Das Kondom in Afrika südlich der Sahara - Die Problematik einer Aneignung


Hausarbeit, 2005

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Aneignungsprozesse

3. Das Kondom
3.1. Das Kondome und HIV
3.2 Die Geschichte des Kondoms
3.3 Die Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln
3.4 Das Kondom aus afrikanischer Sicht

4. Kulturelle Hindernisse
4.1. Das Afrikanische Körperverständnis
4.2. Das Verständnis von HIV/Aids
4.2.1. Traditionelle Deutungsversuche von HIV/Aids
4.2.2. Das Verständnis von HIV/Aids im kirchlichen Sektor
4.2.3. Resultierende Probleme
4.3 Das Verhältnis der christlichen Kirche zum Kondom
4.4. Die Stellung der Frau
4.5. Der Erwerb von Kondomen
4.6. Westliche Päventionsprogramme

5. Probleme beim Aneignungsprozess des Kondoms

6. Fazit

7. Glossar

8. Literatur

1. Einleitung

Auch wenn der Titel dieser Hausarbeit etwas unseriös anmutet, so verbergen sich doch hinter der Aneignung des Kondoms im Afrika südlich der Sahara große Konsequenzen. Ich wage zu behaupten dass es wenige Güter gibt, die so simpel sind und bei richtiger Anwendung einen so großen Nutzen haben und Überleben sichern können.

Obwohl das Kondom rational betrachtet ein sinnvoller Gebrauchsgegenstand ist, verläuft die Aneigung in Afrika südlich der Sahara nicht so erfolgreich wie gewünscht und erwartete.

Der Fokus der Hausarbeit richtet sich auf das Kondom als wirksames Mittel zur HIV-Prävention. Auch wenn sein Nutzen über HIV-Prävention hinausgeht, hat es für mich angesichts der immer weiter steigenden HIV-Prävalenzen Priorität das Kondom in dieser Funktion zu untersuchen.

Aids ist eine komplizierte Krankheit, die sich als simpel eskamortiert. Wenn alle ein Kondom benutzen, findet keine Übertragung statt. Und es war niemals einfach der Tod zu bekämpfen als mit diesem staatlich subventionierten, propagierten Stück Gummi. Warum funktioniert dieses System also nicht, obwohl fast jeder weiß, wie simpel HIV-Prävention sein kann?

Hierfür gibt es eine Vielzahl von Gründen, deren Ursprung sowohl im Prozess an sich als auch in der Kultur liegt. In meiner Hausarbeit werde ich auf beides eingehen. Nachdem der Prozess der Aneignung als solcher beschrieben wird, erläutere ich die kulturellen Hindernisse der Aneignung. Daraufhin gehe ich auf die Schwierigkeiten der Aneignung des Kondoms, die im Prozess selbst liegen, ein.

Die geografische Region wählte ich wegen der außergewöhnlich hohen HIV-Raten in diesem Gebiet- nirgends ist die Situation so gravierend wie in Afrika südlich der Sahara. Da die Datenlage keine ausschließliche Konzentration auf ein Land erlaubt, und Präventionsarbeit zwar kulturspezifisch sein, sich aber nicht in Kleinkulturen verlieren sollte, erlaube ich mir, das Gebiet nicht an Ländergrenzen festzumachen. Da aus ethnologischer Sichtweise ist diese Vorgehen unter Umständen zweifelhaft ist, sei hier angemerkt dass ich mir der Heterogenität und Vielfalt der Kulturen Afrikas durchaus bewusst bin. Dieser versuche ich durch Landesbeispiele gerecht zu werden.

2. Aneignungsprozesse

Beim Umgang mit dem Begriff Aneignung ist von vornherein festzustellen dass es sich in diesem Rahmen um die Aneignung eines Artefaktes handelt, also eines „künstlich hergestellten Gebrauchsgerätes“(Brockhaus 1997:282).

Weiterhin kann man ein Artefakt wie Dant als die Sublimierung kultureller und sozialer Aspekte „wie Ideen, Vorstellungen und praktische Fähigkeiten „ (Böttcher 2003: 31) ansehen.

Doch wie wirken sich diese theoretischen Definitionen in der Wirklichkeit aus? Kann man bei Anblick der derzeitigen HIV-Prävalenzen überhaupt von einer Aneignung sprechen? Zunächst werde ich mich, bevor ich diese Frage beantworte, mit Aneignungsprozessen als solchen beschäftigen; die Analyse der Prozesse in Bezug auf das Kondom in Schwarzafrika folgen im Kapitel 5.

