Silbische Einflüsse beim segmentalen Schreiben


Hausarbeit, 2006

18 Seiten, Note: "keine"


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlage: Logogen-Modell von Morton (1980) und Patterson (1988)

3. Begriffserklärungen
3.1 Phonem-Graphem-Korrespondenzen (PGK)
3.2 Neurolinguistik
3.3 Oberflächendysgraphie (OFDG)

4. Patient
4.1 Analyse der Schreibleistung im Januar 1987
4.2 Darstellung verbleibender Leistungen

5. Silbische Einflüsse
5.1 Forschungsstand
5.2 Forschungen von Eisenberg, de Bleser und Domahs
5.2.1 „Silbeninitales h“
5.2.2 Dehnungs-h
5.2.3 <th>-Schreibung
5.2.4 Realisierung des langen, gespannten /i:/

6. Schlussteil

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Hausarbeit liegt der Aufsatz „Silbische Aspekte segmentalen Schreibens – neurolinguistische Evidenz“ von Eisenberg, de Bleser und Domahs zugrunde. Die Autoren möchten mehr über die segmentale Verarbeitung beim Schreiben erfahren, indem sie sich der Neurolinguistik bedienen. Eine Aphasie, die Oberflächendysgraphie, erlaubt es ihnen die segmentale Verarbeitungsroute weitestgehend isoliert zu betrachten, da bei den Patienten die lexikalische und semantische Verarbeitung gestört ist. Die Untersuchungen verfolgen das Ziel, die silbischen Einflüsse in der segmentalen Verarbeitung beim Schreiben zu erfassen.

Ich werde zuerst das Logogen-Modell von Morton (1980) und Patterson (1988) vorstellen. Das ist nötig, weil es das Fundament für die ganze Analyse darstellt.

Im Weiteren folgen die Begriffserklärungen zur Phonem-Graphem-Korrespondenz (PGK), Neurolinguistik und der Oberflächendysgraphie (OFDG).

Im nächsten Abschnitt werde ich den Patienten H.S. vorstellen, der von Eisenberg, de Bleser und Domahs analysiert wurde, um die silbischen Einflüsse der segmentalen Verarbeitung zu untersuchen.

Der letzte Abschnitt beinhaltet den Forschungsstand und die silbischen Analysen der Autoren.

2. Grundlage: Logogen-Modell von Morton (1980) und Patterson (1988)

Die Autoren Eisenberg, de Bleser und Domahs haben das „Logogen-Modell zur Wortverarbeitung“ als ihre Grundlage festgelegt. Es ist ein Prozessmodell des Lesens und Schreibens. Morton verfasste 1969 bereits erste Arbeiten über den Worterkennungsvorgang beim Lesen. Diesen Entwurf entwickelte er weiter, so dass er 1979/80 sein Logogen-Modell veröffentlichte, welches dann auch Prozesse des Schreibens umfasste (vgl. Klicpera / Gasteiger-Klicpera 1995, S. 97).

Es wurden darauf viele Entwürfe entwickelt, die auf Mortons Modell basieren, z.B. von Patterson (1988). Die Modelle folgen dem Schema:

Input - Verarbeitung - Output

Als Input dienen verschiedene Eingangsinformationen, wie z.B. Sprache oder Schrift. Der Output besteht aus der Sprache (beim Lesen) oder Schrift (beim Schreiben).

Erreicht eine Information, z.B. ein Wort, das kognitive System, so wird das dazugehörige Logogen aktiviert. Wenn eine bestimmte Schwelle durch die Aktivierung überschritten wurde, kommt es zur Worterkennung (vgl. Klicpera / Gasteiger-Klicpera 1995, S. 97ff).

Nach dem Logogen-Modell gibt es drei Routen, um ein Diktat zu schreiben:

1. Eine „innere“, semantische Verarbeitungsroute
2. Eine „direkte“, ganzheitlich-lexikalische Verarbeitungsroute
3. Eine „äußere“, segmentale Verarbeitungsroute

(vgl. Domahs / De Bleser / Eisenberg 2001, S. 13-14)

Inwieweit die drei Routen beim Schreiben von Wörtern nach Diktat zusammenwirken, ist aber noch nicht geklärt. Es könnte sein, dass alle Routen versuchen, so schnell wie möglich zu einer richtigen Reaktion zu kommen und die schnellste Route dann verwendet wird.

Es wäre aber auch möglich, dass das System der jeweiligen Sprache ausschlaggebend ist. Italiener haben eine Sprache mit eindeutiger Phonem-Graphem-Beziehung. Sie müssten die segmentale Verarbeitung vorziehen. Demgegenüber müssten die Engländer, weil das Englische eine Sprache mit vielfach mehrdeutiger Phonem-Graphem-Beziehung ist, die segmentale Route meiden und sich eher der ganzheitlich-lexikalischen Verarbeitungsroute bedienen (Ebd., S. 15).

