Bei der Beschäftigung mit dem Begriff „Intertextualität“ stößt der Interessierte in der Literatur schnell auf zwei unterschiedliche Theorien zur Intertextualität, die inhaltlich nicht miteinander zu vereinbaren sind. Es handelt sich dabei zum einen um die Theorie, welche Intertextualität als deskriptiven Oberbegriff zur Bestimmung der Beziehungen von Texten aufeinander betrachtet. Diese wurde von bedeutenden Strukturalisten, wie Roland Barthes und Gérard Genette formuliert wurde. Zum anderen existiert eine in ihrer Natur weitaus radikalere Intertextualitätstheorie, welche in den späten sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Vertretern des Poststrukturalisten, insbesondere von Julia Kristeva, entwickelt wurde. Der Intertextualitätsbegriff wird hier über das Niveau von Beziehungen von spezifischen Texten hinaus erweitert. Laut Kristeva ist Intertextualität die Eigenschaft aller existierenden Texte. Zusammen bilden sie den universalen Intertext („texte général“). 1 Bereits nach diesem kurzen Umriss wird deutlich, welche Komplexität und auch Widersprüchlichkeit der Intertextualitätsbegriff beinhaltet. Beide Theorien existieren gleichberechtigt nebeneinander und sind jeweils im Kontext der wissenschaftlichen Verfahrensweisen Strukturalismus und Postrukturalismus zu sehen. Ziel dieser Arbeit soll es sein, in einem ersten, theoretischen Teil beide Intertextualitäts-theorien darzustellen, wobei der gegebene Rahmen einer Seminararbeit selbstverständlich nur eine Beschränkung auf die wesentlichen Inhalte erlaubt. Des Weiteren will ich mich, insbesondere im Hinblick auf den zweiten, praktischen Teil dieser Arbeit, dem umfassenden intertextualitätstheoretischen Modell von Gérard Genette widmen. Darüber hinaus möchte ich im letzen Punkt des theoretischen Teils die Möglichkeiten der Markierung von Intertextualität in einem Text behandeln. In dem schon erwähnten zweiten Teil der Arbeit möchte ich die praktische Verwendung von Intertextualität am Beispiel von Tom Stoppards hochgradig intertextuellen, postmodernen Drama „Travesties“ behandeln.
Gliederung:
I. Einleitung: Polyvalenz des Intertextualitätsbegriffs
II. Darstellung
1. Intertextualität in der Theorie
1.1 Poststrukturalistische Definition
1.2 Strukturalistische Definition
1.3 Intertextualität nach Gérard Genette
2. Intertextualität in Tom Stoppards Drama „Travesties“
III. Schluss: Gattungseinordnung von „Travesties“
Literaturverzeichnis:
I. Einleitung: Polyvalenz des Intertextualitätsbegriffs
Bei der Beschäftigung mit dem Begriff „Intertextualität“ stößt der Interessierte in der Literatur schnell auf zwei unterschiedliche Theorien zur Intertextualität, die inhaltlich nicht miteinander zu vereinbaren sind.
Es handelt sich dabei zum einen um die Theorie, welche Intertextualität als deskriptiven Oberbegriff zur Bestimmung der Beziehungen von Texten aufeinander betrachtet. Diese wurde von bedeutenden Strukturalisten, wie Roland Barthes und Gérard Genette formuliert wurde.
Zum anderen existiert eine in ihrer Natur weitaus radikalere Intertextualitätstheorie, welche in den späten sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Vertretern des Poststrukturalisten, insbesondere von Julia Kristeva, entwickelt wurde. Der Intertextualitätsbegriff wird hier über das Niveau von Beziehungen von spezifischen Texten hinaus erweitert. Laut Kristeva ist Intertextualität die Eigenschaft aller existierenden Texte. Zusammen bilden sie den universalen Intertext („texte général“).[1]
Bereits nach diesem kurzen Umriss wird deutlich, welche Komplexität und auch Wider-sprüchlichkeit der Intertextualitätsbegriff beinhaltet. Beide Theorien existieren gleichberechtigt nebeneinander und sind jeweils im Kontext der wissenschaftlichen Verfahrensweisen Strukturalismus und Postrukturalismus zu sehen.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, in einem ersten, theoretischen Teil beide Intertextualitäts-theorien darzustellen, wobei der gegebene Rahmen einer Seminararbeit selbstverständlich nur eine Beschränkung auf die wesentlichen Inhalte erlaubt. Des Weiteren will ich mich, insbesondere im Hinblick auf den zweiten, praktischen Teil dieser Arbeit, dem umfassenden intertextualitätstheoretischen Modell von Gérard Genette widmen. Darüber hinaus möchte ich im letzen Punkt des theoretischen Teils die Möglichkeiten der Markierung von Intertextualität in einem Text behandeln.
In dem schon erwähnten zweiten Teil der Arbeit möchte ich die praktische Verwendung von Intertextualität am Beispiel von Tom Stoppards hochgradig intertextuellen, postmodernen Drama „Travesties“ behandeln.