Aneignungskonzepte:

Verschiedene Wissenschaftler und Autoren formten Definitionen für Aneignungen. Sie hoben Stadien hervor, beschrieben welche Abläufe universal bei Artefakt von statten gehen und schufen so einen Rahmen für Aneignungsprozesse. Roger Silverstone zum Beispiel entwarf zum Beispiel ein Konzept der Aneignung, in dem 4 Phasen Platz finden. Auch wenn sich dieses Konzept auf den häuslichen Kontext bezieht, kann sein theoretisches Konstrukt als Anhaltspunkt für Nicht-häusliche Artefakte dienen.

Silverstone unterscheidet zwischen den 4 Phasen der Aneignung, Objektifizierung, Inkorporation und Umformung.

Die 1. Phase beschreibt den Übergang bei dem eine Ware den status der Ware verliert und in den Haushalt integriert wird. Beim Kondom könnte man hier als Pendant zum Haushalt den Besitzer nennen. Während der 2. Phase, der Phase der Objektifizierung werden klassifikatorische Differenzen zwischen potentiellen Nutzern des Artefaktes deutlich; Auf das Kondom bezogen bedeutet dies, dass sich heraushebt welche Teile der Bevölkerung das Kondom benutzen.

Die 3. Phase wird das Artefakt in den Alltag integriert, es bekommt seinen neuen Platz in der Umgebung.

Während der 4. Phase, der Phase der Umwandlung tritt der aneignende Personenkreis wieder in Kontakt zur Außenwelt, die Bedeutung des Artefaktes wird wieder nach außen getragen womit eine Wechselwirkung.

Begreift man Eineignung nach Silverstones Muster, stoßen wir bei der Aneignung des Kondoms in Phase 3 und 4 auf erhebliche Probleme. Denn der Platz des Kondoms ist von vornherein determiniert, es besteht keine Freiheit in der Zuweisung. Daher bleibt auch die 4. Phase fast vollkommen aus; der neue Sinngehalt des Artefaktes kann nicht wieder an das Umfeld weitergegeben werde, da der Sinngehalt zum einen vor dem Eintritt in den aneignenden Personenkreis der gleiche ist wie beim Hinaustragen in die Öffentlichkeit. Zum anderen ist aber auch die Hemmung vorhanden dieses Artefakt öffentlich als erworben oder angeeignet zu bekennen, sodass eine Wechselwirkung mit der Öffentlichkeit kaum existiert.

Hans-Peter Hahn verfasste eine Theorie, die Silverstones in Bezug auf die Unterteilung in Phasen gleicht. Hahn unterscheidet stark zwischen Gütern und Waren. Waren sind demnach materiell gleichartig und unpersönlich. Erst durch einen Prozess werden sie zu persönlichen „Gütern“.[1]

Er übernimmt Silverstones Phasen der Aneignung, Objektivierung, Inkorporierung und Umwandlung. Seiner Meinung nach finden die vier Stadien aber nicht zwingend nacheinander statt; vielmehr begreift er sie als komplementär zueinander. Das Fehlen eines Aspektes bedeutet dann die unvollständige Aneignung. Interessant für die Beschäftigung mit der Aneignung des Kondoms in Afrika südlich der Sahara ist seinen Auffassung von unvollständiger Aneignung.

“Unter Umständen ist eine teilweise Aneignung auch Ausdruck der Tatsache dass in der lokalen Gesellschaft ein Gegenstand zwar bekannt ist, er aber noch nicht Teil des alltäglichen Gebrauchs geworden ist. (Hahn 2002:7)

Im Gegensatz zu Silbeverstone betont Hahn, die Möglichkeit, dass die Schritte in anderer Reihenfolge von statten gehen, oder sich wiederholen können.

Ein Problem, auf das Monika Böttcher in ihrem Text „die Aneignung technischer Artefakte“ eingeht, beschreibt die Schwierigkeit, Hahns sogenannte „teilweise Aneignung“ zu definieren. Auch im hier behandelten Kontext ist es keine triviale Aufgabe festzulegen, wann man beim Kondom von einer unvollständigen Aneignung sprechen kann. Sicherlich; eine vollständige Aneignung würde sich in harten Indikatoren drastisch in den HIV-Prävalenzen und der Geburtenrate ausdrücken. Doch wo die Grenze zwischen nicht erfolgter Aneignung und unvollständiger Aneignung gezogen wird, bleibt eine Gradwanderung der Definitionen.