Die Route, die im Weiteren genauer untersucht werden soll ist die segmentale Verarbeitungsroute. Die Abbildung 1 das Logogen-Modell nach Patterson (1988), welches von Dohmahs, De Bleser und Eisenberg etwas verändert wurde (vgl. 2001, S. 14). In dieser Abbildung wurde die segmentale Verarbeitungsroute blau hervorgehoben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um die segmentale Schreibroute isoliert zu analysieren, gibt es theoretisch drei Möglichkeiten:

1) Das Schreiben von Nichtwörtern, da sie nicht semantisch oder lexikalisch erschlossen werden können.
2) Es wird eine Phase im Schriftspracherwerb untersucht, in der nur die segmentale Verarbeitung möglich ist.
3) Es ist möglich, neurologische Patienten der Oberflächendysgraphie (OFDG) zu untersuchen. Bei ihnen ist die segmentale Route erhalten, aber die lexikalische und semantische Route ist gestört. Das resultiert aus einer Störung des orthografischen Ausgangslexikons. Die Verarbeitung geht anschließend über die Phonem-Graphem-Konventierung (siehe Abbildung 1) (vgl. Ebd., S. 15).

3. Begriffserklärungen

3.1 Phonem-Graphem-Korrespondenzen (PGK)

Die Phonem-Graphem-Korrespondenz ist ein Regelsystem für die schriftliche Wiedergabe der Phoneme mit Hilfe von Buchstaben. Das Regelsystem ist für jede Sprache spezifisch. Aus der Perspektive des Schreibers spricht man von der Phonem-Graphem-Korrespondenz (PGK), aus der Perspektive des Lesers von der Graphem-Phonem-Korrespondenz (GPK).

Das Finnische ist z.B. eine Sprache, bei der für ein Phonem meistens nur ein Graphem zur Verfügung steht. Das andere Extrem finden wir im Englischen. In dieser Sprache können die meisten Phoneme durch fünf oder mehr Graphemen ausgedrückt werden.

Im Deutschen sind die Beziehungen zwar nicht so leicht wie im Finnischen, aber weitaus nicht so komplex wie im Englischen. In der deutschen Sprache gibt es für die meisten Phoneme zwei Wiedergabemöglichkeiten in Graphemen. (vgl. Stock / Hirschenfeld 1996, S. 202)

Die Beziehungen zwischen Phonologie und Orthographie sind deshalb leichter vorhersehbar, als im Englischen. Wenn ein Lexem aber nur durch die PGK-Regeln realisiert werden soll, kommt es trotzdem auch im Deutschen zu vielen orthografischen Fehlern. Es ist festzustellen, dass der Unterschied zwischen einer lexikalischen und nicht-lexikalischen Verarbeitung im Schreiben in der deutschen Sprache eindeutiger feststellbarer ist, als in der englischen Sprache (vgl. Bayer / De Bleser / Luzzatti 1987, S. 118).

Am Schreiben von Nicht-Wörtern kann man erkennen, ob der jeweilige Mensch die PGK-Regeln beherrscht. Nicht-Wörter haben keine lexikalische und semantische Organisation. Sie können nur mit Hilfe der segmentalen Route (PGK) niedergeschrieben werden (Ebd., S. 122).

3.2 Neurolinguistik

Die Neurolinguistik ist ein Teilgebiet der Neuropsychologie. Sie analysiert Störungen der Sprachproduktion und des Sprachverstehens. Die Störungen haben ihre Ursache in Schädigungen des zentralen Nervensystems. Die wesentliche Forschungsmethode der Neurolinguistik ist das Interpretieren von Beziehungen zwischen dem Ort einer Hirnschädigung und deren Auswirkungen (vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft 2002, S. 464).

3.3 Oberflächendysgraphie (OFDG)

Die Oberflächendysgraphie ist eine Sprachstörung, bei der semantische und morpho-lexikalische Verarbeitungsrouten zumindest teilweise gestört sind (vgl. Domahs / De Bleser / Eisenberg 2001, S. 15). Sie hat ihren Namen daher, weil bei dieser Störungsart des Schreibens die Fehler eher an der Oberfläche des linguistischen Systems auftreten (vgl. Bayer / De Bleser / Luzzatti 1987, S. 119).

Der Dysgraphie (Schreibstörung) wurde in der modernen kognitiven Neurolinguistik weniger Beachtung geschenkt als der Dyslexie (Lesestörung) (vgl. Ebd., S. 130).

