupt erst ans Tageslicht gelangt. Denn beginnend mit der stärkeren Anerkennung und gesetzlichen Festlegung der Rechte und Interessen der Kinder, hat das Phänomen der Kindesmisshandlung und -vernachlässigung eine Aktualisierung erfahren.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1. Einleitung
- 1.1. Begriffsbestimmung
- 1.1.1. Körperliche Kindesmisshandlung
- 1.1.2. Seelische Kindesmisshandlung
- 1.1.3. Vernachlässigung
- 1.1.4. Sexueller Missbrauch
- 1.2. Vorgeschichte der Kindesmisshandlung
- 1.3. Häufigkeit
- 2. Erklärungsansätze für Kindesmisshandlung
- 2.1. Die drei wichtigsten Erklärungsmodelle
- 2.1.1. Das psychopathologische Erklärungsmodell
- 2.1.2. Das soziologische Erklärungsmodell
- 2.1.3. Das sozial-situationale Erklärungsmodell
- 2.2. Ursachen und Hintergründe
- 2.2.1. Soziale und ökonomische Faktoren
- 2.2.2. Persönliche Faktoren
- 2.2.2.1. Auslöser auf Seiten der Misshandlungsopfer
- 2.2.2.2. Auslöser auf Seiten der Misshandlungstäter
- 2.3. Kindesmisshandlung im Kontext der Armut
- 2.3.1. Merkmale von Armut
- 2.3.2. Risikofaktor Armut
- 2.4. Fazit
- 3. Kindesmisshandlung aus Sicht der Bindungstheorie
- 3.1. Grundlagen der Bindungstheorie
- 3.2. Kindliche Signale und mütterliche Feinfühligkeit
- 3.3. Fazit
- 4. Folgen und Auswirkungen von Kindesmisshandlung
- 4.1. Folgen körperlicher Misshandlung
- 4.1.1. Spezifische körperliche Symptome
- 4.1.2. Unspezifische körperliche Symptome
- 4.1.3. Anmerkung
- 4.2. Folgen seelischer Misshandlung
- 4.2.1. Weitere Auswirkungen von Kindesmisshandlung auf die kognitive Entwicklung
- 4.2.2. Weitere Auswirkungen von Kindesmisshandlung auf die soziale Entwicklung
- 4.2.3. Aggression und Gewaltbereitschaft als Folge von Kindesmisshandlung
- 4.2.4. Bindungsstörungen
- 4.2.4.1. Die reaktive Bindungsstörung des Kindesalters
- 4.2.4.2. Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung
- 4.2.5. Essstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter
- 4.2.6. Enuresis
- 4.2.7. Weitere Störungen im Rahmen kindlicher Traumatisierungen
- 4.2.8. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung
- 4.3. Fazit
- 5. Präventions- und Interventionsmaßnahmen
- 5.1. Recht auf erzieherischen Bedarf bei Kindeswohlgefährdung
- 5.2. Allgemeine Aspekte der Prävention
- 5.2.1. Primäre Prävention
- 5.2.2. Sekundäre Prävention
- 5.2.3. Tertiäre Prävention
- 5.3. Aspekte der Intervention
- 5.4. Möglichkeiten und Aufgaben des Jugendamtes
- 5.4.1. Inobhutnahme, Herausnahme und Fremdunterbringung als Maßnahme des Jugendamtes
- 5.4.2. Der Handlungsrahmen des Allgemeinen Sozialdienstes
- 5.4.3. Jugendamt Bamberg
- 5.4.4. Fazit
- 5.5. Möglichkeiten der Ärzte und Kliniken
- 5.6. Unterstützungsmaßnahmen von Kinderschutz-Zentren und dem deutschen Kinderschutzbund
- 5.7. Allgemeine Maßnahmen der Polizei
- 5.8. Die polizeilichen Maßnahmen der Stadt Bamberg im Kindesmisshandlungsfall „Mona“
- 5.9. Frühintervention am Beispiel STEEP
- 5.10. Therapeutische Hilfen
- 5.10.1. Kindzentrierte therapeutische Interventionsformen
- 5.10.2. Elternzentrierte therapeutische Interventionsformen
- 5.10.3. Familienzentrierte therapeutische Interventionsformen
- Definition und Abgrenzung von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung
- Analyse der Ursachen und Hintergründe von Kindesmisshandlung
- Untersuchung der Auswirkungen von Kindesmisshandlung auf die körperliche, geistige und soziale Entwicklung von Kindern
- Darstellung und Bewertung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen im Bereich des Kinderschutzes
- Bedeutung der Bindungstheorie für das Verständnis und die Prävention von Kindesmisshandlung
- Kapitel 1: Die Einleitung definiert den Begriff der Kindesmisshandlung und -vernachlässigung und stellt verschiedene Formen wie körperliche Misshandlung, seelische Misshandlung, Vernachlässigung und sexuellen Missbrauch vor. Es wird außerdem die Vorgeschichte der Kindesmisshandlung beleuchtet und die Häufigkeit des Problems dargestellt.