Merkmale der Aneignung

„Unter Aneignung verstehe ich einen Prozess im Rahmen der Diffusion von Neuerungen, namentlich das In-die-Hand-Nehmen und Einpassen neuer Dinge in die eigenen Handlungs- und Perzeptionsmuster. Aneignung findet demnach da statt, wo Neuerungen- Neue Dinge, neue Ideen- im Horizont eines gesellschaftlichen Milieus auftauchen und übernommen werden“ (Böttcher 2003: 35 zit. nach Beck 2000:1)

Um den Begriff der Aneignung konkreter zu fassen, sind nun verschiedene Merkmale von Aneignung aufgeführt:

Deutungsoffenheit

„Eine der wichtigsten Eigenschaften einer Neuerung ist die Deutungsoffenheit“ (Beck 2000: 1). Beim Eintritt in eine Gesellschaft ist der Sinn eines Artefaktes noch nicht festgelegt; die Neuerung wird durch entsprechend der lokalen Visionen mit Bedeutung gefüllt. Es herrscht somit eine Interpretation Flexibilität.

„Lokale Aneignung bezeichnet eine Übersetzungsleistung in das Vokabular und dies Syntax des aneignenden Milieus. Dabei ist es- entgegen der Sichtweite, die ein Ding in Funktion und Bedeutung als ein für alle Mal determiniert sieht- keinesfalls ausgemacht, was schließlich damit geschieht.“ (Beck 2000: 1)

Bis sich Handlungsroutinen herausbilden, wird das potentielle Spektrum der Neuerung geprüft, und die Möglichkeiten des Gebrauchs „immer wieder neu konzipiert“ (Böttcher 2003: 28)

Zeitliche und räumliche Distanz:[2]

Zwischen dem Entwurf, der Erfindung einer Neuerung und dem letztendlichen Gebrauch in einer anderen Kultur liegen räumliche und zeitliche Distanzen; sie variieren je nach Komplexität, Nutzen, Entwicklung des Artefaktes und den jeweiligen Ländern.

Eigendynamik

In der Soziologie wird die Aneignung von Artefakten nicht als ein „geplantes Projekt, sondern als ein eigendynamisches gesellschaftliches Phänomen“ aufgefasst. (Böttcher, 2003: 31)

Diffusionsprozesse

Ohne Diffusionsprozesse wäre die Aneignung von Artefakten unmöglich. Diffusionen sind immer öfter durch den Zufall geprägt; Vernetzung und Globalisierung machen Diffusion zu einem „alltäglichen Phänomen“(Böttcher 2003: 46)

Nichtsdestotrotz kann Diffusion auch geplant sein; das beste Beispiel hierfür ist wohl das Kondom, bei dem die Diffusion ein finanziell unterstützter, hoch aufwendiger, geplanter Akt ist.

Rekontextualisierung

Bei der Aneignung wird das Artefakt durch einen „kommunikativen Sinngebungsprozess“ (Böttcher 2003: 37) in einen lokalen Kontext gebettet. „Das ideelle und technische „sich zu eigen machen“ einer ursprünglich fremden Idee oder eines Dings“(Böttcher 2003: 37 zit. nach Beck 2000: 6) führt das Artefakt in einem dynamischen Prozess weg von seiner bisherigen Deutungsoffenheit.[3]

Die verschiedenen Visionen, die Menschen zunächst von einem Artefakt haben müssen sich gegeneinander behaupten; es setzt sich –ganz nach Darwins Theorie „survival of the fittest“- die Vision durch, die sich im Verhältnis zum Aufwand und Gewinn am besten in das lokale Umfeld anpassen und einfügen lässt.

Umarbeitung:

Artefakte werden, wenn sie in ein anderes kulturelles Umfeld übernommen werden auch oftmals verändert. Dabei fällt der Spielraum je nach Artefakt unterschiedlich aus. Beim Kondom z.B. beläuft sich der Spielraum auf Null. Sollte man eine Modifikation dieses kleinen Stückchen Gummis versuchen, geht dabei unweigerlich sein Nutzen zugrunde. Ein Modifikationsprozess ist hier nur noch dann möglich wenn das Kondom seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen soll sondern einen anderen Sinngehalt bekommen soll. Es oll allerdings nicht verschwiegen werde, dass es im Laufe der Zeit schon Modifikationsprozesse gegeben hat; allerdings stellte sich nach ca. 700 Jahren, in denen auch Materialien wie Leinen, Tierdarm und Seide Verwendung fanden[4], heraus, dass das neu entwickelte Latex die tauglichste Variante darstellt. Eine materielle Umarbeitung ist im jetzigen Augenblick, da noch keine anderen Materialien auf dem Markt sind, mit Nachteilen verbunden.