II. Darstellung
1. Intertextualität in der Theorie
1.1 Poststrukturalistische Definition
Die Definition des Begriffs Intertextualität aus poststrukturalistischer Sichtweise hat ihre Wurzeln in den Arbeiten Michail Bachtins (1895-1975), einem russischen Literaturwissen-schaftler. In einem 1929 erschienen Werk legte Bachtin seine „Dialogizitätslehre“ vor, die er in Bezug auf die philosophischen Romane Dostojewskijs entwickelt hatte. Darin stellte er das Konzept vor, nachdem der Dialog der Stimmen in den Werken Dostojewskijs den Dialog der Stimmen seiner Zeit und seiner Epoche widerspiegelt.
Diesen Ansatz nahm Julia Kristeva (*1941) auf und entwickelte ihn weiter. Auch für Kristeva sind, bedingt durch die soziale Natur des Mediums Sprache, „die Wörter, die wir benutzen, bereits angereichert mit den Intentionen und Äußerungen anderer Sprecher“.[2] Wenn damit also in allem, was ein Einzelner sagt, die Formulierungen und Untertöne der Sprecher mitschwingen, die Ähnliches bereits vor uns gesagt haben, bezieht sich streng genommen jede Aussage auf die Äußerungen, die „irgendwann von irgendwem“ einmal gemacht wurden. Nach Ansicht der Poststrukturalisten wird damit jede Äußerung zum Zitat. Der Philologe Karlheinz Stierle formulierte
„Die Stimme des Textes ist begleitet vom Rauschen der Intertextualität. In jedem
Wort ist das Rauschen seiner Bedeutungen und Verweisungen vernehmbar. Jeder
Satz, jede Satzbewegung löst Erinnerungen, Verweisungen aus, und bei entspre-
chender Richtung der Aufmerksamkeit kann die Stimme der Intertextualität die
Stimme des Textes übertönen.“[3]
Am Ende der sechziger Jahre des 20.Jahrhunderts formulierte dann Julia Kristeva, dass, basierend auf der Annahme, dass alles Zitat ist, jeder Text ein „Mosaik von Zitaten und damit
jeder Text „die Absorption und Transformation eines anderen Textes ist“.[4]
Dadurch wird für die poststrukturalistische Literaturwissenschaft „das literarische Werk zum Netz anderer Texte, das durch eine Überlappung von Eigen- und Fremdtext Palimpsestcharakter annimmt und seine Entstehung nicht ausschließlich der Kreativität des Autors verdankt.“[5] Als Palimpsest ist hierbei das „Durchscheinen“ des Prätextes, des vorangegangenen Textes unter dem Hypertext, also dem vorliegenden Text zu verstehen, wobei der ursprüngliche Text nur überlagert wird, aber nie ganz getilgt wird.[6]
Entscheidend für das Intertextualitätsverständnis Kristevas wurde weiterhin der generalisierte Textbegriff der postmodernen Semiotik, nach dem alles Text ist. Laut Roland Barthes ist unter dem Begriff Text auch „die Tageszeitung oder der Fernsehschirm“[7] zu sehen. Somit entsteht aus poststrukturalistischer Sichtweise das Konzept des universalen Intertexts, der die Summe aller existierenden Texte aller Kulturen darstellt. Jedes Wort, jede Äußerung und Formulierung ist demnach Teil dieses „texte général“. Texte sind demnach nicht mehr als autonome Einzelobjekte zu sehen. Sie sind eingebunden die Textur des Intertexts und beziehen sich immer wieder auf alle anderen Texte innerhalb dieses Systems.
Hier scheint auch eine Verknüpfung mit der Theorie der Postmoderne durch, nach der in der Literatur „alles schon einmal da war“ und deshalb nur noch die Möglichkeit bleibt, den uner-schöpflichen Fundus des „texte général“ immer wieder neu zu „re-arrangieren, collagieren und zu dekonstrieren.“[8]
Auf den Punkt gebracht lässt sich sagen, dass Intertextualität im poststrukturalistischen Konzept nicht nur die Beziehung eines bestimmte Textes zu einem anderen ist, sondern die Eigenschaft aller Texte bezeichnet.
[...]
[1] „Intertextualität“. Metzler Lexikon: Literatur und Kulturtheorie.. S.288.
[2] „Intertextualität". Metzler Lexikon: Literatur und Kulturtheorie. S.287.
[3] Stierle, Karlheinz. „Werk und Intertextualität.“Dialog der Texte. Hamburger Kolloquium zur Intertextualität.
Wolf Schmid and Wolf-Dieter Stempel. Wien: Wiener Slawistischer Almanach, 1983. S.13.
[4] „Intertextualität“. Metzler Lexikon: Literatur und Kulturtheorie. S.287.
[5] Köster, Thomas. „Poststrukturalismus“. Microsoft Encarta Encarta 2003.
[6] Genette, Gerard. Palimpseste: Die Literatur auf zweiter Stufe. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1983. Vorwort.
[7] Pfister, Manfred.„Intertextualiät“. Moderne Literatur in Grundbegriffen. Frankfurt/M: Athenäum, 1987. S.198.
[8] Pfister, Manfred.„Intertextualiät“. Moderne Literatur in Grundbegriffen. Frankfurt/M: Athenäum, 1987.S.199.
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