Die Oberflächendysgraphie ist eine Aphasie. Der „Aachener Aphasie Test (AAT)“ ist ein speziell für die deutsche Sprache entwickelter Test zur Diagnose von Aphasien. Es werden sprachliche Störungen beim Nachsprechen, beim Lesen und Schreiben, beim Benennen und im Sprachverständnis getestet. Der „Aachener Aphasie Test“ schließt den „Token-Test“ mit ein. Durch ihn kann man zwischen aphatischen und nicht-aphatischen Störungen unterscheiden und den Schweregrad der Aphasie feststellen. Der „Token-Test“ beinhaltet das Zeigen und Zuordnen von geometrischen Formen, verschiedenen Farben und Größen (vgl. ATT. Aachener Aphasie Test (2005-11-17)).

Die erkrankten Patienten schreiben Wörter und Nicht-Wörter phonologisch einleuchtend, jedoch mit orthografischen Fehlern bezüglich Wörtern mit nicht eindeutiger Phonem-Graphem-Korrespondenz.

/na:l/ kann nach dem PGK-System als <nal>, <naal> oder <nahl> verschriftlicht werden. Es kommt zu phonetisch korrekten, aber orthografisch falschen Reaktionen, wie z.B. die Reaktion <waal> auf den Stimulus /wa:l/ (vgl. Domahs / De Bleser / Eisenberg 2001, S. 13 -15).

Die Patienten sind nicht mehr in der Lage durch die semantische Route Homophone (Ausdrücke mit identischer Aussprache bei unterschiedlicher Orthographie und Bedeutung) (vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft 2002, S. 284) zu erkennen.

mehr vs. Meer

Wahl vs. Wal

heute vs. Häute

Bei einigen Patienten wurde beobachtet, dass sie Wörter, nachdem sie sie geschrieben hatten, selbst korrigierten. Dies könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, dass das visuelle Input-Lexikon noch funktionstüchtig ist (vgl. Domahs / De Bleser / Eisenberg 2001, S. 15-16).

Zu dieser und zu den folgenden Erkenntnissen kommen die Neurolinguisten, indem sie die Betroffenen Diktate schreiben lassen und die Ergebnisse analysieren. Das Schreiben nach Diktat ist für Untersuchungen in der deutschen Sprache gut geeignet, weil die Phonem-Graphem-Korrespondenzen im Deutschen viel komplexer sind als die Graphem-Phonem-Korrespondenzen. Es gibt nur sehr wenige Graphem-Phonem-Ambiguitäten, z.B. bezüglich der Vokallänge. In der Regel ist ein Vokal vor doppelten Konsonanten kurz. Dieser kurze Vokal kann durch die Graphem-Phonem-Korrespondenzen realisiert werden. Es gibt aber Ausnahmen u.a. vor st und ch (z.B. Rost vs. Trost, Bach vs. Buch). In diesen Fällen kann die Realisierung nur über die lexikalische Verarbeitungsroute erfolgen. (vgl. Bayer / De Bleser / Luzzatti 1987, S. 152).

Bei der Analyse der segmentalen Verarbeitungsroute muss man bei jedem zu analysierenden Patienten erst einmal feststellen, in welchem Maß eine Störung der semantischen und lexikalischen Route vorliegt. Die meisten Patienten haben nämlich keine „reine“ OFDG. Es können noch Reste von lexikalischem und semantischem Wissen vorhanden sein.

Es hat sich durch viele Analysen gezeigt, dass Oberflächendysgraphiker die PGK-Realisierungsform, die am häufigsten in der Schriftsprache vorkommt, auch mit der größten Wahrscheinlichkeit benutzten.

Wenn das Phonem /a:/ im Deutschen umgesetzt werden soll, dann gibt es dafür drei korrekte PGK-Varianten: <a>, <ah> und <aa>. Die Form <a> kommt weitaus am häufigsten in der deutschen Schriftsprache vor. Danach folgt die Realisierungsform <ah> und dann erst <aa>.

Das heißt also, dass die Patienten die Variante <a> bevorzugt einsetzen. Die Variante <aa> kommt hingegen nur sehr selten zur Anwendung (vgl. Domahs / De Bleser / Eisenberg 2001, S. 16-17).

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Silbische Einflüsse beim segmentalen Schreiben
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)
Note
"keine"
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V67364
ISBN (eBook)
9783638603461
ISBN (Buch)
9783638768221
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Silbische, Einflüsse, Schreiben
Arbeit zitieren
Ann-Kathrin Christiansen (Autor:in), 2006, Silbische Einflüsse beim segmentalen Schreiben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67364

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