- Kapitel 2: In diesem Kapitel werden verschiedene Erklärungsansätze für Kindesmisshandlung vorgestellt, darunter das psychopathologische, das soziologische und das sozial-situationale Erklärungsmodell. Es werden zudem Ursachen und Hintergründe für Kindesmisshandlung erörtert, die sowohl soziale und ökonomische Faktoren als auch persönliche Faktoren auf Seiten der Opfer und Täter umfassen.
- Kapitel 3: Dieses Kapitel beleuchtet die Bedeutung der Bindungstheorie für das Verständnis von Kindesmisshandlung. Es werden die Grundlagen der Bindungstheorie erklärt und die Rolle von kindlichen Signalen und mütterlicher Feinfühligkeit in der Entwicklung sicherer Bindungen untersucht.
- Kapitel 4: In diesem Kapitel werden die Folgen und Auswirkungen von Kindesmisshandlung auf die körperliche, geistige und soziale Entwicklung von Kindern untersucht. Es werden sowohl spezifische als auch unspezifische körperliche Symptome sowie Auswirkungen auf die kognitive und soziale Entwicklung dargestellt. Darüber hinaus werden Bindungsstörungen, Essstörungen, Enuresis und weitere Störungen im Rahmen kindlicher Traumatisierungen diskutiert.
- Kapitel 5: Dieses Kapitel befasst sich mit Präventions- und Interventionsmaßnahmen im Bereich des Kinderschutzes. Es werden rechtliche Grundlagen, allgemeine Aspekte der Prävention und spezifische Maßnahmen der Intervention dargestellt. Es werden außerdem die Möglichkeiten und Aufgaben des Jugendamtes, der Ärzte und Kliniken sowie von Kinderschutz-Zentren und dem deutschen Kinderschutzbund beleuchtet. Darüber hinaus werden Frühinterventionsmaßnahmen am Beispiel STEEP vorgestellt und verschiedene therapeutische Interventionsformen diskutiert.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Diplomarbeit befasst sich mit der körperlichen und seelischen Beeinträchtigung von Kindern durch Misshandlung und Vernachlässigung. Sie untersucht Ursachen, Folgen sowie Präventions- und Interventionsmaßnahmen in diesem Kontext.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Schlüsselwörter (Keywords)
Kindesmisshandlung, Kindesvernachlässigung, körperliche Misshandlung, seelische Misshandlung, Vernachlässigung, sexueller Missbrauch, Ursachen, Folgen, Prävention, Intervention, Bindungstheorie, Entwicklung, Jugendamt, Kinderschutz, Therapie, Frühintervention.
- Arbeit zitieren
- Nadja Rueth (Autor:in), 2006, Die körperliche und seelische Beeinträchtigung von Kindern durch Misshandlung und Vernachlässigung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67327