An der Frage, wie Gott, wenn er denn allmächtig, allwissend und vor allem allgütig ist, das Übel dieser Welt zulassen kann, scheiden sich die Geister. Während die einen recht schnell darauf verfallen, ihm die Existenz abzusprechen, versuchen die anderen, ihn auf jede erdenkliche Weise zu verteidigen und so ihr eigenes Weltbild aufrecht zu erhalten. Dabei greifen sie auch zu Argumentationen, mit denen man nicht nur den bekannten guten Gott, sondern ebenso sein genaues Gegenteil stützen kann. Wenden wir uns zunächst einmal dem Ausgangsproblem zu und leihen uns die Worte Epikurs, um es treffend darzulegen: „Ist Gott willens, aber nicht fähig, Übel zu verhindern? Dann ist er nicht allmächtig. Ist er fähig, aber nicht willens, Übel zu verhindern? Dann ist er nicht allgütig. Ist er jedoch sowohl fähig als auch willens, Übel zu verhindern? Dann dürfte es in der Welt kein Übel geben!“
Ein schwerwiegendes Problem, fürwahr. Natürlich ließe es sich ganz einfach lösen, indem man auf eine der beiden All-Eigenschaften verzichtete - aber ist ein Gott, der nicht allmächtig ist, noch ein Gott? Zumal in einer monotheistischen Religion? Und ist ein nicht allgütiger Gott noch der des Christentums? Schließlich baut gerade das Neue Testament auf der Vorstellung der Güte und Liebe Gottes auf. Also muss vor allem dem Christen daran gelegen sein, auch das Attribut „allgütig“ auf jeden Fall zu erhalten.
Wie aber will er das tun? Nun, entweder er modifiziert die Ausgangsbehauptungen - dies kann man als Umgehungsversuch verstehen -, oder er schafft es, die Eigenschaften doch noch kompatibel zu machen mittels Brückenthesen. Übliche Brückenannahmen sind die Berufung auf die geordnete Welt, das schöne Universum, die Bildung einer Moral oder die Freiheit des Menschen.
Die „geordnete Welt“ meint dabei, dass eine Welt, die durch Naturgesetze bestimmt wird, einer chaotisch funktionierenden vorzuziehen ist, auch dann, wenn durch diese Ordnung Leid entsteht. Das „schöne Universum“ verweist auf den Gesamtzusammenhang, in dem der einzelne Mensch, aber auch diese Erde steht, und betrachtet diesen als ein riesiges Kunstwerk, das aus Kontrastgründen auch Leid benötigt, um die Schönheit und das Gute umso heller strahlen zu lassen. Ein prominenter Vertreter dieser Theorie ist Leibniz mit seiner „besten aller möglichen Welten“, in der wir leben.
Inhaltsverzeichnis
- Der Gute und das Böse
- Vom Scheitern Gottes an den Übeln der Welt
- Die Ausgangsannahme
- Brückenannahmen zur Rechtfertigung Gottes
- Umgehungsversuche
- Leugnung des Leids
- Die Modifikation der Allgüte Gottes
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay analysiert die Problematik der Existenz des Bösen in einer Welt, die von einem allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott geschaffen wurde. Es werden verschiedene Theorien und Argumente diskutiert, die versuchen, diese scheinbare Inkompatibilität zu erklären oder zu widerlegen.
- Die Frage nach der Existenz Gottes angesichts des Leids in der Welt
- Die Unvereinbarkeit von Gottes Allmacht, Allwissenheit und Allgüte mit der Präsenz des Bösen
- Die Rolle von Brückenannahmen und Umgehungsversuchen zur Rechtfertigung Gottes
- Die Leugnung des Leids durch die Privationslehre
- Die Modifikation des Begriffs der Allgüte Gottes
Zusammenfassung der Kapitel
- Der Essay beginnt mit der Vorstellung des Ausgangsproblems: Wie kann ein allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott das Übel in der Welt zulassen?
- Es werden verschiedene Brückenannahmen zur Rechtfertigung Gottes vorgestellt, darunter die geordnete Welt, das schöne Universum, die Bildung einer Moral und die menschliche Willensfreiheit.
- Der Essay beleuchtet verschiedene Umgehungsversuche, die versuchen, die Ausgangsannahmen zu modifizieren, darunter die Verheißung auf ein jenseitiges Paradies, die Verbindung von Gott und Mensch im Leid und die Leugnung des Leids durch die Privationslehre.
Schlüsselwörter
Dieser Essay befasst sich mit zentralen Themen wie dem Problem des Bösen, der Existenz Gottes, dem Verhältnis von Gott und Mensch, der Rolle des Leids in der Welt, der Allmacht und Allgüte Gottes sowie verschiedenen Theorien und Argumenten zur Rechtfertigung oder Leugnung des Bösen. Es werden Begriffe wie Brückenannahmen, Umgehungsversuche, Privationslehre, Allgüte, Leid und Moral diskutiert.
- Arbeit zitieren
- Katrin Naujokat (Autor:in), 2003, Der Gute und das Böse: Vom Scheitern Gottes an den Übeln der Welt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67430