3. Das Kondom

3.1. Das Kondom und HIV/Aids

Das Kondom ist als Basis der meisten Präventionskampagnen untrennbar mit HIV/Aids verbunden.

So wird von nicht-kirchlichen NGOs und GOs ds ABC-Modell verwendet:

A: abstain: Abstinenz
B: be faithful: Lebe monogam und sei deinem Partner treu
C: use condoms: Benutze Kondome

Über die Ursprünge von HIV/Aids gibt es verschiedene Theorien. Ohne mich in –für die Kondomproblematik nicht wichtigen- Einzelheiten zu verstricken sei die Anerkannteste davon kurz dargestellt.

Nach Beatrice Hahn stammt das menschliche HI-Virus ursprünglich vom Schimpansen ab, der das SI-Virus, sozusagen das Äquivalent in sich trägt. Durch Jagen und Schlachten von Menschenaffen, so ihre Theorie, konnte ein Blutkontakt zwischen Menschen und Affen hergestellt werden und der Virus übertrug sich auf den Menschen. Die Theorie ist in wissenschaftlichen Kreisen weitgehend anerkannt, da auch die Vielzahl verschiedener HIV-Typen auf dem afrikanischen Kontinent dafür spricht, hier den Ursprung von HIV zu vermuten.[5]

Entdeckt wurde HIV im Jahr 1981, als fünf junge Männer in Los Angeles erkrankten. Seitdem ist man auf der Suche nach dem Ursprung und den Behandlungsmöglichkeiten dieser Krankheit, die immer noch als nicht heilbar gilt.

Als Hintergrundinformation, und um die Dringlichkeit der Akzeptanz des Kondoms zu illustrieren folgen einige für den Umgang mit HIV relevanten Zahlen[6]:

- Seit 1981 sind rund 20 Millionen Menschen an den Folgen von Aids gestorben.
- In Afrika südlich der Sahara leben 10 % der Weltbevölkerung, jedoch 60 % aller
HIV-Infizierten.
- Im Jahr 2004 waren das Schätzungen von UNAIDS zufolge 25,4 Millionen
Menschen
- In Sub-Sahara-Afrika ist Aids damit zur ersten Todesursache geworden[7].
- Rate der Infizierten in Botswana hält einen traurigen Rekord: dort sind 37 % der Bevölkerung mit HIV infiziert.

Präventionskampagnen laufen auf Hochtouren und auch in der internationalen Politik wird Aids immer mehr Beachtung geschenkt. Die Internationale Gemeinschaft beispielsweise hat sich im Jahr 2000 in ihren „Milleniumszielen der Entwicklung“ dazu verpflichtet, die HIV/Aids –Epidemie bis 2015 in ihrer Ausbreitung aufzuhalten und umzukehren.[8]

[...]


[1] Böttcher, Andrea 2003: Die Aneignung technischer Artefakte. München. 41

[2] Böttcher, Andrea 2003:Die Aneignung technischer Artefakte. 31

[3] Böttcher, Andrea 2003:Die Aneignung technischer Artefakte. 37

[4] Wikipedia 2005: Kondom: http://de.wikipedia.org/wiki/kondom

[5] Schoofs, 2000: 29

5 Der Überblick 02/2005

6Gronemeyer 2002: So sirbt man in Afrika an Aids. Frankfurt a.M. 56

[8] http://www.aisd-kampagne.de/hintergrundinfos/index.thml

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Das Kondom in Afrika südlich der Sahara - Die Problematik einer Aneignung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Ethnologie und Afrikanistik)
Veranstaltung
Seminar: Grundfragen der Ethnologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
35
Katalognummer
V67367
ISBN (eBook)
9783638603485
ISBN (Buch)
9783656776659
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbiet behandelt das Thema HIV aus ethnologischer Perspektive. Kulturelle Hindernisse für die Akzeptanz des Kondoms stehen im Vordergrund., wie z.B. KÖrperverständnis, das Verständnis von HIV/Aids, traditionelle Deutungsversuche von HIV/Aids, das Verhältnis der christlichen Kirche zum Kondom, die Stellung der Frau, der Erwerb von Kondomen und westliche Präventionsprogramme. Habe viel Energie reingesteckt, da mir das Thema sehr am Herzen liegt.
Schlagworte
Kondom, Afrika, Sahara, Problematik, Aneignung, Seminar, Grundfragen, Ethnologie
Arbeit zitieren
Ruth Krause (Autor:in), 2005, Das Kondom in Afrika südlich der Sahara - Die Problematik einer Aneignung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67367

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